Und deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, jedem und jeder Einzelnen zu danken. So eine Corona-Krise managt nicht die Regierung alleine, nicht das Parlament alleine, es kommt jetzt auf jede Bürgerin und jeden Bürger an, so wie in den letzten Wochen. Und deshalb sage ich Danke dafür. Und ich möchte auch den Bürgerinnen
und Bürgern sagen, ich vermisse sie. Das Beste an dem Job einer Ministerpräsidentin ist, dass man ganz – so empfinde ich das –, dass ich ganz viele Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern habe. Ob es Unternehmensbesuche sind, Vereinsbesuche, Demonstrationen, schwierige Gespräche, ob es Bürgerdialoge sind, drei Stunden lang, von Kita bis zum Windrad, ob es emotional schwierige Themen sind wie die Palliativversorgung von schwerkranken Kindern – all das vermisse ich in den letzten Wochen, und ich wünsche mir genau wie alle anderen, dass wir die Dinge wieder öffnen können und dass auch wieder mehr Bürgerdialog möglich ist.
Und ich bitte darum, dass wir weiter aufeinander Acht geben und dass wir uns umeinander kümmern. Ich bedanke mich bei allen, die diese für uns bisher unvorstellbaren und hohen Belastungen ertragen haben. Wir dürfen jetzt das Erreichte nicht leichtsinnig gefährden. Deswegen meine Bitte an jede Bürgerin, an jeden Bürger: Halten Sie weiter durch! Lassen Sie uns weiter zusammenhalten, damit wir besonnen, zuversichtlich und solidarisch, gut und gesund durch diese Krise kommen! – Vielen Dank!
Und gestatten Sie mir an dieser Stelle kurz die Äußerung, wir haben uns alle sehr über die gestrige Nachricht gefreut.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Redezeit von bis zu 155 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, dem soeben erfolgten Einwurf der Landtagspräsidentin kann ich mich im Namen meiner Fraktion nur anschließen.
Wir leben wenige Wochen nach dem sogenannten Shutdown in einem anderen Land. Das Corona-Virus hat die Freiheit und das Leben vieler unserer Bürger in Mecklenburg-Vorpommern stark eingeschränkt. Die Gesellschaft ist verunsichert und Existenzängste sind inzwischen Realität. Zu Beginn der Krise, als noch nicht absehbar
war, ob unser Gesundheitssystem in Mecklenburg-Vorpommern für die Ausnahmesituation gerüstet ist, haben wir die Landesregierung unterstützt. Das Handeln der AfD-Fraktion gemeinsam mit der Regierung hat der damals unklaren Datenlage und dem ungewissen Infektionsgeschehen Rechnung getragen. Der Wirtschaft unseres Landes wurde damit parteiübergreifend Hilfe signalisiert. Dieser Burgfrieden Anfang April war wichtig und richtig.
Meine Damen und Herren, in der heutigen Aussprache zur Regierungserklärung geht es nicht darum, die Gefährlichkeit des neuartigen Corona-Virus zu relativieren, es geht darum, die aktuellen Corona-Daten unseres Landes in eine vernünftige Verhältnismäßigkeit zu den von Frau Schwesig verantworteten Maßnahmen zu setzen. Diese Maßnahmen sind seit Wochen unverhältnismäßig.
Meine Damen und Herren, ja, die jüngsten Lockerungen der Regierung zeigen in eine neue Richtung. Frau Schwesig hat auch auf unseren Druck hin begonnen gegenzusteuern.
Trotz dieses Umdenkens muss aber die Frage gestellt werden – da können Sie gerne lachen, Frau Tegtmeier –, ob die Folgen der Corona-Politik nicht deutlich verheerender sind als die Folgen der aktuellen Infektionslage.
Die von mir jetzt kommenden Zahlen verdeutlichen, wie wichtig diese Debatte hierzu ist. Auf dem Höhepunkt der registrierten Ansteckungen waren in MecklenburgVorpommern bis zu 250 Personen an Corona erkrankt. Derzeit liegt diese Zahl nur noch bei circa 60. Mittlerweile gibt es in unserem Land 818 Krankenhausbetten für Corona-Patienten, von denen aber nur 4,7 Prozent genutzt werden. Nachdem in den letzten sechs Wochen die Zahl der erkrankten Personen immer stärker rückläufig war und unser Gesundheitssystem starke Kapazitäten aufbauen konnte, ist es nun höchste Zeit, unseren Bürgern Mut zu machen.
