Sie haben gesagt, die Baumaßnahmen in den verschiedenen Vollzugsanstalten müssten besser koordiniert werden. Herr Stratmann, als Vorsitzender des Unterausschusses für den Strafvollzug sind Sie immer darüber informiert gewesen, wo gebaut wird. Ich nenne als Beispiel nur einmal Celle I. Das ist eine Baumaßnahme, die sich ziemlich lange hinzieht. Sie selbst wissen, wie viel dort zu tun ist. Sie wissen auch, dass z. B. gleichzeitig die Sanierungsmaßnahmen in Hannover laufen. Ich habe von Ihnen im Unterausschuss nie gehört, dass Sie gesagt hätten, wir müssten erst das eine abschließen und sollten Hannover deshalb noch eineinhalb Jahre warten lassen. Ich glaube, wenn irgendjemand mit einem solchen Vorschlag gekommen wäre, wären Sie der Erste gewesen, der Protest angemeldet hätte, und dies im Übrigen auch zu Recht.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wirklich der Überzeugung gewesen wären, dass wir in den letzten zwölf Jahren noch mehr Plätze hätten schaffen müssen, als wir dies getan haben, dann frage ich Sie: Wo waren in den vergangenen zwölf Jahren eigentlich die Haushaltsanträge der CDU-Fraktion für zusätzliche Haftplätze? Ich habe keinen solchen Antrag gesehen. Das konnte ich auch nicht, denn es gab überhaupt keinen. Sie sollten aufhören, mit solchen Schuldzuweisungen zu hantieren.
Zu den 29 vorzeitig entlassenen Frauen hat der Herr Minister eben schon eine ganze Menge gesagt. Ich möchte doch das eine oder andere noch einmal betonen. Von diesen 29 Frauen war keine einzige wegen Mordes oder irgendwelcher Tötungsdelikte in Haft, sondern alle hatten relativ
kurzzeitige Strafen von drei bis dreizehn Monaten zu verbüßen. Es ging überwiegend um Diebstahl und Betrug. Die anderen zwölf Frauen, die zu diesen 29 gehörten, die nicht zu Haftstrafen verurteilt waren, sondern zu Geldstrafen, die sie nicht bezahlen konnten, weil sie zahlungsunfähig und weil sie arm waren, gehören auch zu denen, die vorzeitig entlassen worden sind.
Herr Stratmann, Sie regen sich jetzt so darüber auf. Wenn diese zwölf Frauen in der Lage gewesen wären, in einer anderen finanziellen Situation ihre Geldstrafen zu bezahlen, dann hätte die CDUFraktion nie von diesen zwölf Frauen gehört, sie hätte sie nie zur Kenntnis genommen, und Sie könnten das jetzt auch nicht künstlich zu einem Sicherheitsrisiko hochstilisieren. Sie versuchen, Unsicherheit und Angst bei der Bevölkerung zu erzeugen. Es ist ein ziemlich durchsichtiger polemischer, parteipolitischer Versuch, auf der einen Seite die Sozialdemokraten und auf der anderen Seite unseren Justizminister als Sicherheitsrisiko darzustellen. Das, Herr Stratmann, werden wir nicht zulassen.
Dass Sie das auch dann noch auf dem Rücken von 29 vorzeitig entlassenen Frauen versuchen, ist in meinen Augen schlicht und einfach unredlich, unehrlich und scheinheilig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verspreche, es kurz zu machen, zumal viel Wesentliches zu dem Antrag bereits vor mir gesagt worden ist.
In der Tat - der Herr Minister hat davon gesprochen -, wir hatten im April-Plenum gefordert, für verurteilte Frauen die vorzeitige Entlassung zu prüfen. Wohl kaum ist eine Forderung der Opposition so schnell erfüllt worden wie in diesem Fall. Obwohl ich Abgeordneter bin, habe ich doch noch so viel Realitätssinn, um zu wissen, dass dies wahrscheinlich weniger meiner Forderung geschuldet ist als vielmehr der realen Notlage in der Anstalt für Frauen und dass diese Maßnahme not
wendig ist, weil wir nicht mehr die Mindeststandards für eine menschenwürdige Unterbringung einhalten können, wie sie gerade auch vom Verfassungsgericht gefordert werden.
