Davor waren die Minen in den Boden gelegt, davor gab es ein gut gepflegtes, von Bewuchs freigehaltenes Schussfeld. Die Grenzanlagen wurden also so konzipiert, dass Menschen, die die DDR verlassen wollten, getroffen werden sollten. Die Minen waren zur Abwehr der DDRBürger aufgebaut. Die Selbstschussanlagen waren zur Abwehr der DDR-Bürger installiert. Und DDR-Bürger sollten getroffen werden, wenn sie fliehen wollten, auf diesem freien Schussfeld. Die Regierung der DDR hat ihr Volk eingesperrt, damit es nicht weglaufen konnte. Und, meine Damen und Herren, die Grenzanlagen waren erschreckend effektiv. Es waren Ostdeutsche, die im Todesstreifen von ihren Kameraden erschossen wurden. Es waren Ostdeutsche, die an den Selbstschussanlagen durch diese monströsen Maschinen starben, und es waren Ostdeutsche, die fliehen wollten.
Ich habe auf der Internetseite des MDR einen Bericht gefunden, der beschreibt, wie man das Grenzregime aufgebaut hat, und das will ich kurz zitieren. Zitat: „Insgesamt wurden zwischen 1961 und 1983 etwa 1,3 Millionen Bodenminen auf 770 Kilometer Grenzlänge verlegt. Die Minen sollten Flüchtenden den Fuß abreißen. Ab den 1970er-Jahren kamen Splitterminen vom Typ SM 70 zum Einsatz – diese sogenannten Selbstschussanlagen waren so konstruiert, dass bei Be- oder Entlastung eines lose gespannten Drahtes immer drei Minen gleichzeitig detonierten. Aus einem Trichter verschossen sie“ dann „etwa 100 scharfkantige Metallwürfel von fünf bis acht Millimeter Seitenlänge, Reichweite bis zu 280 Meter.“ Zitatende.
Die Gefahr war den Menschen bekannt. Trotzdem hat es Menschen gegeben, die immer wieder versucht haben, die Grenzanlagen zu überwinden. Und die Statistiken zeigen, dass es in der Endphase der DDR immer mehr Menschen gab, die diesen riskanten Weg suchten. Der Druck bei den Menschen war offensichtlich gestiegen. Der Glaube daran, dass sich die Verhältnisse in der DDR nachhaltig ändern könnten, der Glaube daran war offensichtlich bei vielen Menschen weg. Die Motivation war sicherlich vielfältig: Es gab politische, wirtschaftliche und persönliche Gründe. Und je nach wissenschaftlicher Quelle und je nach Zählweise findet man auch unterschiedliche Statistiken über die Zahl der Todesopfer an
Aber, meine Damen und Herren, es hat auch Menschen gegeben, die bei dem Fluchtversuch nicht getötet oder verletzt wurden. Diese haben trotzdem den Versuch, vom Osten in den Westen zu kommen, teuer bezahlt. Der Stasiknast war berüchtigt. Dort sollten Menschen gebrochen werden und dort wurden Menschen gebrochen.
Andere Menschen, meine Damen und Herren, wurden gezwungen, für den Staatssicherheitsdienst zu spitzeln. Ihnen gerecht zu werden, ist kaum möglich, denn sie waren nach der Wende sowohl Opfer als auch Täter. Ich habe so jemanden kennengelernt, jemand, der sich nach der Wende politisch sehr engagiert hat, bis die Stasiakten ausgewertet worden sind und wir feststellen mussten, der war Täter. Die Nachfrage, warum er denn als Täter sich jetzt politisch in einem demokratischen Deutschland engagieren wollte, hat er uns beantwortet. Der sagte, ich habe damals einen Fluchtversuch gemacht, als ich Soldat an der Grenze war. Die haben mich gestellt und die haben mir gesagt, entweder du schreibst diesen Bericht, dass du bereit bist, uns zukünftig zu informieren, oder durch diese Tür, da wartet der Transport auf dich und dann gehts in den Stasiknast. Der hat Berichte geschrieben, hat sich damit schuldig gemacht. Es ist natürlich damit auch nicht möglich gewesen, obwohl er der tiefen Überzeugung war, dass das System DDR falsch war, hat natürlich dann auch nicht mehr die Möglichkeit gehabt, politisch zu arbeiten.
Unterm Strich, meine Damen und Herren, will ich festhalten, die Mauer in Berlin und der Todesstreifen, der sich quer durch Deutschland zog, waren schreiendes Unrecht und haben zu Tod und Leid geführt – Leid und Unrecht, das nicht wirklich gesühnt werden kann.
