Protokoll der Sitzung vom 12.06.2002

(Möllring [CDU]: Ich bin häufiger da! Dann gehe ich aber nicht in die Kir- che, sondern dann rede ich lieber mit Atomphysikern!)

sollten Sie am nächsten Wochenende in die Gartower Kirche kommen. Lassen Sie sich nicht immer nur von Herrn Wojahn und Herrn Grill durch die Region führen!

(Zustimmung bei der SPD)

Ich bin immer noch der Meinung, dass wir von einer verantwortlichen Lösung des Endlagerproblems sehr weit entfernt sind. Wenn wir jetzt nicht dafür sorgen, dass dieses Thema aus dem Wahlkampf herausgehalten wird, wenn wir jetzt nicht dafür sorgen, dass ein Einvernehmen zwischen den Bundesländern geschaffen wird, dass eine vergleichende Untersuchung stattfinden muss, dann werden wir es nie schaffen.

Die einzige Parole, die für mich derzeit Gültigkeit hat, damit wir an ein geeignetes, verantwortbares Endlager kommen, heißt auch für Sie: Herr Wulff, unterstützen auch Sie die Arbeit des Arbeitskreises Endlager, den unser Bundesumweltminister Gott sei Dank eingerichtet hat!

(Beifall bei den GRÜNEN - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Glauben Sie wirklich an einen anderen Standort?)

Das Wort hat Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es hilft nicht sehr, hier die Geschichte zu bemühen,

(Frau Zachow [CDU]: Doch, das sollte man immer wiederholen!)

welche frühere Bundesregierung unter welchen sachlichen oder sachfremden Gesichtspunkten Standortentscheidungen getroffen hat. Ich bin mir mit Herrn Wulff einig: Wir sind gemeinsam in der nationalen Verantwortung.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben aber auch die Pflicht, meine Damen und Herren, Konsequenzen aus Fehleinschätzungen und falschen Positionierungen zu ziehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Wulff hat sich beim Thema Atompolitik in den letzten Monaten schon hinreichend als Adjutant bayerischer Politik bewiesen. Deshalb müssen wir das, glaube ich, gar nicht im Einzelnen wiederholen. Wenn er den Eindruck erweckt, es gehe um gerechte Lastenverteilung, dann will ich nur darauf hinweisen, dass 25 % des deutschen Atomstroms in Bayern produziert werden, dass es in Bayern aber weder eine Zwischenlagerung für abgebrannte

Brennelemente noch sonst irgendeine Aufbewahrung hochradiaktiver Restbestandteile aus der Nuklearproduktion gibt.

(Plaue [SPD]: Hört, hört!)

Ich weise aber darauf hin, dass sich mehr als 12 000 Gebinde aus Bayern im Endlager Asse befinden, dass sich ein CASTOR-Behälter aus Gundremmingen im Transportbehälterlager Gorleben befindet, dass sich volumenmäßig mehr als 1 000 Fässer im Abfalllager Gorleben aus Isar 1 befinden und die Niedersächsische Landesregierung die Zustimmung gegeben hat, sämtliche Wiederaufarbeitungsmaterialien auch aus bayerischen Kraftwerken aus La Hague nach Gorleben zurückzunehmen, meine Damen und Herren. Wir kommen unserer nationalen Verantwortung nach. Ich stelle aber fest, dass dies weder auf der Seite Bayerns noch auf der Seite der niedersächsischen CDU stattfindet.

(Beifall bei der SPD)

Das Spannende an dem NP-Interview in der letzten Woche besteht in Folgendem.

(Schünemann [CDU]: Das war ja gar keines!)

- Es war keines, aber es hat autorisierte Teile. - Im Februar dieses Jahres hat Herr Wojahn hier für die CDU ausgeführt: Wir sind gegen das Moratorium, wir sind für eine weitere Erkundung des möglichen Endlagerstandorts mit wissenschaftlicher Begleitung. Dann folgt eine breite wissenschaftliche Bewertung. Dann können die Parlamente politische Entscheidungen treffen. - Er setzt noch nach und sagt: Für uns, die CDU, ist das eine entscheidungsoffene Frage und abhängig von den Qualitäten und Gefährdungspotenzialen. - Was sagt Herr Wulff letzte Woche in der Neuen Presse? - Ich zitiere wörtlich:

„Wir haben weit mehr als 2 Milliarden Mark dort investiert; dieses Geld darf nicht umsonst geflossen sein.“

(Plaue [SPD]: Hört, hört! Das demas- kiert alles, was er bisher gesagt hat!)

Was sagt uns Herr Wulff damit, meine Damen und Herren? - Er sagt: Ergebnisoffenheit mit mir nicht. Das endet daran, dass hier Präjudizierungen durch Vorinvestitionen festgelegt worden sind.

(Plaue [SPD]: So ist es! Das darf nicht wahr sein!)

