Protokoll der Sitzung vom 12.06.2002

(Beifall bei der SPD)

(Zu Protokoll:)

Der Ausschuss hat sich mit diesem Antrag in seiner 140. Sitzung am 8. Mai 2002 befasst. Vertreter der Fraktion der CDU begründeten ihren Antrag damit, dass es erforderlich sei, für die Kommunen rechtlich klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Inhalt kommunale Verordnungen nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz möglich seien. Es könne nicht sein, dass derartige Verordnungen von einer Bezirksregierung genehmigt würden und eine inhaltsgleiche Verordnung von einer anderen Bezirksregierung nicht genehmigt werde. In diesen Verordnungen gehe es um eine Regelung unterhalb strafrechtlicher Tatbestände, um eine Rechtsgrundlage für das Eingreifen von Ordnungskräften und Polizei zu schaffen, um Ordnung und Sauberkeit zu gewährleisten.

Ein Vertreter der SPD-Fraktion erklärte, seine Fraktion könne dem Antrag nicht zustimmen. Es gebe in dieser Frage keine rechtlichen Unklarheiten und daher auch keinen Handlungsbedarf. Vielmehr sei festzustellen, dass sich seit etwa 1990 der Gesichtspunkt der Wahrung der öffentlichen Ordnung wie ein roter Faden durch die Anträge der CDU-Fraktion ziehe. Bei diesem Begriff handele es sich um einen schwammigen und ständigen Wandlungen unterworfenen Begriff. Er sei deshalb aus dem Gefahrenabwehrgesetz herausgenommen worden. Die zum Teil überzogenen Satzungen, die von Kommunen beschlossen worden seien, seien nicht nur von den Bezirksregierungen, sondern auch von den Gerichten „kassiert“ worden. Tatsächlich gebe es keine Regelungslücke im Gefahrenabwehrgesetz bzw. im Ordnungswidrigkeitengesetz, die durch eine Wiederaufnahme des Begriffs der öffentlichen Ordnung geschlossen werden müsse. Zwar könnten derartige kommunale Satzungen nach § 62 des Gefahrenabwehrgesetzes erlassen werden, sie dürften jedoch nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehen und

darüber hinaus auch nicht höherrangige Rechtsvorschriften wiederholen.

Ein Vertreter des Innenministeriums räumte ein, dass es nicht angehen könne, dass inhaltsgleiche kommunale Verordnungen von der einen Bezirksregierung genehmigt würden und von der anderen nicht. Allerdings habe das Innenministerium bei der Prüfung der von der Stadt Neustadt vorgesehenen kommunalen Verordnung rechtliche Fehler festgestellt, die daraus resultierten, dass kein höherrangiges Recht verletzt werden dürfe oder bereits getroffene gesetzliche Regelungen nicht wiederholt werden dürften und die Regelungen hinreichend inhaltlich bestimmt sein müssten. Im Rahmen dieser Überprüfung sei dann bekannt geworden, dass die Bezirksregierung Lüneburg eine inhaltsgleiche Regelung in der Stadt Cuxhaven genehmigt habe. Dies habe das Innenministerium zum Anlass genommen, die Bezirksregierung Lüneburg anzuweisen, die Verordnung der Stadt Cuxhaven zu beanstanden, um eine einheitliche Rechtslage in Niedersachsen herbeizuführen.

Was den Begriff der Ordnung angehe, werde dieser im Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz nicht mehr verwendet, weil die in den kommunalen Verordnungen angeführten Unordnungszustände, soweit sie gravierender Natur seien, durch spezialgesetzliche Vorschriften abgedeckt würden.

Vertreter der antragstellenden CDU-Fraktion zogen aus diesen Ausführungen den Schluss, dass offensichtlich doch Handlungsbedarf bestehe. Immerhin habe der Niedersächsische Städtetag den Erlass der Verordnung in Cuxhaven ausdrücklich begrüßt. Im Übrigen könne nach den Erfahrungen mit der Verordnung in Cuxhaven festgestellt werden, dass mit dieser Verordnung für die Polizei eine klare Regelung für eine Eingriffsschwelle gegeben sei und die Erfahrungen damit ausgesprochen positiv seien.

