Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich habe mich enthalten

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

mit Rücksicht auf die Mehrheitsmeinung in der Fraktion, verkörpert von den Kollegen Grimm und Manthei,

(Sebastian Ehlers, CDU: Aha!)

die zustimmen wollten, weil wir auch einen Kandidaten hatten,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

aber ich habe niemals Frau Borchardt positiv in irgendeiner Form zugestimmt.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Herr Ritter, möchten Sie darauf erwidern?

Bitte schön!

Also, lieber Professor Dr. Weber, die von Ihnen geschilderten familiären Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, die nehme ich mit Respekt zur Kenntnis. Allerdings muss ich Ihnen sagen, dass auch Sie – und Sie sind nun mal Mitglied auch Ihrer Fraktion –, andere Fraktionsmitglieder hier mehrfach den Wunsch vorgetragen haben, dass auch mein Landesverband, der VVN-BdA, vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss, weil er extremistisch ist. Punkt! Da können Sie sich hier dann sozusagen entschuldigen, dass Sie mich nicht als Extremisten bezeichnet haben oder linksextrem, das ändert nichts an der Tatsache, dass einige Kollegen von Ihnen mich ganz gern unter Beobachtung sehen würden.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Herr Förster, da brauchen Sie gar nicht so erstaunt zu schauen. Das Erste.

Das Zweite: Zum Thema Dringlichkeitsantrag lesen Sie Ihren ersten Satz in der Begründung! Da steht drin, Frau Borchardt wurde am 15.05. gewählt – sinngemäß, ich

habe jetzt den Text nicht noch mal mit nach vorn genommen –, aber dass sie ungeeignet ist, das war lange vorher bekannt, lange vorher. Und dann gehen Sie in Ihrer Begründung selber bis in das Jahr 2016 zurück, sogar noch weiter, indem Sie Bezug nehmen auf den Kollegen Bodo Krumbholz, um daraus zu versuchen, eine Dringlichkeit zu erklären, wo man nach der Wahl bis zum Antragsschluss eine Woche Zeit hat, intensiv darüber nachzudenken, was sind denn die Beweggründe gewesen, warum wir Frau Borchardt im Wahlgang nicht mitgewählt haben, und was ist in der Woche neu dazugekommen. Nichts! Nichts! Alles, was zur Wahl schon bekannt war, ist auch dank Ihrer Mithilfe in der Öffentlichkeit schon hoch und runter dekliniert worden. Das einzig Neue, ich würde sagen, in Ihrem Antrag ist – das haben Sie jetzt auch noch mal selber dargestellt –, dass Sie Steigbügelhalter für die CDU sein wollen. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ritter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst etwas klarstellen, damit auch in der folgenden Debatte kein Irrtum aufkommt. Ich möchte hier ausdrücklich Wert darauf legen, dass ich die politischen Auffassungen von Frau Borchardt nicht teile. Ich teile sie weder, was die Frage einer Überwindung des kapitalistischen Systems angeht – ich bin ein deutlicher Verfechter der sozialen Marktwirtschaft, wobei ich mir manchmal wünschen würde, dass es mehr Soziales dabei gäbe, und manchmal würde ich mir auch wünschen, dass es mehr Markt dabei gäbe, beides ist nicht immer in meinem Sinne hinreichend ausgeprägt –, und ich teile ausdrücklich, aber das wird Sie jetzt auch nicht verwundern, die Position, die mein Fraktionsvorsitzender auch heute zu dem Thema Mauerbau geteilt hat.

Ich bin in der glücklichen Situation – das ist das Einzige, was ich dazu sagen will, weil ich das normalerweise denjenigen überlasse, die in diesem Land groß geworden oder geboren sind und groß geworden sind –, ich bin in der glücklichen Situation, dass ich 1962 in NordrheinWestfalen geboren wurde und das nicht persönlich erlebt habe. Aber das ist nur einem einzigen Umstand zu verdanken, dass Ende des Zweiten Weltkrieges die Wohnung meiner Großeltern und meiner Mutter in Nordhausen ausgebombt worden ist. Sonst wäre ich auf dieser Seite der innerdeutschen Grenze – in welcher Form auch immer – groß geworden. Das ist auch deutsch-deutsche Realität.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das nur vorneweg, weil ich auch deutlich machen will, worum es eigentlich geht bei der Frage, wählt man jemanden zum Landesverfassungsgericht als Richterin oder Richter oder wählt man sie nicht. Was nicht der entscheidende Maßstab bei der Entscheidung sein kann, ist die Frage, ob man die politischen Auffassungen der betreffenden Person teilt. Das wäre auch schlimm, weil natürlich soll ein Verfassungsgericht auch politisch denken. Das ist von Anfang an so sowohl beim Bundesverfassungsgericht als auch bei den Landesverfassungsgerichten der Bundesländer gewollt worden, weil wenn sie es nicht tun würden, würden die Landesverfassungen und das

Grundgesetz nicht die politische Realität in Deutschland widerspiegeln können und nicht mit der sich verändernden politischen und sozialen Realität wachsen. Das ist die eine Seite.

