Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

3. die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern national und international weiter voranzutreiben;

4. die geplante EU-Erweiterung stärker in den Blickpunkt verkehrspolitischer Entscheidung zu rücken, um den zu erwartenden weiteren Anstieg des Warenaustauschs mit den neuen EUMitgliedstaaten auch durch die stärkere Einbeziehung des Binnenschaffs bewältigen zu können.“

Ich hoffe, dass wir diesen Antrag nach seiner Beratung in den Ausschüssen - wie es von den anderen Fraktionen ja bereits angekündigt worden ist gemeinsam verabschieden können. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Wiesensee.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion enthält einige unterstützenswerte Anliegen, worüber wir im Ausschuss schon mehrfach diskutiert haben. Er müsste unseres Erachtens aber um einige Punkte erweitert werden; denn wir müssen nicht nur die Wasserstraßen, sondern auch die Gesamtsituation der deutschen Binnenschifffahrt verbessern. Die im Antrag beschriebenen ökonomischen und ökologischen Vorteile des Binnenschiffsverkehrs liegen auf der Hand, sodass ich darauf nicht weiter eingehen werde.

Die in Ihrem Antrag genannten Zahlen zur Verkehrsleistung - Herr Buß, Sie haben ja ausgeführt, dass die Verkehrsleistung auf den deutschen Binnenwasserstraßen in den vergangenen zehn Jahren um knapp 20 % gestiegen sei, und der Bundesverkehrswegeplan geht bis zum Jahr 2015 von einer Steigerung der Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt um mehr als ein Drittel aus - sind sicherlich richtig. Diese Zahlen müssen unseres Erachtens aber auf die deutsche Binnenschifffahrt heruntergebrochen werden. Dann aber, meine Damen und Herren, werden sie verheerend.

In einem Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 15. August 2001 wird dazu ausgeführt:

„Der Marktanteil der deutschen Binnenflotte an der in Deutschland auf den Binnenschifffahrtsstraßen erbrachten Transportleistungen sank von 44,4 % im Jahr 1991 auf 35,2 % im Jahr 2000.“

Weiter heißt es in diesem Schreiben:

„Die Binnenfrachtschiffsflotte verringerte sich seit 1992 bis 2000 um 900 Schiffe = 27 % auf 2 448 Schiffe.“

Da die gewerbliche Binnenschifffahrt bei uns mittelständisch geprägt ist, ist damit eine große Anzahl von mittelständischen Existenzen vernichtet worden. Das darf uns nicht kalt lassen, sondern muss unseres Erachtens dazu führen, den Ursachen auf den Grund zu gehen und die Rahmenbedin

gungen für die deutsche Binnenschifffahrt zu verbessern.

Ein Grund des Niedergangs der deutschen Binnenschifffahrt ist darin zu erkennen, dass die Niederländer ihr Frachtvolumen zulasten der deutschen Binnenschifffahrt ständig ausweiten. Es ist bekannt, dass die niederländischen Binnenschiffer einen so genannten Innovationsführer an die Hand bekommen, in dem 32 Fördermöglichkeiten aufgeführt sind. Bei Neubauten bekommen sie Staatsgarantien usw. usf. Entweder müssen diese zum Teil gegen EU-Recht verstoßenden Förderungen dort sofort eingestellt werden, oder unseren Binnenschiffern müssen ebenfalls solche Förderungen gewährt werden. Von einer Harmonisierung auf diesem Gebiet, die im SPD-Antrag auch gefordert wird, sind wir aber noch meilenweit entfernt. Der scheidende Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt hat auf der Mitgliederversammlung am 12. Oktober 2001 ausgeführt:

„Die Politik habe die Ausführungen des Gewerbes zwar zur Kenntnis genommen, jedoch nicht entsprechend gehandelt und gegebene Versprechen gebrochen. Durch die Steuerreform habe die neue Regierung die Rahmenbedingungen für die deutsche Binnenschifffahrt sogar erheblich verschlechtert.“

Er hat die Nachteile des deutschen Partikuliers gegenüber seinen niederländischen Kollegen auf 1 DM pro transportierter Tonne beziffert. Wer die Margen in der Binnenschifffahrt kennt, der weiß, dass diese Beträge nicht aufgeholt, eingefahren bzw. verkraftet werden können.

Wir haben es zwar mit einem europäischen Markt zu tun und dürfen sicherlich nicht nur in nationalen Kategorien denken, aber wir haben nicht nur das Recht, sondern es ist unsere verdammte Pflicht, die deutschen Unternehmen vor solchen Wettbewerbsverzerrungen zu schützen.

Das hier zur Debatte stehende Thema wurde Ende des Jahres 2000 bis Mitte des vorigen Jahres auch im entsprechenden Ausschuss des Bundestags diskutiert und Mitte des Jahres vom Bundestag auch verabschiedet. Alle Fraktionen hatten Anträge eingebracht. Die Anträge von den Oppositionsparteien auf Erhöhung der Mittel für den Ausbau der Binnenwasserstraßen wurden jedoch abgelehnt. Im

Haushalt bzw. in der Finanzplanung des Bundes sind für den Ausbau und für Ersatzmaßnahmen an Bundeswasserstraßen für das Jahr 2002 1,005 Milliarden DM, für das Jahr 2003 1,026 Milliarden DM und für die Jahre danach jeweils 1,022 Milliarden DM ausgewiesen.

