Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wir hatten einen ganz anderen Ansatz.)

mit einem richtigen Gesetzesentwurf und eben nicht nur mit einem halbherzig gemeinten Satz, den Sie hier aufgeschrieben haben, einem Satz,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

wo Sie doch auch im Bundestag sind, das Thema gerade behandelt haben und gar nicht eingereicht haben. Das ist schon fast unlauter, möchte ich meinen.

Frau Schwesig hat angekündigt, einen Pflegebonus auf den Weg zu bringen, 1.500 Euro für alle Pflegekräfte,

(Minister Harry Glawe: So ist das.)

die in Pflegeheimen arbeiten. Aber das hat auch wiederum nichts mit der häuslichen Krankenpflege zu tun. Ja, die Leute brauchen jetzt auch eine Anerkennung, aber das ist wieder nur so ein Einmalgeld. Und wenn das systemrelevant tatsächlich sein soll, dann muss das natürlich auch über die ganze Zeit verbessert werden und nicht nur mit einem einmaligen Geldgeschenk.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Frau Drese hatte noch ausgeführt über die rechtlichen Regelungen, die es hier schon gibt. Und da haben wir das Familienpflegezeitgesetz. Das gilt aber nur..., nee, das gilt eben nicht in Betrieben mit 25 oder weniger Beschäftigten im Land.

Dann haben wir noch das Pflegezeitgesetz. Das gilt eben nicht für Betriebe mit 15 oder weniger Beschäftigten im Land, meine Damen und Herren. Und das ist genau das Problem von Mecklenburg-Vorpommern, denn hier sind nämlich genau 86,5 Prozent aller Betriebe in M-V, die nicht darunterfallen. Damit hat mit diesen Regelungen wirklich fast überhaupt keiner was im Land für die Pflege oder von der Pflege oder von diesen Vergünstigungen, die hier angeboten werden sollen. Deswegen ist das hier ganz viel Makulatur gewesen mit ganz wenig Inhalt und mit ganz wenig, was die Leute hier im Land haben.

Wir lehnen diesen Antrag ab und wir möchten auch da noch mal die Kritik Richtung Frau Drese richten, dass sie dort dann auch mal Änderungen einbringt, wo sie es kann, und dann aber auch bitte so, dass wir hier in MecklenburgVorpommern und vor allen Dingen die vielen fleißigen Pflegekräfte und häuslichen Krankenpfleger davon profitieren. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete FriemannJennert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die formulierte Zielstellung einer bezahlten Pflegezeit ist keineswegs neu. Die Bezeichnungen unterscheiden sich jedoch

mitunter. In Bayern beispielsweise gibt es seit 2018 ein Landespflegegeld. Dort erhalten Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 zusätzlich 1.000 Euro im Jahr, das an pflegende Angehörige weitergegeben werden kann. Im Juni 2019 wurde die Einführung eines Landespflegegeldes auch in diesem Landtag thematisiert von der AfDFraktion. Auf Bundesebene wurde vonseiten der SPD und des Bundesfamilienministeriums bereits im vergangenen Herbst ein Familienpflegegeld ins Gespräch gebracht. Die Forderung geht zurück auf den Ersten Bericht des unabhängigen Beirates für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, auf den auch in diesem Antrag Bezug genommen wird.

Im Februar 2020 wurde weiterhin durch den Berliner Senat eine Bundesratsinitiative gestartet, die zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse verwiesen wurde. Gefordert wurde eine Lohnersatzleistung in Höhe von 65 Prozent des Nettoeinkommens für pflegende Angehörige bei einer Freistellung von maximal sechs Monaten, die restlichen Monate bis zu einem Zeitraum von maximal 36 Monaten im Rahmen einer teilweisen Freistellung von der Arbeitsstelle. Der Rechtsanspruch auf Freistellung soll ab einer Betriebsgröße von mindestens fünf Mitarbeitern bestehen. Geschätzte Kosten für den Bund nach Angaben des Berliner Senats 1 Milliarde Euro. Und es bleibt durchaus zu bezweifeln, ob diese Summe ausreichen würde.

Der uns hier heute vorliegende Antrag greift die Forderungen unter dem Namen einer bezahlten Pflegezeit im Wesentlichen auf. Wir teilen das Ansinnen, pflegende Angehörige besser zu unterstützen und zu entlasten. Dies darf jedoch nicht zulasten der Wirtschaft und der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern geschehen. Eine Mindestbetriebsgröße, ab wann der Rechtsanspruch auf eine Freistellung für eine bezahlte Pflegezeit gewährt werden soll, ist im Antrag nicht benannt. Gerade für kleine und Kleinstbetriebe dürften eine Freistellung und ein Rückkehrrecht an den Arbeitsplatz nach bis zu 36 Monaten insbesondere auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels nur sehr schwer zu bewältigen sein. Viele Unternehmen werden zudem auf lange Sicht mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen haben.

