Protokoll der Sitzung vom 12.06.2002

Ziehen Sie die Lederhose wieder aus, und kämpfen Sie mit für niedersächsische Interessen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat für zwei Minuten Herr Kollege Schwarzenholz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Rede lässt ja für die Zeit bis zur Landtagswahl nichts Gutes erwarten,

(Busemann [CDU]: Das habe ich mir auch gedacht! Da haben Sie Recht!)

wenn wir in dem Stil weitermachen. Wir müssen doch sachlich sehen, was hinter dem Thema steckt, das Sie heute angesprochen haben. Wenn Sie das, was Sie an niedersächsischer Interessenvertretung hier eingefordert haben, wirklich selbst organisieren würden, könnten Sie nach meiner Ansicht die CDU auch so angreifen.

(Inselmann [SPD]: Das tun wir auch!)

Wer aber als sozialdemokratische Landesregierung in Kooperation mit einer rot-grünen Bundesregierung das erste Mal in Deutschland ein Atommüllendlager in Niedersachsen genehmigt, wer dafür sorgt, dass diese Arbeit im Prinzip einer Nachfolgeregierung abgenommen worden ist, wer dafür sorgt, dass Gorleben ohne Probleme jederzeit wie

der in einen aktiven Endlager-Suchstatus umgesetzt werden kann, der hat doch alle Trümpfe in der Entsorgungsfrage, in der Atompolitik der nachfolgenden Bundesregierung in die Hand gegeben. Sie haben doch die niedersächsischen Handlungsmöglichkeiten jetzt abgeschlossen. Heute ist der Genehmigungsbescheid zu Schacht Konrad veröffentlicht worden. Jetzt läuft das. Wenn Herr Stoiber so handeln kann, wie Sie das sagen, dann hat er es Ihnen zu verdanken. Sie haben vier Jahre lang die Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich nicht ausgeschöpft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alle Trümpfe für Herrn Stoiber dank SPD und Grünen!

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Wulff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Inselmann, wahrscheinlich muss man so reden, wie Sie geredet haben, wenn man vergessen machen muss, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt mit der damaligen SPDBundesregierung zu Gorleben gedrängt hat; vier von fünf niedersächsischen Kernkraftwerken von SPD-Landesregierungen genehmigt wurden, Sie CASTOR-Transporte als lebensgefährlich bezeichnet haben und jetzt so viele CASTOREN dort in Gorleben eingelagert haben. Wir haben in 16 Regierungsjahren nicht so viele eingelagert wie Sie in drei Jahren.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der CDU)

Sie haben Zwischenlager als gefährlich bezeichnet und errichten nunmehr 17 Zwischenlager in Deutschland und bezeichnen sie als völlig sicher und ungefährlich. Sie wollten Schacht Konrad verhindern, wenn Sie in Hannover und Berlin regieren, haben aber letzte Woche in der Landesregierung die Planfeststellung von Schacht Konrad beschlossen.

Wenn man dies an Widersprüchlichkeiten vor der Wahl, nach der Wahl zu verantworten hat, dann muss man wahrscheinlich so reden, wie Sie hier geredet haben. Es gehört aber eine Menge Dreistigkeit dazu, sich hier hinzustellen und die Dinge derart zu verkehren.

(Beifall bei der CDU)

Das Lebensgefühl, das Sie da haben, Herr Plaue, kenne ich ganz genau.

(Plaue [SPD]: Sie kennen mein Le- bensgefühl überhaupt nicht)

Sich darüber aufzuregen, dass es in Berlin nicht läuft, dass man nicht in der Kampa ist, dass man nur bellen, aber nicht beißen kann, das kenne ich aus den früheren Jahren ganz genau. Da kann ich nur sagen: Es hilft nicht, wegzulaufen. Sie müssen Ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie werden gar nicht darum herumkommen.

Ich möchte vier Bemerkungen zu dem Thema machen, das uns hier seit 24 Jahren beschäftigt. Ich sage das, was wir seit 24 Jahren hier im Hause sagen.

