Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

(Frau Seeler [SPD]: Es ist nicht zu fassen!)

Dass dies unumstritten ist, ist auch klar. Sie haben Freiheit und Verantwortung angesprochen. Freiheit ohne Verantwortung gibt es gar nicht, Frau Litfin. So wird ein Schuh daraus.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag dem Kultusausschuss zur federführenden Beratung zu überweisen und mitberatend den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und den Ausschuss für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht zu beteiligen. Andere Vorstellungen sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben mich wissen lassen, dass die unter den Tagesordnungspunkten 23 und 25 aufgeführten Anträge direkt an die Ausschüsse überwiesen werden sollen. Ich rufe daher auf

Tagesordnungspunkt 23: Erfolgreiche Politik für den ländlichen Raum fortsetzen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3370

Ich halte Sie für damit einverstanden, dass entsprechend der Empfehlung des Ältestenrates mit diesem Antrag federführend der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr befasst wird und mitberatend folgende Ausschüsse tätig sein sollen: Ausschuss für Haushalt und Finanzen, Ausschuss für Wissenschaft und Kultur, Ausschuss für Jugend und Sport, Ausschuss für innere Verwaltung, Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,

(Biallas [CDU]: Alle!)

Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen, Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen sowie Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Viel mehr Ausschüsse haben wir auch nicht.

(Zuruf)

- Umweltausschuss auch noch? Dannn ist auf diese Art und Weise wenigstens sichergestellt, dass der Antrag in dieser Legislaturperiode nicht mehr erledigt werden wird.

(Heiterkeit)

Ich sehe keinen Widerspruch. Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 25: Tariftreue unterstützen - Korruption bekämpfen - Niedersächsische Bauwirtschaft stärken - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3372

Auch dieser Antrag soll direkt an die Ausschüsse überwiesen werden, und zwar zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Städtebau und Wohnungswesen sowie für innere Verwaltung. - Andere Vorstellungen gibt es nicht. Dann ist dies so beschlossen.

Ich rufe jetzt in der Reihenfolge der Tagesordnung auf

Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung: Einrichtung einer Härtefallkommission Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/3354

Zur Begründung des Antrages hat die Kollegin Stokar von Neuforn das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Zuwanderungsgesetz wartet in Berlin auf die Unterschrift des Bundespräsidenten. Ich weiß, es steht mir nicht zu, den Bundespräsidenten zur Eile auf

zufordern. Aber es sollte auch nicht der Eindruck entstehen, dass die Unterschrift aus wahltaktischen Gründen nicht noch vor der Sommerpause erfolgt.

(Biallas [CDU]: Wir werden es ihm ausrichten!)

Ich gehe davon aus - auch Sie sicherlich -, dass das Zuwanderungsgesetz in Kürze in Kraft treten wird. Es lässt eine eigenständige Rechtsverordnung der Länder zur Einrichtung einer Härtefallkommission zu. Ministerpräsident Gabriel hatte sich bereits im Plenum öffentlich für eine solche Härtefallkommission eingesetzt. Ich weiß, dass der Innenminister eher dagegen ist. Während der Debatte über das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat gab es bis zum Schluss eine Diskussion über einen eventuellen Änderungsantrag aus Niedersachsen, der dann aber zum Glück nicht eingebracht worden ist.

Meine Damen und Herren, ich spreche insbesondere die SPD-Landtagsfraktion an. Mein Angebot so ist unser Antrag auch abgefasst - ist, dass wir ein Konzept für eine solche Härtefallkommission gemeinsam in den Ausschüssen, vielleicht auch mit einer Anhörung in der Ausländerkommission entwickeln. Ich möchte gerade nicht, dass die SPD-Landtagsfraktion darauf wartet, dass das Innenministerium, das ja dieser Härtefallkommission äußerst skeptisch gegenübertritt, dieses Konzept entwickelt. Es gibt Vorbilder in SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen, und es gibt ein großes Interesse an dieser Thematik bei den Wohlfahrtsverbänden, bei den Kirchen und bei den Flüchtlingsorganisationen. Ich mache hier ein ganz klares Angebot an die SPD-Landtagsfraktion. Es wäre gut, wenn wir hier ein rot-grünes Signal setzten. Die rechte Seite dieses Hauses spreche ich nach den letzten Reden, die wir im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz gehört haben, zu dieser Thematik gar nicht an.

(Biallas [CDU]: Da bin ich aber ent- täuscht!)

