Das Familienbild hat sich nicht nur in den letzten Jahren gewandelt. Geschlechterrollen und Familienmodelle haben sich historisch immer wieder verändert. Das, was als traditionelles Familienbild angesehen wird, ist gerade einmal 150 Jahre alt. Die heutige Vielfalt mit Patchwork-, Regenbogen- und traditionellen Familien, mit Alleinerziehenden und Pflegefamilien ist keine Folge einer Genderideologie, sondern orientiert sich an den realen Lebensverhältnissen der Menschen. Viele Menschen entscheiden sich heute für andere Lebensformen. Es kann und darf nicht Aufgabe der Politik sein, die Menschen zu bevormunden und ihnen zu sagen, wie sie zusammenzuleben haben,
muss die Wünsche und Lebenssituationen der Menschen berücksichtigen und auch andere Lebensgemeinschaften unterstützen, fördern und finanziell absichern.
Und ich finde es richtig gut, meine Herren von der AfDFraktion, dass wir hier einmal die Unterschiede unseres Familienbildes thematisieren. Die Landesregierung und
die übergroße Mehrheit im Landtag respektieren und schätzen die unterschiedlichen Familienformen in ihrer Vielfalt. Und gern können wir auch über das Grundgesetz reden. Das ziehen Sie hier ja in Ihrer Antragsbegründung als Joker.
Dazu möchte ich Folgendes betonen: Das Grundgesetz legt in Artikel 3 Absatz 2 fest: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Damit einher geht die Auffassung, dass eine moderne Frauen- und Gleichstellungspolitik allen Menschen die Möglichkeit bieten muss, das eigene Leben auf vielfältige Art und Weise zu gestalten, ob als Geschäftsführung eines Unternehmens, als Angestellte oder als Hausmann oder auch als Abgeordneter oder sogar Abgeordnete im Landtag. Die Errungenschaften der letzten Jahre und Jahrzehnte erlauben es Frauen, frei, selbstbestimmt und selbstbewusst zu leben. Sie verdienen Geld, sie sind ökonomisch unabhängig, auch im Alter.
Für bestimmte Männer – 14 sitzen hier manchmal im Saal – bedeutet ein traditionelles Rollenbild die Rückkehr zum starken Ernährer. Wer so leben möchte und eine entsprechende Partnerin findet, kann das gern tun. Aber hören Sie auf, Ihre Sichtweise als Normalität im 21. Jahrhundert zu verkaufen! Ihr gesellschaftliches Bild ist klischeehaft und einseitig. Moderne Männer wollen mehr in ihrem Leben.
Und ich bemühe nochmals das Grundgesetz: Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Staates. Dies ist verankert in Artikel 6 des Grundgesetzes. Der Begriff der Familie im Grundgesetz ist offen zu verstehen. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Rechtsprechung dar, dass Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern schützt. Dabei ist nicht maßgeblich, ob die Kinder von den Eltern abstammen und ob sie ehelich oder nicht ehelich geboren wurden. Familie ist die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern, die für diese Verantwortung tragen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Landesregierung ist es wichtig, möglichst unterschiedliche Lebenssituationen und Interessen von Frauen, Männern und allen Geschlechtern in jeglicher Hinsicht in ihrem politischen Handeln zu berücksichtigen, um Diskriminierungen vorzubeugen. Schulische Aufklärung über vielfältige Lebensformen führt zu Akzeptanz, Respekt, Gleichstellung und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Auch in allen anderen Bereichen ist die Sensibilisierung und Aufklärung der Menschen hinsichtlich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt von großer Bedeutung.
Und ich betone ganz deutlich: Ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, das es sich zum Ziel setzt, dass jeder Mensch gleichberechtigt und ohne Angst vor Aus
grenzung und Anfeindung, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung und seiner geschlechtlichen Identität frei leben kann. Genau dafür setzt sich die Landesregierung, genau dafür setze ich mich vehement ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es spät ist, zu den Themen „geschlechtergerechte Sprache“ und „Genderforschung“ möchte ich sehr gern noch etwas sagen.
