Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die Landesregierung nicht dem Hausrecht des Präsidiums untersteht. Ich möchte aber auch die Landesregierung bitten, uns allen den Gefallen zu tun, ein gewisses sprachliches Niveau der Auseinandersetzung nicht zu unterschreiten.
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. - Der Kollege Wulff hat um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident darf hier jederzeit reden. Er darf - im Gegensatz zu uns - auch so lange reden, wie er will.
Ich meine, dass jemand, der sich so aufbläst, wie sich Herr Gabriel aufbläst, auch damit leben muss, dass man fragt, wie viel heiße Luft dabei ist.
Im Januar 2000 und im Januar 2002 lautete die Überschrift der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über den Neujahrsauftritt des Ministerpräsidenten jeweils: Wir wollen die Vorreiter bei Kombilohn sein in Deutschland.
Wenn heute feststeht, dass nach dem Mainzer Modell, das eben so gepriesen wurde - vorher gab es viel bessere Modelle; dass das das schlechteste ist, sieht man an den Zahlen -, in Niedersachsen 228 Menschen in Arbeit vermittelt wurden und man damit um 14 Menschen – und das bei 8 Millionen in Niedersachsen - über dem Bundesdurchschnitt liegt, dann ist das eine so dürftige und erbärmliche Vorreiterrolle, dass ich meine, Sie sollten von sich aus sagen: Wir haben versagt. Wir haben es nicht gepackt. Wir haben es nicht bewältigt.
Es ist die Behauptung aufgestellt worden, wir hätten die Hartz-Kommission in Bausch und Bogen verdammt. Das ist natürlich unwahr; denn wir haben die Hartz-Vorschläge zu Beginn gelobt, und Lothar Späth hat sie zu Recht als „revolutionär“ bezeichnet.
Da gab es den Vorschlag, die Zahlung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer von 36 auf 12 Monate zu verkürzen; dies vor dem Hintergrund der Äußerung von Gerhard Schröder, es gebe kein Recht auf Faulheit. Das ist ja die Diffamierung dieser Menschen, die keine Arbeit finden.
Ich kann dazu nur sagen: Das ist mit uns nicht zu machen; denn das Arbeitslosengeld setzt sich aus Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammen. Über diese Beiträge der Menschen hat die Politik nicht einfach zu verfügen, wie Sie als SPD das mit fremder Leute Geld ständig tun. Das machen wir nicht mit.
Wie revolutionär der Vorschlag von Hartz zu den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen war, hat Ihr Klassenkämpfer Schwarz eben wieder deutlich gemacht. Er hat gerade das alte 630-DM-System gebrandmarkt und gesagt, das sei unsozial gewesen, man habe die Frauen aus diesen Verhältnissen herausgeführt, obwohl nur 5,2 % aller heute Betroffenen nach der 325-Euro-Regelung die sozialen Sicherungsrechte aufgestockt und in Anspruch genommen haben. Die anderen haben daran kein vorrangiges Interesse, sondern wollen als fleißige Menschen in diesem Land ihr Familieneinkommen aufbessern. Denen haben Sie diese Chance genommen.
Hartz hat gesagt: Nicht zurück zur 325-Euro- oder zur 630-DM-Regelung, sondern Neueinführung dieser alten Beschäftigungsverhältnisse mit Pauschalbesteuerung von 20 % bis 500 Euro. Das war zu Recht revolutionär.
Was aber ist in den Monaten nach dieser ersten Stellungnahme daraus geworden? - Daraus ist geworden, dieses Fenster nur für den Bereich haushaltsnahe Dienstleistungen zu schaffen und andere Bereiche, die darauf angewiesen sind - wie das Handwerk, die Gastronomie, den Fremdenverkehr und andere Bereiche, in denen das heute bar auf Tatze läuft, in denen es Schwarzarbeit gibt -, weiter außen vor zu lassen. Das ist Hartz heute im Vergleich zu Hartz früher.
Wir haben bei Hartz 1 gehört: eine Million Beschäftigungsverhältnisse über den Jobfloater. Für den Jobfloater sollten 150 Milliarden Euro eingesetzt werden. Das sind - das muss man hier und da wieder einmal sagen - 150 Tausend Millionen Euro. Die wenigsten haben eine Vorstellung davon, was eine Milliarde ist, weil die meisten darüber persönlich nicht verfügen. Deswegen muss man darauf manchmal hinweisen.
