Protokoll der Sitzung vom 23.09.2020

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Vorfeld der Festlegung dieser Zielsetzung erfolgte eine umfangreiche, auch freiwillige Befassung der Fachausschüsse im Landtag. Wir wollen nicht, dass in unserem Küstenmeer nach Erdöl und Erdgas gebohrt oder dieses gar gefördert wird, auch nicht über Horizontalbohrungen von Land aus. Wir wissen um die Sensibilität dieses Naturschatzes und sind der Meinung, dass bereits jetzt eine Übernutzung der Meere vor unseren Küsten stattfindet. Außerdem steht DIE LINKE auf dem Stand

punkt, dass wir in Zeiten des Klimawandels nicht mehr jeden Tropfen Öl und jeden Kubikmeter Erdgas aus dem Boden holen dürfen.

Die fossilen Ressourcen vor unserer Küste sind bereits zu DDR-Zeiten gründlich untersucht und dokumentiert worden. Ihr Umfang ist begrenzt. Mit deren Ausbeutung kann kein nennenswerter dauerhafter Beitrag zur Energiesicherheit in Mecklenburg-Vorpommern oder in ganz Deutschland geleistet werden. Für diesen geringen Nutzen ist das Risiko für Natur und Umwelt, für die Ostsee einfach zu groß. Mit dem Gerichtsentscheid ist aber das Kind nun im Brunnen. Die Frage ist, wie bekommen wir es wieder heraus.

Auf unseren Wunsch hin berichtete die Prozessbeobachterin der Landesregierung auf der vorletzten Sitzung des Energieausschusses über die Verhandlungen vor dem OVG. Dieser Bericht lässt uns hoffen. Wir sehen die Möglichkeit, diesen, sagen wir mal, Unfall zu heilen und über die anstehende Novellierung des Landesraumentwicklungsprogramms das Bohren nach Erdöl und Erdgas im Küstenmeer auch zukünftig zu verhindern. Die Kompetenz des Landes, eine solche Regelung zu treffen, wurde durch das Gericht nicht infrage gestellt, aber die Begründung sei zu pauschal formuliert. Deshalb denke ich, dass, wenn die schriftliche Begründung des Urteils vorliegt, Hausaufgaben zu erledigen sind. Wie eilbedürftig das dann sein wird, kann heute noch niemand sagen, aber wir werden das aufmerksam weiterbeobachten und auch die Bevölkerung darüber informieren. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Dr. Schwenke!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung, Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für den Punkt, über den wir in der Tat im Energieausschuss schon informiert haben und versucht haben, einen ersten Eindruck zu geben.

Noch einmal deutlich betont: Mit der letzten Landesraumentwicklungsplanung, vorbereitet in den Jahren 2014 bis 2016, in eine Rechtsverordnungsform gegossen im Jahr 2016, seitdem für circa zehn Jahre – das ist so die typische Wirksamkeitsdauer eines solchen Landesraumentwicklungsprogramms – Gesetz geworden, in Form einer Rechtsverordnung Gesetz geworden, hatte zwei Neuerungen, noch mehr, aber zwei, die uns hier berühren. Die eine ist, dass wir das erste Mal aus der Zweidimensionalität in die Dreidimensionalität eingetreten sind, die unterirdische Raumordnung miteinbezogen haben – Neuland, wo wir nicht genau alle Rahmenbedingungen schon abstecken können, da werden wir juristisch auch noch hier und da lernen, das gehört dann dazu, genau wie wir zehn Jahre vorher mit der ersten maritimen Raumordnung, also über den Strandbereich hinaus, ebenfalls Neuland in der gesamten Ostseeregion, aber

auch in Deutschland betreten haben. Auch das holen heute andere nach. Von daher haben wir an beiden Stellen vielleicht auch ein Stück weit die ersten Spuren hinterlassen, für die andere jetzt nachtreten, aber dann eben auch neu fassen und auf die wir uns einrichten können.

Zweitens. Wir haben für das Küstenmeer einen Versuch wie folgt unternommen, in der Tat unter der Überschrift der unterirdischen Raumordnung: Wir haben versucht zu vermeiden, dass auf der Ostsee Bohrtürme stehen. Ich will aber deutlich sagen, damit ist nur der Versuch unternommen worden, das Fördern von Gas oder Öl auf der Ostsee zu verhindern. Wir haben immer gesagt, dass wir das horizontal bohren, die abgelenkten Bohrungen von der Festlandseite in mögliche Gas- oder Ölvorkommen unter der Ostsee, aber vom Festland aus angebohrt, damit nicht ausschließen können, denn – das muss man klar im Blick behalten – das ist ein Spagat, ein Drahtseilakt zwischen der Landesraumordnung, die wir dürfen, und dem Bundesberggesetz, das ganz klar ausschließlich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist, wo wir also relativ detaillierte Regelungen haben, in die wir nicht so weit reinkommen.

