Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Herr Möllring! Danach Herr Schröder mit seiner zweiten Zusatzfrage.

Frau Ministerin, als die Kollegin Litfin und der Kollege Schröder eben den Ministerpräsidenten wörtlich zitiert haben, haben Sie gesagt, die Opposition solle keine Horrorgemälde an die Wand malen. Ist es aber nicht vielmehr so, dass nicht derjenige, der Zitate anführt, Horrorgemälde an die Wand malt, sondern derjenige, der den Ursprungstext verfasst hat?

Ferner haben Sie hier immer von „Schulbezirken“ gesprochen. Wenn die Kommunen denn Schulbezirke festlegen, frage ich mich, warum die Bezirksregierungen Anträge von Eltern, die ihr Kind nicht an einer Schule mit einem hohen Ausländeranteil,

sondern an einer anderen Schule beschulen lassen wollen - an dieser Stelle könnte ich einige schöne politische Beispiele bringen, die Ihnen gar nicht passen würden -, regelmäßig dahin gehend bescheiden, dass Ausnahmen von den Schulbezirken gemacht werden dürfen mit der Folge, dass das Problem noch verschärft wird.

Frau Ministerin!

Nach der geltenden Gesetzeslage dürfen keine Ausnahmen von den Schulbezirken gemacht werden.

(Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN)

Vielleicht können Sie es einmal präzisieren.

Ein Schulträger hat nach der derzeitigen Gesetzeslage für die Grundschulphase und auch für die Sekundarstufe I Schulbezirke einzurichten.

(Möllring [CDU]: Ja, haben wir ge- macht!)

Die Eltern haben die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen für einzelne Schülerinnen oder Schüler zu bekommen, sodass sie in einem anderen Schulbezirk unterrichtet werden können, wenn pädagogische Härten vorliegen oder andere Fragen anstehen. Dies ist eine schwierige Problematik, die überhaupt nicht befriedigend ist und bei den Bezirksregierungen eine ungeheure Einzelfallarbeit verursacht; denn es ist immer wieder schwierig, persönliche Verhältnisse der Eltern, die dabei immer eine Rolle spielen, nachzuprüfen. Ich möchte gar nicht verhehlen, dass hierin auch Umgehungsproblematiken stecken.

Das hat etwas zu tun mit der Frage - damit befinden wir uns jetzt genau beim richtigen Thema -, wie der Schulbezirk geschnitten ist. Eltern - ich möchte das nicht allen Eltern unterstellen - versuchen manchmal, sozial schwierig geschnittenen Schulbezirken und damit auch schwierigen Schülerzusammensetzungen an den Schulen auszuweichen, wie wir dies derzeit an den Orientierungsstu

fen erleben. Herr Möllring, jetzt müssten Sie eigentlich ganz zufrieden sein, weil wir dies ändern wollen. Insofern wäre dies ein weiterer Grund, unserem Schulgesetz zuzustimmen. Wir wollen dieses Instrument für die Klassen 5 und 6 nach Möglichkeit nicht mehr angewendet sehen. Wir haben jetzt eine Kann-Regelung. Das heißt, das „muss“ kommt weg. Dadurch werden für die Bezirksregierungen ohne Frage auch Vereinfachungen erzielt.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Die erste Frage hat sie nicht beantwortet! - Gegenruf von Adam [SPD]: Doch, hat sie! Ihr müsst ein bisschen zuhören, wenn Fragen ge- stellt werden!)

Es folgt Herr Schröder mit seiner zweiten Zusatzfrage. Danach Herr Wenzel mit seiner zweiten Zusatzfrage.

Frau Ministerin, da Sie ja nicht müde werden, die bildungspolitischen Verdienste des Herrn Ministerpräsidenten zu rühmen und die von ihm ausgelöste Debatte über eine 25-prozentige Ausländerquote für richtig und wichtig zu halten, frage ich Sie, ob sich die Landesregierung diese Forderung nach einer 25-%-Begrenzung in der Weise zu Eigen gemacht hat, dass sie künftig Maßstab für die Festlegung von Schuleinzugsgebieten sein soll.