Ich meine, dass es uns gelingen könnte - das Zuwanderungsgesetz soll ja zum 1. Januar 2003 in Kraft treten -, noch vor der Sommerpause und damit weit vor der Landtagswahl in Niedersachsen ein gemeinsames Konzept vorzulegen. Sie haben sicherlich gerade auch nach dem Wahldebakel in Holland ein Interesse daran, dass wir gemeinsam etwas für die rot-grüne Seele tun. Das ist mit diesem Antrag möglich.

Meine Damen und Herren, zu den Inhalten nur folgende zwei Punkte: Wir alle haben im Innenausschuss immer wieder festgestellt, dass Gesetze nicht so formuliert werden können, dass Härtefälle ausgeschlossen werden. Wir haben immer wieder die Fälle, dass gerade hier geborene und aufgewachsene Kinder und Jugendliche nach zehn, zwölf Jahren abgeschoben werden, weil es an kleinen gesetzlichen Punkten hapert. Wir haben in diese Kinder investiert. Ich meine, dass wir über diese Härtefälle gesondert reden sollten.

Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion in den Ausschüssen und hoffe, dass wir gemeinsam ein gutes Konzept hinbekommen werden. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Kollege Biallas hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Kollegin Stokar insofern dankbar, als sie schon weiß, was wir von diesem Vorschlag halten. Wir halten von dem Vorschlag, eine Härtefallkommission - -

Herr Kollege, wenn Sie das Mikrofon etwas höher fahren, kann man Sie sogar hören.

(Decker [CDU]: Aber nicht reinbei- ßen!)

Frau Kollegin Stokar hat bereits deutlich gemacht, was ich eingangs ausführen wollte. Wir halten von einer solchen Härtefallkommission in der Tat genauso viel wie von dem ganzen Zuwanderungsgesetz, nämlich gar nichts, um das ganz klar zu sagen.

(Zuruf von Wenzel [GRÜNE])

Denn dieses Gesetz ist aus unserer Sicht weder inhaltlich in Ordnung, noch ist es verfassungsgemäß zustande gekommen. So ist das. Da können Sie, Frau Stokar, den Bundespräsidenten bitten, auffordern, ermahnen oder sonst etwas.

(Wenzel [GRÜNE]: Affentheater! Sie nimmt doch niemand ernst!)

Der wird das zunächst einmal vernünftig prüfen und dann entweder unterschreiben oder nicht. Dann werden wir weitersehen. Eines kann ich Ihnen aber sagen: Die Torte wird Ihnen am 22. September mitten ins Gesicht fliegen. Das kann ich Ihnen prophezeien.

Das, was Sie fordern, ist im Übrigen nichts anderes als ein Akt vorauseilenden Gehorsams. Sie haben es ja gesagt: Sie wollen eine Regelung schaffen für ein Gesetz, was überhaupt noch nicht unterschrieben und deswegen überhaupt noch nicht in Kraft ist. Das ist natürlich mit der CDU nicht zu machen. Wir als CDU sind der begründeten Auffassung, dass das Zuwanderungsgesetz nicht verfassungsgemäß ist. Sie haben gesagt, Sie wollten mit uns gar nicht darüber reden. Sie haben ja den Antrag auch nicht geschrieben, weil Sie erwartet haben, dass wir ihm zustimmen. Das haben Sie richtig gesehen. Insofern sind wir uns hier einig. Unsere Zustimmung werden Sie dazu nicht bekommen.

Im Übrigen will ich Ihnen, Frau Stokar, Folgendes sagen - das müsste Ihnen eigentlich bekannt sein -: Schon jetzt ist es im Rahmen landesgesetzlicher Regelungskompetenz möglich, Härtefallkommissionen einzurichten. Dafür braucht man nicht das verfassungswidrige Zuwanderungsgesetz. Das kann man als Landesgesetzgeber durchaus machen. Es gibt inzwischen in der Tat in vier von sechzehn Bundesländern solche Härtefallkommissionen. Frau Kollegin Stokar - eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen der SPD war auch dabei -, wir haben vor einigen Jahren einen Besuch in Berlin gemacht und uns als Innenausschuss über die Arbeit der dortigen Härtefallkommission informiert. Weil wir das damals gemacht und anschließend auch darüber gesprochen haben, wundere ich mich etwas über Ihren Optimismus, den Sie hinsichtlich einer Zustimmung seitens der SPD geäußert haben. Denn ich kann mich sehr genau daran erinnern, dass sich die Begeisterung der Abgeordneten beider großen Fraktionen dieses Hauses durchaus, um es höflich zu sagen, in Grenzen gehalten hat. Großer Jubel ist damals nicht ausgebrochen. Auch damals ist klipp und klar gesagt worden: Eine solche Härtefallkommission kommt für Niedersachsen nicht in Frage.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Die SPD ist lernfähig!)

