Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir kommen damit zur Fortsetzung von

noch

Tagesordnungspunkt 2: 42. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/3270 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3307

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben der Drucksache 3270, zu denen keine Änderungsanträge vorlagen, haben wir bereits in der 103. Sitzung am 23. Februar entschieden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Meine Damen und Herren, wenn Sie unbedingt reden wollen, dann unterbreche ich die Sitzung für eine halbe Stunde.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ich glaube, Sie müssen mal andere Saiten aufzie- hen!)

- Ich glaube das auch. Unglaublich! - Meine Damen und Herren, wir können in der Verhandlungsführung nicht fortfahren, wenn jetzt nicht Ruhe eintritt.

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Ich möchte auch die Heerscharen von Mitarbeitern bitten, doch darüber nachzudenken, ob alle hier sein müssen.

Wir beraten also jetzt noch über die Eingaben aus der Drucksache 3270, zu denen der genannte Änderungsantrag vorliegt. Beratung und Redezeiten: SPD zehn, Grüne fünf und die Landesregierung fünf Minuten.

Es hat sich zu den Eingaben 4682 und 4731 Frau Stokar von Neuforn gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle in Niedersachsen wissen: Nach dem CASTOR ist vor dem CASTOR. Ich rede heute zu zwei Ein

gaben, in denen sich Bürgerinnen und Bürger über Beeinträchtigungen anlässlich des letzten CASTOR-Transports im November beklagen.

Meine Damen und Herren, ich habe im Innenausschuss nicht „Berücksichtigung“ beantragt, sondern beantragt, die Petitionen dieser Bürgerinnen und Bürger der Landesregierung als Material zu überweisen. Selbst das ist von Ihnen im Innenausschuss abgelehnt worden.

Ich möchte kurz aus den beiden Eingaben zitieren. Ich kann hier nur zwei Beschwerdebereiche aufgreifen. In der einen Eingabe heißt es:

„Ein geordneter normaler Unterricht, wie er von der Bezirksregierung angeordnet wird, ist, je näher der Transporttermin kommt, im ganzen Landkreis nicht mehr möglich.“

Meine Damen und Herren, hier erleben Eltern eine Situation, dass sie vor dem CASTOR-Transport ein Schreiben der Bezirksregierung, das sie als Drohung, nicht als Hilfe empfinden, bekommen, in dem sie darauf hingewiesen werden, dass ihre Kinder während der CASTOR-Transporttage die Schule zu besuchen haben.

Hintergrund ist natürlich auch, dass sie sich nicht an den Demonstrationen beteiligen. Die Eltern erleben während der Transporttage eine ganz andere Situation. Sie erleben, dass aufgrund der polizeilichen Absperrung die Schülertransporte nicht geregelt stattfinden. Die Eltern haben ja Erfahrungswerte. Sie schicken während der heißen Phase der Transporttage ihre Kinder lieber zu Verwandten, etwa zu Großeltern, also weitab von dem Geschehen, weil sie wissen, dass an diesen Tagen ein geregelter Unterricht und ein geregeltes Leben für ihre Kinder nicht stattfinden können.

Des Weiteren wird gesagt - ich habe an der Demonstration der mehr als 100 Ärzte und Pflegedienstleistenden teilgenommen -: In der heißen Phase ist die Bewegungsfreiheit in der Umgebung der Transportstrecke nicht mehr gegeben. Das bedeutet, Ärzte sind gehindert, ihre Patienten aufzusuchen, und umgekehrt. Pflegedienste sind an ihren Betreuungen gehindert. Die Landesregierung sagt in ihrer Stellungnahme lapidar: Diese Vorkommnisse sind uns nicht bekannt, und die Bürgerinnen und Bürger können sich ja an das Konfliktmanagement wenden.

Meine Damen und Herren, auch ich nehme als Mitglied des Innenausschusses an der Kaffeefahrt von der Bezirksregierung organisiert - teil,

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

bei der wir immer einen ganzen Tag dorthin geführt werden - das ist für mich der entspannendste Tag -, wo gerade nichts los ist. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich aber auch zwei Tage und zwei Nächte dort, wo real Polizeieinsätze stattfinden. Ich meine, dass ich dadurch ein objektiveres Bild von der realen Situation habe.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

In der zweiten Petition wird darauf hingewiesen, dass in unverhältnismäßiger Weise gegen Bürgerinnen und Bürger Tiere eingesetzt werden. Es wird ausgeführt, dass Hunde ohne Maulkorb an der langen Leine geführt und Pferde eingesetzt werden. Das wird von Bürgerinnen und Bürgern geschildert, die nur kurz auf die Straße gegangen sind und überhaupt nicht an Demonstrationen teilgenommen haben.