Ohnehin gibt es bereits bestehende Leistungen, die pflegende Angehörige unterstützen sollen und auf die auch im Antrag eingegangen wird. Die Familienpflegezeit beispielsweise sieht verschiedene Freistellungsmodelle vor:

eine zehntägige Freistellung, in der die Pflegeversi

cherung für den Zeitraum 90 Prozent des Nettoeinkommens von pflegenden Angehörigen übernimmt,

eine 6-monatige Teil- oder Komplettfreistellung, in der

als Lohnersatz ein zinsloses Darlehen aufgenommen werden kann,

eine Teilfreistellung von bis zu 24 Monaten bei einer

minimalen Wochenarbeitszeit von 15 Stunden im ursprünglichen Beruf und ebenfalls einem zinslosen Darlehen als Lohnersatz.

Entscheidend ist jedoch, dass der Rechtsanspruch erst ab einer Betriebsgröße mit mehr als 15 für 6-monatige Freistellung beziehungsweise mit mehr als 25 Beschäftigten bei bis zu 24-monatiger Freistellung gilt. Schließlich muss der Rechtsanspruch für die Unternehmen auch

in der Praxis umsetzbar sein und der Beschäftigte für den entsprechenden Zeitraum ersetzt werden.

Auf der anderen Seite darf bezweifelt werden, ob tatsächlich alle pflegenden Angehörigen von einem Familienpflegegeld beziehungsweise von einer bezahlten Pflegezeit in der erhofften Form profitieren würden. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum sich die Höhe einer bezahlten Pflegezeit beziehungsweise eines Familienpflegegeldes nach dem Einkommen richten soll. Im Ersten Bericht des unabhängigen Beirates für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird nämlich auf folgenden Umstand hingewiesen, und ich zitiere: „Frauen, die in hohem Umfang Pflege erbringen (und demnach ihre Arbeitszeit stärker reduzieren oder aufgeben), haben zumeist eine geringere Berufserfahrung, ein geringeres Einkommen und auch eine geringere Bildung aufzuweisen.“ Zitatende. Die größte Personengruppe der pflegenden Angehörigen würde demnach in einem geringeren Umfang von der bezahlten Pflegezeit profitieren als beispielsweise einkommensstärkere pflegende Angehörige.

Das Institut verweist weiterhin darauf, dass sich die Höhe der bezahlten Pflegezeit nicht nach dem Pflegegrad, also letztlich dem Umfang des Pflegeaufwandes, bemessen würde. Dies könnte zur Folge haben, dass pflegende Angehörige mit einem geringen Einkommen und bei einem höheren Pflegegrad des Pflegebedürftigen in geringerem Maße berücksichtigt werden könnten als pflegende Angehörige mit einem höheren Einkommen und einem geringeren Pflegegrad des Pflegebedürftigen. Hier könnte also eine Ungleichbehandlung der pflegenden Angehörigen drohen. Mit dem Pflegegeld gibt es stattdessen schon eine Leistung, die sich nach dem Pflegegrad bemisst und an Angehörige weitergegeben werden kann. Je nach Pflegegrad kann die Höhe des Pflegegeldes 316 bis 901 Euro monatlich betragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Unterstützung und Entlastung von pflegenden Angehörigen ist ein wichtiges und gerechtfertigtes Anliegen, welches es schätzungsweise fünf Millionen Menschen ermöglicht, dass ihre pflegebedürftigen Angehörigen auch im höheren Lebensalter in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können. Auf der anderen Seite leisten sie natürlich auch einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Pflegesystems, das sich aufgrund des demografischen Wandels, mehr Pflegebedürftiger und in der Fachkräftesituation in einem Spannungsfeld befindet. Zugleich stellt die Pflege zu Hause natürlich zeitlich und finanziell für Angehörige eine große Herausforderung dar. Dies trifft insbesondere auf jene zu, die Beruf und Familie vereinbaren müssen.

Wir halten Ihren Vorschlag, verehrte Linksfraktion,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Für ausgezeichnet.)

für das falsche Instrument. Besser wäre es, stattdessen die vorhandenen Leistungen wie beispielsweise die Familienpflegezeit, das Pflegegeld fortlaufend zu optimieren und weiterzuentwickeln. Und von der Bundesratsinitiative beziehungsweise vom Pflegeunterstützungsgeld für 20 Tage haben wir gerade eben ja auch schon gehört. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Philipp da Cunha, SPD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Man muss ja immer versuchen, die Dinge, die an einem solchen Debattentag zusammengekommen, dass man die auch mal zusammenbringt. Wir erleben hier den Abgeordneten der AfD, Herrn de Jesus Fernandes, der sich hier hinstellt und sagt, herzlichen Dank an die ganzen Pflegekräfte,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja.)

