Protokoll der Sitzung vom 23.04.2002

Deshalb fände ich es angemessener - obwohl die Diätenerhöhung richtig begründet ist und auch von der Höhe angemessen wäre -, in dieser Situation darauf zu verzichten. Wir laufen sonst Gefahr, Politikverdruss weiter zu befördern.

(Wernstedt [SPD]: Es gibt keinen richtigen Augenblick, seit 30 Jahren nicht!)

Der Kollege Schünemann hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Pothmer, ich finde, Sie haben hier im Landtag schon überzeugendere Reden gehalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss auch sagen, dass der Zeit-Artikel meiner Ansicht nach ein Thema im Präsidium sein sollte.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich jedenfalls fühle mich in diesem Artikel eindeutig nicht richtig wiedergegeben, und dieser Artikel spiegelt auch in keinster Weise die Arbeit des Parlaments wider. Deshalb wäre es gut - ich freue mich, dass Herr Präsident Wernstedt nickt -, einmal ganz intensiv darüber nachzudenken, ob man nicht ein anderes Bild transportiert und ob man nicht auch dazu beiträgt, Frau Vizepräsidentin, dass solch ein Eindruck von unserem Parlament nicht entsteht.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Da haben Sie ja gut geschossen! Dass der Journalist Mist geschrieben hatte, geht Ihnen aber nicht in den Kopf, oder?)

Frau Pothmer, ich finde es aber auch nicht richtig, dass Sie diesen falschen Bericht dann auch noch heranziehen, um Ihre Ablehnung hier im Parlament zu begründen.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Ich habe meine Ablehnung nicht damit begrün- det!)

Dies macht beim besten Willen keinen Sinn. Ich frage Sie: Haben Sie als Grüne - Sie sind seit 1986 im Parlament - schon jemals einer Diätenerhöhung zugestimmt?

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Als wir von der SPD gezwungen wurden!)

Wenn Sie das getan haben, dann frage ich mich wirklich, warum Sie dann immer wieder versuchen, auf eine aus meiner Sicht sehr populistische Art und Weise in der Öffentlichkeit Punkte zu machen, indem Sie so tun, als wenn die Diätenerhöhung nicht gerechtfertigt wäre.

Herr Kollege Schünemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Harms?

Herr Kollege Schünemann, wenn wir hier über die Diätenerhöhung debattieren und streiten, stellen Sie das dann eigentlich auch einmal in einen aktuellen politischen Zusammenhang, z. B. mit den Tarifauseinandersetzungen? Da fordert gerade Ihre Partei immer Mäßigung! Also bitte, ich würde das gerne einmal im Zusammenhang diskutieren.

Liebe Frau Harms, genau das machen wir vor. Ich darf Ihnen vielleicht noch einmal sagen, wer alles in der Diätenkommission vertreten ist, wie die Diätenkommission zusammengesetzt ist. In der Diätenkommission sind Gewerkschaften, Arbeitgeber und der Bund der Steuerzahler vertreten.

(Plaue [SPD]: Das muss nicht sein!)

- Doch, der ist vertreten. - Sie alle haben dieser Empfehlung zugestimmt. Das, was wir hier seit vielen Jahren machen, ist nun wirklich vorbildlich. Wir haben hier noch nie mehr beschlossen, als die Diätenkommission, die so zusammengesetzt ist, wie ich es gerade geschildert habe, empfohlen hatte.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir verabschieden uns allerdings - das will ich auch sagen - mit der heutigen Änderung des Abgeordnetengesetzes von diesem aus meiner Sicht bewährten Verfahren. Wir haben es bisher so gehalten, dass wir jährlich eine Empfehlung der Diätenkommission erhalten und dann hier im Parlament darüber jährlich diskutiert haben. Ich selber - Frau Pothmer hat mich da richtig zitiert - habe durchaus den Eindruck, dass die

Bevölkerung jetzt anerkennt, dass wir so offen mit diesem Thema umgegangen sind und dass es auch notwendig ist, dass Abgeordnete - die Volksvertreter - qualifiziert sind, professionell arbeiten, aber dann auch angemessen entschädigt werden.

Deshalb meine ich, dass es sinnvoll gewesen ist, wie wir es in der Vergangenheit gemacht haben. Aber ich erkenne durchaus an, dass die Diätenkommission und auch der Präsident zu Recht darauf hingewiesen haben, dass ein falscher Eindruck entsteht, wenn fünf oder sechs Mal über Diäten gesprochen und in der Presse berichtet wird: wenn die Diätenkommission den Vorschlag vorlegt, wenn dann der Präsident den Vorschlag vorlegt, wenn wir in den Fraktionen darüber sprechen und wenn dann hier zweimal diskutiert wird. Es ist durchaus sinnvoll, wie das andere Parlamente auch machen, dass einmal zu Beginn der Legislaturperiode die Diätenkommission eine Empfehlung abgibt und wir das dann hier im Parlament für die fünf Jahre diskutieren.

Meine Damen und Herren, mit der Diätenerhöhung um 2,2 % haben wir angemessen auf die tatsächliche Lohnsteigerung im Lande in den letzten Jahren reagiert. Insgesamt meine ich, dass wir in der Vergangenheit sehr bescheiden damit umgegangen sind. Die Leute verstehen,

(Plaue [SPD]: Na, na, na!)

wie wir damit umgegangen sind. Ich glaube, dass dieses Gesetz auch in der Bevölkerung Anerkennung findet und dass wir uns nicht verstecken müssen. Es wäre ganz falsch, wenn Abgeordnete nicht dazu stehen, dass sie auch nach der Verfassung den Auftrag haben, über ihre Diäten selber zu bestimmen. Das tun wir, und deshalb müssen wir uns nicht verstecken. Deshalb werden wir als CDUFraktion diesem Gesetz insgesamt zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Möhrmann hat noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich aus zwei Gründen noch einmal zu Wort gemeldet.