Dieser Mut fehlt aber sehr vielen Menschen, die zu Recht aufgrund der jüngsten Entwicklungen verunsichert sind. Erstmals seit 30 Jahren ist im Monat April die Zahl der Arbeitslosen um über 5.000 Personen angestiegen. Hinzu kommt, dass wir bereits 155.000 angemeldete Kurzarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern haben, die auf einen Staat treffen, dem gerade massive Einnahmeeinbußen bevorstehen. Diese Entwicklung muss dringend gestoppt werden.
Meine Damen und Herren, die nur sehr geringe Auslastung unseres Gesundheitssystems zeigt, dass wir im Vergleich zu anderen Bundesländern einen selbstbewussten Weg verstärkter Öffnung gehen können. In sehr schwach infizierten Regionen und Orten unseres Landes sollte deshalb noch viel mehr auf die Eigenverantwortung der Bürger gesetzt werden.
Hierzu bedarf es einer Politik der Differenzierung. Unsere Bürger dürfen nicht länger am Gängelband der Regierung ihrer wirtschaftlichen Zukunft beraubt werden. Wenn an einem Ort unseres Landes nach den uns bekannten Informationen kein pandemisches Infektionsgeschehen registriert wird, dann ist es unverantwortlich, den örtlichen Fitnessstudiobetreiber oder die lokalen Bars weiterhin in ihrer Existenz und die Bildung unserer Kinder zu gefährden.
Frau Ministerpräsidentin, die Freiheit unserer Bürger und die Funktionsfähigkeit unsres Gesundheitssystems dürfen wir nicht gegeneinander ausspielen. Ihre Regierung ist es, die jede Ihrer Maßnahmen ständig neu rechtfertigen muss, denn es sind unser aller Grundrechte, die beschnitten sind. Und es ist die harte Arbeit unserer Unternehmer und Arbeitnehmer, die gefährdet wird.
Was gehört zu dieser Freiheit, die ich meine, liebe Bürger? Zur Freiheit gehört, dass besonders gefährdete Gruppen in unserer Gesellschaft auf den starken Schutz des Staates vertrauen können, dass nicht ganz Mecklenburg-Vorpommern oder ein kompletter Landkreis leiden muss, wenn neue Infektionen in einer einzelnen Stadt registriert werden,
dass die Bürger von ihrer Arbeit selbstbestimmt leben können und nicht unverschuldet in Existenznöte geraten. Zur Freiheit gehört aber auch, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch in Krisenzeiten zu gewährleisten und eine breite und offene Debatte zu führen.
Dazu gehört, dass die Regierung einen konstruktiven Dialog mit unterschiedlichen Experten, den Bürgern und der Opposition pflegt.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gerade von einer neuen Normalität gesprochen. Damit meinen Sie vermutlich, dass wir einen möglichst freien CoronaAlltag schaffen. Ich warne die Landesregierung davor, dass diese neue Normalität aufgrund einer irrationalen Corona-Furcht nicht zu Isolation, Zukunftsangst und Arbeitslosigkeit unserer Bürger führen darf.
Ich möchte mich nicht an die neue Normalität gewöhnen müssen. Für mich gehört der Handschlag zur Begrüßung, das Umarmen von Freunden einfach dazu, ebenso
wie ein freundliches Lächeln beim Einkaufen oder sonst wo draußen, welches hinter diesen schrecklichen Masken verborgen bleibt. Nur mit den Augen zu flirten, ist weniger zielführend.
Und Sie haben es auch angesprochen, die Adresslisten bei einem Restaurantbesuch. Sollen die Restaurantbetreiber, die sich eh schon in einer schwierigen Situation befinden, jetzt auch noch zusätzlich Datenschützer einstellen? Ich denke, nicht.
Das geht nur mit einem starken Gesundheitssystem, welches die Freiheit der Bürger schützt und zugleich die wirtschaftliche Substanz Mecklenburg-Vorpommerns erhält. Lassen Sie uns deshalb mehr Schweden wagen!