Unsere Gesellschaft und unser Sprachgebrauch waren und sind historisch bedingt männlich dominiert. Es geht deshalb darum, Frauen in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, ihrer Sichtbarkeit und ihren persönlichen Wirkungsmöglichkeiten nicht weiter zu benachteiligen. Sprache ist vom Denken geprägt, und sie prägt das Denken. Sprache erzeugt Bilder. Und wenn Herr Professor Weber krampfhaft unser Landtagspräsidium mit „Präsident“ oder „Frau Präsident“ anspricht, dann macht er sich a) lächerlich,
aber er will b) genau dieses männlich dominierte Sprachbild erzeugen und aufrechterhalten. Sprache und ihr Gebrauch sind nicht ausschließliches Maß für den Grad an Gleichstellung einer Gesellschaft, aber Sprache und ihr Gebrauch sind ein wesentlicher Faktor für die Realisierung von Gleichstellung in einer modernen, offenen, gerechten Gesellschaft.
Abschließend zur Genderforschung: Frauen- und Geschlechterforschung ist weder unwissenschaftlich noch ideologisch.
Es geht um ein kritisches Verständnis von Wissenschaft. Es geht darum, sich mit Perspektiven oder Lebensweisen zu befassen, die bislang vernachlässigt oder einfach nicht beachtet wurden. Frauen- und Geschlechterforschung beziehungsweise Genderstudies tragen zu mehr Objektivität bei, nicht weniger. Und sie haben einen ganz praktischen Nutzen. Ein Beispiel ist die medizinische Forschung. Untersuchungen unter Geschlechterperspektiven haben gezeigt, dass Herzerkrankungen bei Frauen
Bei Männern hingegen wurden zum Beispiel in der postoperativen Betreuung bei Prostatakrebs die psychologischen Gesichtspunkte vernachlässigt.
Auch die Unterschiede in der Wirksamkeit von Medikamenten sind Teil dieser Forschung. So werden die meisten Medikamente in der Regel an jungen Männern erprobt. Damit lassen sich aber keine gesicherten Aussa
Einen Moment bitte, Frau Ministerin! Mir liegt noch ein Antrag auf Kurzintervention von Herrn Arppe vor.
Frau Ministerin, ich möchte nicht allem widersprechen, was Sie gesagt haben. Ich lebe ja selber seit bald 17 Jahren mit einem Mann zusammen. Und Homophobie, das möchte ich an der Stelle auch noch mal klarstellen, habe ich vonseiten der AfD bisher noch nie erlebt, wohl aber recht häufig aus dem linken Spektrum, zumindest latent.
Aber ich wollte auf was ganz anderes hinaus. Ich wollte noch mal auf diese gendergerechte Sprache zurückkommen. Es gibt ja auf der Welt viele Sprachen, die kennen keinen Genus, also kein grammatisches Geschlecht, zum Beispiel Armenisch, Georgisch, Chinesisch, Türkisch, Vietnamesisch, Koreanisch, diverse Sprachen auch im afrikanischen Raum. Und wenn das also wahr wäre, dass die Sprache, eine gegenderte Sprache, so einen großen Einfluss darauf hat, dass es mehr Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gibt, dann müsste es in diesen Ländern, bei den von mir eben aufgeführten Sprachen, in diesen Kulturräumen, in diesen Ländern müsste es dann ja,
Also diese Geschichte hinkt doch mächtig, und ich denke, das ist ein reines Wohlstandsphänomen mit dieser gendergerechten Sprache und dieser ganzen Gendergeschichte und geht an der Realität und an den wirklichen Notwendigkeiten völlig vorbei. Ich will ja gar nicht in Abrede stellen, dass Gleichberechtigung notwendig ist und da auch noch einiges zu tun ist,
Frau Ministerin, möchten Sie erwidern? Ich weise aber noch darauf hin, dass ein zweiter Antrag auf Kurzintervention von Herrn Schneider vorliegt. Sie könnten also jetzt antworten oder sich erst noch mal die Kurzintervention von Herrn Schneider anhören.