Protokoll der Sitzung vom 17.05.2002

Ich wollte aber etwas anderes zu dem gleichen Komplex fragen: Wie schätzen Sie es ein, Herr Minister, wenn ein solches Sauengroßprojekt mit 2 056 Sauenplätzen verwirklicht wird? Wie wirkt es sich auf die bäuerliche Landwirtschaft aus? Da werden ja auch noch Ferkel produziert. Wie viele bäuerliche Betriebe werden durch ein solches Großprojekt vom Markt verdrängt?

Bitte schön, Herr Minister Bartels!

Frau Harms, der Betrieb, der diese Anzahl Schweine halten will, wäre auch bäuerlich, wenn er eine ausreichende Fläche vorhält - um das klar zu machen. Aber ich will der Frage nicht ausweichen, die Sie gestellt haben, ob es sozusagen wünschenswert ist, in der Zukunft nur noch in diesen Größenordnungen zu produzieren. Ich glaube, es wäre keine wünschenswerte Entwicklung, wenn alles darauf hinausliefe. Ich sehe natürlich auch die Konkurrenzsituation zu den vielen mittelgroßen bäuerlichen Betrieben, die sich in der Sauenhaltung engagiert haben und dort auch ihr Einkommen erwirtschaften. Das ist völlig klar.

Aber wir müssen natürlich Folgendes sehen: Es gibt keine rechtliche Handhabe, es gibt kein Gesetz, das eine Vorgabe bezüglich der Größenordnung macht. Wenn ein derartiger Betrieb die hohen Umweltstandards erfüllt, die wir haben - das werden diese Betriebe; die können sie wahrscheinlich leichter als alle anderen Betriebe erfüllen -, dann hat er ein Anrecht, eine Genehmigung für diesen Standort zu bekommen, es sei denn, wir sagen „Wir wollen bestimmte Betriebe nicht“, machen ein Gesetz und schließen von einer bestimmten Größenordnung an die Existenz solcher Betriebe aus. Das hat aber bisher niemand gewollt. Wir haben 1994 einen Vorstoß im Bundesrat gemacht, der eine sehr konzentrierte Flächenbindung der Tierhaltung vorgesehen hatte. Er ist dann leider Gottes auch von der Frau Kollegin Höhn in Nordrhein-Westfalen niedergestimmt worden.

(Frau Harms [GRÜNE]: Also Frau Künast und Frau Höhn sind schuld an der Massentierhaltung!)

- Nein, das habe ich nicht gesagt - Frau Harms, nicht dass wir uns missverstehen -, sondern mein Kollege Funke und ich haben 1994 in Ihrem Sinne ein Instrument gewollt, das damals leider Gottes nicht Ihre Unterstützung bekommen hat.

(Frau Harms [GRÜNE]: Aber aus an- derem Grund! Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schwarzenholz ist der nächste Fragesteller.

Herr Minister, Sie haben dargestellt, dass wir in Niedersachsen etwa 5 % - wenn ich es richtig verstanden habe: 5,5 % - gewerbliche bzw. industrielle Tierhalter haben. Können Sie auch die Frage beantworten, welchen Anteil am Gesamttierbestand diese 5,5 % der Betriebe halten?

Bitte schön, Herr Minister!

Herr Abgeordneter Schwarzenholz, ich habe viele Zahlen im Kopf, aber nicht jede. Ich will dieser Frage gar nicht ausweichen, aber kann Ihnen, ohne eine präzise Zahl zu nennen, bestätigen, dass diese Betriebe durchaus einen hohen prozentualen Anteil an der Tierhaltung haben. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sagen, wie viel Prozent es sind. Das habe ich im Moment nicht im Kopf. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen das nachzuliefern.

Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Klein.

Herr Minister, um deutlich zu machen, dass ein 2 000er-Sauenbetrieb aus meiner Sicht kein bäuerlicher Betrieb mehr ist,

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

möchte ich Ihnen zwei Fragen stellen. Erstens. Was würde in einem Seuchenfall mit den wöchentlich etwa 800 Ferkeln passieren, die abgesetzt werden müssen, wenn dort nicht mehr abtransportiert werden kann?

