Protokoll der Sitzung vom 28.08.2002

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie sagen wissentlich die Unwahr- heit!)

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, dass wir auf Ihr Konzept geantwortet hätten, bevor es vorlag. Sie hatten in Ihrer Pressekonferenz angekündigt, dass Sie dieses Konzept ins Internet stellen würden. Auf Ihrer Seite war es jedoch nicht zu finden, wir mussten es uns von Boten aus Ihrer Staatskanzlei holen lassen. So viel zu Ihrer Zuarbeit. Wir haben aber auch erst geantwortet, als wir das Konzept durchgelesen haben.

Herr Ministerpräsident, es gibt zwei Steuerschätzungen im Jahr, eine im Mai und eine im November. Das war schon immer so. Deshalb muss es nicht richtig sein, aber es hat trotzdem seinen Sinn. Die November-Schätzung ist nämlich dafür da, dass zur Verabschiedung des Haushaltsplanes im Dezember die aktuellsten Zahlen zur Verfügung stehen und man diese noch einarbeiten kann. Die Mai-Steuerschätzung, die bereits durchgeführt wurde, ist dafür da, dass man den Haushaltsplan für das nächste Jahr aufstellen und sehen kann, ob ein Nachtragsplan erforderlich ist.

Dieser Nachtragshaushalt ist erforderlich, weil bereits die Mai-Steuerschätzung erbracht hat, dass wir 635 Millionen Euro weniger an Steuern einnehmen werden. Gestern haben Sie in Ihrer Pressekonferenz mitgeteilt, dass zum 30. Juni dieses Jahres, also zur Halbzeit, bereits 950 Millionen Euro Steuern fehlten. Das heißt, die Zahl von Herrn Golibrzuch, dass jeden Tag 5 Millionen Euro ausfallen, ist noch relativ müde berechnet. Wahrscheinlich ist es noch viel mehr. Darauf muss sich dieser Landtag, muss sich diese Landesregierung doch einstellen. Da können Sie nicht sagen, dass das nach der Wahl gemacht wird. Ehrliche Leute sagen das den Bürgern vor der Wahl. Entscheiden Sie sich, ob Sie zu den Ehrlichen zählen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Golibrzuch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ein solches Angebot zur Zusammenarbeit macht sich immer gut. Dann schreiben die Zeitungen am nächsten Tag: Alle hätten den Ernst der Lage erkannt und stünden zusammen. Selbst der Ministerpräsident lasse die Scharmützel beiseite. - Allerdings ist dieses Angebot nicht neu. Ich kann mich daran erinnern, dass wir schon 1998/99 - da waren Sie noch Fraktionsvorsitzender - zusammengesessen haben. Da haben Sie einen Wettbewerb der Ideen ausgelobt. Sie haben auch damals schon mit großer Geste gesagt: Lasst uns doch gemeinsam die finanziellen Probleme dieses Landes lösen. - Dann saßen wir da und haben Vorschläge gemacht. Wir haben gesagt: Es kann doch nicht wahr sein, dass es mit der Aufgabenkritik in diesem Lande nicht weitergeht, weil ein hervorragender Staatsmodernisierer, den wir ehedem hatten, in ein neues Amt gewechselt ist und sein Nachfolger keine Vorschläge macht. Wir haben gesagt: Wir müssen das Zinsmanagement anders angehen. Wir müssen in der Wirtschaftsförderung weg von den Mitnahmeeffekten. Es bringt nichts - der Rechnungshof hat es überprüft und nachgewiesen -, insbesondere an Großkonzerne, aber auch an kleine und mittelständische Unternehmen Geld zu verschenken, das im Zweifel zweckwidrig eingesetzt wird oder nicht gebraucht wird, weil die geförderten Arbeitsplätze ohnedies entstanden wären. Das alles ist unsinnig. Jetzt gibt es erste Ansätze dafür, dass man auch in der Wirtschaftsförderung streicht. Aber wie grotesk ist es angesichts der finanziellen Situation, in der sich das Land befindet, nochmals 40 Millionen Euro ausschließlich für Großkonzerne, nämlich für die Luftfahrtindustrie, auszuloben?

