Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Antrag des Abgeordneten Holger Arppe, fraktionslos Unseriöse „Kaffeefahrten“ in Mecklenburg-Vorpommern bekämpfen – Drucksache 7/4289 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Holger Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Bürger! Der Herr Innenminister hat sich ja bereits während der letzten Sitzungswoche des Landtages ein wenig despektierlich zu diesem Antrag geäußert, bei dem es um die Problematik der sogenannten Kaffeefahrten geht, im Fachjargon auch

Wanderlager genannt. Gleichwohl gibt es dafür nicht den geringsten Anlass.

Jedes Jahr nehmen rund fünf Millionen Deutsche an solchen Kaffeefahrten teil und verschaffen den Veranstaltern einen Gewinn von circa 500 Millionen Euro. Eine Kleine Anfrage meinerseits hat ergeben, dass im Zeitraum von 2010 bis 2018 allein in Mecklenburg-Vorpommern 2.082 sogenannte Kaffeefahrten durchgeführt wurden, also im Schnitt 231 pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen Teilnehmerzahl von 20 Personen wären also insgesamt rund 42.000 Bürger betroffen.

Geködert werden potenzielle Teilnehmer an solchen Kaffeefahrten durch in der Regel postalisch verschickte Einladungen. Man verspricht darin attraktive Gewinne oder gar Geschenke sowie häufig auch ein touristisches Beiprogramm und eine unentgeltliche Beköstigung. Dann geht es mit Bussen zu einsam gelegenen Landgasthöfen, ein Entrinnen ist den Mitreisenden somit kaum möglich, sie sind dem Veranstalter buchstäblich ausgeliefert.

Den durch die stundenlange Busfahrt bereits weichgekochten Senioren werden anschließend tatsächlich die versprochenen Geschenke präsentiert – das sind dann meistens Haushaltsgeräte, Schmuck oder Kosmetika –, allerdings ist der Erhalt an den Kauf eines bestimmten, völlig überteuerten Produkts gebunden, das ein geschulter Verkäufer in der Folge auf manipulative Weise stundenlang anpreist. Das können zum Beispiel eine Matratze gegen Demenz für 2.900 Euro sein, eine Vitaminsaftkur für 1.300 Euro oder ein Nackenmassagegerät für 2.700 Euro, welches im Internet allerdings schon für ganze 55 Euro zu haben wäre. Vor allem, wenn es um angeblich gesundheitsfördernde Produkte geht, wird gezielt mit der Angst der Senioren vor drohender Hinfälligkeit oder gar dem Tod gespielt. Nicht selten kommt es aber auch zu Drohungen und psychischem Druck. Auf alle Fälle handelt es sich hier um geschäftsmäßigen Betrug.

Bei den sogenannten Kaffeefahrten haben wir es freilich mit einem komplexen Problem zu tun. Die Veranstalter handeln ja nicht allein, sondern sind auf die Beteiligung von Druckereien, Busunternehmen und Gastwirten angewiesen. Diese wiederum können das Geld, welches ihrerseits an den Kaffeefahrten zu verdienen ist, fraglos sehr gut gebrauchen. Gerade Gasthöfe auf dem Lande leiden bekanntlich seit Jahren unter rückläufiger Kundschaft. Da kommt ein Bus voller Senioren in der Regel wie gerufen. Dass hier kriminelle Betrüger am Werke sind, nehmen die häufig in einer wirtschaftlichen Zwangslage befindlichen Gastronomen kritiklos hin.

Gleiches gilt für die Busunternehmen. Bei jährlich fünf Millionen Teilnehmern an solchen Kaffeefahrten kann man sich leicht ausmalen, dass es auch transportseitig um sehr viel Geld geht. Folgerichtig hat sich der Verband der Omnibusunternehmer in einem Positionspapier auch gegen Sanktionen in Bezug auf Kaffeefahrten ausgesprochen. Alle Gesetzesinitiativen, die darauf abzielten, den Veranstaltern von Kaffeefahrten das Wasser abzugraben, sind bis anhin in den parlamentarischen Mühlen stecken geblieben, eben, weil so viele unterschiedliche Geschäftsinteressen berührt werden oder weil in anderen Fällen EU-Recht im Wege ist. Bleibt also nur die Aufklärung vor Ort und der Kampf gegen derlei Machenschaften auch vor Ort.