Zweitens. Wie muss man sich in einem solchen Betrieb in einem gülleübersättigten Gebiet wie Vechta die Lösung der Gülleproblematik vorstellen?

Bitte schön, Herr Minister Bartels!

Herr Abgeordneter Klein, auch dafür gibt es klare Regelungen. Der Betrieb bekäme keine Genehmigung, wenn er nicht den Nachweis führte, dass er entweder auf eigener Fläche oder auf zugepachteter Fläche - so sind die Spielregeln in Deutschland - seinen Gülleanfall im Rahmen guter fachlicher Praxis der Düngung unterbringen kann. Das ist vorgegeben und wird geprüft. Wir haben ein Höchstmaß an Transparenz gerade auf diesem Felde eingeführt.

(Klein [GRÜNE]: Das ist bäuerlich!)

Wenn Sie sich an mein Zehn-Punkte-Programm erinnern, das ich speziell für den Raum Oldenburger Münsterland auf den Weg gebracht habe, dann enthält es sehr klare und sehr scharfe Regelungen hinsichtlich der zusätzlichen Kontrolle in dieser Region. Es enthält klare und sehr deutliche Regelungen bezüglich der Transparenz der Stoffströme in dieser Region. Ich wäre dankbar, Herr Klein, wenn es auch durch etwas schnelleres Arbeiten des Bundesministeriums für Verbraucherschutz in Berlin gelungen wäre, dass meine Vorschläge zur Verschärfung der Düngeverordnung schon Rechtskraft hätten. Denn dann hätten wir ein weiteres Instrument an der Hand, um z. B. eine Überdüngung der Böden nicht nur zu verhindern, sondern eine Gesundung der Böden einzuleiten. Mein Vorschlag - der ja in Berlin liegt und dort leider nicht vom Tisch kommt - ist, dass in den Regionen mit den überversorgten Böden nicht mehr nach Entzug, wie es heute das Recht vorsieht, gedüngt werden darf, sondern es muss sozusagen um die Hälfte reduziert werden.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

- Nein. Wenn Sie das Umweltproblem und die Güllefrage ansprechen, müssen Sie sich schon die Antwort gefallen lassen und sich auch anhören, dass es da Versäumnisse auf der Bonner bzw. Berliner Ebene gibt.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

- Sie können sich ja gleich noch einmal melden. Wenn Sie sagen, nach Ihrem Verständnis sei das kein bäuerlicher Betrieb, dann mag ich Ihnen das zugute halten. Aber die bestehenden Rechtsvorschriften in Deutschland weisen den Betrieb, wenn er die entsprechende Fläche hat, als bäuerlichen Betrieb aus. Wenn Sie das nicht wollen, dann müs

sen Sie über Berlin eine Rechtsänderung herbeiführen. Die haben Sie nicht auf den Weg gebracht.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen für zusätzliche Fragen vor. Daher beende ich die Behandlung der Frage 3.

Ich stelle fest, meine Damen und Herren, es ist jetzt 11.57 Uhr und 19 Sekunden. Damit ist die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben. Ich bitte die Mitglieder der Landesregierung, die Antworten jetzt hier an der Bank der Landtagsverwaltung abgeben zu lassen, soweit das nicht in der Zwischenzeit bereits geschehen ist.

Bevor ich noch einmal den Punkt 3 unserer Tagesordnung aufrufe, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich rufe jetzt auf

noch: Tagesordnungspunkt 3: 43. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/3365 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3388 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3389

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 3365, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 106. Sitzung am 15. Mai 2002 entschieden.

Wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der Drucksache 3365, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen. Dazu weise ich darauf hin, dass die Fraktionen übereingekommen sind, über die Eingabe 4763 heute nicht abzustimmen, sondern sie zurück in den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zu überweisen.

Wir kommen jetzt zur Beratung. Dazu hat sich Herr Kollege Wiesensee zu Wort gemeldet. Er hat aufgeschrieben: zur Eingabe 4730. Bitte schön, Herr Kollege Wiesensee!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Eingabe des Landkreises Wesermarsch geht es um die Errichtung eines Zwischenlagers am Kernkraftwerk Unterweser. Das Zwischenlager wird von der Bevölkerung aus vielerlei Ängsten heraus, die natürlich durch die Vorgänge am 11. September noch verstärkt wurden, abgelehnt.

