Protokoll der Sitzung vom 15.05.2020

hier meinen, für alle gemeinsam, für die übrigen Parteien gemeinschaftlich reden zu können. Interessante Neuerung!

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Also der Antrag ist gut gemeint,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber so was von!)

aber rechtlich wohl nicht möglich und vielleicht auch nicht so richtig zielführend.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ruckzuck geht das!)

Die Ladenöffnungszeiten waren früher bundesgesetzlich geregelt. Seit der Föderalismusreform 2006 liegt die Zuständigkeit nunmehr bei den Ländern. Bis auf Bayern haben alle Länder Ladenöffnungsgesetze verabschiedet, in denen die seit 1919 geltende Sonntagsruhe übernommen wurde, so auch in dem bei uns geltenden Ladenöffnungsgesetz aus 2007. Danach ist der gewerbliche Verkauf an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen sind in den Grenzen des Paragrafen 10 des Gesetzes zulässig. Konkret sind diese Ausnahmen in der Bäderverordnung vom 22. März 2019 geregelt. Dort ist genau geregelt, an wie viel Tagen, an welchen Orten, wie lange und welche Warensortimente verkauft werden dürfen.

Bekanntlich ist diese Verordnung auf einem langen und mühsamen Weg zustande gekommen, denn der Schutz von Sonn- und Feiertagen hat nach Artikel 4 Grundgesetz Verfassungsrang, und das war zunächst nicht hinreichend beachtet worden. Eine Lockerung des Sonntagsschutzes darf es nur als Ausnahme von der Regel aus den im Ladenöffnungsgesetz genannten touristischen Gründen geben. So bestehen deshalb bereits durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, das im Ladenöffnungsgesetz verankerte generelle Sonntagsverbot einfach außer Kraft zu setzen, sei es auch nur befristet.

Corona liefert dafür auch keinen ausreichenden Grund, denn in der Sache ist es allein das besondere Umsatz- und Erwerbsinteresse der Handelsbetriebe aufgrund einer schweren wirtschaftlichen Krise. Diese betrifft aber nahezu die ganze Wirtschaft. Und das reicht nicht aus, den Sonntagsschutz – wie gesagt Verfassungsrang – komplett außer Kraft zu setzen.

Zudem ist nicht davon auszugehen, dass die Öffnung der Geschäfte an Sonntagen wirklich hilfreich wäre, mit der Krise fertig zu werden. Der Umsatz wird sich dadurch kaum nennenswert steigern lassen. Natürlich kann man das auch anders sehen. Es geht ja um eine Prognose. Aber ich glaube, so richtig überzeugend ist das nicht, dass ein weiterer Öffnungstag da wirklich viel an den eigentlichen Ursachen der Probleme ändert.

Man braucht kein Wirtschaftsexperte zu sein, um zu erkennen, dass die durch Corona beziehungsweise durch den Shutdown verursachte Krise zu einer tief greifenden Verunsicherung der Bürger geführt hat. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Konsumverhalten, selbst wenn man seine Arbeit behalten und keine Einkommensverluste hat. Es ist deshalb kaum zu erwarten, dass verlorener Umsatz durch eine Sonntagsöffnung tatsächlich ein Stück weit zurückgeholt werden kann. Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten würde vermutlich eher zu einer Selbstausbeutung von Geschäftsinhabern und dadurch zu einer ungesunden Wettbewerbsverzerrung führen.

Bei alledem geht es auch ums Grundsätzliche. Die Kommerzialisierung unseres Lebens schreitet unaufhörlich voran. Konsum und Konjunktur sind aber nicht alles.

Der Sonntag sollte uns, auch wenn wir ihn nicht zum Kirchgang benutzen, heilig sein. Es sollte unserer Tradition entsprechend jedenfalls einen Tag in der Woche geben, der sich vom hektischen Alltag abhebt und den wir als Tag der Arbeitsruhe und seelischen Erbauung verbringen. Der Sonntag ist vor allem auch ein Tag für die Familie, sollte es jedenfalls sein. Daran sollten wir auch oder erst recht in wirtschaftlich harten Zeiten festhalten. Wir lehnen den Antrag deshalb ab. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Förster!

Das Wort hat jetzt noch einmal Herr Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Das waren alles gute, wichtige Argumente, über die man ganz sachlich und konstruktiv natürlich streiten kann und streiten sollte, gar keine Frage. Ich will damit jetzt mich im Einzelnen auch gar nicht auseinandersetzen.

Dem werten Kollegen Herrn Förster möchte ich allerdings sagen, sagen müssen an der Stelle: Das, was dieser Antrag will, liegt noch hinter dem, was das AfDWahlprogramm von 2016 fordert. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, geht es da um eine Aufhebung jeglichen staatlichen Dirigismus, auch in Bezug auf die Ladenöffnungszeiten. Die Einzelhändler und die Kunden sollen selbst entscheiden können, wann sie miteinander Handel treiben und wann nicht. Mein Antrag ist ja nur temporär, also während dieser Krise. Und natürlich kann man auch trefflich in Zweifel ziehen, dass sich eine freigegebene Sonntagsöffnung wirtschaftlich positiv auf den Einzelhandel auswirkt. Aber der Punkt an der Stelle ist ja, das sollen doch die Einzelhändler – wir haben ja eine freie Marktwirtschaft –, das sollen, …

(Thomas Krüger, SPD: Wir haben soziale Marktwirtschaft.)

Noch, fast, ja.

… das sollen doch die Einzelhändler, die Unternehmer, die Unternehmer selbst entscheiden, eigenverantwortlich,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die drei Minuten sind aber um, ne? – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

ob sie am Sonntag ihr Geschäft öffnen oder nicht. Und wenn ein Einzelhändler feststellt, es lohnt sich für mich nicht, dann macht er seinen Laden eben zu, und ein anderer sagt, oh, für mich bringt das durchaus was, ich mach mein Geschäft auf.

Also ich bin doch da eher so wirtschaftsliberal angehaucht und plädiere dafür, gerade während dieser Krise, das muss ja auch nicht so bleiben, dass man die Öffnungszeiten dergestalt liberalisiert, aber gerade während dieser Krise müssen wir doch die Kräfte der sozialen Marktwirtschaft – aber Betonung auf „Marktwirtschaft“ – freisetzen. Das Unternehmertum muss sich doch gerade jetzt entfalten können, um mit den Möglichkeiten, die sich da bieten, dieser Krise entgegenzuwirken. Das Letzte, was wir jetzt doch brauchen, das sind noch mehr Planwirtschaft und sozialistischer Dirigismus, der wahrscheinlich der Fraktion hier links von mir vorschwebt,

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Auf jeden Fall! – Der Abgeordnete Peter Ritter pfeift.)

da werden ja schon so einige Tagträume geäußert. Herr Bartsch, der fantasiert ja schon von einem aufkommenden Klassenkampf,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich glaub, die drei Minuten sind um, ne? Reicht, ne?)

von einem aufkommenden Klassenkampf, und am Ende steht dann wieder der Kommunismus,

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Sehr richtig!)

wie wir ihn schon hatten.

In diesem Sinne ein schönes Wochenende!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Einen Moment bitte, Herr Arppe!

Mir liegt noch ein Antrag auf Kurzintervention durch die Fraktion der AfD, namentlich Herrn Kramer, vor.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oh, da geht ein tiefer Riss durch die Bewegung, ein tiefer Riss! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrter Herr Kollege Arppe, Sie erinnern sich völlig richtig. Das ist im Landtagswahlprogramm 2016 so niedergeschrieben, dass sich die AfD für die Ladenöffnung oder für die Öffnung des Ladenschlussgesetzes öffnet. Aber, wie Kollege Fernandes heute im Laufe der Debatte schon mal feststellte,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Könnt ihr das nicht am Stammtisch klären?!)

dass sich die AfD auch politisch weiterentwickelt hat und sich hier und da die Vorzeichen ändern. Dieses Landtagswahlprogramm oder speziell dieser Punkt ist eben eher durch wirtschaftsliberale Kräfte in das Landtagswahlprogramm aufgenommen worden. Es wurde auf dem Landesparteitag damals mehrheitlich so beschlossen. Wir in der Fraktion haben diesen Punkt auch wirklich lang und breit diskutiert. Jeder stimmt auch für sich ab hier.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Klärt das doch beim „Flügel“-Treffen, da seht ihr euch doch, aber nicht hier!)

Mir ist aber wichtig zu unterstreichen, dass für uns das Familienleben und das Soziale mehr im Vordergrund steht als das Wirtschaftsliberale.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

Und deswegen lehnt meine Fraktion mehrheitlich eben die Öffnung des Einzelhandels ab. – Danke!

Herr Arppe, möchten Sie darauf erwidern?

Gern.

Bitte schön.

Gut, das ist natürlich völlig legitim. Es wäre dann gut gewesen, vielleicht, wenn Herr Förster in seinem Redebeitrag darauf eingegangen wäre. Aber gut, wenn Sie es noch mal sagen. Ja, da gibt es keine Diskussion. Das ist eine völlig legitime Haltung und Meinung. Ich bleibe trotzdem für mich dabei, dass es dem Familienleben auch nicht gerade förderlich ist, wenn durch die Wirtschaftskrise Familienmitglieder arbeitslos werden, ihren Job im Einzelhandel in diesem Fall womöglich verlieren. Deswegen ist das Ganze ja auch von mir und auch von dem von mir zitierten Experten temporär angelegt, also nicht auf Dauer, sondern vorübergehend, bis sich die Krise wieder ausgewachsen hat, nicht wahr?

Aber ich denke letztendlich, was Familien brauchen, sind Arbeitsplätze, um das Familienleben überhaupt finanzieren zu können. Wenn die Familien arbeitslos sind, Mutter, Vater, dann nützt der freie Sonntag auch nichts, weil dann kann man mit den Kindern nichts unternehmen beispielsweise. Das kostet ja alles Geld,

(Manfred Dachner, SPD: Das war jetzt aber eine Erkenntnis, Donnerwetter!)

aber danke für den Hinweis.

Wars das?