Protokoll der Sitzung vom 24.09.2002

Wichtig sind - auch darauf ist hier schon hingewiesen worden - regelmäßige Schulungen, die von der ländlichen Erwachsenenbildung bereits angeboten werden. Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, dass Sie fragen, wer die Schulungen durchführt. Ein qualifiziertes Weiterbildungsangebot wird bereits vorgehalten.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

Genauso unabdingbar wie die Anlagensicherheit sind aber auch Regelungen für die Einsatzstoffe bei Biogasanlagen sowie für die Verwertung von Gärsubstraten aus diesen Anlagen. Im Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium haben wir deshalb klare Kriterien zur Abgrenzung von Abfall- und Düngemittelrecht bei Einsatzstoffen und Gärsubstraten aus Biogasanlagen festgelegt und per Erlass in Niedersachsen eingeführt. Wir brauchen eine bundeseinheitliche Liste, die festlegt, welche organischen Abfälle für eine Behandlung in biologischen Vergärungsanlagen geeignet sind. Wir wollen nämlich keinen Skandal, wie er im bayerischen Neuendettelsau in den letzten Monaten passiert ist und bundesweit für öffentliche Aufregung gesorgt hat.

Die einzige offene Frage, die ich noch beantworten möchte, ist die nach den baurechtlichen Anforderungen, also die Frage der Privilegierung im Außenbereich. Auch hier sind wir gerade dabei, zusammen mit dem Innenministerium Klarheit herbeizuführen. Herrn Klein ist zuzustimmen. Wir dürfen nicht in eine Situation kommen, dass dort alles gemacht wird. Das muss gesteuert werden. Deshalb wird man sich eher über die Ausweisung von Sondergebieten als über eine vollständige Öffnung bis hin zur Freigabe für den gesamten Außenbereich verständigen können.

Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass dem Thema Bioenergie und Biogasanlagen in Niedersachsen eine große Zukunft bevorsteht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, mir liegen weitere Wortmeldungen zu diesen beiden Anträgen nicht vor. Ich schließe daher die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Drucksache 3669 zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2664 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Das Erste war die Mehrheit.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Drucksache 3669 zustimmen möchte und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2935 für erledigt erklären möchte, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest: Auch hier war das Erste die Mehrheit.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12: Zweite Beratung: a) Verstärkte Förderung freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit statt soziales Pflichtjahr - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3294 - b) Zwangsdienst für Frauen - ein Schritt in die falsche Richtung - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3315 neu Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend und Sport - Drs. 14/3672

Die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 3294 und der Fraktion der CDU in der Drucksache 3315 neu wurden am 25. April 2002 an den Ausschuss für Jugend und Sport zur federführenden Beratung und Berichterstattung überwiesen. - Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Mir liegt eine Wortmeldung von Frau Kollegin Vogelsang vor. Ich erteile ihr das Wort. Bitte schön, Frau Vogelsang!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute zum x-ten Mal über das Ehrenamt, obwohl das Jahr des Ehrenamtes längst vorbei ist. Wir haben in diesem Haus aber nie Zweifel daran gehabt, wie wichtig diese freiwillige ehrenamtliche Arbeit auf allen Gebieten, auf denen sie geleistet wird - ob im Sozialbereich, im Bereich der Ökologie oder im Bereich des Sportes - ist. An dieser Stelle möchte ich all denjenigen, die freiwillig in diesen Bereichen tätig sind, meine höchste Anerkennung aussprechen.

Den Erfolg dieser Tätigkeit macht die Freiwilligkeit aus. Deswegen stehen wir für ein Freiwilliges Soziales Jahr, für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr oder für ein Freiwilliges Kulturpolitisches Jahr, sei es im Bereich Kulturpolitik oder im Bereich des Sportes. Über diese Grundsatzfrage müssen wir nicht mehr lange diskutieren. Ich möchte aber in Erinnerung rufen, wie wir zur Diskussion dieser Tagesordnungspunkte gekommen sind.

Vorausgegangen waren - Sie werden sich daran erinnern - die vielfachen Aussagen von Herrn Minister Bartling - ob in der HAZ, ob in der Diepholzer Kreiszeitung, in der Hannoverschen Neuen Presse, in der DHZ oder der Welt -, der sich ganz klar für ein Pflichtjahr für Jungen und Mädchen ausgesprochen hat. Er hat sich davon auch nicht distanziert. Er hat lediglich hier in der Diskussion

gesagt, es wäre seine Meinung als Privatmann, die er äußern können müsse. Letztlich war der Bericht in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung ausschlaggebend, dem der Bericht in der Bild-Zeitung über die Aussage unseres Ministerpräsidenten vorausgegangen war, auch er wolle ein soziales Pflichtjahr für alle. Er hat in der damaligen Diskussion versucht deutlich zu machen, wie er das gemeint hätte, was die Bild-Zeitung schrieb. Aber ausweislich des Textes, den Vizepräsident Gansäuer vorgelegt hatte, hat er sehr wohl gefordert, ein soziales Pflichtjahr für alle einzuführen.