Wir haben also zusammengesessen, haben Vorschläge gemacht und sie kritisch diskutiert. Wir haben auch nicht erwartet, dass Sie alles übernehmen. Wir haben aber festgestellt, dass Sie praktisch nichts übernommen haben. Wir haben hier Jahr für Jahr oder, wenn es sich um Doppelhaushalte gehandelt hat, alle zwei Jahre Vorschläge gemacht, die immer auch eine geringere Nettokreditaufnahme des Landes vorgesehen haben. Wir haben immer geringere Haushaltsvolumina beantragt, und Sie haben in schöner Regelmäßigkeit alle diese Vorschläge abgelehnt.

Es ist richtig, wenn der Kollege Möhrmann auf das IW-Gutachten von 1999 verweist. Was aber hat das IW damals berechnet? Das IW hat z. B. ge

fragt: Wie viele Ausgaben kann sich ein Land - es sind alle 16 Bundesländer betrachtet worden leisten? Wie viel Geld fließt in Lehrer, wie viel Geld fließt in Infrastruktur, und wie viel Geld fließt in die innere Sicherheit? Es hat dann hochgerechnet, wie viel Geld pro Kopf der Bevölkerung zur Verfügung steht. Da hat Niedersachsen ausgesprochen niedrige Werte erreicht. Das heißt, dieses Bundesland war u. a. deswegen an zweiter Stelle dieses Rankings - es gab noch andere Kriterien -, weil es besonders wenig Geld zur Finanzierung der - um einmal den wichtigsten Punkt zu nennen Unterrichtsversorgung in den Schulen aufwenden konnte. Da man hier besonders schwach auf der Brust ist, da man hier seit vielen Jahren eine öffentliche Armut und eine strukturelle Unterdeckung des Etats hat, war man bei einem Gutachten mit solchen Kriterien vorne.

Das gleiche Institut hat vor wenigen Monaten ein neues Gutachten vorgelegt, in dem ein so genanntes Wohlstandsranking der Bundesländer vorgenommen worden ist. Dabei ist genau das gefragt worden, nämlich: Wie ist es um die weichen Standortfaktoren bestellt? Wie wird die Bildung finanziert? Was ist mit der inneren Sicherheit? Wie wird die Wirtschaft gefördert? Da ist festgestellt worden, dass Niedersachsen unter den westdeutschen Bundesländern knapp vor Bremen und bereits hinter dem Saarland an vorletzter Stelle liegt das alles nach mehrjährigen Beratungen und nach mehrjährigen Diskussionen auch hier im Landtag. Deshalb, Herr Ministerpräsident, muss ich - so schön eine solche Geste auch ist, und so treuherzig Ihr Augenaufschlag auch sein mag - sagen: Die Botschaft hören wir wohl, allein uns fehlt der Glaube. Sie müssen den Nachweis führen, dass das Angebot, das Sie hier gemacht haben, tatsächlich ernst gemeint ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Möhrmann hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Möllring hat sich erneut mit der Vergangenheit beschäftigt. Das hat mich nicht ruhen lassen, noch einmal zu gucken, wie es denn mit der Kommission war, Herr Möllring. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was am 27. Mai 1988 die Kom

mentatoren in hannoverschen Zeitungen geschrieben haben. Da heißt es: „ Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen.“ - In einem anderen Kommentar des angesprochenen Herrn Sattler heißt es:

„Die Finanzexperten der beiden niedersächsischen Koalitionsfraktionen, die der Regierung von Ministerpräsident Albrecht und dem Landesetat auf die Beine helfen möchten, sind an ihre Grenzen gestoßen. Jetzt sind sie gerade mal noch auf 30 Millionen DM gekommen, die sich durch Einsparungen von 400 überflüssigen Personalstellen erwirtschaften lassen.“

30 Millionen!

(Plaue [SPD]: Gewaltig!)

