Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Ich will den Harz nicht noch schöner reden, als er ist. Viele haben leider ein sehr negatives Bild vom Harz entwickelt, was korrigiert werden muss.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Die kennen nicht die richtigen Ecken!)

Wir müssen den Harz einmal im historischen Zusammenhang sehen. 1990 ist ein unnormaler Zustand beendet worden. Nach 1945 war der Harz mit wachsender Intensität geteilt. Im Westharz, über den wir hier reden, war die Einwohnerzahl in den meisten Orten potenziert. Mein kleines Heimatdorf Hohegeiß mit 1 000 Einwohnern hatte auf einmal 2 600 Einwohner. Die Stadt Braunlage mit 4 000 Einwohnern hatte auf einmal 9 000. Es hat sehr lange gedauert, bis die Einwohnerzahl in den 50er- und 60er-Jahren abgeschmolzen ist. Dieser Prozess ist in den meisten Orten noch nicht einmal heute abgeschlossen. Der Harz könnte unter normalen Umständen eine so hohe Bevölkerungszahl, wie er sie auf unnatürliche Art und Weise bekommen hat, sowieso nicht ernähren. In der Beziehung ist ein Angleichungsprozess im Gange, der noch nicht ganz abgeschlossen ist.

Meine Damen und Herren, Ihre Anfrage hinkt auch insoweit, als Sie das Sauerland in Nordrhein-Westfalen, den Bayerischen Wald in Bayern und den Schwarzwald in Baden-Württemberg mit dem Harz vergleichen. Diese Bundesländer können über die entsprechenden Regionen komplett verfügen. Der Harz aber ist leider auf drei Länder - Niedersachsen; der größere Teil befindet sich in Sachsen-Anhalt und ein kleinerer Teil in Thüringen - aufgeteilt. In dieser Hinsicht hinkt Ihr Vergleich.

Sie sprechen in Ihrer Anfrage an, was Sie für den Harz vermissen, z. B. ein Konzept für den Verkehr. Meine Damen und Herren, wer die Entwicklung rund um den Harz betrachtet, wird feststellen: Es gibt die Autobahn A 7 am Westrand, die Autobahn A 9/A 14 am Ostrand sowie die Autobahn A 395 von Braunschweig aus kommend, die Lücke bei Schladen wurde vor kurzem geschlossen. Es wird jetzt die Autobahn A 38 von Göttingen nach Halle gebaut. Die Ortsumgehung um Langelsheim, B 82, in Verbindung mit der neuen B 6 n wird die A 7 mit der A 9 und A 14 verbinden. Das heißt, der Harz ist von großzügig ausgebauten Straßen eingeschlossen. Eine bessere Infrastruktur kann man sich gar nicht wünschen, und die wird 2007 fertig gestellt sein.

(Beifall bei der SPD - Frau Janssen- Kucz [GRÜNE]: Eine Stunde Warte- zeit vor Braunlage!)

Ich muss dazu sagen, dass der Straßenbau insbesondere nach dem Regierungswechsel im Jahre

1998, als erheblich mehr Mittel in den Norden geflossen sind, beschleunigt worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Wann ist denn die Krise im Harz, die Sie angesprochen haben, eingetreten? Mitte der 90er-Jahre ist tatsächlich eine Krise eingetreten. Wodurch war sie verursacht? Durch die Änderung der Steuergesetzgebung des Bundes. Auf einmal hat eine Stadt wie Braunlage mit mehr als 1 Million Übernachtungen keine Einnahmen aus der Gewerbesteuer mehr gehabt. Daraus resultierte die Krise. Diese Änderungen haben verhindert, dass sich die Gemeinden kontinuierlich weiterentwickeln konnten.

(Gansäuer [CDU]: Herr Grote, da war also die CDU dran schuld! Das ist doch jetzt klar! - Gegenruf von Wa- termann [SPD])

- Ist das eine Tatsache, die Sie abstreiten können? Sehen Sie sich die Gewerbesteuerentwicklung in den Harzer Kommunen an!

(Gansäuer [CDU]: Mein lieber Mann, das, was Sie da erzählen, ist wirklich unerträglich!)

Sie fordern ein Konzept für den niedersächsischen Harz in Bezug auf Tourismuseinrichtungen. Meine Damen und Herren, diese Gedanken hat sich 1970 schon Alfred Kubel, der im Harz gewohnt hat, gemacht.

(Frau Ortgies [CDU]: Es ist ja nichts passiert!)

- Es ist nichts passiert? - Liebe Inse-Marie Ortgies, damals sind die Großprojekte eingeleitet worden, die Revita-Hotels, die Panoramic-Hotels und die Glockenberg-Siedlung in Altenau. Alles das ist damals in den Harz gesetzt worden, weil man erkannt hatte, dass die vorhandene Struktur den heutigen Erfordernissen natürlich nicht genügt. Alle diese Projekte laufen auch heute noch, schaffen auch heute noch Arbeitsplätze und sorgen für gute Übernachtungszahlen im Harz.

