Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

Nach dem Grundgesetz tragen Bund und Länder einschließlich ihrer Kommunen alle Ausgaben zur Wahrnehmung ihrer jeweils zugeordneten Aufgaben gesondert. Da die Hartz-IV-Lasten für die Kommunen insgesamt nicht mehr allein zu tragen waren, beteiligt sich der Bund seit 2005 an den Kosten der Unterkunft für Hartz-IVBedarfsgemeinschaften mit unterschiedlichen Beteiligungsraten.

Die Bedeutung der Bundesbeteiligung geht mittlerweile weit über die Finanzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung hinaus. Sie hat sich zu einem Sammelbecken für Kommunalentlastungen durch den Bund entwickelt. Der Bund hat sie in erheblichem Umfang genutzt, um auf die Länder allgemeine Mittel zur finanziellen Entlastung der Kommunen zu verteilen. Gleichzeitig achtet der Bund darauf, dass der prozentuale Anteil insgesamt nicht 49,9 Prozent überschreitet, um nicht in den Bereich der Bundesauftragsverwaltung gemäß Artikel 85 Grundgesetz zu kommen.

Im Jahr 2019 diente die Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung unter anderem folgenden Zwecken: der Sockel KdU-Beteiligung des Bundes für Mittagessen, Hort, Schulsozialarbeit, für die Stärkung der Kommunalfinanzen durch das Kommunalinvestitionsför

derungsgesetz, für Bildung und Teilhabe nach Paragraf 46 Absatz 8 SGB II und die Übernahme der KdU für anerkannte Asylbewerber.

Die konkreten Prozentpunkte für Mecklenburg-Vorpommern ergeben sich aus der BundesbeteiligungsFestlegungsverordnung. Bei Kenntnis dieser Verordnung wäre sicherlich der Beitrag der LINKEN zur Ersten Lesung etwas qualifizierter ausgefallen. Ein Ländervergleich zeigt, dass die Beteiligung des Bundes an den Ausgaben für Unterkunft und Heizung in 2020 in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit 41,9 Prozent am niedrigsten ist. Deutlich höher beteiligt sich der Bund an diesen Kosten in Hamburg mit 51,8 Prozent oder Rheinland-Pfalz mit 55,3 Prozent. Da direkte Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen nach dem Grundgesetz so gut wie unmöglich sind, wird die jeweilige Bundesbeteiligung an das Land gegeben.

Leider ist der Landesgesetzgeber nicht an die sachliche Zweckbindung des Bundes gebunden. Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes wurden als landesgesetzliche Regelung 3,1 Prozent aus der Sockel-KdU-Beteiligung des Bundes vom Landesgesetzgeber zur Deckung der Kosten für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes einschließlich der Verwaltungskosten und der Finanzierung von Schulsozialarbeitern im Jahr 2011 umgeleitet.

Aus unserer heutigen Sicht sind diese Finanzverschiebungen fragwürdig. Wenn der Regierung das Bildungs- und Teilhabepaket wichtig ist, dann sollte sie hierfür entsprechende Mittel im Landeshaushalt bereitstellen und nicht die Sockel-KdU-Beteiligung der Kommunen kürzen. Zu den „Erfolgen“, in Anführungsstrichen, des Bildungs- und Teilhabepaketes habe ich in der Ersten Lesung schon ausreichend kritische Anmerkungen gemacht.

Wir sind überzeugt, dass die Finanzströme im Land nach den Prinzipien von Klarheit und Wahrheit transparent gestaltet werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das heißt einerseits, dass zweckgebundene Mittel des Bundes für Kommunen auch an die Kommunen weiterzuleiten sind und dass andererseits die Finanzierung der Kosten der Unterkunft und Heizung und die Aufwendungen für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes voneinander strikt zu trennen sind. Wir kritisieren die Praxis der Landesregierung, zweckgebundene Bundesmittel nach eigenem landespolitischem Gutdünken anderweitig zu verwenden.

Ziel meiner Fraktion ist es, dass Gemeinden bei uns im Land finanziell gut ausgestattet und dass Finanzmittel des Bundes mit kommunaler Zweckbindung möglichst eins zu eins an sie weitergegeben werden. Ich finde es bedauerlich, dass unser Gesetzentwurf nicht einmal in die zuständigen Ausschüsse überwiesen und dort diskutiert werden konnte.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Es ist kein gutes Zeichen für den Zustand der Demokratie in diesem Parlament.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Heydorn. Wo ist er denn? – Da.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Ihre Feststellung zum Schluss, Herr Dr. Jess, die lässt natürlich schon wieder den richtigen Einblick zu. Wenn die Dinge nicht so laufen, wie sich die AfD das vorstellt, dann sind das hier fürchterliche Zustände im Parlament. Das sehen wir natürlich anders.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja, natürlich!)

