Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

Ich weiß ohnehin, ich weiß ohnehin, dass Sie aus anderen Gründen mich als Extremisten anschauen, weil ich Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten in diesem Land bin.

Ich bin, um aber zurück zum fds zu kommen, auch froh, dass es zum Beispiel bei der Sozialdemokratie eine ähnliche Strömung gibt, die Demokratische Linke 21. Ich kenne da sehr viele engagierte, vor allen Dingen junge Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die ähnlich wie die Mitglieder im Forum Demokratischer Sozialismus darüber nachdenken, wie man diese Gesellschaft verändern und verbessern kann, bis hin zu Fragen des Eigentums. Wir haben ja hier auf Ihren Antrag hin, Herr Professor Weber, über die Äußerungen von Kevin Kühnert lang und breit diskutiert. Wenn das alles Verfassungsfeinde sind, nun gut, dann sei es so.

Sie haben oder Sie formulieren in Ihrer Begründung weiter: „Bereits 2011 rechtfertigte Frau Borchardt den Bau der Mauer als ‚alternativlos‘.“ Hier will ich Ihnen klar sagen, dass diese Auffassung weder meine Auffassung ist noch die Auffassung meiner Fraktion.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wir haben ja auch nicht Sie oder Ihre Fraktion abwählen wollen.)

Also Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen! Sie wollen von uns eine Positionierung zu Frau Borchardt, die habe ich Ihnen jetzt gegeben. An dieser Stelle ist die Auffassung von Frau Borchardt, dass der Bau der Mauer alternativlos gewesen sei, nicht meine Auffassung und nicht die Auffassung meiner Fraktion.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

„Kein Ideal und kein höherer Zweck kann das mit der Mauer verbundene Unrecht, die systematische Einschränkung der Freizügigkeit und die Gefahr für Freiheit

sowie an Leib und Leben, beim Versuch das Land dennoch verlassen zu wollen, politisch rechtfertigen.“ Das war ein Zitat aus der Erklärung der Historischen Kommission meiner Partei zum 50. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer. Und DIE LINKE...

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Was hat das mit Frau Borchardt zu tun?)

Was hat das mit Frau Borchardt zu tun?! Weil sie Mitglied meiner Partei ist, weil Sie permanent fordern, dass wir Stellung zu Frau Borchardt beziehen sollen. Jetzt mache ich es, jetzt mache ich es und dann passt es Ihnen wieder nicht!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das hat nichts mit Frau Borchardt zu tun, nein? Ach!

(Glocke der Präsidentin)

Einen Moment, bitte!

Es ist, Sie begreifen es, Sie begreifen...

Einen Moment bitte, Herr Ritter!

Herr de Jesus Fernandes, ob der Redner zur Sache spricht oder nicht, entscheide ich, und ich bitte davon abzusehen, jetzt weiter zu kommentieren, ob Herr Ritter zur Sache spricht oder nicht.

Herr Ritter, bitte fahren Sie fort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Ich versuche es noch mal für den einen Kollegen. Sie stellen fest in Ihrer Begründung: „Bereits 2011 rechtfertigte Frau Borchardt den Bau der Mauer als ‚alternativlos‘.“ Ich sage hier noch mal, speziell an Sie gerichtet: Das ist nicht meine Auffassung, das ist nicht die Auffassung meiner Fraktion und das hat die Historische Kommission meiner Partei bereits im Jahr 2011 zum 50. Jahrestag des Mauerbaus erklärt. Und es heißt auch dort: „DIE LINKE sieht anlässlich des 50. Jahrestages … keinen Grund von der unmissverständlichen Klarstellung des Parteivorstandes der PDS aus dem Jahre 2001 abzugehen …“

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Dann distanzieren Sie sich jetzt also von Frau Borchardt?)

Also wie oft soll ich das noch sagen? Also Sie begreifen es nicht, ja?! Sie begreifen es nicht.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Sie begreifen es wirklich nicht, und damit wird deutlich, mit seinen Zwischenrufen,

(Heiterkeit und Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

worum es Ihnen eigentlich geht.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es heißt in Ihrer Begründung weiter: „Außer einer lupenreinen...Karriere hat Frau Borchardt nichts vorzuweisen...“ Das zeigt erstens, dass Sie von DDR-Biografien so gut wie nichts halten, und das zeigt zweitens, dass Sie von Frau Borchardt wenig wissen. Kaum jemand in diesem Hohen Haus kennt Frau Borchardt so lange wie ich. Kaum jemand in diesem Hohen Haus hat mit Frau Borchardt so oft und so heftig gestritten. Ihr aber zu unterstellen, sie hätte nichts vorzuweisen, geht an der Realität vorbei. Frau Borchardt war länger Abgeordnete dieses Hohen Hauses, als Sie es zurzeit sind. Frau Borchardt war lange Jahre Mitglied im Rechtsausschuss, Frau Borchardt hat aktiv im Petitionsausschuss gearbeitet und Frau Borchardt war eine der Initiatorinnen und Unterstützerinnen der Volksinitiative gegen die Amtsgerichtsstrukturreform, im Übrigen in enger Zusammenarbeit mit dem Richterbund und anderen Juristenvereinigungen. Ich habe in all dieser Zeit von all diesen Beteiligten nicht ein Wort in die Richtung gehört, in der Sie hier Frau Borchardt Dinge unterstellen.

