Nachfrage zu dem Stichwort „Symptomfreiheit“: Das verlangt aber keine Testung, sondern nur, dass derjenige erklärt, keine entsprechenden Symptome zu haben. Ist das richtig?
Ja, ein ärztliches Attest wird nicht vorzulegen sein. Es geht um die Belehrung und eine Selbsteinschätzung.
Meine Damen und Herren, zwischenzeitlich hat die Fraktion der AfD den Antrag auf Drucksache 7/4923 „AntiCorona-Maßnahmen neu bewerten“ zurückgezogen. Damit entfällt die Beratung des Tagesordnungspunktes 30 in der heutigen Sitzung.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – 75. Jahrestag des Tages der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges, Drucksache 7/4912.
Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE 75. Jahrestag des Tages der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges – Drucksache 7/4912 –
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann sich dem Thema „8. Mai als Jahrestag der Befreiung“ von verschiedenen Seiten aus nähern:
Ich möchte hier an Willy Brandt erinnern, der mit seinem Kniefall von Warschau am 7. Dezember 1970 um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkrieges bat – ein Bild, das um die Welt ging.
Ich möchte erinnern an den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der in seiner Gedenkrede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges den 8. Mai als, ich zitiere, „Tag der Befreiung“
von dem „menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“, Zitatende, bezeichnete.
Ich möchte an den Exbundeskanzler Gerhard Schröder erinnern, der am 8. Mai 2000 sagte, ich zitiere: „Niemand bestreitet heute mehr ernsthaft, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen ist – der Befreiung von nationalsozialistischer Herrschaft, von Völkermord und dem Grauen des Krieges.“ Zitatende.
Niemand bestreitet das mehr heute? Nun, da muss ich an den Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag erinnern, der jüngst meinte, der 8. Mai sei ein Tag der absoluten Niederlage.
Der 8. Mai sei ein Tag der absoluten Niederlage. Der Präsident des Zentralrates der Juden Josef Schuster – Hören Sie bitte genau zu, meine Herren von der AfD! – beurteilte dies wie folgt: „Mit der Betonung, der 8. Mai sei auch ein Tag der absoluten Niederlage für Deutschland und großer Gebietsverluste gewesen, zeigt Alexander Gauland, wes Geistes Kind er ist.“ Zitatende.
wenn, ja, wenn es nicht auch hier im Hohen Hause Abgeordnete gäbe, die so oder so ähnlich wie Gauland denken und reden.
So führte der Abgeordnete Förster, Fraktion der AfD, auf der 61. Sitzung des Landtages am 10. April 2019 aus, ich zitiere: „Die Befreiung vom Nationalsozialismus ist untrennbar verbunden mit dem Leid von Millionen Menschen inner- und außerhalb Deutschlands, dem Verlust eines Drittels des deutschen Territoriums...“ Zitatende.
Der Abgeordnete Herr Professor Dr. Ralph Weber sprach in seiner Rede am gleichen Tag davon, dass mit der bedingungslosen Kapitulation jede staatliche Ordnung verlorengegangen ist, der 8. Mai 1945 uns Massen Unrecht der Vertreibung gebracht hat. Er sprach von der angeblichen Kollektivschuld – eine Wortwahl, die ich von Herrn Pastörs hier zehn Jahre lang gehört habe –, die eine bis heute weit wirkende Verunsicherung der deutschen Bevölkerung im Zusammenhang mit Ihrem Nationalbewusstsein zur Folge hat. Hierzulande allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, blieben öffentliche oder mediale Entrüstungen ob dieser Rede weitgehend aus. Vielleicht sind ja die Herren Weber und Förster doch nicht so wichtig und interessant wie Gauland, aber sie sind vom gleichen Schlag wie dieser Herr.
Deshalb will ich Ihnen mit Goethe entgegnen, Herr Professor Dr. Weber: „Man liebt Ursache und Wirkung zu verwechseln.“ Und ich füge hinzu, dass das Halten sol
eine Herangehensweise, die wir von Neonazis leider nur zu gut kennen. Dem muss, dem muss und dem wird entschiedener Widerstand in diesem Hohen Hause entgegengesetzt werden.