Meine Damen und Herren, ich bin 1989 in die Sozialdemokratische Partei der DDR eingetreten, als die Mauer noch stand und von SED und ihren Blockparteien verteidigt wurde. Eine der wichtigsten Forderungen war seinerzeit die Reisefreiheit, eine Reisefreiheit, die das Gegenteil von Einsperren der Bevölkerung war, eine Reisefreiheit, die Selbstschussanlagen oder Todesstreifen überflüssig gemacht hätte und schließlich ja auch überflüssig gemacht hat. Dass die deutsche Vereinigung schneller ging, als viele damals geglaubt haben, ist ein großer Glücksfall in der deutschen Geschichte. Vor allem auch übrigens, dass es friedlich gelaufen ist, ist ein großer Glücksfall in der deutschen Geschichte und bleibt für immer mit den Menschen in der DDR verbunden, die mutig auf die Straße gegangen sind, aber bleibt für immer auch verbunden mit den Namen Willy Brandt und Helmut Kohl, die hier sehr beherzt gehandelt haben.
Meine Damen und Herren, jeden Versuch der Relativierung des DDR-Unrechts, der Not, des Leids, der Todesfälle, der monströsen Grenzanlagen lehnt meine Fraktion mit voller Überzeugung ab. Ich will aber auch deutlich machen, dass ich vor dem Hintergrund der zurückliegenden Diskussionen der letzten Wochen schon verwundert bin, von wem hier Extremismusvorwürfe kommen. Es ist eine Fraktion, die selbst tief im extremistischen Sumpf steckt, nämlich im rechtsextremistischen Sumpf,
die sich von ihren rechtsextremistischen Mitgliedern nicht befreien kann, die ein ungeklärtes Verhältnis zum NSSystem hat.
Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, hat eine solche Fraktion kein Recht, anderen eine Lektion in Geschichte und Extremismus zu erteilen.
Meine Damen und Herren, die deutsch-deutsche Teilung hat das Leben von Millionen Menschen in der DDR 40 Jahre lang geprägt und prägt sie bis heute hin. Und auch heute sind die Folgen der Teilung der vergangenen 30 Jahren nicht vergessen, und die Spuren sind vorhanden. Und es gibt auch heute noch Menschen, die darunter leiden. So vielfältig die Biografien und Lebenswege in der DDR auch waren, so verschieden waren die Erfahrungen mit den staatlichen Institutionen. Wo der eine in der DDR sein Glück in der Familie, in einer Ausbildung und einer sicheren beruflichen Laufbahn fand, da wurde einem anderen dieses Glück verwehrt, da wurden Lebenswege verbaut und Existenzen vernichtet.
An diesem erlittenen Unrecht gibt es nichts zu relativieren und nichts zu rechtfertigen. 30 Jahre nach der Überwindung der deutschen Teilung kommt es darauf an, dass wir uns alle darum bemühen, die Unterschiedlichkeit der Erfahrung anzuerkennen. Lassen Sie uns alle daran arbeiten, dass die Wunden der deutschen Teilung und des erlebten Unrechts heilen können, und lassen Sie uns verhindern, dass neue Wunden hinzukommen! – Herzlichen Dank!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe sehr wohl die Zwischenrufe aus den Reihen der AfD-Fraktion vernommen, die zumindest am Rande eines notwendigen Ordnungsrufes waren. Ich bitte Sie, gerade auch in einer solchen Debatte, es gilt immer, aber auch ganz besonders in dieser Debatte, von persönlichen Anfeindungen Abstand zu nehmen.
Ich rufe jetzt auf für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Simone Oldenburg, Fraktionsvorsitzende.
das Recht, Mauern zu errichten. Wer Mauern baut und Menschen daran hindert, sich frei zu entscheiden, sich frei zu äußern und sich frei zu bewegen, der errichtet auch Barrikaden in den Köpfen und Seelen. Wer Mauern baut, erzeugt bei den Menschen Misstrauen, Angst und Hass. Es darf nicht sein und es steht keinem Staat zu, zu bestimmen, wo Frauen, Männer und Familien leben wollen, wo sie glücklich sein wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, jedes System, das Mauern errichtet hat, ist gescheitert. Es ist durch nichts zu entschuldigen, dass Mütter und Väter von ihren Kindern getrennt wurden. Es ist durch nichts zu entschuldigen und durch nichts zu rechtfertigen, dass Menschen getötet wurden, die die Mauer überwinden wollten, die sie daran gehindert hat, in einem anderen Land zu leben. Eine Mauer trennt, spaltet und tötet. Das kann und darf niemals linke Politik sein, deren Grundidee die Menschlichkeit ist.
Es ist unsere Verpflichtung, uns beständig und glaubwürdig dieser Verantwortung zu stellen. Und dieser Verantwortung stellen wir uns auch seit über 30 Jahren,
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen, dass den Ausführungen von Herrn Renz und auch von Herrn Krüger von meiner Seite her, dass denen nicht zu widersprechen ist, bis auf Ihre wirklich, Herr Krüger, hier völlig überflüssigen Unterstellungen am Ende Ihrer Rede, die sonst sehr ausgewogen war
Die vorliegende Resolution hat weder einen aktuellen Bezug zur Mauer selbst noch zu einem 30. Jahrestag der deutschen Einheit. Der einzige aktuelle Bezug besteht zur Causa Borchardt. Dieser Skandal soll damit ersichtlich verschleiert werden. Das ist gleichermaßen offenkundig wie peinlich. Inhaltlich hat meine Fraktion an der Resolution aber nichts auszusetzen. Sie wird allerdings durch das Motiv für ihre Entstehung dermaßen entwertet, dass wir lange überlegt haben, wie wir uns hier abstimmungsmäßig verhalten sollen. Das wurde aus dem Bei
Die Mauer ist ja nicht nur die Mauer, sondern begrifflich gehören ja dazu die Grenzschutzanlagen – so nannte man die wohl – mit Todesstreifen, die das ganze Land durchzogen haben. Wenn man dann auch von westlicher Seite bei Braunlage abends spät in der Dunkelheit da noch ankam, wo dann die Hunde da an den Ketten liefen – es war schon eine sehr bedrohliche Veranstaltung.