Erstens. Egal, wann man Kernkraftwerke abschaltet, die Entsorgung ist unumgänglich. Die Entsorgungswege für die friedliche Nutzung gehen auf Bund-Länder-Vereinbarungen von 1979 mit der damaligen SPD-Bundesregierung und allen Ländern zurück und waren Konsens bis 1990. Das Entsorgungskonzept entspricht ökologischen, ökonomischen und technischen Ansprüchen. Keiner, Herr Inselmann, soll glauben, dass wir auf sichere Endlagerung verzichten könnten. Wer Endlager nicht haben will, hat nicht mehr Sicherheit, sondern hat überhaupt keine. Das ist die Wahrheit im Umgang mit diesem Thema.

(Beifall bei der CDU)

Zweite Bemerkung. Vertrauen entsteht durch Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Herr Gabriel hat bei einem der CASTOR-Transporte davon gesprochen, wir Politiker hätten in Gorleben jedes Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Ich lege Wert darauf, nicht wir Politiker haben dort jegliches Vertrauen verloren, sondern Rot-Grün hat dort jedes Vertrauen verloren, weil man vor Wahlen anders gesprochen hat als nach den Wahlen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben glauben machen wollen, es ginge ohne CASTOR-Transporte, es ginge ohne Endlager. Früher waren die CASTOR-Transporte unverantwortlich, jetzt sind sie mit einem Male sicher und vertretbar, obwohl sich an den Behältern nicht einmal deren Farbe geändert hat.

Herr Gabriel hat hier im Landtag erklärt, die Polizei würde zur Durchsetzung völlig überflüssiger Transporte gezwungen. Dementsprechend kann er natürlich nicht glaubhaft als Regierender im Land und im Bund darlegen, dass diese Transporte völkerrechtlich geboten sind.

Zur Wahrheit gehört auch, dass die SPD die Partei in Deutschland ist, die als erste einen Kernenergieplan beschlossen und die Kernenergie vorangetrieben hatte. Wir alle werden das Problem der Endlagerung gemeinsam lösen müssen.

Dritte Bemerkung: Es gibt nach unserer festen Überzeugung keine ernsthafte Suche irgendeiner Landes- oder Bundesregierung nach einem anderen Endlagerstandort, solange nicht Gorleben zu Ende erkundet und Zweifel an der Eignung festgestellt worden sind. Deshalb sagt die rot-grüne Bundesregierung in dem Konsenspapier mit der Energieversorgung, dass es bisher keine Zweifel an der Eignung des Salzstockes als Endlager gibt. Deshalb kommen wir zu dem Schluss, dass das Moratorium beendet werden sollte, dass die Erkundung fortgesetzt werden sollte und dann nach abschließender wissenschaftlicher Bewertung eine endgültige Entscheidung über die Eignung als Endlager zu fallen hat.

Dies steht 1 : 1 im Wahlprogramm der Union in Niedersachsen und auch im Wahlprogramm der Union im Bund. Ich kann das so deutlich sagen, weil ich es mit formulieren durfte.

(Plaue [SPD]: Das macht die Sache nicht besser, Herr Wulff! Im Gegen- teil!)

Zugegebenermaßen lässt sich das Entsorgungskonzept zur Verringerung der Anzahl von Transporten gerechter gestalten. Deswegen bekennen wir uns auch zur dezentralen Zwischenlagerung. Wir geben den Widerstand gegen die dezentrale Zwischenlagerung bundesweit auf. Landesweit hatte ich bereits vor sieben Jahren hier das burden sharing vertreten. Aber - das sei am Schluss gesagt - aus den Zwischenlagern dürfen keine Endlager werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Sozialdemokraten in der Wesermarsch, in Hameln-Pyrmont, in Holzminden und anderswo haben dort überall in den Kreistagen genau dies in den Mittelpunkt ihres Widerstands gegen die von Ihnen gewollten und gewünschten Zwischenlager

gestellt. Sie wollen nicht, dass aus Zwischenlagern Endlager werden. Deswegen: Vertagen Sie die Probleme nicht auf kommende Generationen, sondern nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können das während des Wahlkampfes ja so weitermachen, in jeder Plenarsitzung mit einer Aktuellen Stunde zu Konrad oder Gorleben anzufangen.