Wenn der Ersatzinvestitionsbedarf von 875 Millionen, der aus den vorgenannten Zahlen erbracht werden muss, mit steigender Tendenz beziffert wird, dann bedeutet das letztlich, dass lediglich rund 130 Millionen für grundlegende Neuerungen zur Verfügung stehen. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Land den Bund auffordern muss, mehr zur Verbesserung der Wasserstraßeninfrastruktur in Niedersachsen zu tun.

Wenn wir mehr Container über die Binnenwasserstraßen transportieren wollen - was sinnvoll ist -, dann muss die Möglichkeit geschaffen werden, Container dreilagig mit Binnenschiffen zu befördern. Einige Experten gehen von einem zweilagigen Modell aus - soweit ich weiß, auch die Bundesregierung. Wirtschaftlich ist das nicht zu betreiben. Wirtschaftlich wird es erst, wenn die Container dreilagig über die Binnenwasserstraßen abtransportiert werden können. Der dreilagigen Beförderung stehen zu viele Brücken entgegen. Aber auch die Schiffskonzeption, die das Problem mit entsprechenden Ballasttanks und einer notwendigen Abladetiefe von 2,70 m lösen könnte, muss meines Erachtens in Betracht gezogen werden. Es müssen unseres Erachtens Schiffstypen gefördert werden, die sowohl auf See- als auch auf Binnenwasserstraßen wirtschaftlich fahren können. Diese müssen entwickelt werden. Auch im Hinblick auf den kommenden JadeWeserPort ist das dringend erforderlich. Auf längere Sicht muss gesichert werden, dass Container aus dem JadeWeserPort auch über Binnenwasserstraßen abfließen können.

Der Antrag sollte unseres Erachtens im Ausschuss ausführlich beraten werden. Dazu werden wir eine Anhörung beantragen, damit wir die Probleme der Betroffenen in den Antrag und den Beschluss mit einfließen lassen können.

Wir freuen uns auf eine intensive Beratung, und hoffen, dadurch nicht nur die Binnenwasserstraßen in Niedersachsen zu verbessern, sondern auch die Probleme der Binnenschifffahrt insgesamt zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat der Kollege Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bedarf - oder man sagt wahrscheinlich besser: das Bedürfnis - in unserer Gesellschaft nach Mobilität von Personen und Gütern ist gewaltig. Genauso gewaltig ist natürlich auch die Umwelt- und Klimabelastung, die sich daraus ergibt. Die Minimierung dieser Belastung ist deshalb eine der wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben der ökologischen Modernisierung.

Eine Strategie des Gesamtkonzeptes der Grünen ist die Verlagerung von stark umweltbelastenden Verkehrsmitteln auf weniger belastende Verkehrsmittel. Die Verlagerung von Güterverkehren - vom Lkw auf das Binnenschiff - ist dafür ein Paradebeispiel. Ich möchte ein paar Daten nennen, die das belegen. Der relative Energieverbrauch pro Tonnenkilometer macht beim Binnenschiff nur 30 % des Lkw-Verbrauchs aus. Der CO2-Ausstoß des Binnenschiffes beträgt nur ein Fünftel des Lkw -Ausstoßes - immer auf die jeweilige Tonnenkilometerzahl berechnet. Der Anteil am Endenergieverbrauch liegt bei 1,2 % gegenüber 85 % beim Straßenverkehr. Planco hat einmal die externen Kosten in der Summe aus Luftverschmutzung, Unfällen, Lärm, Boden- und Wasserbelastung für jeweils 100 Tonnenkilometer berechnet. Sie betrugen beim Lkw 5 DM und beim Binnenschiff 0,35 DM. Bei der Bahn betrugen sie übrigens 1,15 DM. Sie liegt also dazwischen. Um eine letzte Zahl zu nennen: Ein Schubverbund auf den Binnenwasserstraßen kann bis zu 650 Lkw ersetzen. Diese Umweltrechnung geht natürlich nur auf, wenn ein dazu erforderlicher begrenzter Ausbau unserer Flüsse behutsam und im Einklang mit der Umwelt erfolgt. Dabei gilt der Grundsatz, die Schiffe an die konkreten Transportbedürfnisse und an die Ökologie der Flüsse anzupassen und nicht umgekehrt. Wir können bei den Binnenschiffen einen Gigantismus ebenso wenig gebrauchen wie bei den überseeischen Megacarriern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Klein?

Ich habe leider keine Zeit für Zwischenfragen.

(Buß [SPD]: Weil das nicht stimmt, was er erzählt!)