Erst einmal will ich Frau Pothmer sagen, dass ich nicht verstanden habe, warum sie diesen wirklich missglückten Artikel in der Zeit als Beleg dafür nimmt, dass eine Diätenerhöhung nicht angemessen sei.

Meine Damen und Herren, ich kenne Frau Goede seit vielen Jahren. Sie ist seit 1990 unsere Vizepräsidentin. Sie ist überzeugte Parlamentarierin. Wieso jetzt Herr Schünemann ihr unterstellt, dass sie durch die Begleitung des Journalisten diesen Eindruck bei dem Journalisten erweckt haben könnte, verstehe ich nicht. Meine Damen und Herren, ich finde, es ist in der Tat richtig, dass sich das Präsidium einmal mit diesem Artikel beschäftigt, weil es nicht angehen kann, dass das, was wir alle hier machen, so beurteilt wird, wie es dort dargestellt wird.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen deshalb aus dem von mir erwähnten Artikel in der Welt vorlesen:

„Peter Glotz, Ex-Bundestagsabgeordneter der SPD, hat in seinen Vorlesungen in St. Gallen seinen Studenten gesagt, viele junge Menschen denken gar nicht daran, in die Politik zu gehen. Die Gründe lägen auf der Hand. Politiker hätten eine enorme Arbeitsbelastung ohne freie Wochenenden, müssten sich in den Parteien lange hochdienen, bis sie herausgehobene Positionen erreichen. Und am Ende würden die dann auch noch schlecht bezahlt.“

Meine Damen und Herren, ich finde, dass die Beschreibung dessen, was in der Politik stattfindet, so getroffen ist. Von daher, Frau Pothmer, hätte ich mir gewünscht, dass Sie sich eher distanzierend zu dem Artikel in der Zeit geäußert hätten, wie Sie es am Ende ja auch getan haben, aber ihn zunächst in Ihrer Argumentation anders verwendet haben.

Zu der Frage der Angemessenheit und zu der Frage des Verzichts will ich doch noch zwei Bemerkungen machen.

Der Stadtdirektor meiner Heimatstadt mit rund 18 000 Einwohnern hat ein höheres Einkommen als ich; ich gönne es ihm. Er muss sich aber an keiner Stelle dafür verantworten, dass seine Beamtenbezüge regelmäßig erhöht werden. Der Filialdirektor meiner Kreissparkasse, der früher einmal Hauptzweigstellenleiter war, verdient Erhebliches

mehr als ich. Er muss sich regelmäßig nicht dafür verteidigen. Schulleiter in ähnlichen Positionen verdienen auch etwa in der Höhe.

Ich meine, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, es ist falsch, an dieser Stelle zu sagen, eine Erhöhung unserer Diäten mit einem Vorschlag von neutralen Dritten passe nicht in die Landschaft. Wir wissen alle ganz genau, dieses Argument gilt immer.

Was ich Ihnen vorwerfe, Frau Pothmer - darauf sind Sie gar nicht eingegangen -, ist: Immer dann, wenn Sie in der Regierungsverantwortung sind, halten Sie die Diätenerhöhung für angemessen. Immer dann, wenn Sie in der Opposition sind, lehnen Sie sie ab. Das ist die große Frage.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Kollege Wulff, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Sachlichkeit der Debatte, weil wir so, glaube ich, mit dem Thema angemessen umgehen.

(Zuruf von der SPD: Bleiben Sie auch dabei!)

Wir als CDU-Fraktion stimmen diesem Gesetzentwurf zu, weil wir ihn für angemessen halten.

Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil mir etwas missbehagt, was hier seit einigen Monaten üblich geworden ist. Hier ist üblich geworden, bei Zitierung von Zeitungsartikeln den Verlag, den Verleger, Chefredakteur oder Autor zum Thema zu machen. Das heißt, ich habe den ausdrücklichen Wunsch - Herr Möhrmann, ich teile das meiste, was Sie hier gesagt haben -, dass wir über den Inhalt des Artikels in der Zeit im Ältestenrat, im Präsidium und im Landtag reden, aber nicht etwa darüber, ob der Autor uns etwas Falsches nachsagen wollte oder ein schlechtes Bild gezeichnet hat.

(Beifall bei der CDU)

In dem Artikel, den ich sehr erfrischend fand - ich habe mich auch lange mit dem Redakteur unterhalten -, kommt vieles zum Ausdruck, was uns hier dringlichst beschäftigen muss: die Frage unserer

Zuständigkeiten, unseres Selbstverständnisses als Parlament gegenüber der Exekutive, der Verwaltung und Regierung, und ob wir diese Rolle als Opposition oder als Mehrheit angemessen wahrnehmen.

Das Thema, ob es uns in fünf oder zehn Jahren in der Form so noch geben wird, ist ein Thema, wovon ich vor Jahren einmal gesprochen habe, das mich nach wie vor beschäftigt. Ich bitte doch herzlich darum, dass wir aufhören, zu sagen: die falsche Überschrift, der falsche Tenor, die falsche Tendenz, missverstanden, Frau Goede falsch zitiert. Nein, in dem Artikel steckt so viel Substanz, aus dem Thüringischen und aus dem Niedersächsischen Landtag widergegeben, dass wir wirklich über die Frage der Länderparlamente und ihrer Zukunft im Föderalismus in Deutschland, des Parlamentarismus reden sollten. Das wäre mein Wunsch.

(Beifall bei der CDU)