Und das, was hier passiert ist, ist doch eine ganz klare Entscheidung. Sie reden von zweckgebundenen Mitteln, aber so zweckgebunden sind die Mittel dann halt doch nicht. Das heißt, die Landesregierung hat die Möglichkeit, auf den Grundsockelfinanzierungsbetrag Einfluss zu nehmen, wie sie es macht, indem sie zum Beispiel sagt, wir zwacken davon etwas über 3 Prozent ab für das Thema „Bildung und Teilhabe“. Das ist eine völlig korrekte Entscheidung, die von uns auch mitgetragen wird. Also wir sind sehr dafür, dass das Thema „Bildung und Teilhabe“ finanziert wird.

Ich gebe Ihnen recht, also das Bildungs- und Teilhabegesetz und die Umsetzung war in der Vergangenheit von Schwierigkeiten gekennzeichnet, gerade was die Administration anging und was den Aufwand betraf, den einzelne Antragsteller zu betreiben hatten. Das muss man verbessern, aber das heißt ja nicht, dass das grundsätzlich falsch ist. Und ich war schon in einer Zeit in dem Bereich unterwegs, als wir noch völlig andere Zuständigkeiten hatten. Ich will daran erinnern, wir hatten früher mal das Bundessozialhilfegesetz, und das Bundessozialhilfegesetz kannte einen großen Bereich, das war der Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt. Also Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten konnten, kriegten diese Hilfe. Finanzierungsmäßig zuständig außerhalb von Einrichtungen waren immer dafür die Kreise und kreisfreien Städte.

Mit der Einführung des SGB II – das lief ja damals unter dem großen Stichwort „kommunale Finanzreform“ – hat der Bund gesagt, in Größenordnungen übernehmen wir derartige Kosten, weil es ist kein marginaler Personenkreis mehr und es ist auch kein marginaler Leistungsumfang. Das heißt, das, was wir – wir waren ja damals als SPD auch schon dabei –, was wir damals gemacht haben, war eine Entlastung der kommunalen Ebene sondergleichen. So was hat es selten gegeben, weil wir die ganzen Kosten, die haben wir irgendwie weitestgehend von den Kommunen weggezogen und anders finanziert. So.

Und wenn man heute hergeht und sagt, bei dieser Entlastungssituation nehmen wir von dem Geld einen bestimmten Prozentsatz – diese etwas über drei Prozent, die Sie angesprochen haben –, um damit Bildungs- und Teilhabeleistungen zu finanzieren, halte ich das für zulässig, das halte ich für mittragensfähig. Und deswegen haben wir Ihr Gesetz auch nicht in den Ausschüssen erörtert, weil für uns gab es ja keinen Erörterungsbedarf. Wir haben diese Position und daran halten wir fest, und

deswegen werden wir Ihr Gesetz auch heute ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ehe ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich eine neue Besuchergruppe auf unserer Tribüne. Das sind Schülerinnen und Schüler des Gymnasialen Schulzentrums in Dömitz. Herzlich willkommen!

Jetzt hat für die Fraktion DIE LINKE das Wort der Abgeordnete Foerster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch der heutige Vortrag von Herrn Dr. Jess konnte meine Fraktion nicht von Ihrer Gesetzesinitiative überzeugen. Wir reden hier über ein Ausführungsgesetz zum SGB II, und dieses kann die SGB-II-Gesetzgebung nicht ändern beziehungsweise die wesentlichen Probleme, die wir damit sehen, heilen. Wie Sie wissen, würde die Linksfraktion lieber heute als morgen Hartz IV überwinden, das Bildungs- und Teilhabepaket ersetzen und beispielsweise endlich eine Kindergrundsicherung einführen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das haben wir in der Vergangenheit auch immer wieder deutlich gemacht.

(Torsten Renz, CDU: Warum gibt es dafür keine politische Mehrheit?)

Der Kollege Heydorn führte im Oktober aus, dass sich auch die SPD intensiv mit der Kindergrundsicherung beschäftige und dass sich mit einer solchen das Thema Bildungs- und Teilhabepaket weitestgehend erledigt hätte. Ich kann ihm da nur vollumfänglich zustimmen und ihn bitten, sich mit der Umsetzung zu beeilen, weil der SPD vielleicht nicht mehr allzu viel Zeit dazu bleibt,

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

und das sage ich jetzt tatsächlich ohne jede Häme.

