Es gibt ja durchaus unterschiedliche Konzepte. Sie alle ähneln sich darin, dass im Wesentlichen eine Bündelung der bestehenden Leistungen zu einer Kindergrundsicherung vorgesehen ist. Auch die Linksfraktion im Bundestag hat ein Konzept entwickelt und im März 2020 vorgelegt. Und ich wundere mich doch ein wenig, dass dieses Modell im vorliegenden Antrag gar keine Erwähnung findet. Ich gehe davon aus, dass Sie von dem Konzept zur Kindergrundsicherung Ihrer Kolleginnen und Kollegen im Bundestag wenig überzeugt sind, liebe Linksfraktion.
Es hat im Übrigen auch einen kolossalen Webfehler. Es würde bei der Leistungszusammenführung eher Ungerechtigkeit produzieren.
Unabhängig davon bezweifle ich jedoch grundsätzlich, ob die Einführung einer Kindergrundsicherung und damit die bloße Bündelung der vorhandenen Leistungen, also etwa SGB-II- und SGB-XII-Regelleistungen, Kindergeld, Kinderzuschlag und das Bildungs- und Teilhabepaket, Kinderarmut effektiv entgegenwirken würde. Meines Erachtens bestand die Hauptproblematik bisher auch nicht darin, dass die vorhandenen Leistungen nicht ausreichend wären. Stattdessen scheint es so, dass der Zugang für Anspruchsberechtigte teilweise erschwert war und daher insbesondere der Kinderzuschlag und das Bildungs- und Teilhabepaket ihre angedachte Wirkung nicht vollständig entfalten konnten. Hier besteht demnach also noch Verbesserungspotenzial. Das wurde auf Bundesebene auch erkannt und Maßnahmen im Rahmen des Starke-Familien-Gesetzes eingeleitet.
Ich glaube zudem, dass mit der Einführung einer Kindergrundsicherung falsche Hoffnungen geweckt werden. Es suggeriert, dass allein damit die Kinderarmut in Deutschland verschwinden würde. Das darf jedoch stark bezweifelt werden, denn es ist wichtig und notwendig, Kinderarmut im Kontext von Familienarmut zu betrachten. Darauf wurde ja zu Recht auch in den bisherigen und vorausgegangenen Debatten zur Kindergrundsicherung immer wieder hingewiesen. Kinderarmut hängt demnach oftmals auch mit der Beschäftigungs- und Einkommenssituation der Eltern, insbesondere auch der Mütter, zusammen. Nach Angaben der Bertelsmann Stiftung ist demnach ein Großteil der Kinder in Paarfamilien von Armut betroffen, in denen die Mütter keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Neueste Zahlen belegen darüber hinaus zudem, dass insbesondere Kinder von Alleinerziehenden von Armut betroffen und gefährdet sind. Eine Kindergrundsicherung wäre in diesen Fällen dann wenig zielführend. Vielmehr geht es darum, Anreize und Voraussetzungen zu schaffen, damit beide Elternteile, auch Alleinerziehende, einer auskömmlichen Erwerbstätigkeit nachgehen können. Vor allem für Alleinerziehende ist es von besonderer Bedeutung, dass sie flexiblere Betreuungsmöglichkeiten vorfinden können, sei es in der Kita oder in der Schule.