(Groth [SPD]: Das soll einer verste- hen!)

Frau Ministerin, der Abgeordnete hat mich gerade darauf hingewiesen, dass Sie seine erste Frage nach dem Horrorgemälde nicht beantwortet haben.

Zunächst einmal zur Frage von Herrn Wenzel. Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass die Landesregierung das Kultusministerium sowie das Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales beauftragt hat - damit habe auch ich selbst einen Auftrag erhalten -, Konzepte dafür zu erarbeiten, wie der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in einzelnen Klassen und Gruppen und an einzelnen Standorten gesenkt und begrenzt werden kann. Daran

sollen wir Schulträger, Jugendhilfeträger und auch Elternvertretungen wie z. B. den Landeselternrat beteiligen. Das ist die Auffassung der Landesregierung.

Zu den Horrorgemälden will ich Folgendes anmerken. Der Ministerpräsident hat keine Horrorgemälde an die Wand gemalt, sondern der Ministerpräsident hat eine Problematik aufgegriffen, die offensichtlich auch Sie sehr beschäftigt. Sonst würden wir hier ja nicht darüber diskutieren.

(Eppers [CDU]: Er hat doch einen präzisen Vorschlag gemacht! Finden Sie den gut oder nicht?)

Dann haben wir uns im Kabinett auf einen Auftrag geeinigt, den ich eben angesprochen habe. Das ist Auffassung der Landesregierung.

(Eppers [CDU]: Finden Sie seinen Vorschlag gut oder nicht?)

Diesen Auftrag werden wir erfüllen, und im Anschluss daran werden wir auch Ihnen gern darüber berichten.

(Fischer [CDU]: Augen zu und durch!)

- Ich habe keinen Anlass, hier irgendeine Bewertung abzugeben, sondern ich habe einen Auftrag. Ich habe es Ihnen eben noch einmal gesagt.

(Weitere Zurufe von der CDU)

- Ja, natürlich, ich sage auch die Meinung der Landesregierung. Das ist von der Verfassung her mein Auftrag. Diesem Auftrag komme ich an dieser Stelle nach. Genau das tue ich.

Ich sage noch einmal deutlich: Der Ministerpräsident hat eine wichtige Problematik aufgegriffen, die wir auch bearbeiten werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wenzel zu seiner zweiten Zusatzfrage! Danach Frau Janssen-Kucz ebenfalls zu ihrer zweiten Zusatzfrage.

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Ihr Konzept für die sprachliche Früherziehung im Kindergartenalter so gut ist, wie es in

Ihrer Broschüre beschrieben wird, frage ich Sie: Hat der Ministerpräsident kein Vertrauen in dieses Konzept? Hält er es deshalb für notwendig, mit weitergehenden Vorschlägen in die Landschaft zu preschen?

Diese Frage beantwortet Ministerin Dr. Trauernicht.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es gibt keinen Zweifel: Wir alle tun gut daran, den Bildungsauftrag des Kindergartens noch einmal zu überprüfen und offensiv voran zu treiben. Im Kern steht natürlich das Thema Sprachförderung und Spracherwerb insbesondere für Kinder aus ausländischen Familien, für Kinder aus Aus- und Übersiedlerfamilien, für Kinder mit Migrationshintergrund und auch für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten, da wir wissen, dass die Anregung des Erwerbs von Sprache auch hier nicht in dem Maße von den Eltern ausgeht, wie es erforderlich wäre, damit die Kinder beim Eintritt in die Schule gut Deutsch sprechen können.