(Frau Schliepack [CDU]: Wenn es mal so wäre!)

Wir müssen auch noch Folgendes beachten: Mit der Öffnung der Grenze findet ein weiterer Normalisierungsprozess statt. Man muss nun einmal zugeben, dass viele der Attraktionen des Harzes im Ostharz liegen, nämlich der Brocken, das Okertal.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Das Selke- tal!)

Wir hatten bis 1990 im Westharz einen Alleinvertretungsanspruch für Wintersport im ganzen Norden. Die Gäste aus Dänemark und Holland sind selbstverständlich in den Harz gekommen. Gleiches trifft auf die Besucher aus allen norddeutschen Ländern, aus Nordrhein-Westfalen zu. Dass sich nach der Grenzöffnung nicht nur im Ostharz etwas auftut, sondern dass wir aufgrund des Klimawandels zum Teil auch im polnischen Bereich und in der Slowakei sicherere Wintersportgebiete haben, liegt nun einmal in der Natur der Sache. Das kann keine Landesregierung beeinflussen. Städte wie Goslar, die mit ihrer historischen Altstadt bis 1990 einen Alleinvertretungsanspruch hatte, werden auf einmal mit Wernigerode, Quedlinburg und Stolberg konfrontiert. Da ist es doch kein Wunder, dass sich die Touristenströme auf diese Orte aufteilen. Das sind doch alles ganz normale Prozesse, die sich da abspielen, meine Damen und Herren.

Fahren Sie doch bitte einmal nach St. Andreasberg im Harz. Wer diesen Ort noch 1970 gesehen hat und ihn sich jetzt nach den im Rahmen der immer noch laufenden Städtebauförderung getätigten Investitionen ansieht, der wird erkennen, dass es sich dabei um ein Juwel im Harz handelt.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die Probleme. Frau Ortgies, Sie haben Bad Grund angesprochen. Es ist allerdings unfair, wegen dieser Probleme den örtlichen Abgeordneten zu attackieren. Einerseits ist zum Ende der 80er-Jahre der Bergbau zum Erliegen gekommen, der dort vielen Menschen Arbeit gegeben hat. Andererseits hat die Grenzöffnung zu einer Verschiebung des Tourismus nach Osten geführt. Schließlich ist diesen Entwicklungen im Jahre 1996 die Zäsur im Gesundheitswesen nachgefolgt.

(Gansäuer [CDU]: Aha! Genau! Dar- auf wollen Sie hinaus!)

Ich möchte einmal den örtlich Verantwortlichen sehen, der diese Entwicklungen auffangen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Dr. Schultze [SPD]: Das war der Herr Seehofer!)

Sie haben die Chance angesprochen, neues Gewerbe anzusiedeln. Ich habe die Verkehrsinfrastruktur angesprochen und erinnere insbesondere an die

B 6 n am Nordrand des Harzes. Wir werden erleben, dass eine neue Fachhochschule nach Goslar kommen wird. Wir erleben, dass sich die neu ausgewiesenen Gewerbegebiete im Raum Goslar/Bad Harzburg sehr zügig füllen, und zwar wegen der guten Verkehrsanbindung. Diese Investitionen in die Infrastruktur werden positive Auswirkungen haben, meine Damen und Herren.

Mir ist um die Zukunft des Harzes überhaupt nicht bange.

(Gansäuer [CDU]: Nach Ihrer Rede schon! - Gegenruf von Watermann [SPD]: Nur wenn Herr Gansäuer im Harz das Sagen hat! - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)

Der Harz hat ein ausreichendes Angebot an Betten, aber es war tatsächlich ein Minus im gehobenen Bereich zu verzeichnen. Daher ist auch die Hotelförderung nicht verkehrt angesetzt. In Braunlage ist z. B. jüngst ein Fünf-Sterne-Haus entstanden. In Braunlage sind neue Wintersporteinrichtungen - die neue Schanze - entstanden. Es gibt die moderne Biathlon-Anlage auf dem Sonnenberg. Es ist ein ausreichendes wintersportliches Angebot vorhanden. Das Problem ist allerdings, dass wir 100 Tage Schnee im Winter und 200 Tage Sonne im Sommer benötigen; der Rest des Jahres kann ja schlecht sein. Dann wären alle Probleme des Harzes gelöst. Aber bitte schön, meine Damen und Herren, dieses Problem kann nicht die Landesregierung lösen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben in Ihrer Großen Anfrage den Schutz der Natur und die Förderung des Tourismus angesprochen. Was ist denn mit der Einrichtung des Nationalparks Harz passiert? Das ist doch ein riesiger Imageträger für das Gebirge. Wir haben doch jüngst mit der Verabschiedung des Nationalparkgesetzes noch einmal bestätigt, dass wir das gemeinsam wollen. Das ist natürlich auch eine Förderung des Tourismus. Dies ist ja nicht nur im Nationalpark Harz geschehen. Die niedersächsischen Forstämter z. B. haben sich ja auch der Sache angeschlossen und bieten ihrerseits im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit Programme für die Besucher, für die Touristen an. Insofern ist alles auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD)

