Protokoll der Sitzung vom 12.03.2002

(Zurufe von der SPD: Das ist doch so!)

Wir können uns hier über alles streiten. Aber dann äußern Sie sich einmal zu der Frage, warum Ihre Landesregierung 1992 keine einzige Maßnahme für Niedersachsen angemeldet hat.

(Beifall bei der CDU)

Vieles, was wir heute zum Ausbau der Infrastruktur von Niedersachsen wollen, geht nicht, weil Sie 1992 eine rot-grün ideologisch verbrämte Verkehrspolitik zulasten der Menschen in diesem Lande betrieben haben.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Dann noch ein Satz zur Situation des Verkehrsgewerbes: Kollege Heineking hat das meiste schon gesagt.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Eine Minute ist schon um!)

Wenn Sie die falsche Reihenfolge nicht ändern, vernichten Sie tausende von mittelständischen Existenzen. Wir brauchen erst die europäische Harmonisierung. Erst wenn sie durchgesetzt ist, können wir uns über die eine oder andere Maßnahme unterhalten. Kommt die Maut vorher,

kommen andere Maßnahmen vorher, wie weitere Schritte der Ökosteuer - -

Vorher kommt noch der Hinweis, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Vielen Dank, Herr Präsident. Das war auch mein letzter Satz dazu. - Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren: Kehren Sie um auf diesem Weg, und unterstützen Sie unseren Antrag!

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr in der Drucksache 3147 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit gefolgt worden.

Meine Damen und Herren, wir haben damit auch den Tagesordnungspunkt 6 erledigt und treten jetzt in die Mittagspause ein. Sie wird bis 14.30 Uhr dauern. Ich wünsche Ihnen guten Appetit.

Unterbrechung: 12.46 Uhr.

Wiederbeginn: 14.31 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir nehmen die unterbrochenen Beratungen auf mit

Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 14/3210

Der Gesetzentwurf wird eingebracht von der Frau Kollegin Seeler, der ich das Wort erteile.

(Golibrzuch [GRÜNE]: Ich will Alf- red Reckmann hören! - Gegenruf von Reckmann [SPD]: Das können wir beim Kaffee machen!)

- Es geht jetzt um Schule! Ich bitte darum, dass nicht gestört wird.

(Heiterkeit - Mientus [SPD]: Jawohl, Herr Oberlehrer! - Möllring [CDU]: Für „Oberlehrer“ habe ich schon ein- mal einen Ordnungsruf bekommen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das fängt ja gut an. Ich habe heute die große Freude, nach rund zwei Jahren Diskussion den Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens im Plenum vorstellen zu dürfen.

Die Defizite des deutschen Bildungssystems sind in den vergangenen Wochen vielfach diskutiert worden. Dabei hat uns nicht nur die Tatsache aufgeschreckt, dass unsere Kinder zu wenig in der Schule lernen,

(Zuruf von der CDU: Überhaupt nichts mehr!)

nein, besonders alarmierend war für uns als SPD, dass unser Schulsystem extrem sozial selektiert und Bildungschancen ungerecht verteilt. Nicht nur Migrantenkinder werden zu wenig gefördert, insgesamt erreichen bei uns zu wenig Kinder höhere Abschlüsse. Dies wollen wir ändern, indem das einzelne Kind stärker in den Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit der Schulen rücken soll. Unser Ziel ist: Jedes Kind soll in seiner einmaligen Individualität gefördert und gefordert werden.

(Beifall bei der SPD – Oestmann [CDU]: Schwülstiger geht es nicht!)

Deshalb entwickeln wir unser Schulsystem so weiter, dass es einerseits die niedersächsischen Gegebenheiten berücksichtigt, aber andererseits den Herausforderungen der Zukunft gerecht wird. Diese Herausforderungen heißen: Chancen öffnen für alle Kinder, Leistung fördern und Zukunft sichern. Das sind die leitenden Ideen unserer Bildungsreform, die sich in dem vorliegenden Gesetzentwurf wiederfinden.

(Möllring [CDU]: Warum setzen Sie das nicht um?)

Nun erläutere ich die sieben wesentlichen Punkte unseres Gesetzentwurfs.

Erstens. Wir bieten Sprachförderung für jedes Kind und werden den Schulanfang erleichtern. Wer an deutschen Schulen etwas lernen will, muss Deutsch sprechen können. Deshalb werden wir für Kinder ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen bereits ein halbes Jahr vor der Einschulung Fördermaßnahmen einrichten. Der § 6 – Grundschule - wird dementsprechend geändert.

Doch nicht nur dieses Problem packen wir an. Wir wissen, dass Kinder mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen eingeschult werden. Während die einen schon fließend lesen, schreiben und rechnen können, beginnen die anderen mit ihren ersten Schwungübungen. Um diesen unterschiedlichen Voraussetzungen besser gerecht werden zu können, wollen wir in den § 6 zwei Absätze einfügen. Danach können Grundschulen die ersten und zweiten Schuljahrgänge zukünftig als pädagogische Einheit führen, die von den Kindern je nach Leistungsvermögen in zwei oder drei Jahren absolviert werden können. Das ist dann die so genannte Eingangsstufe. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Möglichkeit für engagierte Schulen, nicht um eine Verpflichtung.

Zweitens. Wir wollen, dass jedes Kind durch individuelle Förderpläne gefördert wird. Eine wesentliche Neuerung zur Qualitätsverbesserung ist die Einführung der Förderpläne für jedes Kind ab Klasse 3. Diese Förderpläne sollen nicht etwa nur den Leistungsstand beschreiben, um besser sortieren zu können - dies belegt doch schon die Tatsache, dass der Förderplan die Kinder bis zur 10. Klasse begleitet -, im Gegenteil: Die Lehrkräfte sollen jedes Kind beobachten, Leistungsstärken und -schwächen diagnostizieren und sich dann geeignete Fördermaßnahmen überlegen, damit die Kinder einen möglichst hochwertigen Abschluss erreichen können. Deshalb sollen die Förderpläne regelmäßig mit den Eltern und den Kindern besprochen werden, denn nur dann, wenn Lehrer, Schüler und Eltern gemeinsam an einem Strang ziehen, kann das bestmögliche Ergebnis erreicht werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Natürlich haben gute Lehrkräfte diese Arbeit auch schon in der Vergangenheit geleistet. Jetzt soll der Förderplan aber alle Lehrkräfte animieren, sich dieser wichtigsten Grundlage für Lernerfolge zu

stellen. Dazu muss - das ist, glaube ich, selbstverständlich - durch eine geänderte Ausbildung und natürlich durch eine verstärkte Fortbildung die Diagnosefähigkeit der Lehrkräfte verbessert werden.

Drittens. Wir schaffen mehr Kooperation und Zusammenarbeit. Wir wollen einen neuen § 10 a - Kooperative Haupt- und Realschulen - in das Schulgesetz einfügen. Der § 10 a beschreibt, dass Haupt- und Realschulen in einer Schule mit einer Schulleitung verbunden sind. Der Unterricht wird dabei vorwiegend in schulzweigspezifischen Klassenverbänden erteilt. Die kooperative Haupt- und Realschule stellt eine Weiterentwicklung der bisherigen zusammengefassten Haupt- und Realschulen dar, von denen es in Niedersachsen übrigens schon 160 gibt.

(Frau Vogelsang [CDU]: Dagegen stehen 589 selbständige!)

Sie, Herr Busemann, behaupten immer wieder, obwohl Sie es besser wissen, dass wir die Hauptund Realschulangebote abschaffen wollten. Sie selbst wissen, dass das Unsinn ist.

(Busemann [CDU]: Selbstverständlich schaffen Sie die Hauptschule ab. Das steht so im Gesetz! Was unterstellen Sie mir da?)

Wir setzen uns allerdings mit den Realitäten in Niedersachsen auseinander. - Herr Busemann, Sie haben möglicherweise noch Lesekompetenz; was Sie allerdings nicht haben, ist Zuhörkompetenz. Sie sollten wirklich einmal zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Schon jetzt werden 45 % aller Realschulangebote nicht mehr in selbständigen Realschulen vorgehalten, weil nämlich die Schulträger vor Ort erkannt haben, dass es pädagogisch und organisatorisch sinnvoller ist, Haupt- und Realschulen zusammenzufassen. Die sinkenden Schülerzahlen werden diese Tendenz in Zukunft noch verstärken, weil die Hauptschulen und die Realschulen – die kleineren von ihnen zumindest – mangels Schüler nicht mehr existenzfähig wären. Die Schulträger haben bis zum Jahre 2008 Zeit, diese neue Organisationsform einzuführen. Weil die kooperativen Haupt- und Realschulen nicht nur eine bessere Ämterstruktur bekommen – z. B. soll die didaktische Leitung neu eingeführt werden -, sondern als erste als Ganztagsschulen ausgestattet werden sol

len, glaube ich, dass dieser Umwandlungsprozess schneller abgeschlossen sein wird. Die Schulpolitik - übrigens auch der CDU vor Ort - ist viel pragmatischer als das, was die CDU-Fraktion hier im Landtag als ideologischen Kram vertritt.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Wir führen die Förderstufe ein. Dabei ist der Name Förderstufe Programm. Wie allen bekannt, wollen wir die Orientierungsstufe durch die Förderstufe ersetzen. Dazu wird § 7 des Schulgesetzes gestrichen, und die §§ 12 a und 12 b werden eingefügt. Wir alle wissen inzwischen, dass die Orientierungsstufe die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat. Deshalb will keine der Fraktionen sie behalten, weder die CDU-Fraktion noch die Fraktion der Grünen. Doch weder die CDUFraktion noch die Fraktion der Grünen zeigen mit ihren Modellen Lösungen für die beiden gravierendsten Probleme der Orientierungsstufe auf, nämlich die mangelnde Prognosesicherheit und die starke soziale Selektion.

Wir wollen im gesamten Schulsystem den Schwerpunkt der Arbeit der Förderstufe auf das individuelle Fördern verlagern. Eine äußere Leistungsdifferenzierung wird es deshalb nicht mehr geben. Mit der sozialen Selektion nach Klasse 5 in A-, B- und C-Kurse soll Schluss sein. Und weil der Name Förderstufe Programm ist, werden wir die individuellen Fördermaßnahmen verbessern und dafür die Förderstunden um die Hälfte erhöhen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Förderstufe wird mit garantierten Unterrichtszeiten von 8 bis 13 Uhr und einer Vertretungsreserve verlässlich.

Um die Durchlässigkeit des Schulsystems zu erhöhen, wird in § 12 b geregelt, dass die allgemein bildenden Schulen in Zusammenarbeit mit den Schulträgern Förderverbünde einrichten, die eine schulformübergreifende personelle, organisatorische und pädagogische Zusammenarbeit gewährleisten.