Vor diesem Hintergrund haben wir als zuständiges Ministerium diese Thematik vor einem halben Jahr gemeinsam mit den Trägern von Kindergärten, mit den Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen sowie den kommunalen Spitzenverbänden erörtert und sind übereingekommen, dass wir verschiedene Maßnahmen auf den Weg bringen müssen. Zunächst einmal müssen wir dafür werben, dass alle Kinder den Kindergarten für drei Jahre besuchen. Aus diesem Grunde haben wir jetzt Faltblätter in vier verschiedenen Sprachen entwickelt, die wir auch über die Migrationsvereine breit streuen werden, um so dafür zu werben, dass alle Kinder den Kindergarten drei Jahre lang besuchen. Wir haben uns über die Ausbildung und die Weiterbildung der Erzieherinnen unterhalten und uns darauf verständigt, dass wir bei den und mit den Erzieherinnen eine Fortbildungsoffensive starten werden, um so in den Kindergärten das Thema „wie Kinder sprechen lernen“ in den Mittelpunkt der Aktivitäten zu rücken.

Ergänzend dazu haben wir die Broschüre „Wie Kinder sprechen lernen“ entwickelt, die ich noch heute in Ihre Fächer legen lasse.

(Frau Harms [GRÜNE]: Jetzt müssen Sie aber noch den Busfahrplan hoch halten, Frau Kollegin!)

Diese Broschüre gibt Auskunft darüber, wie die Entwicklung und Förderung von Sprache im Elementarbereich offensiver und besser vorangetrieben werden kann. Das alles sind Maßnahmen.

Darüber hinaus - darauf hat die Kollegin JürgensPieper schon hingewiesen - wollen wir in Kindergärten mit einem besonders hohen Anteil nicht nur an ausländischen Kindern, sondern auch an Kindern mit Migrationshintergrund und an Kindern mit besonderem Sprachförderungsbedarf zusätzliches Personal einsetzen, um die Kindergärten so in die Lage zu versetzen, zusammen mit den Eltern zum Thema Spracherwerb Kleingruppen zu bilden und Projektgruppenarbeit zu betreiben, um auf diese Weise die Sprachkompetenz der Kinder zu erhöhen. Das ist insgesamt der Ansatz, den wir zurzeit vorantreiben.

Darüber hinaus prüfen wir - das halte ich für mehr als legitim -, ob es Möglichkeiten gibt, in einzelnen Regionen den hohen Anteil ausländischer Kinder in den Kindergärten zu begrenzen - das ist ein sehr sensibles Thema -, weil wir im Bereich der Kindertagesbetreuung das Subsidiaritätsprinzip, das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern zu beachten haben. Uns liegt nichts ferner, als Ausländerkinder zu stigmatisieren, sondern wir haben ein klares Ziel vor Augen: Wie können wir die Kontexte so herstellen, dass der Spracherwerb der Kinder vereinfacht werden kann?

Diesen Prüfauftrag wollen wir gemeinsam mit den Regionen, die davon betroffen sind, durchführen. Betroffen ist auch die Region Hannover. Betroffen ist aber nicht ganz Niedersachsen, sondern wir gehen davon aus, dass es nur wenige Regionen sind.

Es gibt einzelne positive Beispiele, in denen Kindergärten mit einem sehr geringen Anteil an ausländischen Kindern selbst aktiv geworden sind, weil die Eltern wollten, dass auch Kinder mit ausländischem Hintergrund in diese Kindergärten hineinkommen, da sie davon ausgehen, dass das für den Entwicklungsprozess ihrer eigenen Kinder gut ist. Das sind aber Ausnahmen. Deshalb wird man sich diesem Thema mit großer Sensibilität widmen. Wenn es Wege gibt, ist es im Interesse der Sache und der Kinder, dass man diese zusätzlich beschreitet. Aber der Kern unserer Aktivitäten

ist die Förderung des Spracherwerbs und der Sprachkompetenz durch zusätzliche Kompetenzen der Erzieherinnen in den Kindergärten und durch zusätzliche Fachkräfte.

(Beifall bei der SPD)

Es folgt Frau Janssen-Kucz mit der zweiten Frage. Dann Herr Schirmbeck.

Frau Ministerin, wir haben verstanden, dass Sie einen Auftrag haben. Wir diskutieren seit über einem Jahr Anträge der Opposition zum Bildungsauftrag und zur Erziehung.

Können Sie fragen?

Ja, gleich.