Die Mauer steht also symbolhaft für die deutsche Teilung, zugleich aber auch für die deutsche Einheit, denn nur mit der Mauer ließ sich die dem Volk aufgezwungene Teilung aufrechterhalten. Die Mauer vermochte es nicht, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen zu zerstören.
Die Teilung Deutschlands kam nicht über Nacht. Sie begann damit, dass sich die Siegermächte die Beute in Besatzungszonen aufteilten und in einem längeren Prozess aus den westlichen Besatzungszonen zunächst die Trizone und dann die Bundesrepublik und aus der SBZ die DDR wurden. Der Wille zur Einheit verlor im Zuge der Bindung der beiden Teilstaaten an den Westen beziehungsweise an die Sowjetunion zwar an Intensität, blieb aber latent immer vorhanden. Auf beiden Seiten waren die Deutschen treue Verbündete im jeweiligen Lager und damit in den Köpfen letztlich bereit zum Brudermord. Die Hoffnung, dass es dazu nie kommen würde, dämpfte quälende Gedanken darüber, was das eigentlich bedeutete.
Dass es dazu nicht kam und Deutschland am Ende seine Wiedervereinigung erlangte, ist rückblickend einer unglaublichen Verkettung glücklicher Umstände zu verdanken. Die friedliche Revolution war allein das Werk der Ostdeutschen. Darauf können die Ostdeutschen ewig stolz und die Westdeutschen sollten dankbar sein.
Umso weniger müssen sich die Bürger in den ostdeutschen Ländern vom Westen sagen lassen, wie sie zu denken und zu wählen haben. Die Mauer war nicht nur ein Problem für die Ostdeutschen. Freilich blieb diesen die Freiheit und Demokratie vorenthalten und im Westen war der Wohlstand größer, aber unter der Teilung litten alle, denen das Geschick ihres Landes nicht gleichgültig war. Zudem hatte die Westgesellschaft Millionen von Deutschen aus den Ostgebieten und der DDR aufgenommen. Das war jedenfalls die Lage in den 60er- und 70er-Jahren. Die durch die Mauer manifest gewordene Teilung wurde auf beiden Seiten als eine blutende Wunde wahrgenommen. Das habe ich jedenfalls aus vielen Diskussionen, vor allem im Osten, damals wahrgenommen und in Erinnerung.
Die Mauer hat viele Opfer gefordert. Besonders dramatisch war der Tod des 18-jährigen Peter Fechter am 17. August 1962 in unmittelbarer Nähe des Checkpoint Charlie. Er wurde noch auf der Mauer von mehreren Schüssen getroffen, fiel herunter und blieb auf Ostberliner Gebiet laut um Hilfe schreiend fast eine Stunde im Todesstreifen liegen. Weder die DDR-Grenzsoldaten noch die auf der Westseite versammelten Polizisten griffen, jeweils aus Angst, die andere Seite würde schießen, ein. Die Bilder dieses Falls gingen um die Welt und
sorgten für Empörung. Im „Schwarzen Kanal“ des DDRFernsehens hieß es dazu: „Und wenn dann solch ein Element … unmittelbar an der Grenze verwundet und nicht sofort geborgen wird – dann ist das Geschrei groß. … Das Leben eines jeden einzelnen unserer tapferen Jungen in Uniform ist uns mehr wert, als das Leben eines Gesetzesbrechers. Soll man von unserer Staatsgrenze wegbleiben – dann kann man sich Blut, Tränen und Geschrei sparen.“
Wie gesagt, der Vorfall ereignete sich ganz nah am Checkpoint Charlie. Ein US-Offizier erhielt damals auf telefonische Nachfrage, was nun zu tun sei, von seinem Generalmajor die Weisung: Leutnant, you have your orders, stand fast, do nothing! Also: Leutnant, Sie haben Ihre Anweisungen, bleiben Sie standhaft, tun Sie nichts! Wir können dieses Kommando hochbrechen, denn es drückt exakt das aus, was bis zum Fall der Mauer galt, den Status quo durch standhaftes Nichtstun bewahren. Die Siegermächte hatten Deutschland und ihre Einflusssphären festgelegt und hatten verstanden, dass keine Seite gegen den Willen der anderen etwas ändern konnte.