Deshalb bin ich froh, dass es diesen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und meiner Fraktion gibt. Diese Freude ist jedoch ein Stück weit getrübt. Als meine Fraktion vor einem Jahr vorgeschlagen hatte, das Sonn- und Feiertagsgesetz des Landes zu ändern und den 75. Jahrestag als einmaligen Feiertag zu deklarieren, wurde dies mit allerlei Scheinargumenten abgelehnt. Regierung und Regierungsfraktionen störten sich am Begriff „Feiertag“. Nun, erstens kann ich für die Gesetzesbezeichnung „Sonn- und Feiertagsgesetz“ nichts, und zweitens ging und geht es uns nicht um Partymachen. Für uns ist der 8. Mai ein Tag der Mahnung, Erinnerung und Begegnung, natürlich auch ein Tag, an dem man feiern kann und soll, vor allem aber ist es ein Tag, an dem wir der Opfer des NS-Regimes und der Kriegstoten gedenken, ohne jemals zu vergessen, von wo der Weltbrand ausging.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte um einen Feiertag zum 8. Mai ist nicht beendet. Mehrere Tausend Menschen in der Bundesrepublik haben eine Petition der Auschwitz-Überlebenden und Vorsitzenden des Auschwitz-Komitees, Esther Bejarano, unterzeichnet. Der Bundesvorsitzende des DGB und der Vorsitzende des DGB Nord fordern einen Feiertag am 8. Mai ebenso wie die GRÜNEN-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Göring-Eckardt. Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer spricht sogar von einem europaweiten Feiertag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wünschen, dass unser gemeinsame Antrag hier die Debatte im Hohen Haus neu entfacht und zu einem positiven Abschluss führt. Aber ich habe ja gelernt, geduldig zu sein. Umso mehr habe ich mich dann allerdings gefreut, als Innenminister Caffier am 5. Mai die landesweite Beflaggung aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung angeordnet hat. Zur Begründung führte Innenminister Caffier aus, ich zitiere: „Leider zeigen uns zunehmende rechtspopulistische und extremistische Entwicklungen in unserem Land, dass wir wachsam und aktiv bleiben müssen, denn nicht alle haben aus der Geschichte gelernt.“ Zitatende.
Deshalb ist es wichtig, dass sich der Landtag Mecklenburg-Vorpommern heute mit seiner Mehrheit dazu verpflichtet, alle Initiativen zu unterstützen, die die Erinnerungen an die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus und die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges bewahren. Erinnern und Gedenken sind kein Selbstzweck. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin den Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE außerordentlich dankbar für diesen gemeinsamen Antrag zu dem so wichtigen Jahrestag in diesem Jahr.
Und im Namen der Landesregierung sage ich, dass wir es außerordentlich bedauern, dass aufgrund der Corona-Pandemie die verschiedenen Festakte, die ja geplant waren, zum Beispiel auch mit dem Bundespräsidenten, ausfallen mussten, und möchte mich auch ganz herzlich bedanken bei allen drei Fraktionen, dass wir am 8. Mai, so, wie es gute Tradition ist, am Mahnmal „Die Mutter“ Kränze niedergelegt haben, auch unter CoronaBedingungen mit Abstand und nacheinander, aber, dass wir eben deutlich gemacht haben, dass bei allen aktuellen Sorgen, die uns gerade umtreiben, über die wir gerade gestern gesprochen haben und diskutiert haben hier im Parlament, wir diesen Jahrestag nicht vergessen dürfen, denn dieser Jahrestag, der 8. Mai, ist mehr als eine aktuelle Situation, eine aktuelle Krise, die die Welt in Atem hält. Der 8. Mai ist ein ganz besonderer Tag, ein Tag, der uns ermöglicht hat – meiner Generation, der Generation, die nach mir kommt, den Kindern, den Enkeln –, wieder in Frieden und Freiheit zu leben, und es ist gleichzeitig der Tag, der uns immer vor Augen führt, welche historische Verantwortung wir weiter haben.
