Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

Ich möchte denen, die nicht so wie wir heute hier im geschützten Raum die Debatte führen, sondern tagtäglich vor Ort in unseren Dörfern und Städten mutig und oftmals allein denjenigen die Stirn bieten, die Hass und Hetze schüren, die Angst verbreiten, ganz, ganz herzlich danken für diesen Mut und diese Zivilcourage.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Christel Weißig, fraktionslos)

Auch Mahnmale und Gedenkstätten wie zum Beispiel in Wöbbelin oder auf dem Golm, Gedenkfeiern und Gedenktage setzen ein wichtiges Zeichen. Wir danken denen, die sich in Mecklenburg-Vorpommern für dieses demokratische Miteinander engagieren. Unser Dank gilt

ganz besonders denjenigen, die sich genau für diese Mahn- und Gedenkstätten einsetzen.

Und an dieser Stelle möchte ich berichten, was immer wieder Gäste, zum Beispiel aus Russland, die uns besucht haben, gesagt haben, zum Beispiel, als sich die Freundschaftsgruppe für Russland des Bundesrats und des Föderationsrats der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation hier in Mecklenburg-Vorpommern getroffen hat, dass sie mit großer Dankbarkeit sehen, wie zum Beispiel diese Mahnmale und diese Gedenkstätten auch bei uns im Land gepflegt werden. Das ist für diejenigen, die ihren Anteil an der Befreiung vom Nationalsozialismus haben, ein ganz wichtiges, hohes Gut.

Und ich bedauere es sehr, dass zum Beispiel die große Gedenkveranstaltung, die wir in Wöbbelin geplant hatten, wegen Corona ausfallen musste. Das heißt aber nicht, dass wir sie nicht hoffentlich im nächsten Jahr nachholen können. Auch hier haben wir viele internationale Gäste erwartet, die dankbar sind dafür, dass es jetzt zum Beispiel eine Gedenkstätte gibt, wo die Namen der Opfer zu sehen sind, wo Angehörige, wo Nachfahren kommen können und gedenken können, sich vielleicht noch mal auf ihre Weise verabschieden können. Das ist ein ganz wichtiges Zeichen. Das ist nicht hoch genug einzuschätzen, dass hier insbesondere ehrenamtlich in diese Mahn- und Gedenkstätten viel Herzblut gesteckt wird, viel Engagement ist. Vielen herzlichen Dank dafür!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, Ann Christin von Allwörden, CDU, und Christel Weißig, fraktionslos)

„WIR. Erfolg braucht Vielfalt!“, die Initiative, gerade hier gestartet von unserer damaligen Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider, zeigt ja das große gesamtgesellschaftliche Engagement in unserem Land. Es sind eben die demokratischen Parteien, aber auch Kirchen, Gewerkschaften, die Sozialpartner, Vereine und Initiativen, die immer wieder diese Erinnerung bewahren und die damit unsere demokratische Kultur stärken.

Der Krieg ist zu Ende seit 75 Jahren. Den Frieden zu bewahren, bleibt unsere gemeinsame Aufgabe. Es liegt an uns, dass unsere Kinder in einer offenen, friedlichen und demokratischen Gesellschaft aufwachsen. Dieser Auftrag ist unsere Verpflichtung aus der Befreiung von 75 Jahren, und diesem Auftrag fühlt sich die Landesregierung verpflichtet. Und ich danke den demokratischen Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE, dass sie heute hier dieses Zeichen setzen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Horst Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute!