die in Corona-Zeiten einen schweren Job machen, anstrengend für die Gesundheit, gegebenenfalls gefährlich. Diesem Dank kann man sich nur anschließen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wenn man allerdings die heutige Debatte verfolgt, die beim Thema Corona-Krise geführt worden ist, und wenn ich mir bestimmte Beiträge noch mal vor Augen führe, wie beispielsweise Ihren, Herr Förster, der das Thema Herdenimmunisierung thematisiert hat, der gesagt hat, also orientiert euch doch mal Richtung Schweden, wie die das machen, da ist mir bei den Reden schon die Spucke weggeblieben, weil damit natürlich extreme Risiken verbunden sind. Wir haben das ja in Italien erlebt, wo das Ganze mehr oder weniger unkontrolliert ausgebrochen ist, wir haben das in Spanien erlebt, wir sehen es jetzt in Amerika.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Und Ihre Herangehensweise spricht ja dafür, dass Sie dieses Risiko, dass unser Gesundheitssystem massiv überfordert worden wäre, billigend in Kauf genommen hätten.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Das wissen Sie nicht!)

Und dann muss man sich mal die Frage stellen, in welche Situation das die Menschen im Gesundheitswesen gebracht hätte, die dann vielleicht in der Situation gewesen wären, Menschen zu triagieren und zu sagen, da gehts nicht mehr, uns fehlt die Beatmungsmaschine, die bringen wir doch jetzt also zu dem, der deutlich jünger ist. Das heißt, das, was hier gemacht worden ist, war doch ausgesprochen verantwortungsvoll. Wir waren in einer Situation, die keiner kannte, und man hat letztendlich dafür gesorgt, dass das Ganze unter Kontrolle blieb. Und man hat dafür gesorgt, dass unser Gesundheitssystem nicht einer massiven Überforderung ausgesetzt worden ist,

(Dietmar Eifler, CDU: Genau.)

dass kein Arzt und keine Pflegekraft in die Situation gekommen ist, fast psychisch und physisch zusammenzubrechen, weil sie dieser Überforderung nicht mehr standgehalten hätten. Und Ihre Beiträge, wie gesagt, habe ich so interpretiert, dass Sie gesagt hätten, okay, also das Leben ist immer mit Risiken verbunden, wir können nicht die Freiheitsrechte von Jüngeren für eine bestimmte Zeit einschränken, damit die Alten und Vorerkrankten und Vorgeschädigten dann doch weniger Risiken ausgesetzt sind. Ich finde, wenn Sie hier vortragen, dann müssen

Sie auch gucken, dass Sie Ihre Dinge thematisch zusammenbringen.

Und übrigens, abgesagte OPs führen nicht zu Pflegebedürftigkeit. Wenn ich mir das Knie operieren lasse oder die Hüfte soll operiert werden, dann führt das nicht dazu, wenn diese Operation verschoben wird, dass ich dann vom ambulanten Pflegedienst versorgt werden muss.

Und jetzt zu Ihrem Beitrag, Herr Koplin: In der Sache bin ich ganz dicht bei Ihnen. Ich bin ganz dicht bei Ihnen, habe nur festgestellt, dass Sie mit dem, was Sie hier fordern, deutlich über das hinausgehen, was heute von Ihrer Fraktion da im Bundestag thematisiert worden ist. Also die haben quasi eine Unterstützungsleistung, wenn ich das richtig im Kopf habe und richtig mitgekriegt habe, für ein halbes Jahr ins Auge gefasst,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

ähnlich wie das mit der Unterstützung für Eltern aussieht, die letztendlich Kinder zu betreuen und zu versorgen haben. Ich finde, da ist was dran. Natürlich ist das für pflegende Angehörige eine große Belastung und das muss ich letztendlich in irgendeiner Form honoriert sehen. Nur, das ist die eine Seite der Medaille. Wir müssen uns doch auf der anderen Seite auch mal vergegenwärtigen, in welcher Situation wir uns befinden. Und die Kollegin Friemann-Jennert ist dankenswerterweise darauf eingegangen.

Olaf Scholz stellt sich heute hin und sagt, wir haben Steuerverluste in Höhe von 100 Milliarden Euro. Wir machen das Thema Kurzarbeitergeld. Ich weiß nicht, was da jetzt zu veranschlagen ist. Dieses Kurzarbeitergeld wird richtigerweise noch mal also angepasst. Wir machen das Thema Wirtschaftsförderung. Wir haben bei uns beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern noch eine Menge Themen auf der Agenda stehen. Das ganze Thema Tourismus, das ist angesprochen worden, Gaststätten, Hotellerie, das Thema Werften wird uns sicherlich noch beschäftigen. Und da muss man natürlich in diesen Zeiten auch mal die Frage stellen, wie wird das denn zu bewältigen sein. Das findet in Größenordnungen auch in den Sozialversicherungen statt. Und eins kann man ja heute ganz klar sagen, Gott sei Dank – also aus dieser Sicht – hat es diese Austeritätspolitik auf der Bundesebene in den letzten Jahren gegeben, denn wenn wir das nicht gemacht hätten, wären wir heute nicht in der Situation, da dergestalt klotzen zu können.