Es geht - auch davon ist gesprochen worden - um Frauen, die Diebstähle begangen haben, die mit kleinen Mengen Drogen erwischt worden sind. Die meisten von ihnen konnten eine Geldstrafe nicht bezahlen. Was macht die CDU aus dieser Gruppe, aus dieser Maßnahme, die so oder so ähnlich in der Vergangenheit auch von CDU-Ministern verantwortet wurde und in anderen Ländern von CDUMinistern verantwortet wird? - Ich darf Ihnen auszugsweise eine Pressemitteilung von Herrn Wulff verlesen. Da heißt es in seiner Erklärung vom 24. Mai:
„Die von Justizminister Pfeiffer verordnete vorzeitige Freilassung für Strafgefangene ist ein justizpolitischer Offenbarungseid. Es ist ein Armutszeugnis, wenn der Staat seinen Strafanspruch nicht mehr verwirklicht und Straftäter nach Hause schickt. Das ist ein Schlag ins Gesicht der durch Straftaten geschädigten Opfer oder der Polizeibeamten.“
Weiter heißt es, dies sei insgesamt ein verheerendes Signal. - Man muss sich das einmal vorstellen: Justizpolitischer Offenbarungseid, Armutszeugnis des Staates, Schlag ins Gesicht der Polizeibeamten, verheerendes Signal - alles das in einem Absatz für eine Handvoll von Frauen, die zwar auf kriminelle Abwege geraten sind, die aber keineswegs gefährlich sind, die jetzt eine Chance haben, in Freiheit ihr Leben neu zu ordnen und welche auch einfach nur mit ihren Kindern zusammen sein können.
Was ist eigentlich mit Ihnen los, Herr Kollege Stratmann? Ich kenne Sie ja als lebensbejahenden, angenehmen Menschen, der auch die positiven Seiten des Lebens schätzt. Woher kommt dieses exzessive Strafbedürfnis der CDU-Fraktion? Es vergeht mittlerweile kein Tagungsabschnitt, in dem die CDU nicht eine Forderung stellt, dass mehr Menschen in Haft müssen, und sagt, dass welche zu früh herauskommen. Es scheint ja in Ihren Augen geradezu eines der dringendsten Probleme dieses Landes zu sein, dass Menschen sozusagen in zu geringer Zahl in den Gefängnissen sind oder aber nach Ihrer Auffassung zu früh herauskommen.
Ich habe mittlerweile gelernt, dass Haft ein notwendiges Übel ist, manchmal geeignet, kriminelle Karrieren zu durchbrechen, manchmal aber auch negative Folgen hat und solche Karrieren verfestigt. Das nehmen wir hin. Das ist Teil unseres rechtsstaatlichen Strafsystems. Aber weshalb Ihre Begeisterung für das Einsperren? Ich werde daraus nicht schlau. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dazu noch ein paar Erläuterungen geben könnten.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Stratmann hat noch einmal um das Wort gebeten. Herr Kollege Stratmann, Sie haben noch genau eine Minute und 24 Sekunden Redezeit.
Frau Präsidentin, der Minister ist sehr persönlich geworden, indem er von mir eine Entschuldigung verlangt hat.
Erstens, Herr Minister, kann man so etwas nicht verlangen. Ich glaube, dass wir uns gut genug kennen. Das würde ich auch von mir aus tun.
Zweitens weise ich darauf hin, dass Sie von mir keine einzige öffentliche Erklärung werden finden können, in der ich Sie persönlich wegen dieser Sache in den von Ihnen genannten Zusammenhang gestellt habe. Ich habe gerade gegenüber der Öffentlichkeit das Thema noch nicht einmal erwähnt, weil ich weiß, dass es etwas ist, was uns im Innenverhältnis Landtag interessiert, was aber die Bevölkerung herzlich wenig angeht.
