Protokoll der Sitzung vom 25.09.2002

Die Presseinformation der Landesregierung vom 27. August 2002 und das so genannte „Konsolidierungskonzept 2003 bis 2007“ von Roland Berger zeigen eines deutlich auf: Die Landesregierung ist mit ihrem Latein am Ende; sie traut sich selber und dem von ihr demotivierten Verwaltungsapparat nichts mehr zu. Sie sucht ihr Heil beim Propheten aus dem fernen Land. 1 000 Millionen Euro Defizit pro Jahr sind eine Last, die mit dem Begriff „Handlungsbedarf“ nur beschönigt wird: Der Haushalt ist an die Wand gefahren, und nun sollen, ohne dass es der Wähler merken soll, möglichst alle denkbaren Reißleinen gleichzeitig gezogen werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. In welchem Gesamt-Honorarumfang und für welche Leistungen sind der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner in dieser Legislaturperiode aus welchen Etatpositionen seitens der Landesregierung Gutachtenaufträge erteilt worden?

2. Welche in dem veröffentlichten „Konsolidierungskonzept 2003 bis 2007“ nicht enthaltenen Maßnahmevorschläge haben Roland Berger & Partner in ihrem Gutachten gegenüber der Landesregierung zusätzlich gemacht?

3. Wovor hat die Landesregierung Angst, dass sie das Gutachten im Original und in seinem vollständigen Umfang unter Verschluss hält?

(Beifall bei der CDU)

Bitte schön, Herr Finanzminister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage zunächst mit zwei Vorbemerkungen.

Erstens. Herr Kollege Rolfes, die CDU-Fraktion hat sich soeben wieder deutlich hervorgetan, indem sie versucht, Legenden zu bilden oder Themen so darzustellen, dass sie zwar ihr Weltbild untermauern, mit der Wirklichkeit aber wenig zu tun haben. Das scheint im Augenblick nicht zu vermeiden zu sein.

(Rolfes [CDU]: Woher wollen Sie denn wissen, was die Wirklichkeit ist?)

Ich darf Sie aber daran erinnern, dass selbst die CDU-Fraktion aus Steuergeldern Gutachten u. a. auch zur finanz- und wirtschaftspolitischen Lage hat erstellen lassen. Das ist übrigens das gute Recht von Fraktionen, und dafür bekommen sie auch erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, weil es nicht schaden kann, im Vergleich mit der Landesregierung über den Sachverstand der Fraktion und der bezahlten Mitarbeiter hinaus über den Tellerrand zu schauen und sich externen Sachverstand hinzuzuholen.

Zweitens. Die Unterstellung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung seien demotiviert und nicht in der Lage, Ähnliches zu produzieren, ist falsch und ein Affront gegen diejenigen, die Tag für Tag ihre Arbeit tun.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich weise das ausdrücklich zurück und sage im Gegenteil: Die vernünftige Zusammenarbeit zwischen den in der Landesverwaltung Tätigen und

denen, die als Externe oder in Workshops, die wir veranstalten, als Experten aus der Wirtschaft oder aus den Gewerkschaften mitwirken, hat sich im besten Sinne des Wortes bezahlt gemacht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den komplexen Sachverhalt zwischen Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Wir haben dafür eine Konferenz beim Ministerpräsidenten, die regelmäßig tagt und in diesem Sinne konstruktiv arbeitet.

Das Zerrbild, das Sie im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung und dem, was die Landesregierung vorangetrieben hat, aufzubauen versuchen, mag ein Teil Ihrer Strategie, Ihres „Masterplans“ in Richtung Landtagswahl sein. Aber es trägt nicht zur Klärung des Sachverhalts bei.

(Rolfes [CDU]: Beantworten Sie mal die Fragen!)

Die Landesregierung, Herr Rolfes, hat in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Einsparanstrengungen erfolgreich vorgenommen. Insoweit verweisen Sie zu Recht auf innerhalb der Landesregierung erarbeitete Projekte, die von Ihnen nicht mitgetragen und so nicht akzeptiert, aber von uns durchgesetzt worden sind. So wurden in der Zeit von 1995 bis 2002/03 mehr als 700 Millionen Euro ehemalige Ausgabenverpflichtungen strukturell abgebaut, darunter allein 400 Millionen Euro durch die Streichung von 12 500 Stellen. 100 Landesbehörden wurden aufgelöst und 160 weitere zusammengelegt.