Nach dem Atomkonsens soll ja an jedem Kernkraftwerk ein Zwischenlager errichtet werden. Das Kernkraftwerk Unterweser soll danach 2011 vom Netz gehen und abgebaut werden, während das Zwischenlager - darüber wurde überall berichtet, und es ist wohl auch so - mindestens 30 bis 40 Jahre an dieser Stelle bestehen wird. Das Zwischenlager würde somit ohne ein bestehendes Kernkraftwerk noch wenigstens 20 bis 30 Jahre dort bestehen. Eine Konditionierungsanlage ist nicht vorhanden. Auch insoweit macht sich natürlich die Bevölkerung viele Sorgen. Wir bitten daher, der Eingabe stattzugeben und nicht, wie vom Ausschuss empfohlen, abzustimmen.

Danke schön, Herr Kollege Wiesensee. - Frau Kollegin Harms, Sie möchten auch zu der Eingabe 4730 sprechen?

(Frau Harms [GRÜNE]: Ja!)

- Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wiesensee, es ist interessant, dass die Atompolitik im Bereich Entsorgung inzwischen tatsächlich konsequent auf der Linie von Edmund Stoiber und Theo Waigel betrieben wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Theo Waigel gehört ja zu den wirklichen Aktivisten gegen den Bau von Zwischenlagern in Bayern. Dass Sie sich jetzt auch derart engagieren, überrascht, weil Ihre Partei und Ihre Fraktionen überall in den Landtagen in den letzten Jahrzehnten nichts unternommen haben, um zumindest einmal skeptisch mit dem Bau von Atomanlagen umzugehen.

Ich will Ihnen unsere Position erläutern. Wir sind dafür, dass die Entsorgung unter der Vorgabe der

Lastenteilung organisiert wird. Wir befürworten deshalb die Konzeption, an den Standorten von Atomkraftwerken Zwischenlager zu errichten.

(Zuruf von Schwarzenholz [frakti- onslos])

Wir versprechen uns davon weniger Transporte und eine Entlastung der zentralen Zwischenlagerstandorte in der Bundesrepublik, Herr Kollege Schwarzenholz.

Wenn Sie sich gerade mit der Situation in Esensham befassen oder auch nach Grohnde schauen, so sehen Sie, dass die Grünen überall engagiert dafür sind, dass diese Zwischenlager ein Optimum an Sicherheit bieten. Dazu sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen: Diese Zwischenlager dürfen nicht überdimensioniert sein, sondern sie müssen in Relation zur Betriebszeit des jeweiligen Kraftwerkes stehen. Nach wie vor muss unbedingt das Sicherheitskonzept für die Behälter überprüft werden. Nach wie vor ist das Restfeuchteproblem und damit das Problem der Dichtigkeit der Behälter nicht gelöst. Wir sind dafür, dass die Hallen, anders als die Hallen in Ahaus und in Gorleben, eine Rückhaltefunktion gegen Radioaktivität bekommen. Wir sind auch schon immer dafür gewesen, dass die Hallen gegen Flugzeugabstürze ausgelegt werden.

Dazu muss ich Ihnen sagen: e.on ist schon weiter als die Konzerne, die im Süden der Republik planen. Allerdings sind wir mit dem Angebotenen noch nicht zufrieden.

Mögliche terroristische Angriffe werden seit dem 11. September überall diskutiert. Meine und Damen und Herrn, Herr Kollege Wiesensee, schon beim Bau des Atomkraftwerks Esensham haben Bürgerinnen und Bürger ihre Angst vor solchen Angriffen deutlich gemacht. Damals hat gerade Ihre Partei immer wieder darauf hingewiesen, dass das alles unter den Bereich Restrisiko falle. Ich war damals anderer Meinung, und ich bin heute anderer Meinung, glaube aber, dass das eigentliche Problem am Standort Esensham der Betrieb des Kraftwerkes ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich fordere Sie auf, mit uns zusammen dafür zu streiten, dass wir die Risiken der Atomenergie minimieren, indem wir durch eine andere Energiewirtschaft dazu beitragen, dass diese Kraftwerke, die tatsächlich nichts anderes sind als Zeitbom