Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

Und das ist nicht akzeptabel.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, durch Gespräche, insbesondere mit der jüngeren Generation, bin ich mir aber sicher, dass diese Teilung in den Köpfen dieser jungen Menschen keine Rolle mehr spielt. Und deswegen kann ich es auch nicht ertragen, das Ewiggestrige Geschichtsfälschung betreiben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU, Rainer Albrecht, SPD, und Jens-Holger Schneider, AfD)

Denn diese Mauer richtete sich gegen die individuellen Freiheitsrechte der eigenen Bürger. Statt den Bau der Mauer als alternativlos zu betrachten, sollte man vielleicht Ursachenforschung betreiben, warum die Menschen das eigene Land verlassen wollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Todesopfer an der Berliner Mauer sind nicht relativierbar. Der Bau

der Mauer mit Stacheldraht, Selbstschussanlagen und Minenfeldern ist ebenfalls nicht relativierbar.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Die Mauer war eine humanitäre Kapitulationserklärung, sie war keinesfalls ein notwendiges Übel. Ich kann es vielleicht nachvollziehen, dass 1961 oder 1989 Menschen eine andere Auffassung hatten, aber heute, 30 Jahre später, 30 Jahre gelebt in einer Demokratie, gibt es für mich keine Ausrede. Wer die Mauer heute relativiert, tut das aus Borniertheit und wider besseres Wissen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Nee, das machen die aus Überzeugung.)

Ich erwarte von jedem Verantwortungsträger in unserem Land, dass er sich kritisch mit der deutsch-deutschen Geschichte auseinandersetzt und Geschichtsfälschung unterlässt. Und das gilt insbesondere für Mitglieder des Landesverfassungsgerichts. – Herzlichen Dank!

(lang anhaltender Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD und Christel Weißig, fraktionslos)

Es ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Borschke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Was wollen Sie uns eigentlich mit Ihrem Antrag sagen? Nun, Sie wollen uns sagen, wir brauchen euren, also unseren Antrag nicht, wir selber sind die Kämpfer gegen den Linksextremismus, und wir achten die Opfer, und alles wird gut. Aber das wird es eben nicht. Ihr Handeln steht im krassen Widerspruch zu Ihren Beteuerungen. Sie hoffen, so dieses Thema über die Sommerpause zu bekommen. Sie, Herr Renz, sagten eben, es geht auch um die Wahl der Frau Borchardt, aber ich sage Ihnen, ohne unseren Dringlichkeitsantrag hätte es Ihren Antrag heute gar nicht gegeben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos – Minister Harry Glawe: Das ist Spekulation.)

Ihr Antrag ist der Versuch einer Nebelkerze.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Sie wollen damit ablenken von Ihrem politischen und moralischen Versagen im Kampf gegen Extremismus.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und wenn wir über die Mauer und die vielen Opfer reden, müssen wir natürlich auch über die Wahl der Frau Borchardt und das Regime der DDR reden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Also reden wir mal Klartext. Als Betroffener lehne ich diesen Ihren Antrag ab, unabhängig vom Votum meiner Fraktion. Dieser Antrag fokussiert sich nur auf einen Bereich des DDR-Unrechts, nämlich den Mauerbau. Das aber relativiert die Verbrechen der zweiten verbrecherischen, sozialistischen Diktatur auf deutschem Boden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Leider müssen wir feststellen, dass es heute immer mehr Versuche gibt, die Verbrechen der DDR zu relativieren. Ihr Antrag unterstützt die Sichtweise vieler heutiger Sozialisten. Alle bisherigen Sozialismusversuche sind nur gescheitert, weil die Ausführenden zu dumm waren und den Sozialismus nicht verstanden haben. Aber jetzt kommen wir, wir machen es jetzt richtig – eine weit verbreitete Ansicht übrigens bei den Westsozialisten.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Aber jeder neue Sozialismusversuch wird genauso blutig und in Unfreiheit enden wie alle vorherigen auch.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Meine Damen und Herren, die Reisefreiheit ist ein wichtiges Grundrecht. Sie ist ein Freiheitsrecht. Sie kann aber nur in einer Einheit aller Freiheitsrechte ihre wirkliche Bedeutung erlangen. Meine damaligen Mitstreiter und ich sind nicht für ein bisschen Spaß und Fun in Form von Reisefreiheit auf die Straße gegangen. Ich werde den Eindruck nicht los, Sie wollen den Widerstand gegen das Regime degradieren auf offene Grenzen und Reisefreiheit. Nein, die Erkenntnis, dass es sich im Ganzen um ein verbrecherisches und menschenverachtendes System handelt, hat mich zum Widerstand gegen das Regime bewogen,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

wohl wissend, wohl wissend, welche Gefahren mich und die meinen erwarten. Und diese Freiheit und Menschenrechte verachtende Idee des Sozialismus lebt heute dank, auch dank Ihnen, meine Damen und Herren der CDU, wieder auf. Es ist eben nicht nur die Relativierung der Toten durch Frau Borchardt, die sie nicht für das Amt tragbar macht, es ist ihre bis heute nicht eingetretene Einsicht und ihr Festhalten an sozialistischem und verbrecherischem, kommunistischem Gedankengut, das diese Frau unmöglich macht für dieses Amt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und dass Sie, meine Damen und Herren der CDU, diese Wahl mittragen, ist beschämend.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Die Wahl dieser Frau ist eine Verhöhnung aller Opfer der Gewaltdiktatur. Mehr denn je gilt heute wieder Freiheit statt Sozialismus.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Fraktionsvorsitzende Herr Krüger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rate uns allen, mit kühlem Kopf die Dinge zu betrachten, so, wie sie sind, und hier nicht in den Saal zu brüllen,

(Zurufe von Thomas de Jesus Fernandes, AfD, und Stephan J. Reuken, AfD)

weil ich glaube, das wird dem Thema nicht gerecht.