Meine Damen und Herren, doch mit der Einführung einer Kindergrundsicherung sind nicht nur Hoffnungen verbunden, Kinderarmut zu bekämpfen, sondern zugleich die Teilhabe- und Bildungsmöglichkeiten zu verbessern. Auch hier bleiben Zweifel, denn mit dem Bildungs- und Teilhabepaket gibt es ja bereits entsprechende Leistungen, zu denen sicherlich der Zugang erleichtert werden muss. Doch anders, als das im vorliegenden Antrag dargestellt wird, steht das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichtes weder im Zusammenhang mit der Höhe der Leistungen aus dem BuT noch mit den Auswirkungen durch die Corona-Krise und schon gar nicht mit der Einführung einer Kindergrundsicherung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unabhängig von meinen bisherigen Ausführungen möchte ich jedoch auch noch einmal erwähnen, dass nach einem Beschluss der Sozial- und Arbeitsministerkonferenz im Jahr 2017 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Kindergrundsiche
rung eingesetzt wurde. Im Jahr 2018 wurde ein entsprechendes Grobkonzept vorgestellt, in dem erste Eckpunkte und Zielstellungen festgehalten wurden. Es sind viele Fragen offengeblieben, etwa die Frage nach der Höhe und der Finanzierung der Kindergrundsicherung. Dabei ist deutlich geworden, wie komplex eine solche Reform wäre. Das gilt insbesondere für zahlreiche rechtliche Aspekte. Der vorliegende Antrag greift diese Komplexität jedoch an keiner Stelle auf. Er vernachlässigt auch, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ihre Arbeit noch gar nicht abgeschlossen hat. Die Umsetzung des Antrages würde daher auch den Ergebnissen vorgreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte die Einführung einer Kindergrundsicherung nach den Vorstellungen der LINKEN insbesondere vor dem Hintergrund der bisher vorliegenden Konzepte für wenig zielführend. Der vorliegende Antrag der Linksfraktion enthält zudem keinerlei Aussagen und Vorstellungen zu einem möglichen Modell einer Kindergrundsicherung. Wir werden den Antrag daher und aus den zuvor genannten Gründen ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits zum dritten Mal liegt uns in dieser Legislatur ein Antrag der LINKEN zur Kindergrundsicherung vor. Die Begründung variiert dabei jedes Mal etwas, das Ziel bleibt aber gleich: Die Kindergrundsicherung als geeignetes Mittel der Bekämpfung der zunehmenden Kinderarmut soll eingeführt werden, wofür sich die Landesregierung auf Bundesebene einsetzen soll.
Dass auch meine Partei, meine Fraktion und nicht zuletzt auch unsere Sozialministerin die Kindergrundsicherung als geeignetes Mittel ansehen und die Einführung eben dieser auch sehr schleppend verläuft, hat die Ministerin ausgeführt, auch Frau Bernhardt hat es erwähnt. Das liegt allerdings nicht an mangelndem Einsatz unsererseits. Auch Frau Drese, und sie hat ihre Schritte hierfür mehrfach erläutert, drängt auf allen Ebenen und in ihren Möglichkeiten auf die Einführung einer Kindergrundsicherung.
Frau Bernhardt hat das Konzept der LINKEN kurz vorgestellt. Ich würde an dieser Stelle darauf verzichten. Unsere Vorstellung einer Kindergrundsicherung ist im Netz öffentlich einsehbar.
Sie sehen, Sie müssen uns also immer noch nicht davon überzeugen, tätig zu werden. Wir jedenfalls setzen uns auch weiterhin für unser Anliegen ein und unterstützen auch unsere Ministerin dabei, sich weiterhin starkzumachen und Druck auszuüben. Ihren Antrag lehnen wir allerdings ab. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde in meinem Redebeitrag noch mal auf die vorgebrachten Argumente eingehen.
Zunächst mal, Frau Drese, und es kam ja auch von Frau Friemann-Jennert und Frau Julitz, wir haben es schon mal thematisiert, dreimal insgesamt in dieser Legislaturperiode. Ja, das haben wir, weil wir es einfach unerträglich finden, dass in einem reichen Land wie Deutschland Kinder in Armut leben müssen.
Deshalb werden wir weiter dranbleiben. Kinderarmut ist aus unserer Sicht staatlich geförderte Kindeswohlgefährdung, und das werden wir eben nicht hinnehmen. Und deshalb kann ich noch nicht versprechen, dass das nicht der letzte Antrag in dieser Legislaturperiode war, sondern wir werden immer wieder die Möglichkeiten nutzen,
um mit Ihnen gemeinsam hier darüber zu reden, wie wir die Kinderarmut und Jugendarmut in MecklenburgVorpommern weiter bekämpfen können.
Mehrfach kam das Argument, ja, das Bundesverfassungsgericht hatte sich ja nicht generell mit den Regelsätzen zum Bildungs- und Teilhabepaket, zu den Hartz-VIRegelsätzen befasst, sondern hatte ja bloß etwas zum Finanzierungssystem gesagt. Ja, das stimmt, und das, glaube ich, habe ich auch in meiner Einbringung deutlich gemacht, worauf sich das Bundesverfassungsgericht bezogen hat, auf die Verwaltungskosten, die sozusagen vom Bund nur teilweise getragen werden, die die Landkreise übernehmen müssen und die kreisfreien Städte, und dass es hier zu einer Umschichtung des Finanzierungssystems kommen müsse bis nächstes Jahr.