Wenn wir das beachten, ist der Umweltvorteil des Binnenschiffs gegenüber dem Lkw absolut überzeugend. Daher ist eine entsprechende Verlagerung von Verkehren überall da zwingend erforderlich, wo sie logistisch machbar und sinnvoll ist, Herr Buß. - Hören Sie zu, Herr Buß! - Damit könnten wir sofort anfangen. Die im SPD-Antrag genannten Verbesserungen der Wasserstraßeninfrastruktur sind mittelfristig wichtig. Aber auch ohne diese Maßnahmen verfügt die Binnenschifffahrt heute über freie Kapazitäten, die sofort einsetzbar wären. Wir alle wissen doch, warum diese Kapazitäten brachliegen. Der Grund ist die im Antrag unter Punkt 3 etwas verschämt angesprochene mangelnde Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern. Im Klartext heißt das: Die Bevorzugung der Straße muss beendet werden. Dem dient die Ökosteuer, und dem dient vor allen Dingen die Lkw-Maut durch die verursachergerechte Kostenbelastung und durch die 50-prozentige Verwendung des Aufkommens für Schiene und Wasser.

An dieser Stelle frage ich Sie, Herr Buß - und die gesamte SPD-Fraktion -, ob Sie Ihren Antrag auch ernst nehmen.

(Buß [SPD]: Sicher!)

Dann dürfen Sie nicht mehr über Kompensationen nachdenken, die die Kostenbelastung durch die Maut wieder aufheben oder gar die Mittel für die dritte oder vierte Lkw-Spur auf den Bundesautobahnen aufwenden. Das passt nicht zusammen.

(Buß [SPD]: Sie müssen einmal sa- gen, was Sie wollen!)

Es sei einem Grünen erlaubt, Herr Buß, das Thema am Schluss noch einmal kurz zu weiten. Verkehrsverlagerung ist gut, aber Verkehrsvermeidung ist besser.

(Buß [SPD]: Das ist doch nicht zu fassen in diesem Zusammenhang!)

Wir kennen die verkehrssteigernden Rahmenbedingungen unserer Zeit: veränderte Produktionsund Konsumstrukturen mit räumlicher Trennung der Lebensbereiche, verändertes Freizeitverhalten,

die Integration Europas, die EU-Erweiterung und die Globalisierung. All das lässt die Verkehrsströme wachsen. All das ist aber auch politisch gestaltbar. Am umsatzfreundlichsten bleibt der vermiedene Verkehr.

(Buß [SPD]: Der Verkehr ist doch da! Wir wollen ihn doch gerade verla- gern! Sie kennen ja noch nicht einmal den Stichkanal!)

Wir dürfen nicht vergessen, an diesem Thema zu arbeiten. - Herzlichen Dank.

Jetzt hat der Kollege Adam um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klein, wenn ich Ihren Beitrag beurteile, dann muss ich sagen: Thema verfehlt,

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei den GRÜNEN und bei der CDU)

weil Sie eigentlich gar nicht wollen, dass wir uns mit der Problematik beschäftigen. Sie reden davon, dass das Schiff das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist. Im gleichen Moment sagen Sie aber, dass eine Erweiterung und attraktivere Gestaltung unserer Binnenwasserstraßen für Sie überhaupt nicht zur Debatte stehen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Wann hat er das denn gesagt?)

Sie haben noch einmal Ihr so genanntes Feindbild gegenüber den niedersächsischen Hafenplanungen an den Seehäfen dargestellt. Im Prinzip haben Sie sich - wenn Sie für Ihre Fraktion gesprochen haben - ins Abseits der niedersächsischen See- und Binnenhafenpolitik gestellt.

Das steht im Gegensatz zum Beitrag von Herrn Wiesensee, den ich sehr würdige. Herr Wiesensee hat mir bewiesen, dass wir in der Lage und bereit sind, uns in dieser Thematik auf eine Linie zu verständigen.

Es geht auch - darüber haben wir uns heute Morgen unterhalten - um strukturschwache Regionen. Herr Klein, wenn Sie sich informiert und dem Kollegen Werner Buß ein bisschen zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass die Stichkanäle, über die der Kollege Buß gesprochen hat,

in keiner Weise konkurrenzfähig sind, weil sie das Europaschiff nicht aufnehmen können. Im Prinzip sind sie noch genauso wie vor 80 Jahren. Das ist der Ansatz.

Meine Damen und Herren, der Kollege Wiesensee hat völlig Recht, wenn er auf die Konkurrenzsituation der Niederlande - man kann aber auch die anderen Benelux-Staaten dazurechnen - eingeht. Wer auf dem Küstenkanal von Papenburg bis Oldenburg fährt und sieht, wie wenig deutsche, aber wie viele niederländische Binnenmotorschiffe unterwegs sind, der weiß, wie wichtig es ist, zu handeln. Verstöße gegen EU-Recht, die befürchtet werden, sollten uns nicht dazu veranlassen, Ähnliches zu denken. Eine gemeinsame Allianz in Brüssel – das habe ich auch bei dem Kollegen Wiesensee herausgehört – ist nötig, um die Binnenschifffahrt generell zu stärken und zu unterstützen. Dem Kollegen Wiesensee danke ich für seinen Beitrag. Ich sehe eine gute Möglichkeit für eine gemeinsame Initiative im Ausschuss.