Um bei der Bekämpfung dieser Art von durchaus organisierter Kriminalität erfolgreich zu sein, muss das Problem im Hinblick auf Mecklenburg-Vorpommern gezielt untersucht und aufgearbeitet werden. Angesichts des bereits bekannten Ausmaßes des Phänomens der Kaffeefahrten und der aufgrund dessen zu vermutenden Opferzahlen kann das Argument zusätzlicher bürokratischer Belastung, wie vom Herrn Innenminister bereits vorgetragen, nicht wirklich akzeptiert werden. Nur genauere Kenntnisse werden zu einer wirksameren Bekämpfung und Aufklärung führen.

Senioren in Deutschland und auch in MecklenburgVorpommern leiden zunehmend unter Altersarmut, sie müssen nach Jahrzehnten harter Arbeit immer öfter von einer sehr niedrigen Rente leben. So, wie es derzeit aussieht, dürfte sich das Problem der Altersarmut fürderhin eher verschärfen. Auch deswegen ist es nicht hinnehmbar, dass gerade solche Senioren den kriminellen Machenschaften der Kaffeefahrtenbetreiber in den genannten Größenordnungen zum Opfer fallen und ihres wenigen Geldes da oft verlustig gehen. Dieser Teufelskreis aus Armut, Einsamkeit und in der Folge größerer Anfälligkeit für betrügerische Angebote dieser Art muss durchbrochen werden. – Vielen Dank.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dachner.

(Heiterkeit und Beifall Andreas Butzki, SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Arppe, Sie machen es sich sehr einfach. Sie stellen einen Antrag oder eine Kleine Anfrage an den Minister, dann tragen Sie das hier vor. Aber das können Sie natürlich auch nicht schaffen, alleine einen vernünftigen Antrag zu erarbeiten, wenn Sie um 13.00 Uhr kommen, um 14.00 Uhr wieder nach Hause fahren

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

und nicht einen einzigen Tag hier durchgängig mal im Landtag arbeiten. Dann ist es natürlich klar, dass Sie sich hier auf solche Dinge zurückziehen.

(Beifall Dirk Friedriszik, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Außerdem habe ich noch nie erlebt, dass eine gesonderte Statistik und Erfassung jemals zur Verhinderung von Straftaten geführt haben. Straftaten und Statistiken auszuwerten, verhindert also keine Straftaten. Sicherlich sind wichtige Begehungsweisen und Straftatbestände zu analysieren. Also die Polizei hat neben der Gefahrenabwehr den gesetzlichen Auftrag, Straftaten vorzubeugen, aufzuklären und zu verfolgen. Diesen Auftrag erfüllt die Polizei in zunehmend guter Qualität. Und das kann man auch unschwer an der Kriminalstatistik, die Sie ja erwähnt haben wollen, ablesen. Auch in Betrugsfällen ist

seit Jahren diese Straftatenart rückgängig. Und wenn man die Aufklärungsquote sieht, liegt sie zwischen 45 und 90 Prozent. Also ich denke, die Polizei muss man hier nicht belehren.

Die Betrugsfälle, wie gesagt, sind insbesondere nicht an eine neue Statistik gebunden, wenn man sie aufklären will, sondern insbesondere an das konsequente Anzeigeverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, der Opfer der Betrugsfälle. Sollten sich aus dieser Straftatenbegehung und aus der Analyse der Straftat, die ja in allen Polizeistationen, Polizeirevieren, Inspektionen und Präsidien Pflicht ist, Erkenntnisse ergeben, haben natürlich die Dienststellen auch die Aufgabe, eine Schwerpunktbekämpfungsstrategie zu entwickeln und danach zu handeln. Dazu braucht die Polizei nicht eine gesonderte Statistik. Und dazu gehört natürlich auch die kontinuierliche Präventionsarbeit durch Präventionsberater, Seniorenberater – alles, was Ihnen der Innenminister schon geschrieben hat. Auch insbesondere die örtlichen Präventionsräte sind hier eingebunden.

Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich frage mich natürlich, Herr Arppe, was Sie mit Ihrem pseudopolitischen Antrag und der Arbeit in unserem Land erreichen wollen. Sie sind doch eigentlich – was heißt eigentlich –, Sie sind politisch isoliert und moralisch tot, nachdem Journalisten Ihre rassistischen, gewaltpornografischen verherrlichenden Ausfälle vermeintlich aufgedeckt haben. Ich will hier nichts wiederholen, aber wenn Sie hier im Landtag auftauchen, dann müssen Sie sich gefallen lassen, mit Ihren eigenen Zitaten konfrontiert zu werden. Und ich will Ihnen nur das vorhalten, was Sie auch hier tun.

Und Sie sagen ja an einer Stelle, vermeintlich, „wenn wir“ dann „endlich“ dazu bereit „sind, … stellen wir sie alle an die Wand“. Wen meinen Sie? Die Teilnehmer der Kaffeefahrten auch? Meinen Sie uns oder wen meinen Sie eigentlich? Das haben Sie allerdings noch nie konkretisiert. Und Sie verfolgen genau das Ziel, das Sie selbst beschrieben haben: „Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen“ und „uns gegebenenfalls anpassen“. Anpassen! Und das tun Sie hier auch.

(Holger Arppe, fraktionslos: Reden Sie mal zum Thema!)

Und „dann stellen wir sie alle“,

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

und „dann stellen wir sie alle an die Wand“. Genau das ist die Absicht Ihres Antrags, politisch hier Einfluss zu gewinnen. Nur bei wem, ist die Frage. Den Menschen in unserem Land sind Sie vollkommen, total unwichtig. Solange Sie sich nicht öffentlich entschuldigt haben für das, was Sie geschrieben oder gesagt haben,

(Holger Arppe, fraktionslos: Sollen! Sollen!)

werden Sie sich gefallen lassen müssen,

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

mit diesen Zitaten konfrontiert zu werden.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist eine infame Unterstellung.)

Sie bleiben politisch isoliert und sind moralisch tot.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Marc Reinhardt, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Dachner – ist er noch da?

(Martina Tegtmeier, SPD: Selbstverständlich. – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Ich weiß nicht, ob das, wie Sie sich eben geäußert haben, fair ist,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

ob das vernünftig ist.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Es geht mir nicht darum, irgendwie Fehlverhalten – ich kenne die Sache ja sehr gut – zu rechtfertigen, wir haben auch als Partei Schlüsse gezogen, aber das hier so auszubreiten, ist nicht in Ordnung.

(Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

Also bei dem Antrag geht es um die statistische Erfassung von Kriminalität im Kontext von sogenannten Kaffeefahrten. Es ist richtig, dass Schätzungen zufolge rund fünf Millionen Deutsche jährlich an sogenannten Kaffeefahrten teilnehmen, und zweifelsfrei gibt es neben vielen seriösen Betreibern auch unseriöse Anbieter, die die Unwissenheit und Gutgläubigkeit der vorwiegend älteren Teilnehmer zu ihrem Vorteil ausnutzen. Die Nachteile liegen vor allen Dingen im Kauf von Waren, die die Teilnehmer eigentlich gar nicht gebrauchen können oder die erheblich überteuert sind. Da gibt es abenteuerliche Beispiele. Herr Arppe hat hier einige aufgeführt.

Aber es ist natürlich nicht so, als ob jetzt alles nur so abliefe. Viele, bei fünf Millionen, viele, viele Kaffeefahrten, jährlich die meisten, laufen – vielleicht für uns nicht attraktiv –, laufen in Ordnung ab, ohne Betrug und ohne große Benachteiligung. Bei alledem ist die Grenze vom Kauf, an dem es eigentlich nichts zu beanstanden gibt, über den Kauf einer eigentlich überflüssigen Sache zu einem noch akzeptablen Preis bis zum Kauf einer völlig überteuerten und meist auch nicht benötigten Sache, zu dem der Kunde durch Täuschung oder gar Nötigung, zum Beispiel durch Androhung, sonst würde die Rückfahrt verweigert, veranlasst wird, fließend.

Rechtlos sind die Teilnehmer einer solchen Kaffeefahrt nicht. Sie sind durch Bestimmungen des Gewerberechts, durch Bestimmungen des BGB, wonach meist ein Widerrufsrecht besteht, und letztlich durch das Strafrecht, hier auch durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, geschützt. Und sie sind vor allem dadurch geschützt, dass sie zu keiner dieser Fahrten gezwungen