Dann bemühen Sie den ehemaligen sicherheitspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Michael Silkeit im Zusammenhang mit einer NPD-Demo am 8. Mai 2016 in Demmin, also Vorgänge, die noch vor Ihrer Zeit, dem Einzug in den Landtag, lagen, aber die Sie hätten wissen müssen, als Sie 2017 auch Ihre Zustimmung zur Wahl von Frau Borchardt als stellvertretendes Mitglied im Landesverfassungsgericht nicht verweigert haben, nicht verweigert haben.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich nicht, Ihre Fraktion hat die Zustimmung nicht verweigert, Herr Professor Weber. Deshalb ist auch diese, ich sage mal, diese Aufgewühltheit, die Sie heute an die Tagesordnung legen, wenig glaubwürdig, wenig bis gar nicht glaubwürdig.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Dann zitieren Sie den SPD-Politiker Bodo Krumbholz, der in einem Schreiben seine Kollegen in der SPD-Fraktion und in der CDU-Fraktion vor der Wahl Borchardts warnte, weil diese, ich zitiere, „niemals erkennen lassen hat, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes agiert, dieses anerkennt oder auch nur respektiert“, Zitatende. Da, liebe Kollegen habe ich mich doch ein Stück weit gewundert. Als Bodo Krumbholz Vorsitzender des Rechtsausschusses war, war auch ich Mitglied im Rechtsausschuss, gemeinsam mit Frau Borchardt. Ich kann mich nicht erinnern, dass Herr Krumbholz in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Rechtsausschusses irgendwann mal Frau Borchardt in die Schranken gewiesen hätte oder sie darauf hingewiesen hätte, dass sie eine Verfassungsfeindin ist. Das war so nicht.

Das hat auch nicht stattgefunden durch die von mir geschätzten Kollegen Friese, Mohr oder Müller, die zum damaligen Zeitpunkt gemeinsam mit mir im Rechtsausschuss gesessen haben. Das trifft auch nicht zu auf die Kollegen der CDU-Fraktion Ankermann, Dr. Born und Rainer Prachtl. Woran ich mich erinnere, vor allen Dingen bei den beiden letztgenannten, bei Rainer Prachtl und bei Ulli Born, ist die Tatsache, dass sie sich oft inhaltlich scharf und konsequent mit Barbara Borchardt auseinandergesetzt haben, so, wie es sich für Parlamentarier untereinander gehört. Das waren für mich unter

anderem auch Sternstunden der Demokratie, weil man dort gesehen und gelernt hat, auch im Rechtsausschuss, dass man in der Sache tief streiten kann, dass man aber dennoch kollegial miteinander umgeht.

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, letztendlich ein Blick in das Gesetz: Gewählt werden kann oder gewählt werden kann nicht, wer „gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, insbesondere die im Internationalen Pakt über“ die bürgerlichen und menschlichen Rechte vom 19.12.66 „gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundrechte verletzt hat“. Ich kann mich an keine Stelle erinnern, wo Frau Borchardt die Grundsätze der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte vom Dezember 48 verletzt hat. Was ich aber weiß aus vielen Debatten, dass Sie mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte große Probleme haben, meine sehr verehrten Herren von der AfD. Wir lehnen den Antrag ab. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Martina Tegtmeier, SPD)

Vielen Dank, Herr Ritter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion...

(Dr. Ralph Weber, AfD: Halt, halt, halt!)

Oh, entschuldigen Sie bitte, Herr Ritter! Es liegt mir noch eine Kurzintervention von Herrn Professor Weber vor.

Liebe Landsleute! Wertes Präsidium!

Sehr geehrter Herr Kollege Ritter, zum einen möchte ich Ihnen mal sagen, von mir haben Sie mit Sicherheit noch nie gehört, dass ich Sie als linksextremistisch bezeichnet habe. Anders als Sie das gelegentlich zu tun pflegen, spare ich mit solchen Vorwürfen und bin sehr zurückhaltend. In Ihrer Partei gibt es sehr wohl Linksextremisten, aber Sie persönlich habe ich nie als einen solchen bezeichnet.

Und die Unterstellung, weil Sie Landesvorsitzender dieser Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes waren, da liegt es mir besonders fern, Sie so zu bezeichnen. Mein Opa ist vom NS-Regime als Bürgermeister abgesetzt worden, ist inhaftiert worden, war Verfolgter des NS-Regimes. Ich habe große Hochachtung vor denjenigen, die in dieser Zeit ihren Widerstand wenigstens verbal deutlich gemacht haben. Es wird mir niemals einfallen, jemanden wegen dieser Tätigkeit als linksextrem zu bezeichnen. Das mal zum einen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zum anderen, Dringlichkeitsantrag: Ja, in der Tat, wir haben es uns nicht leicht gemacht mit diesem Dringlichkeitsantrag, weil wir an sich sehr geneigt sind, demokratische Wahlen zu akzeptieren, auch wenn uns das Ergebnis nicht passt. Das, was dann nach der Wahl noch bekannt wurde und die Gefahr eines dauerhaften und sich potenzierenden Schadens für unser Landesverfassungsgericht, einem Verfassungsorgan, hat uns dann

bewogen, diesen Antrag zu stellen, und nicht, um der CDU eins auszuwischen. Im Gegenteil, wir halten der CDU den Steigbügel hin, aufzusteigen und zu sagen, ganz so schlimm ist es mit uns doch noch nicht und mit dem politischen Geschachere von Posten. Das ist ein Angebot, das wir machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und die Wahl 2017, dazu möchte ich noch sagen – von Frau Borchardt als stellvertretendes Mitglied in das Landesverfassungsgericht –, wenn Sie sich die Mühe gemacht haben, und ich weiß, Sie haben sie sich gemacht, das Protokoll nachzulesen, dann wüssten Sie, dass damals nicht alle AfD-Abgeordneten zugestimmt haben. Und ich möchte jetzt persönlich erklären, ich habe damals keine Zustimmung signalisiert.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)