Die Landesregierung hat damit über Jahre bewiesen, dass sie willens und in der Lage ist, Haushaltsdisziplin, Verwaltungsreform und zukunftsorientierte Fachpolitik erfolgreich zu verbinden. Wir haben ausgeglichene Haushalte und Jahresabschlüsse vorgelegt. Die Verwaltung wurde nachhaltig modernisiert und auch in Bereichen verschlankt, in denen es erheblichen Widerstand gegeben hat. Außerdem haben wir wichtige Politikfelder, beispielsweise den Bildungssektor, durch Zuweisung zusätzlicher Mittel und Stellen weiterentwickelt. Die Menschen in unserem Land wissen das und werden es - da bin ich mir ganz sicher mit dem vergleichen, was Sie beispielsweise heute wieder mit der Anfrage versuchen. Das Urteil ist, jedenfalls rückblickend, am 22. September für Sie nicht ganz so günstig ausgefallen.

Die Erstellung der Mittelfristigen Planung, der Mipla, für die Jahre 2002 bis 2006 unterschied sich in ihrer Komplexität und zeitlichen Enge grundle

gend von einem normalen Haushalts- bzw. MiplaAufstellungsverfahren, weil in kürzester Zeit Antworten auf deutlich verschärfte fiskalische Anforderungen gefunden werden mussten.

Angesichts der Brisanz der neuen wirtschaftlichen Ausgangssituation des Landes, insbesondere der verschärften Rahmenbedingungen, was die Finanzen des Bundes, der Länder und der Kommunen angeht, sind natürlich die Veränderungen gegenüber der Mai-Steuerschätzung zu berücksichtigen; das betonen Sie in den Debatten auch regelmäßig. Wir haben den Nationalen Stabilitätspakt vom 21. März 2002, in dem Bund, Länder und Gemeinden verabredet haben, die Ausgaben von Ländern und Gemeinden künftig um maximal 1 % steigen zu lassen. Ferner haben wir das Thema BEB mit dem sich daraus ergebenden Fehlbetrag zu berücksichtigen. Dafür müssen schnellstmöglich mit Blick auf den Doppelhaushalt, den Nachtragshaushalt und die Mipla entsprechende Konzeptionen entwickelt werden.

Die Auftragsvergabe an Roland Berger hat angesichts der Komplexität und des Arbeitsvolumens dieser Aufgabe daher insbesondere zum Ziel gehabt, das Land als Auftraggeber bei der Erarbeitung eines Konsolidierungskonzepts kompetent zu unterstützen und zu begleiten. Die Federführung lag eindeutig beim Finanzministerium, die Zuarbeit eindeutig bei Roland Berger.

Als Ergebnis der Unterstützung wurde unter Mitwirkung von Roland Berger ein Strategiekonzept zur Haushaltskonsolidierung erstellt, um im Jahre 2003 den Nachtrag bzw. ab 2004 wirkungsvolle haushaltsmäßige Konsolidierungsmaßnahmen beschreiben, ergreifen und letztlich auch umsetzen zu können.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leistungen der Firma Roland Berger natürlich nicht in dem von Ihnen hier genannten 24-seitigen Konsolidierungskonzept wiederzufinden sind und dass der Beschluss der Landesregierung aus der Kabinettsklausur ist. Es handelt sich um die politische Zusammenfassung dessen, was in den vielfältigen Vorgesprächen und Papieren entwickelt worden ist. Das dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Aber Sie haben so getan, als sei das das gesamte Arbeitsvolumen, das abgeliefert worden ist.

Roland Berger hat umfangreiche Untersuchungen und Prüfungen vorgenommen, die aus sachlichen

und zeitlichen Gründen bisher nur als Zwischenstände und Arbeitspapiere vorliegen. Deren Bewertung muss durch die politisch Verantwortlichen, nämlich die Verwaltung und deren politische Spitze, vorgenommen werden. Das Konsolidierungskonzept ist ein Exzerpt dieser Zwischenstände, das von der Landesverwaltung erstellt wurde und das sich die Landesregierung als ersten Baustein zur Deckung des Handlungsbedarfs zu Eigen gemacht hat.

