Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

(Zuruf von Dr. Winn [CDU])

Wir stehen also eindeutig zu der Einführung des Fallpauschalensystems, weil wir der Auffassung sind, dass es das richtige System ist, um Fehlsteuerungen zu korrigieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben für die Einführung wirklich ausreichend Übergangsfristen geschaffen. Die Aussage, dass das Chaos im Lande ausbrechen wird, kann ich nur als tendenziös und interessengeleitet beurteilen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Ergebnis im Vermittlungsausschuss ist der Versuch, eine vernünftige Balance zwischen Qualitätssteigerung durch die Vereinbarung von Mindestmengen auf der einen Seite und der Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung auf der anderen Seite zu finden. Die Praxis wird zeigen, ob diese Balance wirklich gelungen ist. Es wird auch eine Anforderung an die Länder sein, damit vorsichtig umzugehen. Denn wenn das genutzt wird, um die Strukturen so zu belassen, wie sie derzeit sind, dann ist das eine Verschiebung der Kosten zulasten Dritter, und dann wird uns auch das Fallsystem wenig bringen.

Ich betone, dass meiner Auffassung nach die Mindestmengenregelung im Sinne der Patienten, im Sinne der Qualitätssteigerung unbedingt notwendig ist. Man muss sehr genau prüfen, ob man unter die Mindestmenge gehen kann. Denn wer von Ihnen will sich unter das Messer eines Chirurgen legen, der eine solche Operation vielleicht dreimal im Jahr macht? Herr Möhrmann hat sich gerade gemeldet. Der möchte das. Ich möchte das jedenfalls nicht.

Herr Dr. Winn, ich bin sehr froh, dass nicht jeder absurde Vorschlag, der aus den Reihen der CDUund CSU-regierten Länder gekommen ist, angenommen worden ist.

(Frau Schliepack [CDU]: Zum Bei- spiel?)

Wenn die Länder jetzt auch noch über die Höhe der Sicherstellungszulagen beschließen könnten, dann hätten wir uns wohl die Einführung dieses Fallpauschalensystems schenken können. Insofern bin ich froh, dass das nicht angenommen worden ist. Das wäre nichts anderes gewesen, als eine Kostenlawine zulasten Dritter loszutreten.

Ich will noch zu einem anderen Punkt etwas sagen. Es gibt zu Recht die Sorge um die kleinen Krankenhäuser. Auch ich bin der Auffassung, dass Niedersachsen in dieser Frage hochgradig gefährdet ist. Das hat aber nichts mit der Einführung des Fallpauschalensystems, sondern damit zu tun, dass die Investitionsmittel, die das Land zur Verfügung stellen muss, in den vergangenen Jahren immer weiter heruntergefahren worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Damit hat es Niedersachsen im Gegensatz zu anderen Bundesländern versäumt, seine Krankenhäuser auf den neuen, sicherlich schärferen Wettbewerb vorzubereiten. Es ist tatsächlich so, dass Niedersachsen die Hochburg des Ausverkaufs an private Träger geworden ist. Auch das hat ausdrücklich damit zu tun, dass das Land seiner Verpflichtung, die Krankenhäuser ausreichend mit Investitionsmitteln auszustatten, nicht nachgekommen ist. Das ist das zentrale Problem, vor dem wir in Niedersachsen stehen.

Zu dem Thema „Liegezeiten und blutiger Patient“ möchte ich Folgendes sagen: Herr Dr. Winn, ich geben Ihnen Recht, dass wir derzeit in diesem Bereich ein Problem haben. Wenn man aber eine Umstellung in dieser Größenordnung macht, dann muss man damit rechnen, dass es auch unerwünschte Nebeneffekte und Friktionen gibt. Das kann doch für uns nur die Aufforderung sein, im Lande das Fallpauschalensystem zu nutzen, um die integrierte Versorgung stärker voranzutreiben, also um die Übergänge viel kürzer und viel schneller zu machen. Ich wünschte mir, dass das Land z. B. einen Preis für integrierte Versorgung auslobt und diese Versorgungsmodelle viel schneller vorantreibt. Wenn gute Modelle gefunden werden - das muss uns klar sein -, dann müssen natürlich auch die Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Da - so möchte ich einmal sagen - hat das Land erheblichen Nachholbedarf.

Wir haben hier im Landtag auch ein gutes System. Das ist die Begrenzung der Redezeit, Frau Kollegin.

Herr Präsident, ich akzeptiere die Begrenzung der Redezeit ausdrücklich. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.

(Möhrmann [SPD]: Wer hätte das ge- dacht!)

Herr Kollege Rolfes!

(Zuruf)

- Herr Kollege Rolfes hat von mir das Wort bekommen, und dann redet auch der Herr Kollege Rolfes. Das ist die Reihenfolge.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte an sich großzügig sein und Herrn Groth den Vortritt lassen. Aber vielleicht darf ich in den verbleibenden zwei Minuten ein paar Worte zu der Situation der Krankenhäuser sagen, wie sie sich nach der Einführung der DRGs im ländlichen Raum darstellen wird.