(Möllring [CDU]: Die SPD hat das beantragt!)

Meine Hoffnung auf eine konstruktive politische Zusammenarbeit zum Wohle Niedersachsens und in der Richtung, dass wir wirklich ein geeignetes Endlager finden, wird durch diese Art der Aktuellen Stunden nicht größer.

Herr Schwarzenholz hat angesprochen, dass in der Region Gorleben angeblich das Vertrauen in RotGrün verloren gegangen sei. Es ist schlimmer, Herr Schwarzenholz: In der Region Gorleben wächst seit vielen, vielen Jahren ein Überdruss und eine Verdrossenheit über die Politik in Sachen Gorleben, über die Atompolitik ganz allgemein. Der Konsens bzw. die unzureichenden Regelungen im Sinne Niedersachsens für Konrad und Gorleben haben das Fass dort noch einmal zum Überlaufen gebracht. Das Problem, mit dem wir uns als Politiker in Gorleben seit vielen Jahren auseinander zu setzen haben, besteht darin, dass sehr viele Menschen der Politik nicht mehr vertrauen und deshalb meinen, immer wieder auf die Straße gehen zu müssen, um die Sache selber in die Hand zu nehmen. Solange wir die Debatte nicht anders organisieren, haben sie dafür auch sehr viel Grund.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Wulff, Sie haben bei Ihrer geschichtlichen Darstellung des Themas Gorleben einige Auslassungen gemacht.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Ich kann nur fünf Minuten reden!)

Es war nicht die Regierung Schmidt, sondern es waren natürlich Schmidt und die Regierung Alb

recht, die sich für einen Standort entschieden haben, der damals schon dritte Wahl war. Sie haben an diesem Standort festgehalten, obwohl schon nach kurzer Zeit der Erkundung feststand: Wegen Kontakt zum Grundwasser, auch wegen eines sehr schlechten Deckgebirges - einer wichtigen natürlichen Barriere - ist dieser Standort eher ungeeignet.

Herr Wulff, Sie haben viele Jahrzehnte mit den Sozialdemokraten dafür gesorgt, dass es keine vergleichende Untersuchung gegeben hat. 25 Jahre sind verschenkt worden, in denen eben nicht fundiert nach einem Endlager gesucht worden ist, sondern in denen eine falsche Lösung festgeschrieben worden ist.

Wie kommen wir da heraus? - Ich bin nicht zufrieden mit den Ergebnissen im Konsens. Das weiß hier jeder. Ich bin aber einverstanden mit der wissenschaftlichen Arbeit, die im Arbeitskreis Endlager zur Vorbereitung einer wirklichen vergleichenden Suche eingeleitet wurde. Ich möchte gerne alle hier Versammelten darauf ansprechen und sie einladen, am nächsten Wochenende, am Samstag, an einer Veranstaltung der Kirche in Gartow teilzunehmen. Dort wird derzeit dieses Thema verantwortlich bearbeitet. Ich weiß, Herrn Biallas gefällt es nicht, wenn Pastoren oder Bischöfinnen sich in Politik einmischen. Aber gerade im Fall Endlagerung ist es so weit, dass wir die Kirche als verantwortliche Instanz brauchen, um solche gesellschaftlichen Probleme, die Dimensionen wie die Endlagerung haben, überhaupt bearbeiten zu können.

(Möllring [CDU]: Atomphysik wer- den Sie nicht im Alten Testament fin- den!)

Damit Sie, Herr Möllring, tatsächlich mal einen Eindruck von dem bekommen, was in der Region Gorleben los ist,

(Möllring [CDU]: Ich bin häufiger da! Dann gehe ich aber nicht in die Kir- che, sondern dann rede ich lieber mit Atomphysikern!)