Wenn Sie eine öffentliche Erklärung von mir finden, in der dieser Zusammenhang deutlich wird, dann bitte ich, legen Sie mir die vor. Das werden Sie aber nicht können.
Auch in der Rede eben - die Kolleginnen und Kollegen werden sich alle daran erinnern - habe ich jedes Mal betont, dass ich Ihnen keine Absicht unterstelle, sondern dass diese Dinge unabsichtlich geschehen sind. Es ist mir wichtig, das zu sagen.
möglichen Rückfälligkeit von entlassenen Gefangenen und der Wahrscheinlichkeit einer solchen Rückfälligkeit hergestellt. Sie haben auf das Gutachten der CDU hingewiesen. Auch das ist richtig. Ich sage aber an dieser Stelle: Uns geht es nicht um die Frage der Rückfälligkeit, sondern es geht uns um die Frage des Sühnegesichtspunktes.
Es ging uns um die Frage: Wie wirkt dies auf potenzielle Opfer, die in der Zeitung lesen müssen, da kommt einer früher aus dem Knast, weil das Land nicht in der Lage ist, ausreichend Haftplätze zur Verfügung zu stellen?
Ich habe nie - nie! - so viele Reaktionen von Menschen erlebt wie in der Woche dieser Entscheidung - Verständnislosigkeit allenthalben! Deshalb musste das thematisiert werden.
Ich finde auch, Sie hätten das in der Diskussion, als es um den Frauenvollzug ging, noch einmal so sagen müssen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stratmann, geben Sie es doch zu: Mit Ihrem Antrag landen Sie in einer hausgemachten Sackgasse. Sie versperren sich die Fluchtwege, die zurück in eine seriöse Justiz- und Vollzugsdiskussion führen. Deshalb fände ich eine Entschuldigung beim Herrn Justizminister sehr wohl angebracht.
Wir, die SPD-Fraktion, sind der Kohl-Regierung außerordentlich dankbar, dass sie in ihrer 16jährigen Regierungszeit die gesetzliche Grundlage in Form von § 455 a StPO belassen hat. Sie sprachen vom letzten Mittel. Für uns sind 144 % Überbelegung in Vechta sehr wohl eine dramatische Situation, die solch eine Maßnahme rechtfertigt.
Der Unterschied zu den Ländern - Herr Minister hat es ausgeführt - Baden-Württemberg, Saarland und Hamburg besteht bloß darin, dass in diesen Ländern die Opposition verantwortungsvoller mit dem Thema umgeht und die Systeme eben nicht skandalisiert.
Das ist der entscheidende Unterschied. Deshalb bitten wir Sie, doch in Zukunft so zu verfahren. Man kann nicht nur mit Wasser, sondern auch mit anderen Zutaten kochen. Das Thema ist zu sensibel, um skandalisiert zu werden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor. Darum schließe ich die Beratung zu diesem Antrag. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.
Wenn Sie dem Vorschlag, den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit der federführenden Beratung und Berichterstattung zu beauftragen und den Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ sowie den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mitberaten zu lassen, zustimmen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann haben Sie so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 40: Erste Beratung: Benachteiligung des deutschen Güterverkehrsgewerbes gegenüber der europäischen Konkurrenz endlich beenden - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3454
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Benachteiligung des deutschen Güterverkehrsgewerbes gegenüber der europäischen Konkurrenz endlich beenden“ lautet die Überschrift
unseres Entschließungsantrages. Ich füge hinzu: und den Arbeitsplatzabbau deutscher Fernfahrer beenden. Das Verkehrsgewerbe in Niedersachsen hatte auch Sie, Frau Ministerin, zu einer Diskussion eingeladen, um den Ernst der Lage noch einmal deutlich zu machen. Leider konnten oder wollten Sie dieser Einladung nicht folgen. Für Sie waren Herr Axel Plaue und Herr Wolfgang Schultze anwesend, die zusammen mit Herrn Stefan Wenzel, Herrn Hirche und auch mit Christian Wulff diskutiert und sich ein deutliches Bild von der Wettbewerbssituation gemacht haben.