Die Sozialdemokraten hatten vor, sich die Sache im Ausschuss einfach zu machen. Sie wollten beide Anträge ablehnen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sie bekamen allerdings kalte Füße, nachdem der Beschluss schon gefasst war. Sie wollten wohl doch nicht deutlich machen, dass sie die Passage aus dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, den Anspruch jedes Jugendlichen auf einen sozialen Dienst einzulösen.“

nicht mittragen wollten. Ebenso wenig wollten sie den Passus aus dem Antrag der CDU-Fraktion mittragen, in dem der Landtag aufgefordert wird,

„alle Anstrengungen zu unterlassen, einen Zwangsdienst für Frauen einzuführen.“

Man hat sich also hingesetzt - wohl auch unter dem Druck der Frauen in der Sozialdemokratie - und eine neue Beschlussempfehlung vorgelegt. Für diese habe ich wenig Verständnis. Im ersten Drittel wird eine Selbstbeweihräucherung vorgenommen, die wir gerade in Wahlkampfzeiten immer wieder erleben. Es wird sich selbst auf die Schulter geklopft, wie toll man ist. Im zweiten Drittel gibt es den Auftrag, zu prüfen, wie man noch etwas verändern kann. Im dritten Drittel - da frage ich die frauenpolitische Sprecherin, wie lange sich die Frauen in der SPD-Fraktion das noch gefallen lassen wollen - wollen sie mit beschließen:

„Bei Beibehaltung der Wehrpflicht sieht der Landtag weiterhin keine Notwendigkeit der Einführung eines sozialen Pflichtjahres.“

Ist das die Aussage des Landtages für ein halbes Jahr, für ein Dreivierteljahr oder für länger? - Wir wollen die Aussage zu einem generellen Verzicht, weil wir wissen, dass Frauen um der Erziehung oder Pflegetätigkeiten willen erhebliche Einschnitte in ihrer Lebensbiographie hinnehmen. Wir wissen, dass sie durch die Leistung, die sie für die Gesellschaft erbringen, schon so stark beansprucht werden, dass sie nicht noch von oben ein soziales Pflichtjahr verordnet bekommen müssen. Daher sprechen wir uns gegen diesen Antrag aus und lehnen ihn ab.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Hemme, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Millionen von Menschen – egal, welchen Alters - sind in diesem Lande tagtäglich ehrenamtlich tätig. Das haben wir, wie Frau Vogelsang schon ausgeführt hat, in diesem Hause ausführlich beraten und debattiert. Auch das Thema dieses Tagesordnungspunktes ist bei verschiedenen Gelegenheiten ausführlich debattiert worden. Ich erinnere an den 12. Dezember 2001, als wir den umfassenden Antrag „Verstärkte Förderung von freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit“ beraten und verabschiedet haben. Dazu liegt inzwischen eine ausführliche Stellungnahme der Landesregierung vor. Auch wenn Frau Vogelsang es uns vorwirft, bekräftigen wir noch einmal ausdrücklich den Inhalt, den wir beschlossen haben. Wir stehen selbstverständlich weiterhin dazu. Von daher gibt es gar keinen Anlass, diese Themen noch einmal aufzugreifen.

Beide Fraktionen haben in ihren Anträgen nun das Thema der freiwilligen Jahre aufgegriffen.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Des sozia- len Pflichtjahres!)

- Lass‘ mich doch erst einmal ausreden. Du kennst deinen eigenen Antrag nicht; darin sind die freiwilligen Jahre auch enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um die Erhöhung der Zahl der Plätze für die freiwilligen Jahre. Aber warum? Wie sieht denn die Wirklichkeit aus? - Wir haben ca. 1 000 Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr. Davon waren in den Jahren 2000/2001 ca. 650 Plätze besetzt.

In den Jahren 2001/2002 sind 753 Plätze besetzt, davon 699 von jungen, gut ausgebildeten Frauen. Dem Gerücht, dass es helfen könnte, schulische Benachteiligung auszugleichen, müssen wir ganz entschieden entgegentreten. Es sind in der Mehrheit junge Frauen, die mindestens den Realschulabschluss, in der Regel sogar Abitur oder Fachhochschulreife haben.

