Protokoll der Sitzung vom 24.04.2002

Aufgrund der Tatsache, dass wir hier deutlich erfolgreicher mit der Bahn verhandelt haben, unterscheiden wir uns übrigens ganz deutlich von Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Ich gebe zu: Wir sind bezüglich des Themas Haltepunkte noch nicht ganz am Ende der Verhandlungen angelangt. Entgegen den ursprünglichen Planungen der Bahn AG haben wir aber durchgesetzt, dass Helmstedt aufrecht erhalten bleibt. Wir haben für Peine eine Lösung erzielt, die gerade noch als akzeptabel bezeichnet werden kann, auch wenn ich zugeben muss, dass dies, wie Herr Biel gesagt hat, ein Wermutstropfen ist. Wir werden weiter verhandeln und für Bad Bevensen kämpfen. Das sind die Fakten. Ich meine, dass wir für Niedersachsen in unseren Verhandlungen mit der Bahn AG über den neuen Fahrplan insgesamt ein hervorragendes Ergebnis erzielt haben. Wenn es uns jetzt auch noch gelingen sollte, dass Regionalisierungsgesetz im Bundesrat und im Bundestag durchzubringen, dann werden wir auch über die notwendige Planungssicherheit verfügen, sodass wir unser erfolgreiches Programm „Niedersachsen ist am Zug“ konsequent umsetzen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Schwarzenholz für bis zu zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Biel haben mich veranlasst, Stellung zu nehmen. Herr Kollege Biel, mir liegt ein Schreiben des Landrates des Landkreises Peine vor, mit dem er mir einen Kreistagsbeschluss zugeleitet hat. Damit werden ich und die anderen Abgeordneten aus der Region aufgefor

dert, wegen der aus sachlichen Gründen nicht gerechtfertigte Streichung des Haltepunktes Peine aus dem Fernverkehrsnetz der Bahn aktiv zu werden. Wenn Sie sich jetzt als Bürgermeister aber hier hinstellen, der ganz wesentlich dafür verantwortlich ist, dass in Peine auf städtische Kosten einer der modernsten Fernverkehrsbahnhöfe errichtet worden ist, an dem jetzt morgens und abends aber nur noch zwei Alibizüge halten und der ansonsten auf das Niveau des primitivsten Haltepunktes des Regionalverkehrs zurückfällt, dann frage ich mich, wie Sie gegenüber der DB AG überhaupt noch Lobbyarbeit betreiben wollen, wenn Sie diese Fehlplanung als lokaler Vertreter in dieser Art und Weise auch noch rechtfertigen. Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Sie wissen, dass die Firma Connex, ein Konkurrenzunternehmen der DB AG, versucht hat, der DB bundesweit alle InterRegio-Verbindungen abzunehmen und den InterRegio-Verkehr komplett zu ersetzen, weil sie der Meinung war, dass diese Strecken wirtschaftlich betrieben werden könnten. Niedersachsen als Flächenland steht nun aber vor der Situation, dass das unattraktive InterCity-Angebot auf Dauer dazu führen wird, dass diese Verbindungen im Wesentlichen nicht zu halten sein werden - -

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

- dafür reicht die Zeit nicht -, weil die Fahrgäste im InterCity-Bereich nicht in gleicher Weise wie im InterRegio-Bereich ersetzt werden können. Das wissen Sie alles. Das ist ein Sterben auf Raten. Die Status-quo-Geschichten bezüglich der Regionalisierung, die dort im Augenblick laufen - ich sage das in Richtung von Herrn Wenzel -, werden nicht dazu führen, dass man in der Lage ist, durch zusätzliche Verbindungen wie etwa den InterRegioExpress, die aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden, Ersatz zu schaffen. Das heißt, wir werden in der Summe ein Ausbrechen des Verkehrs aus der Fläche festzustellen haben. Auf Bundesebene ist darüber hinaus bislang auch keine Tendenz dahin gehend erkennbar, dass zusätzliche Mittel aufgebracht werden, die erforderlich wären, um einen zusätzlichen Verkehr auf der Schiene zu fahren. Das bedeutet - das ist beim Ferienverkehr schon erkennbar -, dass die Leute systematisch in das Auto getrieben werden und dass sich die Bahn

zurückzieht. Das ist für Flächenländer wie Niedersachsen allerdings unakzeptabel.

Jetzt hat sich noch einmal der Kollege Biel zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eben meine Ausführungen dazu gehört. Wenn Sie mir zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, dass ich nicht das gesagt habe, was der Kollege Schwarzenholz gerade vorgetragen hat. Ich habe mich nicht damit abgefunden, dass der Haltepunkt Peine zum Teil aufgegeben wird, sondern ich habe hier ganz deutlich gesagt, dass dies ein Wermutstropfen in der ganzen Geschichte ist.

Meine Damen und Herren, man muss in diesem Zusammenhang aber auch eines bedenken: Das liegt nicht in der Macht des Landtages oder der Landesregierung, sondern das liegt daran, dass die Bahn AG ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen ist. Dieses Unternehmen hat gesagt, dass es diesen Haltepunkt in dem bisherigen Ausmaß nicht mehr wirtschaftlich halten kann.