Vor wenigen Tagen, also am 8. Mai, haben wir daran gedacht, dass das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa erst 75 Jahre zurückliegt. Wenn man sich einmal die Weltgeschichte anschaut, dann weiß man, dass 75 Jahre nicht viel sind. Ein Krieg, der von Deutschland ausging, unsägliches Leid über die ganze Welt gebracht hat, ein Krieg, in dem mehr als 60 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben, Frauen und Männer, Kinder, die gefoltert und eingesperrt wurden, die Hunger leiden mussten, die Opfer von Hass, Gewalt und Zerstörung geworden sind – es gibt keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung für dieses Leid. Die Verantwortung dafür ist immer Verantwortung und Teil unserer Geschichte, auch für die nachfolgenden Generationen.
Deshalb ist der 8. Mai ein Tag des Erinnerns an dieses unermessliche Leid, ein Tag des Bedauerns und ein Tag der Trauer um die Opfer, aber eben auch ein Tag, der für Frieden steht, für die Befreiung vom Nationalsozialismus, ein Tag, der uns mahnt und verpflichtet zu Menschlichkeit und zum Miteinander, zur Ächtung von Gewalt, Diskriminierung und Rassismus. Es ist wichtig, dass wir uns an das erinnern, was nie wieder passieren darf. Wir können und wir dürfen uns der Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit nicht entziehen. Aus der Geschichte zu lernen, die Erinnerung an die Schreckensherrschaft der Nazis wachzuhalten, ist eine wichtige Aufgabe, die uns alle angeht: den Staat, die Gesellschaft, Eltern, Lehrer, Vereine, Wirtschaft, Medien – jede und jeden Einzelnen.
Ich selbst bin groß geworden in Seelow, wo die Seelower Höhen sind, die letzte Schlacht vor Berlin im Zweiten Weltkrieg mit Tausenden von Opfern, Tausenden von unnötigen Opfern. Ich war vor Kurzem in Wöbbelin und habe dort die Gedenkstätte besucht, wo Kinder, wo Frauen, wo Männer im KZ ausgehungert worden sind – hier direkt vor unserer Haustür, vor 75 Jahren. Und wir haben erlebt, wie wichtig es ist, immer wieder wachsam zu sein, ganz aktuell auch in unserer Zeit. Das haben uns die Anschläge von Hanau, Kassel und Halle immer wieder vor Augen geführt. Antisemitismus, Hass und die Bereitschaft zu Gewalt gibt es leider noch immer, Menschen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen, die das Land spalten, die Hass und Hetze schüren. Und ihnen müssen wir entschlossen entgegentreten. Nur gemeinsam können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Hetze und Gewalt keine Chance haben.
Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, macht der Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE heute noch einmal ganz deutlich. Wir wissen, dass wir den Anfängen wehren müssen. Wir schauen nicht weg als Demokraten. Wir schweigen nicht. Wir geben Antisemitismus, Rassismus, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit keinen Raum. Wir bewahren Frieden, Recht und Demokratie. In unserer Gesellschaft ist Platz für alle, ohne Ansehen von Religion, Herkunft oder politischer Meinungen. Frieden und Demokratie zu bewahren – das ist und bleibt das wichtigste politische Ziel.
Und deshalb bin ich froh, dass wir in einem Land leben, und ich bin stolz als Ministerpräsidentin darauf, dass in diesem Land auch die politischen demokratischen Kräfte immer wieder deutlich gemacht haben, dass wir den Kampf gegen Extremismus als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen mit konsequenter Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten, mit unseren Regionalzentren für demokratische Kultur, mit landesweiten Bündnissen wie „WIR. Erfolg braucht Vielfalt!“ und vor allem mit vielen bunten Initiativen vor Ort – Initiativen von Vereinen und Verbänden, von Einzelnen gegen rechtsradikale Umtriebe, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Intoleranz, mit Initiativen, die für eine lebendige Demokratie streiten und stehen.
Ich möchte denen, die nicht so wie wir heute hier im geschützten Raum die Debatte führen, sondern tagtäglich vor Ort in unseren Dörfern und Städten mutig und oftmals allein denjenigen die Stirn bieten, die Hass und Hetze schüren, die Angst verbreiten, ganz, ganz herzlich danken für diesen Mut und diese Zivilcourage.