Weitere Vertreter der CDU-Fraktion stützten diese Auffassung und meinten, dass es erforderlich sei, über den vom Niedersächsischen Innenministerium in Vorbereitung befindlichen Wegweiser hinaus für die Kommunen eine Musterverordnung für diejenigen Bereiche zu entwickeln, für die die Kommunen nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz eine Verordnung erlassen dürften. Im Übrigen zählten sie verschiedene Sachverhalte auf, bei denen für die Polizei nach ihrer Auffassung klare Eingriffsmöglichkeiten nicht vorhanden seien.

Dem widersprachen Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD unter Berufung auf die Ausführungen des Vertreters des Innenministeriums.

Damit schließe ich meinen Bericht und bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 3439 zu folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

In der Aussprache hat der Kollege Biallas das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungen im Innenausschuss zu diesem Antrag haben gezeigt, dass sowohl die Fraktion der SPD als auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in diesem Hause entweder nicht willens oder nicht in der Lage sind, pragmatische kommunale Regelungen zur Sicherstellung von Sicherheit und Sauberkeit mitzutragen bzw. aktiv zu unterstützen. Daran ändert auch die Einbringung des vorliegenden Änderungsantrages nichts. In der Substanz enthält dieser nur Vorschläge, die von der SPD-Fraktion schon immer - nur mit anderen Worten - vorgetragen worden sind.

(Beifall bei der CDU - Decker [CDU]: Substanzlos!)

In der Debatte wurde seitens der SPD-Fraktion keck behauptet, dass alles das, was wir fordern, rechtlich nicht möglich sei.

(Lanclée [SPD]: Das stimmt gar nicht! Das ist falsch!)

Dabei geht es um bereits von der Bezirksregierung genehmigte Verordnungen für die öffentliche Sicherheit und Sauberkeit, die aufgrund der Bestimmungen des § 54 ff des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes von den Räten beschlossen worden sind. Das haben wir nicht erfunden; so und nicht anders steht es in dem von Ihnen selbst verabschiedeten Gefahrenabwehrgesetz.

Meine Damen und Herren, von Ihnen wird weiterhin behauptet, das sei alles gar nicht nötig. Das ist das zweite Gegenargument. Es sei schon alles im Gefahrenabwehrrecht, im Kreislaufwirtschaftsgesetz - Herr Kollege Möllring hat wegen des Kau

gummis diesbezüglich schon einmal nachgefragt und auch im Abfallbeseitigungsgesetz usw. geregelt. Ich gebe zu, dass das teilweise sogar der Fall sein mag.

(Lanclée [SPD]: Nicht nur teilweise, Herr Kollege!)

Aber mit diesem Durcheinander von Gesetzen und Verordnungen kommt in der alltäglichen Praxis kein Vollzugsbeamter zurecht. Dieses Sammelsurium ist schlicht und einfach nicht handhabbar, meine Damen und Herren.

(Klein [GRÜNE]: Unterschätzen Sie die Vollzugsbeamten nicht! - Lanclée [SPD]: Er diskreditiert die Vollzugs- beamten!)

Deswegen gibt es in den Städten, z. B. in Cuxhaven und Hildesheim, geprüfte und genehmigte Verordnungen. Dabei bleiben wir.

Meine Damen und Herren, im Änderungsantrag der SPD-Fraktion steht, in den Städten und Gemeinden sei in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden ein so genannter Wegweiser in Vorbereitung. Ein Wegweiser kann zwar ganz nett sein, aber ein Wegweiser ist keine Ermächtigungsgrundlage zum Eingreifen und zum Handeln. Wir wollen nicht darüber reden, sondern wir wollen, dass in den Kommunen für Sauberkeit und Sicherheit gesorgt wird.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Unglaublich! Realitätsfern!)

Der Gipfel der Realitätsferne dieser Landesregierung und der sie tragenden SPD-Fraktion liegt aber darin, dass der Innenminister nun auch noch angekündigt hat, von der Bezirksregierung bereits genehmigte Verordnungen, die sich in den Kommunen bewährt haben, wieder aufzuheben und damit einzukassieren. Herr Kollege Möllring hat mir gerade berichtet, dass das in den letzten Tagen

(Möllring [CDU]: Vorgestern!)

- gerade vorgestern - in Hildesheim der Fall gewesen ist. Man muss sich vorstellen, dass diese Verordnung in Hildesheim einstimmig - also mit den Stimmen aller im Rat der Stadt Hildesheim vertretenen Parteien - verabschiedet worden ist.

(Plaue [SPD]: Da kann man mal se- hen, was da für Juristen sitzen!)