Man kann sich dieser Meinung anschließen oder nicht. Ich bin nicht dieser Meinung, Herr Schwarzenholz, damit Sie es noch einmal hören. Dieser Haltepunkt ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus zu vertreten. Die Bahn AG sieht dies aber anders. Wir haben jetzt jedoch keine Möglichkeiten mehr. Wir haben mit der Bahn AG gesprochen und verhandelt. Im Wirtschaftsausschuss haben wir mit den zuständigen Vertretern der Bahn verhandelt. Darüber hinaus hat auch die Landesregierung mit der Bahn AG verhandelt. Die Bahn AG hat sich aber nicht bewegt. Deshalb - ich sage es noch einmal ganz deutlich - weise ich den Vorwurf des Kollegen Schwarzenholz zurück, der hier gesagt hat, ich würde den Haltepunkt Peine als InterRegio-Haltepunkt aufgeben. Diese Behauptung ist Humbug. Vielleicht leiden Sie aber auch unter der Krankheit, dass Sie schlecht zuhören können.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist die Debatte beendet.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Tagungsordnungspunkte 16 und 17.

Zunächst zu Tagungsordnungspunkt 16: Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr in Drucksache 3299 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 2209 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Tagungsordnungspunkt 17. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr in Drucksache 3301 zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 3062 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! Wer möchte sich der Stimme enthalten? - Niemand. Damit war das Erste die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Mehr Platz für Skater im öffentlichen Raum - Bundesratsinitiative zur Änderung der StVO - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3293

Der Antrag wird eingebracht durch den Kollegen Wenzel.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn Sie untereinander etwas bereden wollen, dann verlassen Sie bitte den Saal. Außerdem schadet es nichts, hier einmal in Ruhe zuzuhören. - Das trifft auch für den Ministerpräsidenten zu. - Herr Kollege Wenzel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesgerichtshof hat kürzlich in der Frage der Nutzung öffentlicher Flächen durch Inline-Skater ein Urteil gefällt. Dabei hat er Inline-Skater in eine Kategorie mit Kinderrollern und Rollstühlen eingeteilt. Er hat gesagt, Inline-Skater seien zukünftig

nur noch auf Gehwegen zugelassen, und zwar in Schrittgeschwindigkeit.

Wir müssen leider feststellen, dass sich die geltende Straßenverkehrsordnung in dieser Frage fern jeder Realität bewegt. Wenn Wirklichkeit und Rechtsnormen so weit auseinander klaffen, wird das Rechtsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger beschädigt. Was ist eigentlich mit Dorfstraßen, an denen es vielfach keine Gehwege gibt? Was meinen Sie wohl, was mir meine Tochter erzählt,

(Mientus [SPD]: Ach so! In eigener Sache!)

wenn ich ihr sage, dass sie ihre Inline-Skater dort unter den Arm nehmen solle, weil kein Gehweg vorhanden und die Nutzung der Fahrbahn nicht erlaubt ist? Das sind Situationen, angesichts derer wir dringend für neue Regelungen sorgen müssen.

Deshalb schlagen wir Ihnen heute eine Initiative zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vor. Wir möchten, dass sie in den Bundesrat eingebracht wird. Wir wollen, dass die Nutzung von Radwegen, dass die Nutzung von Fahrradstreifen und die Nutzung aller Straßen ermöglicht wird, auf denen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und weniger gefahren werden darf - also nicht nur die Zonen, sondern auch die nach § 45 beschränkten klassifizierten Straßen -, für Inline-Skater zugelassen werden. Wir wollen, dass auf klassifizierten Straßen verstärkt Mehrzweckstreifen und Schutzstreifen für Radfahrer und Skater angelegt werden. Diese Möglichkeit sieht die Straßenverkehrsordnung schon heute grundsätzlich vor, aber die Straßenbaulastträger müssen von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.

Ferner wollen wir, dass bei der Neuanlage und Sanierung die Belange der Skater besser berücksichtigt werden.

Welche Lösung am Ende auch immer zum Tragen kommt – ganz sicher steht eines an vorderster Stelle, nämlich die gegenseitige Rücksichtnahme und die Vorsicht aller Verkehrsteilnehmer im öffentlichen Raum. Welche Lösung wir am Ende auch immer wählen werden – es wird keine Lösung geben, die frei ist von Konflikten. Es wird im öffentlichen Straßenraum darauf ankommen, Toleranz zu wahren und die jeweils anderen im Blickfeld zu behalten.

In Frankfurt hat es einen Modellversuch gegeben, in dessen Rahmen untersucht worden ist, was pas

siert, wenn man genau das macht, was wir mit unserem Antrag vorgeschlagen haben. Es hat sich gezeigt, dass es nicht richtig ist, dass sich, wie vielfach behauptet, die Inline-Skater nicht an Regeln halten. Das ist durchaus vergleichbar mit den Verhaltensweisen im Radverkehr; jedenfalls nicht schlechter.