(Ralf Borschke, AfD: Respekt, Herr Krüger, hat auch was mit Charakter zu tun. – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Na das hat er ja nicht. – Glocke der Vizepräsidentin)

Ich habe die DDR zweigeteilt wahrgenommen. Zum einen gab es Menschen, durchaus auch viele Menschen, die sich in der DDR eingerichtet haben. Da war die Arbeit, da waren die Kollegen, ein Garten, Nachbarn – einfach die tägliche Realität. Zum anderen gab es aber auch viele Menschen, denen das nicht reichte. Die stellten die Realität infrage, die waren unzufrieden mit den politischen, die waren unzufrieden mit den wirtschaftlichen Zuständen in der DDR. Diese Menschen konnten und wollten sich nicht damit abfinden, dass sie sich beispielsweise nicht in ihr Auto setzen konnten, um einfach mal nach Hamburg zu fahren, dass es nicht möglich war, selbst zu entscheiden, wo man wohnen und leben möchte.

Es gab Menschen – und das hat Kollege Renz eben auch schon ausgeführt –, die zornig, erbost und zutiefst traurig sind darüber, dass sie nicht zur kranken Mutter oder zum sterbenden Vater fahren konnten und anschließend auch die Beerdigung selbst nicht besuchen konnten. Dass das massiv nachwirkt, das ist, denke ich, für uns alle selbstverständlich. Diese Menschen wollten nicht anerkennen oder viele Menschen wollten nicht anerkennen, dass politische Pluralität in der DDR darin bestand, dass greise Männer dem Volk erklärten, dass es keine Alternative zum real existierenden Sozialismus geben sollte, dass Glasnost, Perestroika für die Menschen der DDR keine Rolle spielen würden.

Meine Damen und Herren, ich bin im Jahr 1969 geboren. Die Mauer stand seinerzeit acht Jahre. In meinen jugendlichen Vorstellungen gab es keine andere Realität als die des eingemauerten Staates, aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, in früherer Jugend hat das für mich auch nicht wirklich eine Rolle gespielt. Für mich wurde die Monstrosität dieses Bauwerkes erst beim Besuch in Berlin deutlich. Ich muss damals um die 14 Jahre alt gewesen sein. Ich habe an den Absperrungen des Brandenburger Tores gestanden und mir war da bewusst, dass hier an dieser Stelle für mich die Welt zu Ende war.

Im Staatsbürgerkundeunterricht in Malchin an der LeninSchule wurde uns dann erzählt, dass Grenzanlagen ein antifaschistischer Schutzwall wären. Wir, die DDRBürger, müssten vor den Imperialisten, vor den Faschisten oder, wie es damals noch hieß, Bonner Ultras geschützt werden. Die Frage, warum diese Imperialisten und Bonner Ultras dann aber in die DDR kommen könnten, sich hier bewegen könnten, wir aber im anderen Gegenzug nicht dahinfahren könnten, diese Frage wurde

nicht befriedigend beantwortet. Diese Widersprüche blieben offenkundig, ohne dass es eine befriedigende Erklärung dafür gab.

Für mich rückte das Thema dann bei Diskussionen während meiner NVA-Zeit wieder in den Mittelpunkt.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Da wurde sehr viel diskutiert, da wurde sehr intensiv diskutiert, und da wurde eben diskutiert die Ausrichtung der Grenzanlagen. Da war jemand, der uns berichtete, auf der Mauerkrone beziehungsweise auf der Krone des Zauns, der durch Deutschland ging – denn die Mauer war ja nur in Berlin –, gibt es ein Stacheldrahtgeflecht, und dieses Stacheldrahtgeflecht neigt sich in Richtung Osten. Auf der Ostseite wurden die Selbstschussanlagen angebaut, und die Frage stellt sich ja, warum. Wenn der Gegner, die Bonner Ultras, die Faschisten im Westen sitzen, warum dann auf der Ostseite Selbstschussanlagen und zur Ostseite geneigter Stacheldraht?

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Davor waren die Minen in den Boden gelegt, davor gab es ein gut gepflegtes, von Bewuchs freigehaltenes Schussfeld. Die Grenzanlagen wurden also so konzipiert, dass Menschen, die die DDR verlassen wollten, getroffen werden sollten. Die Minen waren zur Abwehr der DDRBürger aufgebaut. Die Selbstschussanlagen waren zur Abwehr der DDR-Bürger installiert. Und DDR-Bürger sollten getroffen werden, wenn sie fliehen wollten, auf diesem freien Schussfeld. Die Regierung der DDR hat ihr Volk eingesperrt, damit es nicht weglaufen konnte. Und, meine Damen und Herren, die Grenzanlagen waren erschreckend effektiv. Es waren Ostdeutsche, die im Todesstreifen von ihren Kameraden erschossen wurden. Es waren Ostdeutsche, die an den Selbstschussanlagen durch diese monströsen Maschinen starben, und es waren Ostdeutsche, die fliehen wollten.