Diese Regelung ist von einem Unternehmen angegriffen worden, das zum damaligen Zeitpunkt im Übrigen sehr engagiert Ergründungen vor Ort vorgenommen hat. Ich kann mich an Dietmar Eifler als Ausschussvorsitzenden erinnern, der mit dem Wirtschaftsausschuss, glaube ich, ist es damals gewesen, auch vor Ort gewesen ist, …

(Dietmar Eifler, CDU: In Saal.)

(Dietmar Eifler, CDU: In Saal.)

Genau, in Saal.

… auch geschaut hat vor Ort, was passiert da. Vor dem Hintergrund war das damals aus Sicht des Unternehmens mit Sicherheit auch ein aktuelleres Unterfangen, als es das derzeit, soweit wir es wahrnehmen können, ist.

Wir sind mit der Regelung zunächst gescheitert, die versucht hat, das Fördern von Punkten auf der Ostsee zu verhindern, mit einer Begründung, die uns noch nicht in Gänze bekannt ist, und deswegen bin ich mit einer gewissen Vorsicht unterwegs. Die Kollegin, die als Prozessbeobachterin vor Ort war, als Raumordnerin, kann da nur aus dem, was sie im Verhandlungsgesamtzusammenhang wahrgenommen hat, ein Stück Rückkoppelung geben. Das hat sie in einem ersten Aufschlag getan. Jetzt wird am Ende der schriftliche Urteilstext der entscheidende Faktor sein. Da muss man erst reingucken, bevor man seriös sagen kann, wo ist wirklich das Drahtseil, auf dem das Gericht uns möglicherweise erlaubt zu gehen.

Der Eindruck aus der Verhandlung war in der Tat, dass das Gericht dem Grunde nach unterirdische Raumordnung als von den Kompetenzen der Länder gedeckt angesehen hat, erstens, zweitens, dass die Begründung des Unternehmens, das gesagt hat, das, was ihr dort regeln wollt, ist alles Bundesbergrecht und deshalb eurer Regelungskompetenz in Gänze entzogen, dass die das Gericht nicht teilt, sondern offenbar in der Verhandlung angedeutet hat, dass es durchaus einen Regelungskom

petenzrahmen der Landesraumordnung für möglich erachtet. Und jetzt kommt der spannende Teil: Wie viel Raum bleibt da eigentlich? Bleibt da nur ein theoretischer Raum, den ich gar nicht ausgeführt bekomme mit planerischen Gesichtspunkten, oder ist tatsächlich eine eigene raumordnerische Kompetenz, die wirklich materiell sich auch mit Leben füllen lässt, in der Praxis so einer Planung hinterher machbar? Wir warten jetzt die schriftlichen Urteilsgründe ab und berichten dann gerne erneut, ob und, wenn ja, was an der Stelle geht.

Aktuell – das ist mir wichtig – kennen wir keine fortgesetzten Erkundungen. Das waren damals ja auch noch keine Bohrtätigkeiten, sondern reine Erkundungsmaßnahmen, die noch weitgehend oberirdisch erfolgten mit seismischen Methoden, die dort eingesetzt worden sind, um überhaupt die Volumen, die Ausdehnungen zu ergründen. Hintergrund ist, dass diese Öl- und Gasvorkommen zu DDR-Zeiten schon in größerem Maße ausgebeutet worden sind, die technischen Möglichkeiten aber damals quasi auf dem reinen Eigendruck der zu fördernden Rohstoffe abgestellt haben, sodass in den entsprechenden Speicherkörpern durchaus noch erhebliche Mengen vorhanden sind – das können 30/40 Prozent, nach meiner Erinnerung der damaligen Geschehnisse, 30 bis 40 Prozent des Gesamtvorkommens sein –, und man heute verschiedene technische, zum Teil auch chemische Einsatzmethoden hat, mit denen man sich erhofft, dass man auch diese Restbestände in größeren Teilen noch rausgelöst und dann gefördert bekommt. Das scheint aber erheblich kostenintensiv zu sein und scheint deshalb abhängig zu sein von den preislichen Rahmenbedingungen auf dem Gas- und dem Ölmarkt,

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

ob es überhaupt Sinn macht, dann ein Produkt mit einem gewissen Mindestpreis zu holen, der dann auf einem Markt mit anderen deutlich günstigeren Preisen konkurrieren muss.

In den Jahren 2013, 2014, 2015 haben Sie deutlich höhere Ölpreise vor allen Dingen gehabt und daran gebunden regelmäßig auch die Gaspreise, als Sie sie heute vorfinden. Das heißt nicht, dass mit steigenden Preisen diese Interessen auch wieder steigen können – das muss man auch deutlich so formulieren –, aber zurzeit kennen wir keine, und das Bergamt hat auch nichts genehmigt, keine Aktivitäten, die auf eine weitere Erkundung dort abzielen. Von daher glauben wir, dass wir auch nicht unter akutem Zeitdruck sind, weil sofort etwas geschehen würde, wenn wir jetzt nicht entsprechend nachsteuern.