Es gab damals eine große Allianz. Die Einzige, die das wollte, waren Sie. Insofern ehrt es Sie, dass Sie Ihren alten Vorschlag im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz wieder aus der Mottenkiste Ihrer Ideen herausgeholt haben.

Ich möchte aber bezüglich des eigentlichen Anliegens, um das es geht - hier können wir uns unter Umständen an manchen Punkten treffen -, nicht in Abrede stellen, dass es unter Asylbewerbern vereinzelt - das haben Sie richtig dargestellt - durchaus so genannte Härtefälle gibt. Sie haben auch geschildert, wie das manchmal ist, wenn wir uns mit Petitionen im Innenausschuss auseinander setzen. In der Tat - das will ich einräumen - gibt es dringende humanitäre und persönliche Gründe, die in Einzelfällen auch aus meiner Sicht die Erteilung bzw. Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen sinnvoll erscheinen lassen. Wie Sie wissen, sage ich das hier nicht nur, sondern diese Auffassung vertrete ich auch in begründeten Einzelfällen im Innenausschuss. Wir kennen Fälle - das sind sehr ernst zu nehmende menschliche Schicksale -, bei denen wir im Innenausschuss fraktionsübergreifend einmütig zu dem Ergebnis gekommen sind, dass das geltende Recht insbesondere aus nachvollziehbaren humanitären Gründen aus unserer Sicht nicht unmittelbar Anwendung finden kann. Das will ich hier einräumen, und zwar auch im Hinblick auf die Tatsache, dass es aus humanitärer Sicht in Einzelfällen Härtefälle gibt. Hier wünsche ich mir in der Tat einen etwas größeren, wenn auch weiter an klare Grenzen gebundenen Bewegungsspielraum für das Parlament. In diesem Bereich sehen auch wir einen Handlungsbedarf, dass nämlich das Parlament, also die gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter, in begründeten Einzelfällen besonderer Härte die Möglichkeit erhält, aus humanitären Gründen den Anliegen von Petenten zu entsprechen. Das Problem - das will ich hier sehr deutlich sagen - bei solchen Härtefällen - Herr Innenminister, weil Sie nicht dabei sind, möchte ich das hier vortragen - ist häufig nicht, dass wir uns im Innenausschuss innerhalb der Fraktionen und über die Fraktionsgrenzen hinaus in manchen Fällen nicht einig werden. Das Problem sind Sie oder Ihr Haus. Ich halte es - das muss ich so deutlich sagen - für nicht in Ordnung, wenn sich die Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen im Innenausschuss in einem Fall einig sind, einstimmig etwas beschließen und der Vertreter des Innenministeriums sagt: Ihr könnt beschließen, was Ihr wollt. Aus rechtlichen Gründen mache ich das nicht. - Das halte ich für eine Missachtung des

Parlamentes. Wenn das nicht anders geht - das will ich klipp und klar sagen -, dann müssen wir uns über eine Veränderung des rechtlichen Rahmens unterhalten.

(Zuruf von Minister Bartling)

- Herr Minister, ich bin ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass ich jeden Fall als Härtefall ansehe,

(Harden [SPD]: Ihre Rede ist ein Härtefall!)

ganz zu schweigen davon, dass ich auch in diesem Hause nicht über diejenigen spreche, die ich für Härtefälle halte. Das nur nebenbei gesagt.

(Heiterkeit bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Für völlig verkehrt halten wir es, ein solches Recht, das ich gerade für das Parlament als richtig dargestellt habe, einer so genannten Härtefallkommission einzuräumen. Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, hingegen wollen eine solche Kommission neben dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, neben den Verwaltungsgerichten und neben dem Parlament einrichten und dieser Kommission sozusagen die Rolle eines Obergutachters nach allen Verfahren geben. Hier muss man deutlich sagen: Dieses widerspricht rechtsstaatlichen Normen. Deshalb ist das - selbst dann, wenn der Bundespräsident das Gesetz unterzeichnet - nicht möglich. Aus der Arbeit der in anderen Ländern schon bestehenden Kommissionen wissen wir, dass dort häufig die Anliegen derjenigen positiv beschieden werden, die über persönliche Kontakte zu einzelnen Mitgliedern der Kommission verfügen. Im Rahmen rechtsstaatlich geordneter Verfahren kann es aber nicht nach der Devise gehen: Beziehungen schaden nur demjenigen, der keine hat. - Es kann nicht sein, dass, wenn man das Glück hat, dass man einen kennt, der Fall positiv entschieden wird, und dass, wenn man das Pech hat, dass man niemanden kennt, es dann nicht geht. Frau Stokar, unter diesen Bedingungen kann man eine solche Kommission nicht einrichten.