Da muss man sich überlegen, ob sich dieses Handeln nicht auch gegen die kommunale Selbstverwaltung richtet. Das lehnen wir ab, meine Damen und Herren!

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion und von der Fraktion der Grünen, weil Sie uns nicht glauben, was wir vortragen, haben wir im Innenausschuss beantragt, die Kommunen, in denen eine solche Verordnung teilweise seit Jahren in Kraft ist, und die dortigen Polizeibehörden anzuhören und sie nach ihren Erfahrungen mit den bereits erlassenen Verordnungen zu befragen. Man fragt sich, warum Sie diesen Antrag mit Ihrer Mehrheit abgelehnt haben. Ich kann daraus nur folgern, dass Sie sich den Realitäten durch Ignoranz verschließen, und zwar nach dem Motto: Was ich nicht sehen will, das gibt es nicht, und was es gibt, das will ich nicht sehen. Das ist SPD-Politik für Niedersachsen! Dazu herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, ein konsequentes Einschreiten gegen Unordnung und Unsauberkeit passt offensichtlich nicht in das sozialdemokratische Weltbild. Die Konfrontation mit der Realität stört die sozialdemokratische Praxis des entlastenden Wegsehens und der Verharmlosung der akuten Probleme.

(Zurufe von der CDU)

Der Kollege Collmann hat mir beim letzten Mal empfohlen, den Antrag noch einmal juristisch überprüfen zu lassen. Er ist ja im Moment nicht da.

(Collmann [SPD]: Ich bin da! - Unru- he - Glocke des Präsidenten)

- doch, er ist da. Entschuldigung! - Vor einigen Tagen hat uns ein Schreiben des Unternehmerverbandes Einzelhandel in Niedersachsen erreicht. Das möchte ich Ihnen zur Kenntnis geben. Der Unternehmerverband nimmt auch juristisch zu unserem Antrag Stellung. Unterschrieben hat dieses Schreiben niemand anders als der Justiziar des Hauptgeschäftsführers, ein ausgewiesener Jurist.

„Als niedersächsischer Landesverband des Einzelhandels, der die Interessen von immerhin 60 000 Einzelhandelsunternehmen und Betriebsstätten in Niedersachsen mit mehr als 280 000 Mitarbeitern vertritt, dürfen

wir Ihnen mitteilen, dass der vorgenannte Antrag unsere volle Unterstützung findet. Für die Lebensqualität der niedersächsischen Bevölkerung kommt Sauberkeit und Sicherheit im kommunalen Bereich naturgemäß eine herausragende Bedeutung zu. Ordnungsstörungen, Vandalismus und Verwahrlosung der Innenstädte stören nicht nur den ästhetischen Eindruck der niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger, sondern tun auch dem Sicherheitsgefühl der Menschen Abbruch. Es ist daher eine wichtige Aufgabe von kommunalen Ordnungs- und Polizeibehörden, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.“

(Zuruf von der SPD: Das bestreitet doch niemand!)

Weiter heißt es:

„Aus unserer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, warum Verordnungen zur Verbesserung der Sauberkeit und Sicherheit im kommunalen Bereich nach Maßgabe der Vorschriften des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes unzulässig sein sollen. Derartige Verordnungen sind grundsätzlich von den Vorschriften des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes gedeckt und begrüßenswert, um eine konsequente Bekämpfung von Verstößen gegen die öffentliche Ordnung sicherzustellen.“

(Wegner [SPD]: Das sprüht ja gerade- zu nur so von juristischen Erkenntnis- sen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erstens ist das juristisch überprüft,

(Wegner [SPD]: Kein bisschen!)

zweitens sind Verordnungen in Kraft, und drittens stellt sich die Frage, welchen Anlass es gibt, diese Verordnungen wieder aufzuheben bzw. neue nicht zu genehmigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesem Schreiben geht doch wohl eindeutig hervor, dass die Versagung bzw. Aufhebung kommunaler

Verordnungen einen eklatanten und unzulässigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, so ist SPD-Politik. Erst plündern Sie die kommunalen Kassen, und dann berauben Sie die Kommunen auch noch ihrer Rechte, indem Sie nicht nur Unordnung und Unsauberkeit in den Kommunen nachlässig hinnehmen, sondern auch noch durch eine uneinheitliche und damit rechtswidrige Verbotspraxis zusätzlich für rechtliche Unordnung und Unsauberkeit sorgen. Das ist der Skandal, der hier vorliegt.

(Beifall bei der CDU)