Frau Ministerpräsidentin, mit Ihrem letzten Satz haben Sie deutlich gemacht, wie Spaltung bei Ihnen funktioniert,

indem Sie subtil uns als demokratische Partei ausgegrenzt haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der 8. Mai ist ein Gedenktag, an dem wir uns schmerzhaft der NS-Schreckensherrschaft und des von Deutschland ausgelösten Krieges erinnern. Es ist so und bleibt so. Das ist aber nicht alles. Der Bundespräsident hat in seiner Rede bekräftigt, dass der 8. Mai ein Tag der Befreiung sei, und hat hinzugefügt, dass dieser Tag ein Tag der Dankbarkeit sei, wozu wir uns heute aus vollem Herzen bekennen könnten. Er hat ferner betont, dass es kein Ende des Erinnerns geben dürfe, es gebe keine Erlösung von unserer Geschichte. Ein Tag der Dankbarkeit – das ist mehr, als die geläuterte Einsicht oder die politische Korrektheit verlangen. Das tatsächliche historische Erleben der Deutschen, wie es sich in das kollektive Gedächtnis der Nation eingegraben hat, wird dabei komplett ausgeblendet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Was heißt „keine Erlösung von unserer Geschichte“? Das ist Altes Testament, das ist im Klartext Kollektivschuld und Erbsünde. Erinnerung ja, aber nicht in einer auf ewig angelegten geistig-seelischen Zermürbung und vor allem nicht so, dass sie politisch instrumentalisiert wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht bedeutete die totale Niederlage und die totale Unterwerfung unter die Siegermächte. Der erste Bundespräsident Heuss hat es so formuliert, dass Deutschland an diesem Tag erlöst und vernichtet in einem wurde. Die Alliierten kamen nicht als Befreier, sondern als Sieger. Dafür steht beispielhaft die Directive 1067 aus April 1945, in der es heißt: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als besiegter Feindstaat.“

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Am 8. Mai 1945 lag unser Land in Trümmern. Nichts galt mehr. Machen wir uns nichts vor, die Menschen, die Mehrheit der Deutschen hatte mit dem System noch nicht gebrochen. Befreit fühlte man sich nicht. Man war erlöst, dass der Krieg zu Ende war. Der 8. Mai markiert nicht nur das Ende der NS-Diktatur, er steht auch für Flucht und Vertreibung, Stalinismus, Verlust der Ostprovinzen und die Teilung der Nation. Von Flucht und Vertreibung waren über zwölf Millionen Landsleute betroffen, wovon über zwei Millionen dabei umkamen. Unzählige Frauen und Mädchen wurden Opfer von Massenvergewaltigungen, viele nahmen sich das Leben.

Erinnert sei auch an die Kriegsgefangenen und Verschleppten in den sowjetischen Arbeitslagern, von denen nur ein kleiner Teil nach zehn Jahren in die Heimat zurückkehrte. Erinnert sei auch an die sowjetischen Kriegsgefangenen, von denen ebenfalls die meisten die Gefangenschaft nicht überlebt hatten. Deren Befreiung sah so aus, dass sie überwiegend in den Lagern Sibiriens landeten, denn nach einem Erlass Stalins vom 16.08.1941 galten sowjetische Soldaten, die sich dem

Feind ergeben hatten, als Deserteure. Das alles gehört mit zum 8. Mai 1945.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Wenn wir diesen Tag aus heutiger Perspektive rückblickend betrachten, ja, dann war er eine Befreiung von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, wie es von Weizsäcker formuliert hat. Dazu steht auch die AfD,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

aber das ist nur eine Seite der Medaille. Vergessen wir nicht: Mit dem Sieg über Deutschland kamen die damalige SBZ und unsere östlichen Nachbarn unter die stalinistische Gewaltherrschaft. Was diese Länder von der Befreiung durch die Sowjetunion halten, kann man sich eindrucksvoll in dem Museum der Okkupation in Riga anschauen. Dort steht am Eingang in großen Lettern folgender Satz: Als Deutschland und die Sowjetunion ihre Einflusssphären festlegten und den Weltkrieg begannen, war es den baltischen Staaten nicht möglich, ihre Unabhängigkeit zu bewahren.

Als ich das las, traute ich zunächst meinen Augen nicht, aber die Letten bringen es auf den Punkt. Mit dem HitlerStalin-Pakt war der Krieg im Osten, der sich dann zum Weltkrieg ausweitete, zwischen diesen Akteuren beschlossene Sache.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Bekanntlich fiel die Rote Armee zwei Wochen nach dem deutschen Überfall ebenfalls in Polen von Osten her bis zur vereinbarten Demarkationslinie, der heutigen Ostgrenze Polens, ein. Auch das gehört zum 8. Mai, auch wenn es nichts an der deutschen Kriegsschuld ändert.