Meine Damen und Herren, Sie haben vielleicht auch die Bilder im NDR gesehen. Weitergehende Bilder durften nicht ausgestrahlt werden. Die Landesregierung hat dafür gesorgt, dass das weitere Material bezüglich des Einsatzes von Hunden nicht öffentlich zugänglich ist.

Ich möchte, dass vor dem nächsten CASTORTransport die Landesregierung nicht nur einfach sagt „Uns sind diese Vorkommnisse nicht bekannt, alle Beschwerden sind unbegründet“, sondern die Landesregierung sollte mit den Beschwerdeführern ein Gespräch führen und die Bedenken in einem direkten Gespräch ausräumen. Ich weiß von einer Auswertung der Anrufe bei dem Konfliktmanagement, das ich hier immer mit unterstützt habe, dass mehr als 70 % der Anrufe Beschwerden über Alltagseinschränkungen sind und dass die Konfliktmanager in vielen Fällen nicht in der Lage sind, die vielfältigen Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger abzuarbeiten, weil es keine normale Situation ist.

Meine Damen und Herren, ich habe nicht beantragt, die Eingaben der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und ich habe nicht gesagt, dass ich davon ausgehe, dass alle Beschwerden, die hier aufgeführt worden sind, von der Landesregierung so entgegengenommen wer

den müssen. Aber ich finde, die Landesregierung sollte Dialogbereitschaft zeigen und nicht nur eine lapidare Stellungnahme abgeben, in der ausgeführt wird, dass alles in Ordnung war, was gemacht worden ist. Ich habe beantragt, die Eingaben der Landesregierung als Material zu überweisen. Überdenken Sie noch einmal Ihre Entscheidung, und stimmen Sie unserem Antrag zu! - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Lanclée.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Stokar, zu den Spielchen, die sich durch diese Petitionen ziehen und die Sie angesprochen haben, also nach dem Motto „Hier die bösen Polizisten, da die guten Demonstranten“, kann ich nur sagen, dass es so nicht gewesen ist.

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie haben die Petitionen nicht gelesen!)

Wir haben das in Augenschein nehmen können. So ist das nicht gewesen. Ich finde, das können wir auch so nicht im Raum stehen lassen und in dieser Form nicht mitmachen. Es stimmt so nicht. Nach unserer Ansicht ist es auch für den in Rede stehenden CASTOR-Transport bezeichnend, dass die plakativen Vorwürfe in diesen beiden Petitionen nicht nachvollziehbar sind. Ich möchte einige Vorwürfe nennen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ausnahmezustand ohne Bürgerrechte im Landkreis Lüchow-Dannenberg, massive Hubschraubereinsätze bei Tag und Nacht bringen schlaflose Nächte, Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge umstellen eine Schule an der Bahnstrecke

(Frau Harms [GRÜNE]: Ja!)

- wenn eine Schule an der Bahnstrecke ist und die Bahnstrecke gesichert werden muss, dann ist klar, dass dort auch Fahrzeuge auftauchen müssen, um den Transport zu sichern -, nächtliche Durchsuchungsaktionen in Wohnungen und auf Grundstücken bekannter Bürger des friedfertigen Widerstandes. Darüber hinaus sollen Bürgerinnen und Bürger eingeschüchtert

(Frau Harms [GRÜNE]: Es ist un- glaublich!)

und die Bevölkerung kriminalisiert worden sein.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist eine CDU-Rede!)

Des Weiteren sollen Überreaktionen und nicht angemessenes Handeln übereifriger Einsatzkräfte stattgefunden haben. Der Vorwurf, insbesondere in der zweiten Eingabe, die Sie angesprochen haben, gipfelt darin - das finde ich mehr als beschämend -, dass das Fehlverhalten sicherlich darauf zurückzuführen sei, dass die Polizeikräfte all den vor Ort eingekauften Alkohol auch genossen hätten.

Das geht nun mehr als zu weit. Dies ist nicht nur eine Diskreditierung, sondern eine Diffamierung der Beamtinnen und Beamten, die dort tätig gewesen sind.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Harms?

Sie sagen immer, dass das alles nicht stattgefunden haben soll, was in dieser Petition aufgeführt worden ist. Halten Sie es für wirklich richtig, so zu tun, als ob diese Bürgerinnen und Bürger, die sich zunächst mit einer Petition an den Bundestag gewandt haben, die hierhin verwiesen worden sind - -

(Frau Wörmer-Zimmermann [SPD]: Wofür haben wir Mikrofone? - Weite- rer Zuruf von der SPD: Wir verstehen kein Wort!)

Meine Damen und Herren, wir haben Zwischenfragen immer so verstanden. Es geht weiterhin um die Frage, wie viel Sie sich selber erlauben, hier zu reden. - Frau Harms, bitte!

Ich kann meine Zwischenfrage vom Platz aus stellen. Das ist parlamentarischer Brauch.

(Zurufe)

Das kann sie.