Wir gehen deshalb davon aus, dass mit der Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms, mit der Evaluierung, die voraussichtlich in zwei/zweieinhalb Jahren ansteht, man dann genau schauen muss, kennen wir jetzt den Rahmen, können wir mit diesem Rahmen und möglicherweise erforderlichen weiteren technischen oder naturwissenschaftlichen Untersuchungen das, was das Gericht uns abverlangt, an Konkretisierung beibringen, und würden dann auf der Grundlage uns auf den Weg machen wollen nachzusteuern. Wenn wir feststellen sollten, dass vorher besonders engagierte Aktivitäten einsetzen, wird das Haus, wird das Bergamt, werden wir, soweit wir die Gründe haben, uns auch vorher auf die Socken machen, aber zurzeit gehen wir davon aus, dass der Zeithorizont eher ein weitergehender ist, und da bitte ich um Nachsicht. Wirklich seriös werde ich Ihnen hier

erst etwas sagen können, was geht, ob was geht und wie viel geht, was also im Rahmen der Landeskompetenzen überhaupt möglich ist, wenn wir die Urteilsgründe kennen. Bis dahin bitte ich um Nachsicht, dass ich in dieser etwas abstrakten Form bleiben muss.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! Ich wünsche eine erfolgreiche Debatte und glaube, dass es klug ist abzuwarten, was uns das Gericht wirklich an Gründen dann konkret an die Hand gibt. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister!

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, komme ich noch mal zurück auf den vorherigen Tagesordnungspunkt und erteile Herrn de Jesus Fernandes einen Ordnungsruf für seine Äußerung gegenüber Herrn Barlen, die ich ungern jetzt wiederholen möchte.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist freie Meinungsäußerung.)

Damit kommen wir zum nächsten Redner,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nee, freie Meinungsäußerung hat Grenzen in der Beleidigung anderer.)

und zwar für die Fraktion der AfD Herr Obereiner. Bitte, Herr Obereiner!

(Jochen Schulte, SPD:

Ganz vorsichtig hier, sonst ist der

nächste Ordnungsruf gleich noch dran! –

Da fühle ich mich sogar geehrt

bei dem Herrn Barlen, muss

ich ganz ehrlich sagen.)

Einen Moment bitte!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Herr de Jesus Fernandes, wir sind jetzt in der Debatte. Sie haben, wie ich finde, zu Recht diesen Ordnungsruf jetzt bekommen. Alles Weitere können wir gerne dann auch noch im Ältestenrat besprechen.

Bitte, Herr Obereiner, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag stellt ab auf eine Erschwerung oder Unterbindung der Förderung von Öl und Gas im Küstenmeer Mecklenburg-Vorpommerns. Wir werden diesen Antrag ablehnen aus folgenden Gründen: In MecklenburgVorpommern haben wir eine jahrzehntelange Tradition von Ölförderung. Es gibt ja noch eine kleine Lagerstätte in Lütow, wo immer noch was gefördert wird. Die ist sicherlich marginal bezogen auf den deutschen Bedarf, aber es ist halt immer noch da.

Wir haben – der Minister sagte es schon – das Bundesbergrecht, wir haben dort hohe Sicherheitsstandards. Wenn dort etwas genehmigt wird, dann darf der Betreffende auch mit den Explorationsvorhaben beginnen,

wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Das ist dort alles geregelt. Und der Versuch, das mit der Landesraumentwicklungsplanung jetzt zu verhindern, der wurde jetzt vom Gericht erst mal zurückgewiesen. Da wir die exakte Urteilsbegründung noch nicht kennen, kann man dazu im Detail noch nicht allzu viel sagen. Da kann ja auch noch was drinstehen, womit man gar nicht rechnet.

Worum geht es eigentlich? In Mecklenburg-Vorpommern sollen dort in dem bezeichneten Raum, dort im Vorpommerschen, einige sagen 5 Millionen Tonnen Erdöl vorhanden sein, andere sagen bis zu 18 Millionen Tonnen Erdöl. Bei den derzeitigen Preisen ist das ein Wert von zwischen 1,2 und 4,5 Milliarden Euro. In der Regel ist das ja auch nicht alles förderbar, das hat Herr Pegel bereits ausgeführt. Früher hat man aus einer Öllagerstätte 15 Prozent rausbekommen, mit den heutigen technischen Mitteln sind dort bis zu 50 Prozent möglich. Das hängt natürlich auch immer von den geologischen Bedingungen ab. Aber insgesamt reden wir von einer nicht unerheblichen Menge.