Der 8. Mai hat viele Facetten und eignet sich in seiner Vielschichtigkeit nicht für eine pauschale und undifferenzierte Etikettierung. Die Antragsteller berufen sich auf den Altbundespräsidenten von Weizsäcker. Man sollte ihn zu Ende lesen, er hat in der zitierten Rede noch Folgendes gesagt: „Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern.“ Und weiter: „Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur dankbar, daß Bombennächte und Angst vorüber und sie mit dem Leben davongekommen waren. Andere empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage des eigenen Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen Illusionen, dankbar andere Deutsche vor dem geschenkten neuen Anfang.“ Und weiter: „Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind.“

Meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag kommen deutsche Opfer nicht vor, obwohl der 8. Mai auch ein Gedenktag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges ist. Damit haben Sie sich weit von der Betrachtung des Altbundespräsidenten von Weizsäcker entfernt. Damit stehen Sie denen näher, die in Dresden brüllen: „Bomber Harris do it again!“ Deutsche sind keine Opfer.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Wer diesen Gedenktag ernst nimmt, der sieht das unermessliche Leid, das von Deutschen anderen, aber auch den Deutschen angetan wurde, und sortiert die Opfer nicht nach den dahinterstehenden Schuldigen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Schuld ist immer individuell und die meisten Opfer, vor allem die zivilen Opfer, darunter viele Kinder, waren unschuldig. Wer die eigenen Opfer in der Erinnerungspolitik nicht benennt, betreibt damit deren Ächtung und Demütigung, die letztendlich die Glaubwürdigkeit des Gedenkens beschädigt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Meine Damen und Herren, der Zweite Weltkrieg wirkt noch lange fort. Er hat meine Generation ganz besonders geprägt. Er war noch sichtbar in den Trümmern und in den Familien, wo häufig einer nicht zurückgekommen war, und für mich als Kind besonders im Suchdienst aus dem Volksempfänger, wo es um irgendwo verloren gegangene Kinder ging. Was will ich sagen? Der 8. Mai ist ein Tag der Besinnung, der wahrhaftigen Erinnerung, der Empathie, der Trauer und des Verstehens. Er ist kein Tag der Propaganda.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und Ihr Antrag ist genau das. Sie instrumentalisieren diesen Tag, um in neu praktizierter Volksfrontmanier gegen die AfD zu agieren. Die Linksparteien haben das nach Hanau, Kassel und Halle vorexerziert. Sie lassen nichts unversucht, jede Untat eines Rechtsextremisten oder Geistesgestörten irgendwie mit der AfD in Verbindung zu bringen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die ausschließliche Fokussierung auf den Rechtsextremismus offenbart eine gestörte Wahrnehmung von politisch motivierter Gewalt. Wem es wirklich um die Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung geht, der muss sich gegen jede Form von Extremismus wenden und kann nicht so tun, als ob es keinen Linksextremismus gäbe.

(Thomas Krüger, SPD: Lesen Sie Zeitung?)

Erschreckend ist, dass die CDU zu der differenzierenden Sichtweise eines von Weizsäcker nicht in der Lage ist und sich an dem durchsichtigen Propagandaakt der Linksparteien beteiligt. Wir lehnen den Antrag ab. – Danke!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Ann Christin von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 8. Mai 1945 endete in Europa der Zweite Weltkrieg. Der Krieg hatte Millionen Menschenleben gekostet, darunter das Leben von Soldaten, das Leben von Men

schen, die in Konzentrationslagern ermordet worden waren, und auch das Leben von Zivilisten, die infolge von Kampfhandlungen oder im Bombenkrieg starben. Und auch nach dem Krieg ging das Sterben vielfach weiter: durch Flucht, Vertreibung, durch Hunger und Kälte.