Jetzt will er aber eine Million Jobs mit 20 Milliarden Euro schaffen. Er hat sozusagen nur einen Teilbetrag, will aber die gleiche Zahl von Jobs schaffen. Wir haben darauf hingewiesen, dass es das Modell der KfW längst gibt, dass es aber nicht eingeschlagen ist, weil die Ursachen der Probleme - wie selbst die Gewerkschaften gesagt haben; ich habe es zitiert - offensichtlich andere sind.
Sie, Herr Gabriel, haben mit Ihrer Stimme im Bundesrat der Abschaffung der 630-DM-Regelung zugestimmt. Ohne Sie hätte das keine Mehrheit gefunden. Das ist großer Unsinn gewesen. Hartz sagt ja, dass es großer Unsinn war. Sie haben der Verschärfung der Zeitarbeit und des Synchronisationsverbots zugestimmt. Sie haben es auf zwölf Monate zurückgeschraubt. Wir wollen 36 Monate. Das haben Sie verhindert. Damit haben Sie mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat Unsinn gemacht. Sie haben durch das Scheinselbständigengesetz die Selbständigkeit erschwert. Ohne die sechs Stimmen Niedersachsens wäre das nie auf den Weg gekommen. Sie haben die Politik, die Hartz heute angreift, zu verantworten. Wir sind auf der Seite von Hartz.
Was Ihre Darstellung von Hartz angeht - „endlich haben wir einen Unabhängigen, der uns berät“ -, so muss ich sagen: Herr Hartz hat unter dem Titel „Wir für Schröder“ zu einem festlichen sommerlichen Dinner in der zauberhaften Kulisse der Herrenhäuser Gärten in Hannover eingeladen:
„Am 9. August 2002 erwarten wir Sie und Ihre Begleitung zum Aperitif vor dem Galeriegebäude. Peter Hartz, Vorstand der Volkswagen AG, erläutert, warum es für die deutsche Wirtschaft gut ist, wenn der Kanzler weiter in seinem Amt bleibt.“
Der Eintritt betrug 1 000 Euro und für die Begleitperson - man konnte mehrere Frauen oder Männer mitbringen - 221 Euro. Das sind also 2 500 DM für ein Ehepaar, um bei Ihnen dabei sein zu dürfen. Wie weit sind Sie eigentlich von den Einkommensmöglichkeiten der Deutschen weg?
Sie trinken oben Champagner und lassen ein solches Dinner das Zehnfache dessen kosten, was die kleinen Leute dazu verdienen wollten.
Jetzt kommt es. Der letzte Satz ist auch noch zu zitieren, weil Sie ihn noch nicht kennen. Gerhard Schröder hat ja am 9. August auch ein Redethema gehabt.
- Frau Harms, es ist schwerer, in Berlin in der Regierungsverantwortung als in der Opposition zu sein.
Ich meine, die Strategie hat er gerade aufgegeben. Sie haben gerade einen Brief von Gerhard Schröder mit drei Erfolgsankündigungen der Regierung in einer Druckerei in Niedersachsen. Eine davon ist, dass die Steuern zum 1. Januar gesenkt würden. Sie können die 4 Millionen Exemplare wieder einstampfen, weil nicht einmal das wahr ist, was Sie dort an Ankündigungen verkauft haben.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Gabriel - das sage ich in aller Ernsthaftigkeit -, dass Sie gesagt haben, bezüglich der Ankündigung mit den 3 x unter 40 würde man an dem gemessen, was man angekündigt habe. „Wir werden Sie daran messen“, haben Sie gesagt, Herr Gabriel.
- Es kommt nicht zustande, sagen Sie, Herr Aller. Ich möchte gerne auf Folgendes hinweisen: In Ihrem Koalitionsvertrag in Berlin, Frau Harms, steht: Wir wollen im Laufe dieser Legislaturperiode bis 2002 die Sozialabgabenquote auf unter 40 % bringen. - Diese liegt bei 41,6 %.
Wenn ich meiner Tochter bestimmte Sachen zu Weihnachten verspreche, dann kann ich bei Nichteinhaltung des Versprechens auch nicht sagen, dass sie schon zu Ostern ein paar Eier bekommen hat. Versprechen, die gegeben werden, müssen auch eingehalten werden!