Vergangenheitsbewältigung freut uns sehr, Herr Möllring. Ich möchte Ihnen noch einen Bericht aus einer hannoverschen Zeitung vom 24. November 1996 vorlesen, weil Sie auch die Frage der Schulden angesprochen haben. Die Überschrift lautet „Wer ist Schuldenkönig im Land Niedersachsen?“, und es heißt dort:

„Die Statistik lokalisiert den schnellsten Ritt in die roten Zahlen ab Mitte der 70er bis Ende der 80er Jahre. Zwischen 1976 und 1990, als Ernst Albrecht das Land mit unwiderstehlichem Lächeln regierte, freuten sich vor allen Dingen Niedersachsens Banken. Niedersachsens Schulden stiegen nahezu um das Vierfache von 10,4 auf 37,6 Milliarden DM. Dafür“

- jetzt kommt es

„gebührt dem Christdemokraten Albrecht die Krone rein rechnerisch; denn in den sechs Jahren seit Amtsübernahme“

- das war 1996

„hat Sozialdemokrat Schröder die Schuldensumme gerade einmal um die Hälfte vergrößert.“

Dann entsteht dort - das zitiere ich jetzt nur sinngemäß -: Selbst wenn man auf 70 Milliarden DM käme, wäre das von Schröder nicht einmal verdoppelt worden. Daher meine ich, dass Sie kein Recht haben, auf Ihre Leistungen in der Finanzpolitik des

Landes Niedersachsen in Ihrer Regierungszeit zu verweisen, ebenso wenig wie in Berlin und Bonn.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit können wir die Aktuelle Stunde für heute beenden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3: 45. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/3580 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3627 - Änderungsanträge der Fraktion der CDU - Drs. 14/3629 und Drs. 14/3638

Vereinbarungsgemäß werden wir heute nur über die unstrittigen Eingaben abstimmen. Die Eingaben, zu denen Änderungsanträge vorliegen, werden am Freitag behandelt. - Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Wer den Empfehlungen zu den unstrittigen Eingaben folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist bei einer Gegenstimme so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften betreffend den kommunalen Finanzausgleich - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 14/3400 neu - Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung - Drs. 14/3573

Der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 14/3400 neu wurde zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für innere Verwaltung direkt überwiesen.

Berichterstatter ist Herr Kollege Coenen, dem ich das Wort erteile.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe den Bericht zu Protokoll.

(Zustimmung)

(Zu Protokoll:)

In der Drucksache 3573 empfiehlt Ihnen der federführende Ausschuss für innere Verwaltung mit den Stimmen der Ausschussmitglieder der SPDFraktion, dem Regierungsentwurf mit einer Änderung zuzustimmen. Die Ausschussmitglieder der CDU-Fraktion und der Fraktion der Grünen haben dagegen gestimmt; in den mitberatenden Ausschüssen ist genauso abgestimmt worden.

Mit dem Gesetzentwurf sollen im kommunalen Finanzausgleich Änderungen vorgenommen werden, die überwiegend auf zwei Urteilen des Staatsgerichtshofs und einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beruhen. Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 23. Oktober 2001 zum Volksbegehren betreffend das Kindertagesstättengesetz wurde dieses Gesetz bereits Ende vorigen Jahres im Sinne des Volksbegehrens geändert. Die Förderung von Kindertagesstätten erfolgt danach seit dem 1. August dieses Jahres wieder außerhalb des Finanzausgleichs durch Finanzhilfen. Die entsprechenden Mittel sollen daher - wie bereits damals angekündigt - der Zuweisungsmasse des Finanzausgleichs entnommen werden. Außerdem hatte der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 die Behandlung der Stadt Göttingen im Finanzausgleich beanstandet. Deshalb soll nun die Stadt Göttingen in Zukunft an den Schlüsselzuweisungen für Kreisaufgaben des Landkreises Göttingen beteiligt werden. Der Entwurf bezweckt außerdem eine Begrenzung der Beteiligung der niedersächsischen Kommunen an den gerichtlich festgestellten Verpflichtungen des Landes zur Rückzahlung von Förderzinsen. An dieser Belastung von zunächst mehr als einer Milliarde Euro sollen die Kommunen nur mit 23 Millionen Euro beteiligt werden. Schließlich werden noch die Zuweisungen für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erhöht, weil im Bereich des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelkontrolle Aufgaben auf die Landkreise und kreisfreien Städte verlagert wurden.