Nächstes Jahr sind die Bundestagswahlen und wir finden einfach, dass sich Ende 20/21 insgesamt der Bund dazu verständigen könnte. Und diese Zeit könnte man nutzen, das vorzubereiten, um endlich auch eine Kindergrundsicherung einzuführen, weil es nicht nur das Bildungs- und Teilhabepaket ist, was aufgrund von verfassungsrichterlicher Entscheidung kritisiert wurde, sondern eben auch die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Jugendliche, die nicht bedarfsgerecht anhand der Bedürfnisse der Kinder errechnet worden sind, und das ist auch schon bereits seit eh und je, seit jeher sozusagen die Kritik an den Hartz-VI-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche.
Dann wurde uns gesagt, na ja, Corona, da gab es ja kaum Auswirkungen. Warum wir das jetzt zum Anlass nehmen, dann noch mal das Bildungs- und Teilhabepaket insgesamt anzugreifen, war einfach der Umstand, dass in den Familien durch die fehlende gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in den Kitas und Schulen aufgrund deren Schließung in Corona Mehrkosten entstanden sind von 40 Euro/50 Euro pro Monat pro Kind und es eben die Familienkasse von Hartz-IV-Beziehern, von Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, sehr stark belastet, wenn diese Kosten zusätzlich eben von
den Familien getragen werden. Hier hatte das Bundesministerium eben in Aussicht gestellt, dass man die Leistungen in einer Krisensituation auch direkt an die Familien ausreichen könne, um eben die Familien zu unterstützen. Und genau das haben wir immer wieder eingefordert, und genau das werden wir auch weiterhin machen.
Dann wurde uns vorgeworfen, die Kindergrundsicherung würden wir hier mit wechselnder Begründung immer wieder vortragen. Ja, weil wir meinen, dass endlich etwas passieren muss. Es wurde sich auf die Arbeitsgruppe auf Bundesebene bezogen, die seit 2017 tagt. Ich erinnere mal, welches Jahr wir jetzt haben. Drei Jahre tagt die Arbeitsgruppe, ohne dass wir irgendwie ein Ergebnis in der Hand hätten, wie denn konkret nun die Kindergrundsicherung auf Bundesebene aussehen müsse. Es gibt die verschiedenen Konzepte der verschiedenen Parteien, wie sich eben die Kindergrundsicherung auf Bundesebene gestalten sollte. Und auch von Ihnen, Frau Sozialministerin, habe ich heute nicht gehört, wie die Ergebnisse der Arbeitsgruppe auf Bund-Länder-Ebene eben aussehen, wie das Grobkonzept, welche Vorstellungen es gibt zu der Kindergrundsicherung auf Bundesebene. Und insofern werden wir weiter dranbleiben und auch weiterhin immer wieder dieses Thema hier aufsetzen lassen, damit wir endlich vorankommen und damit wir endlich wissen, was auch auf Bundesebene passiert.
Dann wurde gesagt, na ja, es gab ja das StarkeFamilien-Gesetz, das hat schon im letzten Jahr auch zu Entlastungen geführt für die Familien, die darauf angewiesen sind. Wir hatten dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Und was man einfach sieht, eigentlich hätten durch das Starke-Familien-Gesetz mehr anspruchsberechtigte Kinder und Jugendliche in das Schema reinfallen müssen. Was wir aber erlebt haben, ist ein Rückgang. Bis heute konnte uns dieser Rückgang eben nicht erklärt werden, obwohl sich die Einkommenssituation in Mecklenburg-Vorpommern der Familien kaum verbessert hat. Und insofern kann ich Ihre Einschätzung, dass das Starke-Familien-Gesetz hier in Mecklenburg-Vorpommern gut ankommt, einfach nicht teilen.
Dann komme ich zu dem Redebeitrag von Herrn de Jesus Fernandes, von meinem Kollegen Herrn de Jesus Fernandes. Herr de Jesus Fernandes, ich beglücke niemanden und schon gar nicht die SPD. Was ich einfach will, ist, ich will Verbesserungen für Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern, weil es für mich einfach unerträglich ist, dass es, wie gesagt, in diesem reichen Land überhaupt Kinder- und Jugendarmut gibt. Und wenn Sie aus Ihren persönlichen Erfahrungen der Meinung sind, dass Alleinerziehende nicht besonders unterstützt werden müssten, so ist das Ihre Meinung, aber bestimmt nicht unsere Meinung.