Die Niedersächsische Landesregierung hat mit dem 50-Millionen-Programm dazu beigetragen, die Kommunen zu entschulden, die nun einmal, weil sie keine industrielle Basis haben, gar nicht besser dastehen können. Das Geld ist doch nicht versickert. So wurde es in Braunlage z. B. dazu benutzt, ein Kurhaus abzureißen, um auf Dauer die Kosten der Gemeinde zu drücken. Das sind doch sinnvolle Anwendungen.

(Dr. Stratmann [CDU]: Und wie ist das mit Bad Grund?)

- Bad Grund befindet sich auf einem guten Weg, denn es restrukturiert sich langsam. Ich habe ja bereits gesagt, dass sich der Tourismus mehr in die Mitte des Harzes hinein, in die hohen Regionen, in den Bereich Wurmberg und Brocken verlagert hat. Das ist leider nicht zu ändern. Aber Bad Grund wird einen Weg finden, seine vorhandene Infrastruktur für neue Aufgaben zu nutzen. Bad Grund ist insofern auf einem guten Weg. Wir werden die Resultate bald sehen.

Meine Damen und Herren, Sie haben zwar angekündigt, dass es nicht Ihre Absicht sei, schwarz zu malen. Sie haben es aber dennoch gemacht. Ich hoffe, ich konnte diesen Eindruck für den Harz wieder dahin rücken, wo er hingehört. Der Harz wird sich behaupten, und es wird auch wieder Generationen geben, die den Harz wieder entdecken.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Besprechung der Großen Anfrage und rufe auf

Tagesordnungspunkt 31: Einzige (abschließende) Beratung: Antisemitismus ächten - Zusammenhalt in Deutschland stärken - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3469

Der Antrag wird eingebracht durch den Kollegen Wernstedt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass ich in diesem Hause jemals noch darüber reden müsste, dass der Antisemitismus zu

ächten sei, und das noch vor dem Hintergrund von Vorgängen in einer alten demokratischen Partei, der FDP, hätte ich mir vor kurzem noch nur schwer vorstellen können. Denn dass wir in dieser Frage unter den demokratischen Parteien einer Meinung sind, setzte ich bis heute voraus und setze ich eigentlich auch immer noch voraus. Das gilt für alle, die hier im Hause sitzen, und das gilt im Kern auch für das, was die FDP angeht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe allerdings auch vorausgesetzt, dass niemand aus dem demokratischen Lager mit antisemitischen Gedankengängen spielt oder leichtfertig, vielleicht aber auch politisch-strategisch damit umgeht. Denn Antisemitismus ist kein Tabu in diesem Lande - hier widerspreche ich dem Sprachgebrauch der letzten Wochen ausdrücklich -, sondern eine in Jahrzehnten mühsam erarbeitete und durch und durch rationale Grundüberzeugung aller demokratischen Parteien in Deutschland, dass man nämlich den Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen habe.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich muss die historischen Erinnerungen an Judenverfolgung, an Holocaust, an Kriegstreiberei und Volksverführung nicht aufrufen. Sie alle kennen das, und wir haben häufig darüber geredet.

Wir wissen aus den Studien der 70er-Jahre, dass es damals in der westdeutschen und, wie wir inzwischen wissen, heute auch in der gesamtdeutschen Bevölkerung einen Anteil von etwa 15 % Menschen gibt, die rechtsradikalem Gedankengut, auch dem Antisemitismus, zuneigen, wenn entsprechende Bedingungen existieren. In einer Demokratie mit unseren Erfahrungen muss dieser Tatbestand allerdings dazu führen, dass solches Gedankengut klein gehalten werden muss. Es dürfen keine Positionen formuliert werden, die Vorurteile in diese Richtung mobilisieren, um damit die trüben Wasser in die eigenen Wahlurnen zu spülen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Das fängt mit verbalen Unklarheiten an, setzt sich in berechnendem Kalkül fort und ist schließlich nicht mehr einzufangen.

Sichtbar geworden ist dies schon, als Martin Walser 1998 in seiner Rede aus Anlass der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels von der „Moralkeule Auschwitz“ schwadronierte. Die gesamte anwesende deutsche Elite, mit Ausnahme des Ehepaares Bubis und mit Ausnahme von Friedrich Schorlemer, applaudierte damals am Ende stehend.