In Ihre Richtung, Herr Dr. Jess, möchte ich noch Folgendes kurz anmerken: Die Bundesregierung lehnt derzeit eine Bundesauftragsverwaltung nach Artikel 104 Grundgesetz für Leistungen der Unterkunft und Heizung ab. Die Linksfraktion im Deutschen Bundestag scheiterte mit einem entsprechenden Antrag, eine solche schrittweise einzuführen, und Gleiches gilt im Übrigen auch für die Bemühungen des Bundesrates. Dieser wollte ja zumindest die gesetzliche Obergrenze, die eine Bundesauftragsverwaltung ausschließen soll, verändern. Die hat heute einen Wert von 49 Prozent maximal. Die Länder wollten diese Grenze auf 49,9 Prozent anheben. Weil der Bund seine Beteiligung aber auf 49 Prozent deckelt, wurde die Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung, von der Sie auch sprachen, so hingerechnet, dass es wieder passt.

Das ist zuletzt Mitte November geschehen mit dem Gesetz zur Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten der Länder und Kommunen in den Jahren 2020 und 2021, nachzulesen auf Drucksache 19/14246. Damit werden zwei weitere Jahre lang Kommunen von den

zusätzlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für Bedarfsgemeinschaften mit anerkannten Asylbewerbern und Schutzberechtigten in der Grundsicherung für Arbeitslose entlastet. Und das erfolgt durch eine besondere Anhebung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung und dafür hat man das SGB II auch entsprechend geändert. Die Mehrausgaben in den Jahren 2020 und 2021 liegen jeweils bei rund 1,8 Milliarden Euro. Aufgrund der gesetzlichen Obergrenze der Bundesbeteiligung von höchstens 49 Prozent wird der Bundesanteil, der nicht über die Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung erstattet werden kann, wieder durch eine Anhebung des Umsatzsteueranteils der Gemeinden zulasten des Bundes erbracht. So weit noch mal zu diesem Sachverhalt.

Politisch bewertet würde die Linksfraktion lieber die Kommunen von den Sozialkosten entlasten. Diese sind besonders hoch in strukturschwachen Regionen, in denen auch die Steuereinnahmen gering sind. Aktuell ist es eben so, dass die Kommunen mit hohen Steuereinnahmen profitieren, und die haben oft dann eben auch geringe Sozialausgaben. Der hier vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der AfD würde an der Situation nichts ändern und daher lehnen wir ihn auch ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete FriemannJennert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren!

Ich finde es bedauerlich, sehr geehrte AfD-Fraktion, dass Sie Ihren Gesetzentwurf nicht bereits nach der Ersten Lesung zurückgezogen haben,

(Stephan J. Reuken, AfD: Wir hätten ja im Ausschuss darüber diskutieren können.)

da die Grundstruktur auch heute noch unzutreffend ist und wir uns damit erneut mit Ihrem Entwurf befassen. Es ist doch bizarr, dass Sie sich heute mit Ihrem Vorschlag noch mal ans Rednerpult stellen.

Sicher kann man die Dinge auf verschiedene Weise finanzieren. Ihr Gesetzentwurf zielt darauf ab, die finanzielle Bundesbeteiligung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende im SGB II an den Kosten für Unterkunft und Heizung vollständig an die kommunale Ebene weiterzuleiten. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass dies der Fall ist! Die Mittel werden vollständig an die Landkreise und somit an die kommunale Ebene durchgereicht. Die 3,1 Prozent der Mittel, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf irrtümlich als unrechtmäßige Einbehaltung darstellen, werden gesondert als Mittel für Bildung und Teilhabe weitergeleitet. Seit 2011 wird diese Praxis so angewandt.

Wie schon in der Ersten Lesung im Oktober 2019 herausgearbeitet, werden die Mittel durch einen Ausgleichsmechanismus im Landesausführungsgesetz des Zweiten Sozialgesetzbuches des Bundes an die kommunale Ebene ausgereicht. Würde dieser Paragraf im

Landesausführungsgesetz beibehalten, so, wie Sie es weiter fordern, würden diese Mittel doppelt ausgegeben.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Das ist doch Quatsch!)

Das ist aber so.

Nach der jetzt Zweiten Lesung dürfte dieser Sachverhalt aufgrund der Eindeutigkeit des Ausgleichsmechanismus geklärt sein. Wir werden Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Vielen Dank.