In der Ausschussberatung wiesen die Vertreter der CDU-Fraktion zunächst auf die Finanzlage der Landkreise, Städte und Gemeinden und auf die ungünstigen Ergebnisse der jüngsten Steuerschät

zung hin. Vor diesem Hintergrund erschienen den Ausschussvertretern der CDU-Fraktion und der Fraktion der Grünen die mit dem Entwurf vorgesehenen Mehrbelastungen der Kommunen sämtlich nicht vertretbar. Dem hielten Vertreter der SPDFraktion entgegen, dass die kommunale Finanzsituation sicherlich überprüft werden müsse. Dies müsse aber nicht aus Anlass des vorliegenden Entwurfs geschehen, der sich im Wesentlichen darauf beschränke, durch die Rechtsprechung aufgeworfene Fragen zu regeln, und im Übrigen die kommunale Finanzsituation nicht erheblich beeinflusse.

Nach Durchführung der Mitberatungen nahm der federführende Innenausschuss noch eine Unterrichtung der Landesregierung über die Auswirkungen der neuesten Steuerschätzung auf die niedersächsischen Kommunen entgegen und hörte auch noch die kommunalen Spitzenverbände an. Im ersten Beratungsdurchgang hatte die Ausschussmehrheit eine solche Anhörung abgelehnt, um den Kommunen rasch Gewissheit über die Haushaltsgrundlagen für das laufende Jahr zu verschaffen; dabei war auch auf die von der Landesregierung bereits durchgeführte Anhörung der kommunalen Spitzenverbände hingewiesen worden.

Kontrovers erörtert wurde auch, ob die beabsichtigte Höhe der für die Kindertagesstätten aus dem Finanzausgleich zu entnehmenden Mittel und die Beteiligung der Kommunen in Höhe von 23 Millionen Euro an den Förderzinsrückzahlungen angemessen seien. Die Ausschussmitglieder der CDU-Fraktion bezweifelten dies auch mit dem Hinweis darauf, dass die Kommunen an den früher erzielten Förderzinseinnahmen nicht beteiligt gewesen seien, während die Ausschussmehrheit unter Hinweis auf ein wissenschaftliches Gutachten entgegnete, dass Land und Kommunen hinsichtlich der Finanzlage eine Schicksalsgemeinschaft bildeten.

Ein Ausschussmitglied der Fraktion der Grünen erblickte in der Kostenausgleichsregelung für die den Kommunen übertragenen Aufgaben des Verbraucherschutzes einen Hinweis darauf, dass die Landesregierung diesen Aufgaben einen zu geringen Stellenwert zuerkenne.

Die einzige Ihnen vorliegende Änderung - zu Artikel 1 des Gesetzentwurfs - beruht auf einer Empfehlung des mitberatenden Ausschusses für Haushalt und Finanzen und dort auf einem Änderungs

antrag der Ausschussmitglieder der SPD-Fraktion. Die vorgeschlagene Regelung in § 5 des Finanzverteilungsgesetzes sieht Leistungen an die kommunalen Schulträger vor, mit denen die laufende Betreuung von IuK-Anlagen der Schulen sichergestellt werden soll. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Regelung Teil einer mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Gesamtlösung sei und dass das Land davon ausgehe, dass die Schulträger Beträge in gleicher Höhe bereitstellen würden.

Zwei Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände, die Verteilung von Bedarfszuweisungen gesetzlich näher zu regeln und eine nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände systemwidrige Teilregelung in der Bestimmung über die Kreisumlage zu ändern, wurden erörtert, aber nicht aufgegriffen. Die Ausschussmitglieder der CDU-Fraktion äußerten zum letzteren Punkt Unverständnis darüber, dass die Ausschussmehrheit dem einhelligen Vorschlag aller drei Spitzenverbände nicht nachkommen wolle. Hinsichtlich der Bedarfszuweisungen bestand hingegen nach einer Darlegung der jetzigen Praxis durch die Landesregierung Einigkeit darüber, im jetzigen Gesetzgebungsverfahren keine Änderungen vorzuschlagen.

Abschließend bitte ich Sie namens des Ausschusses für innere Verwaltung, der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung zuzustimmen.