Es gibt das Freiwillige Ökologische Jahr. Es wurde von Niedersachsen als erstem Bundesland 1987 eingeführt. Inzwischen ist die Zahl der Plätze auf 140 gestiegen. 30 % der Stelleninhaberinnen kommen aus anderen Bundesländern. Früher war dieser Prozentsatz noch höher, aber inzwischen haben auch andere Länder das Freiwillige Ökologische Jahr eingeführt. Wir haben für das freiwillige Jahr im kulturellen Bereich ein Modellprojekt für drei Jahre auf den Weg gebracht. Wir müssen die Erfahrungen und Auswertungen nach diesen drei Jahren abwarten, um zu sehen, unter welchen Voraussetzungen das freiwillige Jahr fortgesetzt werden kann. Es gibt außerdem noch den europäischen Freiwilligendienst, für den sich die Anzahl der Bewerbungen jährlich erhöht. Dafür besteht eine große Akzeptanz.

Sie sehen, meine Damen und Herren, im Bereich der freiwilligen Jahre ist Niedersachsen auf einem guten Weg. Wozu brauchen wir dann diesen Antrag? - Es war jedoch etwas ganz anderes damit bezweckt; das hat die Kollegin Frau Vogelsang eben deutlich gemacht. Es sollte noch einmal jemand abgewatscht werden, der in diesem Hause seine Position klar gemacht hat. Der Ministerpräsident hat am 23. April 2002 unter der Überschrift „Freiwillige vor - gesellschaftliches Engagement fördern statt erzwingen“ seine Position deutlich gemacht. Er hat in der Diskussion, in der es um Freiwilligkeit und Dienste für dieses Land ging, klar und deutlich der These widersprochen, er habe in der Presse das soziale Pflichtjahr für Frauen gefordert. Lesen Sie es bitte nach. Dank des Stenografischen Dienstes haben wir wörtliche Protokolle. Vielleicht glauben Sie es dann.

Wir gestatten auch unserem Innenminister seine private Meinung. Dass wir nicht seiner Meinung sind, hat er schmerzlich erfahren.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN)

Wir sind ein Stück weit großzügig, aber er hat in heftigen Diskussionen erfahren, was es heißt, sich gegen die Frauen dieser Fraktion zu stellen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN)

Alles in allem kann ich nur sagen, meine Damen und Herren: Falsche Behauptungen werden nicht dadurch wahrer, dass man sie ständig wiederholt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt spricht Frau Kollegin Pothmer zu ihrem Antrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte schon den Eindruck, dass die Drohung von Marie-Luise Hemme wirkt und der Innenminister vorsichtshalber den Raum verlässt. Aber das scheint nicht der Fall zu sein.

Frau Hemme, nichts für ungut. Natürlich ist die Debatte durch die Äußerungen des Innenministers auf der einen Seite und des Ministerpräsidenten auf der anderen Seite entstanden, die zu Irritationen nun wirklich erheblich Anlass gegeben haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Hier jetzt so zu tun, als hätte der Innenminister nur seine private Meinung dazu gesagt, dazu kann ich Ihnen nur sagen: Ich habe engagierte Debatten mit ihm geführt, in denen er als Innenminister sehr stark für das soziale Pflichtjahr geworben hat. Wir sollten ein wenig anerkennen, dass Regierungsmitglieder natürlich in ihrer Rolle an die Öffentlichkeit treten und Meinungen kundtun.

Wir werden dem geänderten Entschließungsantrag nicht zustimmen können, weil in ihm noch einmal sehr deutlich wird, welche Rolle Sie dem freiwilligen Engagement in Niedersachsen zuweisen. Sie sagen ausdrücklich: Kein soziales Pflichtjahr, solange es den Wehrdienst und den Zivildienst gibt. Das heißt, solange die gesellschaftlich notwendigen Aufgaben durch Zivildienstleistende erfüllt werden, brauchen wir die Freiwilligen nicht. Das ist gerade nicht unser Verständnis von freiwilligem Engagement. Wir wollen gerade nicht, dass das freiwillige Engagement als Lückenbüßer für sozialstaatliche Leistungen auftritt, die abgebaut werden. Wir sehen in dem freiwilligen Engagement in erster Linie eine Möglichkeit der demokratischen Beteiligung. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger nicht nur Steuer- und Beitragszahlerinnen

und -zahler sind, sondern dass sie sich in der Gesellschaft engagieren und damit am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dieses zu organisieren, ist aus unserer Sicht eine zentrale Aufgabe der Landesregierung.

Es geht schon heute und natürlich auch zukünftig um eine vernünftige Balance in der Aufgabenteilung zwischen Staat und Gesellschaft. Aber wenn wir dieses Engagement ausnutzen, weil immer weiter staatliche Leistungen abgebaut werden, dann werden wir der Idee nicht gerecht. Wir müssen das freiwillige Engagement als Ergänzung zur professionellen Leistung aufbauen. Das Konzept der sozialen Bürgergesellschaft kann man nicht als Lückenbüßerkonzept nutzen und schon gar nicht obrigkeitsstaatlich über Zwang verordnen.