Protokoll der Sitzung vom 15.05.2020

Sie können sehen, auch der Finanzminister hat Träume. Wenn es 1 Million wäre, dann hätten wir kein Problem. Meine Damen und Herren, 1 Milliarde ist wirklich dramatisch. Und ich sage an der Stelle, ich habe noch nie so ungern, noch nie so ungern recht bekommen wie in dieser Frage, 1 Milliarde für 2020, weil das war ja unsere Schätzung – Sie erinnern sich – zum Nachtragshaushalt, den wir gemeinsam am 1. April verabschiedet haben.

Bei den Kommunen sind es 180 Millionen Euro weniger in diesem Jahr und 80 Millionen Euro weniger in 2021. Das ist historisch einmalig, weil wir haben eine Doppelkrise a) bei den Staatsfinanzen sowohl auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite, die betroffen sind, und wir haben auch eine Krise in der Wirtschaft, sowohl auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite. Wir sind also an verschiedenen Fronten, wenn ich das so formulieren darf, gefordert.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Der Widerspruch ist Ihnen aufgefallen, Herr Meyer, ja?!)

Und die Schätzungen waren noch nie so unsicher wie heute. Deshalb ist im Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ auch, wie ich finde, zu Recht beschlossen worden, dass man eine Zwischenschätzung noch mal machen wird im

September. Und da hoffen wir, dass wir dann auch noch besser sehen können als heute, wie die konkrete Entwicklung sein wird.

Die Wirtschaft – das ist die Annahme, die jetzt dieser Steuerschätzung zugrunde liegt – soll um 6,3 Prozent BIP 2020 zurückgehen,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Bundesweit.)

aber ich sage Ihnen ganz offen, das ist ein optimistisches Szenario. Das geht von einem sogenannten V-Verlauf aus, das heißt, schnell runter, schnell wieder hoch. Und wir wissen noch nicht, wie die Pandemie verläuft. Es gibt auch seriöse Wirtschaftsforschungsinstitute, die von einem U-Verlauf der Krise ausgehen, also, dass die Krise länger andauert und damit die Steuereinnahmen noch größer, Mindereinnahmen noch größer werden, als das hier geschätzt worden ist.

Ein wichtiger Unterschied für uns im Unterschied zur Finanzkrise 2008/2009, als Mecklenburg-Vorpommern nicht so stark betroffen war wegen der Wirtschaftsstruktur – kleine und mittlere Unternehmen, wenig Exporte –,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ein Zehntel mal, ein Zehntel mal.)

dann ist es heute nicht mehr so. Wir werden genauso betroffen sein wie andere. Denken Sie allein an den Tourismus!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Zwei Monate keine Geschäftstätigkeit. Damit können wir ungefähr sehen, was passieren wird. Die entscheidende Frage: Was tun? Sofort eine Haushaltssperre machen? Sparen, bis es quietscht? Meine Damen und Herren, das wird nicht reichen. Das wird vor allen Dingen nicht der richtige Weg sein. Wir brauchen eine Doppelstrategie, die die Konjunktur stärkt auf der einen Seite, aber auch die Defizite reduziert, meine Damen und Herren. Und das ist die Kunst,

(Zuruf von Bert Obereiner, AfD)

das ist die Kunst der Finanzpolitik, die wir in den nächsten Wochen und Monaten zu bestehen haben.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Kaufkraft.)

Wir haben ja schon mit dem Nachtragshaushalt …

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Also, Herr Fernandes, mit der Kaufkraft, Ihr Vorschlag zum KUG hätte dazu geführt, dass die Hartz‑IV-Bezieher das alles wieder abgeben müssen. Also machen Sie mal kluge Vorschläge, als dass Sie dauernd von der Kaufkraft reden!

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Die Kaufkraft ist in der Tat wichtig, aber nicht mit den Vorschlägen, die hier präsentiert worden sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Wolfgang Waldmüller, CDU)

Zu den Finanzierungsmaßnahmen: Das habe ich ja schon zum Nachtragshaushalt dargelegt, die 1 Milliarde Euro für 2020, wie wir gedenken, die zu decken,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

425 Millionen Euro aus der Konjunkturrücklage, 130 Millionen Euro Verzicht auf Nettotilgungen, 200 Millionen Euro aus der Ausgleichsrücklage, 235 Millionen Euro Minderausgaben im laufenden Haushalt und 10 Millionen Euro sonstige Rücklagen – macht 1 Milliarde Euro, das, was erwartet wird an Mindereinnahmen für 2020. Alles bekannt, meine Damen und Herren.