Die Inline-Skater fahren etwas langsamer als die Radfahrer, sie brauchen in der Breite etwas mehr Platz. Zwei Meter sind in der Regel notwendig. Wichtig ist, dass sie das Bremsen, die verschiedenen Bremstechniken beherrschen.

Gezeigt hat sich auch, dass Fußgänger stärker verunsichert werden als Radfahrer, dass gerade die Ängste älterer Menschen ausgeprägter sind als die Ängste von Radfahrern, wenn sie sich mit den Inline-Skatern die Wege teilen. Das zeigt, dass eine einseitige Verlagerung allein auf die Gehwege nicht das Gelbe vom Ei ist.

Teilweise hat dies kontroverse Diskussionen ausgelöst. Das merkt man schon an den ersten Reaktionen, die auch wir erfahren haben, nachdem wir diesen Antrag öffentlich vorgestellt haben. Wir haben Mails erhalten, die zeigen, dass diese Diskussion in vielen Teilen der Bevölkerung sehr kontrovers geführt wird.

Gezeigt hat sich im Rahmen des Frankfurter Modellversuchs aber auch, dass die Nutzung der Fahrbahn am Ende sicherer ist. Auch das ist ein ganz wichtiges Argument.

Fakt aus dieser Diskussion, aus diesem Modellversuch und auch aus anderen ist: Wir brauchen mehr Platz im öffentlichen Raum für diese Fortbewegungsart, aber auch für diese Sportart. Wir brauchen Rücksichtnahme auf allen Seiten und auf allen Wegen. Wir brauchen seitens der Skater beispielsweise die Bereitschaft, im eigenen Interesse freiwillig ein Bremstraining zu absolvieren, um die Bremstechniken wirklich hervorragend zu beherrschen. Wir brauchen die Bereitschaft seitens der Städte und Kommunen, spezielle Angebote für Skater einzurichten, beispielsweise Rollschuhbahnen, so genannte Halfpipes oder Minipipes, Ramps oder Funboxes. All das sind Möglichkeiten, um die Sportart auszuüben, ohne den öffentlichen Straßenraum in Anspruch zu nehmen. Das schafft Entlastung und gerade für Kinder zusätzlich sichere Möglichkeiten, sich in dieser Sportart zu betätigen.

Wir wünschen uns viel Spaß für alle, die dieses Verkehrsmittel, die dieses Sportgerät nutzen, und

hoffen auf Unterstützung hier im Haus. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächste hat die Frau Kollegin Rühl das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal einen kleinen Schritt in die Vergangenheit tun. Die Einführung der UrInline-Skater verlief nicht gerade zukunftsweisend. Als 1760 der Belgier Jean Joseph Merlin am englischen Hof seine Erfindung präsentierte, geriet die Premiere ein wenig zum Debakel. Er stellte dort seinen Holzschuh mit Metallrollen vor und rauschte damit in einen Spiegel. Somit war dieses Thema erst einmal erledigt.

In Fahrt kam das Fußvehikel erst wieder 1980, als die Eishockeyspieler Scott und Brennan Olsen aus Minnesota einfach Rollen an die Kufen ihrer Schlittschuhe schraubten, um auch im Sommer trainieren zu können. Die Firma Rollerblade, mittlerweile Marktführer, kaufte die Idee und landete damit auf dem Rummelplatz der Trendsportarten einen richtig großen Coup.

Der Asphaltschlittschuh hat einen weltweiten Boom ausgelöst. In den USA tummeln sich 24 Millionen Skater auf den Straßen. Weltweit wird die Zahl auf über 50 Millionen geschätzt. Auch in Deutschland ist dieser Sport bereits fester Bestandteil der modernen Freizeitgesellschaft. Mehr als 10 Millionen schnüren das rasante Schuhwerk, womit die Anhängerschaft größer ist als jene in den Vereinen zum organisierten Fußball. Das sind nämlich nur 6,3 Millionen. Unter Jungendlichen rangiert Inline-Skating in der Beliebtheit hinter Basketball, Fußball und Beachvolleyball bereits auf Rang 4. In Nordrhein-Westfalen steht Inline-Skaten schon auf dem Lehrplan.

(Frau Vockert [CDU]: Vernünftig!)

- Keine schlechte Idee.

Zum Siegeszug verhalf dem Wunderschuhwerk vor allem die Nutzbarkeit für Jung und Alt. Die Hamburger Inline-Skater-Schule, mit 46 000 Absolventen – das muss man sich einmal vorstellen – die größte in Deutschland, bietet sogar Kurse wie „Fit ab 50“ und „50 Plus“ an. Auch die älteren

Herrschaften können daran teilnehmen. Mit 85 % stellen allerdings jene Skater die Mehrheit, die ihre Inliner als Fortbewegungsmittel auf dem Weg ins Büro, zur Uni oder zum entspannten Ausflug nach Dienstschluss nutzen.

Wir fragen heute dank Ihres Antrages, Herr Wenzel: Machen wir jetzt einfach die Bahn frei für die Skater? Ist die Freigabe der Straßen aus Sicherheitsgründen nicht doch ein klein bisschen bedenklich? - Geschätzte 500 Millionen DM zahlten die Krankenkassen 1998 für die Behandlung havarierter Skater.