(Zuruf von der CDU: Das ist gut!)

Meine Damen und Herren, wer davon ausgeht, dass die Verweildauer um 10 bis 20 % reduziert werden wird, wer davon ausgeht, dass planbare Leistungen als Mindestmengen festgelegt werden müssen - die sollen qualitätsbezogen festgelegt werden -, der wird natürlich auch sofort in die Bredouille kommen, wenn diese planbaren Leistungen im ländlichen Raum unterhalb dieser Mindestmenge liegen, weil die Mindestmenge ja anhand der Qualitätskriterien festgelegt werden soll. Diesen Widerspruch müssten Sie noch erklären.

Sie müssen aber noch etwas anderes tun: Sie müssen schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen, dass durch die Einführung der DRGs ein enormer Investitionsschub ausgelöst werden wird,

(Beifall bei der CDU)

dass enorme Ablaufveränderungen erforderlich sind, dass Kooperationen zwischen Krankenhäusern erforderlich sind. Alle Länder in der Bundesrepublik wissen dies und müssen dafür zusätzliche Mittel bereitstellen.

(Beifall bei der CDU)

Was haben Sie getan? - Sie haben diese Mittel im letzten Jahr um 20 Millionen DM gekürzt.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Sie täuschen mit einem Darlehensprogramm vor, dass Sie dadurch vieles auslösen könnten. Unter einem Darlehensprogramm würde man ja normalerweise analog § 12 des Landespflegegesetzes verstehen: Man nimmt das Geld, um den Schuldendienst zu bedienen. - Nichts davon ist hier der Fall. Die Gelder werden einmalig bereitgestellt, für die Folgejahre steht davon nichts im Haushalt, und wir haben keine Reserven.

Wenn man die Investitionen pro Bett in Niedersachsen mit denen in Bayern vergleicht und das hochrechnet, haben wir einen Investitionsstau in Höhe von 7 Milliarden DM.

(Beifall bei der SPD - Frau Elsner- Solar [SPD]: Das wird auch durch Wiederholung nicht wahrer!)

Das sind 7 Milliarden DM Investitionsstau auf der Grundlage des Vergleichs der Investitionen pro Bett in Niedersachsen und in Bayern! - Ich glaube nicht, dass Sie, Frau Kollegin Elsner-Solar, das beurteilen können.

Ich sage Ihnen einmal: Unbestritten haben wir einen Investitionsstau in Höhe von 2 Milliarden DM.

(Zurufe von der SPD)

Hier dann von den Krankenhäusern einen nahtlosen Übergang bei der Umstellung auf DRGs zu verlangen, kann man mit Kongressen, mit Fachtagungen nicht erreichen, Frau Ministerin. Damit kommen Sie in diesem Fall nicht aus der Kurve. Sie werden Wege finden müssen, um diese Investitionen dann zu tätigen, wenn sie erforderlich sind, nämlich dann, wenn Kooperationen eingegangen werden müssen,

(Beifall bei der CDU)

wenn Ablauforganisationen verändert werden müssen. Wenn Sie dies alles nicht tun, ist das ein tönendes Nichts, was Sie hier vorgetragen haben. Ich kann nur sagen: Die Bilanz, die Sie in diesem Bereich vorzulegen haben, mag auf Kongressen vermittelbar sein. In der praktischen Politik stellt sie glänzendes Versagen dar, sonst nichts.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat der Herr Kollege Groth das Wort. Bitte schön!

Ich hatte schon gedacht, Ihr Beitrag, Herr Rolfes, würde uns weiterbringen. Aber das war nicht der Fall.

(Zuruf von der CDU)

Es hilft auch nicht, wenn Sie hier Horrorzahlen von 7 Milliarden DM ohne jede Absicherung in den Raum stellen, und es ist - verzeihen Sie mir das; es ist vielleicht unparlamentarisch - Unsinn, was Sie da verbreiten und verkünden.

(Rolfes [CDU]: Das können Sie gar nicht beurteilen!)

Meine Damen und Herren, ich will mich insbesondere mit dem auseinander setzen, was Herr Dr. Winn gesagt hat. Herr Dr. Winn, hier findet kein Menschenversuch statt. Man sollte mit solchen Begrifflichkeiten vorsichtig sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich weise das für uns ausdrücklich zurück,

(Zuruf von Oestmann [CDU])

weil das auch eine Diskreditierung eines Weltstandards im Bereich des Gesundheitswesens ist. Das, was mit dem DRG-Gesetz eingeführt wird, ist keine Neuerfindung von der Bundesrepublik Deutschland oder von Niedersachsen, sondern hier wird etwas eingeführt, was in der Schweiz, in Amerika, in Australien seit vielen Jahren praktiziert wird. Insofern können Sie hier nicht mit solchen Etikettierungen kommen und sagen, das seien Unterlagen für Menschenversuche oder wie Sie es ähnlich formuliert haben. Ich weise das zurück.