Die Landesregierung hat sich für eine Unterstützung durch die Firma Roland Berger entschieden, weil diese Firma aufgrund vergleichbarer Aufträge aus anderen Bundesländern, wie Berlin und Bremen, sowie aus dem kommunalen Bereich für diese Art von Untersuchungen in besonderem Maße ausgewiesen ist. Roland Berger hat als einziges Unternehmen auf dem Beratungsmarkt für die Landes- und kommunale Ebene eine umfangreiche Datenbank mit Best-practice-Beispielen, ein spezielles EDV-Tool, genannt CONSolid, sowie eine Masterplan-Methode für einen umfassenden Ansatz zum Konsolidierungsmanagement entwickelt und in zahlreichen Kommunen und Ländern angewendet, wie gesagt, u. a. im Land Bremen in Form eines Konsolidierungs- und Innovationskonzepts für alle Ressorts über einen Zeitraum von vier Jahren. Ich darf darauf hinweisen, dass der Kollege Perschau von der CDU in Bremen offensichtlich ähnliche Ansätze verfolgt hat, wie wir sie hier aufgreifen.

Aufgrund der umfangreichen Datenbank mit Benchmarks- und Best-practice-Beispielen stellt CONSolid den Schlüsselfaktor im Rahmen der Masterplan-Methode von Roland Berger zur Quantifizierung und - mit Einschränkung - zur Qualifizierung von Einsparpotenzialen dar. Ein vergleichbares Instrument, das von der Vermögensaktivierung über die durch das Finanzministerium bzw. die Kommunen steuerbaren Budgetansätze bis hinein zu Konsolidierungsmaßnahmen in den Fachressorts und Dezernaten reicht, ist derzeit in dieser Form auf dem Markt nicht zugänglich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Insgesamt wurden in dieser Legislaturperiode neun Aufträge für Gutachten mit einem Gesamtwert von 3,9 Millionen Euro - ohne Umsatzsteuer - an die Firma Roland Berger vergeben.

(Klare [CDU]: Wieso wird der ganze Quatsch denn eigentlich mitgeschrie- ben?)

- Das war gefragt. Deshalb bekommen Sie auch eine präzise Antwort, Herr Klare.

Die Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei waren: Beratung IuK-Versorgung der Landesverwaltung vom 23. Dezember 1998 im Umfang von 173 757 Euro, Konzeptionsberatung Innovationsfonds vom 19. Oktober 1999 im Umfang von 199 538 Euro, Neuausrichtung des Landesgesundheitsamtes vom 6. September 2000 im Umfang von 173 757 Euro, Bestandsaufnahme Mittelinstanz, Perspektiven, Alternativen vom 15. Dezember 2000 im Umfang von 132 160 Euro, Bestandsaufnahme Mittelinstanz, Perspektiven, Alternativen - Fortsetzung vom 27. Februar 2001 im Umfang von 66 080 Euro.

Gutachten im Auftrag des Finanzministeriums waren: Prüfung Konsolidierungspotenziale im Horizont des Konsolidierungskonzepts 2003 2007 vom 11. Juni 2002 im Umfang von 516 000 Euro, Ermittlung des betriebsnotwendigen Liegenschaftsvermögens für drei Hochschulen, die in Stiftungen überführt werden sollen, vom 10. Juli 2002 im Umfang von 103 200 Euro, Ermittlung des betriebsnotwendigen Liegenschaftsvermögens für drei weitere Hochschulen, die in Stiftungen überführt werden sollen, vom 4. September 2002 im Umfang von 113 400 Euro.

Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr: Das vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten zum Tiefwasserhafen wurde an das Projektkonsortium Tiefwasserhafen GbR vergeben, an dem neben Freshfields Bruckhaus Deringer und der Lahmeyer International Gruppe auch Roland Berger beteiligt ist. Alle genannten Maßnahmen wurden aus den jeweiligen Ressorthaushalten bezahlt. Das gilt auch für dieses Konsortium. Die genannten Beträge enthalten nicht die Umsatzsteuer.

Gestatten Sie mir dann noch einige kurze Anmerkungen zu den Fragen 2 und 3. Bislang wurde von der Firma Roland Berger nur ein vorläufiger Zwischenbericht zur Prüfung von Konsolidierungspotenzialen vorgelegt, der zum einen mit zur Grundlage der Mipla 2006 gemacht wurde, zum anderen jedoch noch der inhaltlichen Vertiefung, Konkretion und Weiterentwicklung bedarf. Sie wissen - das ist auch in der Pressemitteilung zum Kabinettsbe