Gerade Alleinerziehende sind oft im Niedriglohnbereich, kommen gerade so über die Runden und fallen vielleicht gerade so über die Deckel von Hartz IV und müssen mit wenig Familieneinkommen auskommen. Gerade die bräuchten die Unterstützung. Wenn Sie sich mal mit denen unterhalten würden, würden Sie das auch mitbekommen. Insofern kann ich Ihre Position nur ablehnen. Das ist nicht unsere. Gerade Alleinerziehende bräuchten die Hilfe und Unterstützung.
Zu Frau Friemann-Jennert: Sie fragten mich oder uns ja noch mal, wie die Kindergrundsicherung aussehen sollte, das hätten wir in unserem Antrag nicht dargestellt. Ich hatte es meines Erachtens in der Einbringung deutlich gemacht, wie wir uns das Konzept der Kindergrundsicherung vorstellen. Und natürlich ist das das Konzept der Bundestagsfraktion, was im März 2020 eingebracht werden soll. Ich bin Ihnen aber dankbar, dass ich das an dieser Stelle für Sie noch mal ausführen darf, wie wir uns als Linksfraktion die Kindergrundsicherung vorstellen könnten.
Noch mal für Sie: Aus unserer Sicht wäre es für alle Kinder, egal, aus welchen finanziellen Verhältnissen die Eltern eben kommen, ein Kindergeld von 328 Euro plus einen Zuschlag je nach Alter der Kinder und Jugendlichen, weil es da nun mal unterschiedliche Bedürfnisse gibt, sodass wir dann für die 0- bis 5-Jährigen insgesamt eine Kindergrundsicherung von 520 Euro hätten, für die 6- bis 13-Jährigen 603 Euro, für Familien, die auf Transferleistungen angewiesen sind, und für 14-Jährige bis zu dem Alter, wo sie ihre erste Ausbildung beendet haben, 630 Euro pro Monat pro Kind. Und natürlich wollen wir, dass das Ganze niederschwellig ankommt und einfach.
Dann meinten Sie, ja, mit der Kindergrundsicherung alleine wäre es nicht getan. Frau Friemann-Jennert, ja, das sehen wir auch so. Eine Kindergrundsicherung ist nur ein monetärer Bestandteil, um Kinder- und Jugendarmut insgesamt zu bekämpfen. Wir sind daneben der Meinung, auch infrastrukturelle Angebote, wie zum Beispiel Mobilität, der Mobi-Pass für Kinder und Jugendliche, der es eben für alle Kinder und Jugendlichen ermöglichen soll, die Fahrten mit Bus und Bahn durchzuführen, kostenfrei, natürlich sind das Ergänzungen zu der Kindergrundsicherung, wie gesagt, um Kindern und Jugendlichen insgesamt den Zugang zu Kultur, zu Sport et cetera, zur gesellschaftlichen Teilhabe zu ermöglichen.
Frau Bernhardt, können Sie vielleicht in dem Zusammenhang dann auch noch mal erklären, warum Sie dem Parlament staatlich geförderte Kindswohlgefährdung vorwerfen?
Ja, weil wir es zulassen, dass Kinder seit Jahren in Armut leben, in Armutsgefährdungslagen, und es natürlich etwas mit Kindeswohl zu tun hat, wenn Kinder in Armutslagen leben. Und ja, deshalb ist es für uns staatlich geförderte Kindswohlgefährdung.
Zu Frau Julitz eigentlich nur noch, ich würde gerne mal wissen, wie tatsächlich seitens der SPD die Kindergrundsicherung aussieht.
Ich denke, ich bin jetzt ausreichend auf alle Redebeiträge eingegangen. Insgesamt konnte mich die Diskussion nicht davon überzeugen, dass wir es in Zukunft sein lassen werden, das Thema Kindergrundsicherung zu lassen. Ich finde es einfach nur schade, dass die politische Mehrheit in diesem Landtag nicht das Rückgrat hat, um endlich die Situation der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern, die von Armut betroffen oder Armut gefährdet sind, zu verändern, zu gestalten. Und insofern vielleicht noch mal der hoffnungslose Appell an Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu!