Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

- Oh doch!

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen jetzt einmal die andere Seite der Medaille der Schützenvereine deutlich machen. Die großen, seriösen Jagdverbände auch hier in Niedersachsen, die großen, seriösen Schützenverbände üben tatsächlich eine vorsichtige Kritik an diesem Waffengesetz. Wir haben hier in Niedersachsen - ich möchte Ihnen ein Beispiel aus der Praxis erzählen – aber auch Schützenverbände, bei denen ich es interessant fände, wenn man einmal überprüfen würde, wie viele Mitglieder aufgenommen werden, die null Interesse daran haben, aktiv in irgendeiner Weise Schießsport auszuüben. Sie werden lediglich Mitglied in einem Schützenverein, um legal eine Waffe zu erwerben.

(McAllister [CDU]: Brauchtums- schützen!)

Dazu gehören insbesondere auch Mitglieder der NPD, der Republikaner.

(Widerspruch bei der CDU - McAl- lister [CDU]: Das ist unglaublich!)

Mit diesen legalen Waffen werden auch Wehrsportübungen hier in Niedersachsen ausgeübt.

(Frau Jahns [CDU]: Das ist unver- schämt! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

- Das wollen Sie nicht hören. Das ist die andere Seite der Medaille der Realität.

Es gibt mittlerweile auch - ich kenne das - viele Taxifahrer und viele Kioskbesitzer, die nur deswegen Mitglied in einem Schützenverein werden, weil sie sich selbst bewaffnen wollen.

(Widerspruch und Lachen bei der CDU - Frau Pruin [CDU]: Wo leben Sie eigentlich?)

- Ich will Ihnen das sagen. Gucken Sie sich die Stellungnahmen an! Das ist ein Teil der Begründung der Ablehnung dieses Gesetzentwurfs. 4 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben eine Waffe im Privatbesitz. Die Zahl der aktiven Menschen in Schützenvereinen beträgt nicht mal eine Million. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

Ich halte eine Neuregelung für dringend erforderlich. Ich bleibe nämlich dabei: Wir haben bei uns kein Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung. Die Verbrechensbekämpfung mit Bewaffnung ist Aufgabe der Polizei.

(Krumfuß [CDU]: Das ist eine absur- de Diskussion, die Sie hier anzetteln!)

Das scheint einigen hier nicht mehr klar zu sein.

Meine Damen und Herren, auch die statistischen Zahlen stimmen überhaupt nicht. Es war nicht nur Bubi Scholz, der seine Ehefrau mit einer legalen Waffe erschossen hat.

(Frau Pruin [CDU]: Wenn er keine Waffe gehabt hätte, dann hätte er eine Axt genommen!)

Dann gucken Sie sich einmal die Familientragödien an, wie oft es Bedrohungen von Ehefrauen mit im Haus befindlichen Waffen gibt. Alle diese

Dinge wollen Sie nicht hören. Aber um all diese Dinge sollten wir uns kümmern, meine Damen und Herren.

Die Fälle von Notwehrexzessen, die wir manchmal in den Zeitungen lesen, wo Bürgerinnen und Bürger meinen, weil sie eine Waffe haben, haben sie auch das Recht, Jugendliche, die sie stören, aus dem Fenster heraus zu beschießen - solche Fälle lesen wir ja in der Zeitung -, all das sind für mich Gründe dafür, zu sagen: Entwaffnet das Volk! Sportwaffen gehören in die Schützenvereine und nicht in die Privatwohnungen.

(Frau Pruin [CDU]: Die Schützenver- eine betreiben sogar Jugendarbeit! Das ist Ihnen noch nicht klar gewor- den!)

Ich empfinde es überhaupt nicht als Zumutung, wenn jemand alle drei Jahre nachweisen muss, dass er in der Lage und berechtigt ist, eine Waffe zu besitzen und eine Waffe frei mit sich herumzuführen. Ich halte es auch für selbstverständlich, dass im Erbrecht geregelt wird, dass man nicht das Recht ererbt, eine Waffe im eigenen Haus zu haben.

Meine Damen und Herren, ich muss damit enden.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen die Neuregelung des Waffenrechts auch deshalb, weil wir im Bereich der Jugend mittlerweile ein Ausmaß der Bewaffnung haben, den wir - -

(Eppers [CDU]: Mit illegalen Waf- fen!)

- Nein, mit legalen Waffen. In jedem Waffengeschäft können sie Wurfsterne, Würgehölzer und Reizgassprühgeräte kaufen.

Frau Stokar von Neuforn, ich schlage vor, dass Sie tatsächlich das tun, was Sie angekündigt haben, nämlich dass Sie jetzt enden, und zwar, wenn es geht, umgehend.

(Zustimmung bei der CDU)

Umgehend, Herr Präsident. Ich ende. Ich freue mich auf eine Fachanhörung im Bundesrat. Ich

hoffe, dass das Waffenrecht von dieser Bundesregierung tatsächlich neu geregelt wird. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Minister Bartling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin weder Schützenkönig

(Heineking [CDU]: Aber Mitglied ei- nes Schützenvereins!)

noch habe ich, wie das eben verlangt wurde, die Novelle des Waffengesetzes in ihren einzelnen Paragrafen auswendig gelernt. Ich will Ihnen nur etwas über den Stand der Beratungen sagen.

Wir haben übrigens ganz im Gegensatz zu dem, was manchmal dargestellt wurde, in intensiven Gesprächen auch mit den Vertretern der Schützen immer eine große Übereinstimmung in dem gehabt, was wir für diesen Bereich mitgetragen haben.

Aber, meine Damen und Herren, die Schuldzuweisung an das Bundesinnenministerium ist wohl nicht ganz richtig. In der unendlichen Geschichte einer Novellierung des Waffengesetzes spielte eine große Rolle, dass die Referenten auf Länderebene da Sachen reingefummelt haben, die politisch nicht vorgesehen waren, die politisch auch nicht gewollt waren.

Das hat dazu geführt, dass wir am 30. Januar auf Einladung des Bundesinnenministers mit Herrn Behrens aus Nordrhein-Westfalen und Herrn Regensburger aus Bayern als Vertreter von Herrn Beckstein bei Herrn Schily waren. In Zusammenarbeit mit Herrn Heereman, dem „Jägerobermeister“ - ich bitte mir das nachzusehen -, und dem Präsidenten des Schützenverbandes ist dort festgelegt worden, dass wir noch eine Fülle von Dingen ändern wollen. Das wird am 20. März in einer Anhörung – und zwar zu einem überarbeiteten Gesetzentwurf - erneut vorgestellt. Ich habe den Eindruck, dass man da zu Lösungen kommt, die alle übereinstimmend mittragen können.

Es hat übrigens auf der Bundesebene große Skepsis gegeben, meine Damen und Herren, ob man

noch in der Lage ist, in dieser Legislaturperiode das Waffengesetz insgesamt zu novellieren. Im Moment besteht das Ziel noch. Ich habe den Eindruck, dass das, was hier gesagt worden ist, in hohem Maße auch Berücksichtigung finden wird, sodass weder Sportschützen noch die Jäger besonders beeinträchtigt werden. Das ist mein Kenntnisstand, den ich Ihnen hier gern mitteilen wollte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, der Kollege Eppers würde Ihnen gern noch eine Frage stellen.

Vielen Dank, Herr Minister. Wie bewerten Sie denn die Aussage des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, der in Salzgitter erklärt hat - das stand da auch in der Zeitung -, dass wir - die SPD - die Notbremse ziehen müssten? Dieses Gesetz werde so nicht verabschiedet. Eher werde es zurückgezogen. So Wilhelm Schmidt für die SPD-Bundestagsfraktion. Er hat es auch nicht als einzelner Abgeordneter gesagt, sondern hat diese Erklärung für seine Bundestagsfraktion abgegeben.

Herr Eppers, das ist eine Kommentierung von Herrn Schmidt zu dem Gespräch, das beim Bundesinnenminister stattgefunden hat. Aber ich würde nicht so weit gehen und sagen „Notbremse“. Ich sage, es war ein notwendiges Gespräch, das stattfinden musste.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege von der Heide hat das Wort.

(Adam [SPD]: Lutz, oute dich als Schützenkönig!)

Ich bin nicht Schützenkönig, ich bin seit 14 Jahren Vorsitzender eines Schützenvereins. Ich kann aus der tagtäglichen Praxis berichten, liebe Frau Kollegin von den Grünen, dass das, was Sie gesagt haben, absolut nicht stimmt. Das ist schon praktisch unmöglich, weil die Aufsichtsbehörden sehr,

sehr hohe Maßstäbe anlegen. Ich muss unterschreiben, wie oft einer geübt hat, ob er das Übungsziel erreicht hat. Ich muss ein polizeiliches Führungszeugnis beilegen. Der wird durchleuchtet wie kein anderer, bis er die Waffenbesitzkarte hat.

Deswegen sage ich: Der Schützenverein ist kein Sammelbecken für irgendwelche neonazistischen Organisationen, sondern es ist ein Sammelbecken für Leute, die Sport und Brauchtum pflegen.

(Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der SPD)