schluss deutlich gemacht worden -, wir befinden uns mitten in dieser Phase. Der Input, der vom Finanzministerium als dem federführenden Ressort in diese Diskussion hineingegeben wird, wird sich daran orientieren, dass die Kernkompetenz unserer Verwaltung natürlich genutzt und die Zuarbeit durch Zukauf externer Kapazitäten in diesem Sinne vernünftig und haushaltsschonend durchgesetzt wird. Zur Vorbereitung des Gutachtens wurden vorhandene Analysen wie z. B. Prüfungsmitteilungen des Landesrechnungshofs und andere Gutachten herangezogen sowie Workshops mit unterschiedlicher Zusammensetzung zur Erfassung des in der Landesverwaltung vorhandenen Fachwissens durchgeführt. Ich habe diese Workshops ausdrücklich angesprochen, weil ich der Meinung bin, dass es gerade bei einer mittel- und langfristigen Konsolidierungsstrategie keinen Sinn macht, wenn nur ein Gutachter oder nur das Finanzministerium Vorstellungen entwickelt, sondern wir wollen die Fachressorts und den Sachverstand der anderen Häuser integrieren.

Die Firma Roland Berger hat auf dieser Basis ein weiteres Spektrum an Vorschlägen erarbeitet und in Form einer Masterplan-Methode in seinem Programm, dem EDV-Tool CONSolid, unterlegt. Diese Vorschläge müssen nun vertieft erörtert, weitergehend betrachtet und entwickelt werden. Die Landesregierung hat die wesentlichen Zwischenergebnisse zum Gegenstand des Konsolidierungskonzeptes gemacht und diese dort, wo schon Entscheidungsmöglichkeiten vorhanden waren, auch schon in den Kabinettsbeschluss einbezogen, der Ihnen in der jetzigen Situation als Grundlage für die Mipla zur Verfügung stehen wird. Die ausformulierte Fassung der Mipla wird dem Landtag Mitte Oktober zugeleitet. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Möllring stellt eine Zusatzfrage.

Herr Präsident! Die Landesregierung legt hier einen Offenbarungseid ab, wenn sie sich die Mipla nur noch mit Hilfe von Gutachten aufstellen lässt. Deshalb frage ich die Landesregierung: Glauben Sie allen Ernstes, dass Ihnen ein ausgeschiedener Oberstadtdirektor von Hannover, der jetzt als Berater für Roland Berger tätig ist, die Strukturen

des Landeshaushalts besser aufzeigen kann als der gesamte Behördenapparat dieses Landes?

(Beifall bei der CDU - Meinhold [SPD]: Weder das eine noch das ande- re!)

Herr Minister!

Herr Kollege Möllring, der ehemalige Oberstadtdirektor von Hannover ist in der Tat Mitarbeiter des Beratungsunternehmens Roland Berger.

(Möllring [CDU]: Deshalb frage ich ja!)

Er und sein Team sind von uns als externe Berater verpflichtet worden. Ich halte ihn nach dem, was durch die Beratungsfirma Roland Berger als Sachverstand hinterlegt ist, deshalb für besonders geeignet, weil er Einblick in öffentliche Haushaltsstrukturen hat und nicht als jemand, der nur aus dem privatwirtschaftlichen Bereich kommt, bestimmte Lösungsvorschläge in den Diskussionsprozess einbringt.

Das Entscheidende aber ist - Sie haben offensichtlich wieder nicht zugehört -: Roland Berger ist das einzige Beratungsunternehmen, das sich aufgrund von Erfahrungen und von praktisch vorhandenen Tools, wie man es heute ja auf Hochdeutsch sagt – nämlich Best-Practice-Darstellungen, ein EDVgestütztes Programm und auch eine MasterplanStrategie -, in diesem Sinne hervorragend qualifiziert hat. Nach eingehender Durchsicht derer, die am Markt leistungsfähig sind, haben wir uns ein wenig auch an dem orientiert, wo Roland Berger schon tätig gewesen ist. Ich kann nur sagen: Wenn Roland Berger in der Freien Hansestadt Bremen, in Berlin oder bei zahlreichen Kommunen in ähnlicher Weise tätig geworden ist, dann widerspricht dies ein bisschen der Alleinvertretungsmeinung von Herrn Möllring. Offensichtlich haben sich dann alle anderen geirrt, die Geld für die Unterstützung durch Roland Berger bezahlt haben. Nur Herr Möllring weiß es in diesem Lande besser. Dann sind Sie aber relativ allein, Herr Möllring.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Golibrzuch möchte eine Zusatzfrage stellen. Bitte sehr!