Und die zweite Seite, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich auch, dass es nicht sein kann, dass nur politische Vorstellungen einer Couleur dort vertreten sind. Wenn man also, wenn ich jetzt also auf die Idee käme, nur jemanden zu wählen, der meinen politischen Vorstellungen entsprechen würde, dann sage ich das jetzt mal ganz offen, dann dürfte ich wahrscheinlich auch keine Kolleginnen und Kollegen aus meiner eigenen Partei wählen, weil selbst mit denen streite ich mich manchmal über bestimmte Themen, dann säße ich da alleine, geklont, und ich glaube, das wäre auch für die Verfassung dieses Landes nicht gut und das würde auch dem Landesverfassungsgericht nicht guttun.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Maßstab muss dann tatsächlich sein, wie werte ich die Person sowohl im Hinblick auf die qualitativen Fähigkeiten, dieses Amt auszuüben, als auch bei der Frage, und das ist mir ganz persönlich wichtig, wie steht die betreffende Person – und das gilt für alle Richterinnen und Richter, die hier am Landesverfassungsgericht tätig sein sollten – zum Grundgesetz und zu der Verfassung dieses Landes.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gehöre zu den Abgeordneten in diesem Haus – ich kenne sie vielleicht nicht ganz so lange wie der Kollege Peter Ritter –, aber ich habe Frau Borchardt auch hier als Landtagsabgeordnete persönlich kennengelernt. Ich

weiß, dass man sich gut und heftig mit ihr streiten kann, und, wie gesagt, es hat viele Positionen gegeben, da habe ich innerlich dann nur noch mit dem Kopf geschüttelt. Aber das ist die eine Sache. Die andere Sache, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist der Umstand, ob ich mich daran erinnern kann, dass sie jemals eine Äußerung getan hat, auch in der Vergangenheit, die dazu geführt hätte, dass ich nun explizit auf dem Standpunkt stehe, dass sie nicht auf dem Boden dieses Grundgesetzes steht. Und das sage ich für mich, aus meiner Erfahrung heraus, eine solche Äußerung habe ich nicht gehört.

Und, meine Damen und Herren, es steht dem besonderen Ausschuss die Möglichkeit offen, sich mit den jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl des Landesverfassungsgerichts zu beschäftigen.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Und, sehr geehrter Herr Professor Weber, Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt, es ist sinnvoll, sich vorher ein Bild zu machen, das wäre der bessere Weg. Das war an die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der CDU gerichtet in erster Linie.

(Horst Förster, AfD: Der Antrag wurde abgelehnt.)

Ich, ich komme jetzt … Gestatten Sie mir doch, gestatten Sie mir doch, dass ich fortführe.

Und ich erlaube mir, weil ich nicht aus dem Protokoll eines Ausschusses hier, insbesondere nicht des besonderen Ausschusses zitieren möchte, gestatte ich mir allerdings an dieser Stelle, aus einem Zeitungsartikel zu zitieren, nämlich aus dem Zeitungsartikel der „Schweriner Volkszeitung“ vom 09.06.2020. Dort heißt es unter der Überschrift „Fall Borchardt: Was die AfD verschwieg“. Und jetzt erlaube ich mir zu zitieren, da heißt es dann: „Morgen will die AfD-Fraktion einen Abwahlantrag im Landtag stellen.“ Dann kommt, Zitat: „‚Dass eine Person, die in einer extremistischen Organisation Mitglied ist, bei einer solchen Wahl die notwendige Zweidrittelmehrheit bekommen hat, hat dem Ansehen des Landtags großen Schaden zugefügt‘“ – Zitatende, und dann geht es in dem Artikel weiter – „hatte Fraktionschef Nikolaus Kramer den Vorstoß begründet.“

Und weiter heißt es dann in dem Zeitungsartikel: „Doch jetzt kommt heraus: Noch 2017 haben zwei der drei AfDAbgeordneten im Besonderen Wahlausschuss für die Wahl Borchardts zur stellvertretenden Verfassungsrichterin gestimmt.“ 2017! „Das Protokoll der Sitzung liegt unserer Zeitung vor. Bei den beiden soll es sich nach Angaben aus Parlamentskreisen um den Parlamentarischen Geschäftsführer Ralph Weber und den Abgeordneten Christoph Grimm gehandelt haben. Die Enthaltung kam demnach vom damaligen Fraktionsvorsitzenden und heutigen Bundestagsabgeordneten sowie Landeschef Leif-Erik Holm.“

(Dr. Ralph Weber, AfD: Der nie in dem Ausschuss war.)

„Vize...“

Herr Professor Weber, ich zitiere nur das, was in der Zeitung steht. Sie können das ja gerne, wenn Sie wollen, richtigstellen.

„Vize-Fraktionschef Thomas de Jesus Fernandes konnte gestern beim Pressegespräch im Vorfeld der Landtagssitzung nicht erklären, wie es zu dem Sinneswandel bei maßgeblichen AfD-Abgeordneten gekommen ist:“ –

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Henning Foerster, DIE LINKE: Hört, hört!)

Zitat –

(Peter Ritter, DIE LINKE: So viel zur gründlichen Vorbereitung! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

„‚Es gab damals wohl ein Informationsdefizit‘, sagte er. Auch die Frage, warum die Ausschussmitglieder sich nicht näher mit der Person Borchardts beschäftigt haben, ließ Fernandes offen:“ – Zitat wieder Herr de Jesus Fernandes – „‚Dazu kann ich nichts sagen.‘“ Zitatende.

(Unruhe bei Rainer Albrecht, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir, damit aufzuhören. Ich habe das, ich habe das nur deswegen gesagt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, weil ich auf etwas anderes hinauswill. Mir geht es jetzt an dieser Stelle gar nicht darum, den einen oder anderen Abgeordneten der AfD hier bloßzustellen. Mir geht es, mir geht es um etwas anderes.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Natürlich!)

Nein! Hören Sie mal einen Moment, hören Sie mir bitte,

(Horst Förster, AfD: Wir haben doch eben schon erklärt, wie es war.)

(Horst Förster, AfD: Wir haben doch eben schon gesagt, wie es war!)