Und weil Herr Dr. Jess das angesprochen hat: Ich bin froh – auch wenn wir es so nicht wissen konnten mit Corona –, dass wir mit dem Doppelhaushalt einen Investitionshaushalt verabschiedet haben hier in diesem Landtag, denn wir werden diese Investitionen brauchen. Und, meine Damen und Herren, es ist meine feste Überzeugung, wir brauchen zum Wiederanfahren der Wirtschaft, zum Wiederanfahren der Konjunktur brauchen wir öffentliche Aufträge. Das war immer so, wenn die Wirtschaft nicht so funktioniert, dass die öffentliche Hand das ein Stück weit kompensiert, und dazu brauchen wir Investitionen. Und ich bin verdammt froh, dass wir die im Doppelhaushalt platziert haben, damit wir sie jetzt in der Krise nutzen können, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Unzweifelhaft werden wir Herausforderungen haben, insbesondere ab 2021. Es werden mehr Haushaltssteuerungen erforderlich sein. Ohne Einschnitte wird es nicht gehen. Auch der Finanzminister wird vielen lieb gewonnenen Projekten sagen müssen, da muss ein CoronaStempel drauf, können wir uns das in diesen Zeiten leisten. Ich sage im Übrigen aber auch, die Kommunen, die ja jetzt schon wieder einen Schutzschirm fordern, sind weniger betroffen, weit weniger betroffen als das Land.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Wir werden selbstverständlich mit den Kommunen reden, aber das FAG, das uns sehr helfen wird in dieser Situation, führt ja dazu wegen der zeitversetzten Berechnungen, dass die Kommunen zunächst einmal gar nicht viel verlieren.

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Zeitversetzt.)

Im Gegenteil: Da reden wir fairerweise mit einem Zeitverzug ab 2022 in die Planungen der Haushalte, und das werden wir gemeinsam auch tun, aber es ist nicht sozusagen der Zeitpunkt, jetzt laut zu rufen, sofort Geld zu uns, sondern das bitte gemeinsam mit dem Land, weil wir die Hauptlasten tragen müssen, meine Damen und Herren.

Die Steuerschätzung im September 2020 hatte ich schon genannt, die nächste, die wird uns mehr Gewissheit geben, und deswegen werde ich danach Ressortgespräche über die Steuerung der jeweiligen Einzelpläne mit allen Ministerinnen und Ministern führen. Wir müssen gemeinsam Konsolidierungserfordernisse definieren, ebenso wie noch vorhandene Spielräume. Und das, was da als Ergebnis herauskommen wird, meine Damen und Herren, das werden wir selbstverständlich hier im Landtag, im Finanzausschuss, im Plenum diskutieren.

Insofern, meine Damen und Herren, bedarf es auch keines Antrages, die Landesregierung zum Handeln aufzufordern. Wir tun es bereits, und wir werden das mit ruhiger Hand tun in dieser Situation. Und für den Finanzminister gilt, ich handele stets mit Vernunft und pragmatisch, und darauf können sich alle hier in diesem Hohen Haus und draußen als Bürgerinnen und Bürger auch verlassen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Finanzminister!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD beschäftigt uns hier mit Anträgen, die jeglicher Substanz entbehren. Kurz gefasst: Sie wollen …

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Kurz gefasst: Sie wollen Vorschläge von der Landesregierung, wo im laufenden Haushalt Geld eingespart werden kann, und dazu einen Bericht im Finanzausschuss bis zum 30. September. Das hatten wir doch gestern erst.

Es ist doch vollkommen klar, dass das Land durch die aktuelle Krise massive Einnahmeausfälle zu erwarten hat. Die Steuerschätzung zeigt das auch und der Finanzminister hat das sehr ausführlich begründet. Es wird insbesondere Aufgabe des Landtages sein, denn wir haben die Budgethoheit, Vorschläge auch zu unterbreiten, wie wir mit den finanziellen Herausforderungen umgehen. Und ich bin an dieser Stelle dem Finanzminister sehr dankbar, dass es hier um besonnenes Agieren geht und jetzt nicht der Rotstift regieren soll.

Dabei ist jetzt im Übrigen schon absehbar, was wir von Ihnen von der AfD zu erwarten haben.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Was?!)

Ich erinnere nur an die letzten Haushaltsberatungen. Sie wollen die Streichung von Mitteln für die Gleichstellungspolitik und für die politische Bildung.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Verheerend, sage ich da, zeigt doch,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

zeigt doch gerade diese Krise und das, was wir gegenwärtig im Internet und auch auf den Straßen und Plätzen erleben, wir dürfen keineswegs weniger, sondern müssen deutlich mehr in politische Bildung investieren.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Und damit nicht genug. Ich erinnere auch daran, die AfD will massiv Stellen im öffentlichen Dienst abbauen. Sie wollen auch nicht, dass die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer endlich besser bezahlt werden.

(Holger Schneider, AfD: Da sind wir nicht allein, mit der Meinung. – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)