Meine Damen und Herren, wer beim Thema Endlager finanzpolitisch argumentiert, wo es wirklich um die Abschottung hochnuklearen Materials um Jahrtausende von der Biosphäre geht, der ist politisch auf dem Glatteis. Das muss mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden.

(Beifall bei der SPD)

Heute führt Herr Wulff aus - ich war ganz überrascht -, dass Sie für das Konzept der dezentralen Zwischenlagerung sind.

(Frau Harms [GRÜNE]: Paradig- menwechsel!)

In der NP aus der letzten Woche lese ich:

„Wulff kündigt zudem an, dass es mit einer unionsgeführten Bundesregierung keine Zwischenlager auf den Arealen der 19 Atomkraftwerke geben wird.“

Ich weise darauf hin, dass im letzten Plenum eine Petition zum Thema Zwischenlager Stadland von der CDU strittig gestellt worden ist. Entweder ist das unheimlicher Populismus, oder Sie wissen selbst nicht mehr, was Sie reden. Ich stelle Ihnen anheim, sich in dieser Frage festzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle nur fest, meine Damen und Herren: Stimmig ist das alles nicht, was Sie hier vortragen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Aspekt eingehen, der in der heutigen Debatte noch keine Rolle gespielt hat.

Bayern ist für Atomstrom. Wir wollen aussteigen. Wir sind für regenerative Energien, z. B. Wind. Im Mai dieses Jahres hat der Bundestagsabgeordnete von Stetten zusammen mit ungefähr 100 vorrangig aus Süddeutschland kommenden Abgeordneten der Bundestagsoppositionsfraktionen eine Initiative zur Verhinderung des weiteren Ausbaus von Windenergie gestartet, meine Damen und Herren eine ganz spannende Veranstaltung! Er begründet das mit planungsrechtlichen Fragen der Kommunen. In seinem Anschreiben an Bürgermeister schreibt er aber - ich zitiere einen Satz -:

„Plötzlich überschütteten auch in Süddeutschland norddeutsche Baulöwen unsere Gemeinden mit mehreren tausend Bauanträgen.“

(Plaue [SPD]: Das ist ja unglaublich!)

Norddeutsche Baulöwen - das zeigt, worauf es Ihnen ankommt. Sie wollen die Energiewende verhindern, Sie wollen die Umkehrung der Energieflüsse verhindern, Sie wollen, dass Atomstrom weiter eingespeist werden kann, und dabei nehmen Sie billigend in Kauf, dass die Reste dieser Art von Stromproduktion die Niedersachsen an die Hacken bekommen. Das ist nicht in Ordnung. Herr Dahl schreibt zu Recht in seinem Kommentar: Das ist Kniefall vor den Bayern, bayerischer Defiliermarsch statt Niedersachsen-Lied. - Wir fördern den ländlichen Raum, aber mit angepassten Strategien und nicht mit einer solchen Vorgehensweise, wie sie von Ihnen vorgetragen wird.

(Starker Beifall bei der SPD - Möll- ring [CDU]: Demagogisch war das klasse, sachlich war es falsch!)

Das Wort hat noch einmal Herr Wulff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, Sie wissen ja, wie Sie von den Bürgerinnen und Bürgern Salzgitters bei der Demonstration während der vorangegangenen Plenarsitzung behandelt worden sind. Denn dort haben Sie jedes Vertrauen verloren.

(Frau Harms [GRÜNE]: Meinen Sie, dass Sie da gewonnen haben, Herr Wulff? Was ist denn das für eine Milchmädchenrechnung?!)

Sie haben nicht nur die dritte Teilerrichtungsgenehmigung für die Pilot-Konditionierungsanlage in Gorleben unterzeichnet, sondern Sie haben vergangene Woche auch Schacht Konrad planfestgestellt, und zwar entgegen dem, was Sie alles vorher im Land und im Bund versprochen haben.

Wir legen Wert darauf, dass das gilt, was im Parlament gesagt wird. Das lässt sich unsererseits auch sehr leicht nachweisen. Wir haben beispielsweise im Emsland das Zwischenlager nicht nur politisch beantragt, sondern auch politisch verant

wortet, und es ist im Bau befindlich. Das zeigt, dass wir zur dezentralen Zwischenlagerung nicht nur reden, sondern konkret stehen. Sie sollten für diesen Konsens auch ein Stück weit dankbar sein. Wir haben das Institut für Windenergie in Wilhelmshaven mit unserer Landesregierung damals initiiert. Wir haben das bedeutendste Einspeisegesetz in Deutschland für regenerative Energien durchgesetzt. Sonst wäre Deutschland heute nicht Weltmarktführer in diesem Bereich.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir haben das Institut für Solarenergie gegen Ihren Widerstand in Hameln-Emmerthal gegründet. Sie waren dagegen, als wir das in Niedersachsen gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben die regenerativen Energien entdeckt, als Sie noch in den Windeln gelegen haben. Das ist die Wirklichkeit.