Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

Mit dem Instrument der Vorranggebiete für Tierhaltungsanlagen setzt die SPD ihre Symbolpolitik fort. Nach dem Motto „Kost‘ nix, wirkt nix, aber sieht gut aus“ wollen Sie die Bevölkerung beruhigen. Das Gutachten der Staatskanzlei zu dieser Frage stellt fest, dass Vorrang- und Eignungsgebiete für Tierhaltungsanlagen in den Intensivtierhaltungsgebieten überhaupt nicht geeignet sind, um den Wildwuchs der Stallbauten einzudämmen. Das Gutachten hält fest, es gebe einen Regelungsbedarf jenseits der Regionalplanung etwa durch Obergrenzen für die Tierhaltung in Form regionaler Quoten oder die Änderung des § 35 Bundesbaugesetz. Das soll jetzt angegangen werden dank RotGrün auf Bundesebene.

Minister Oppermann stellt sich in Wahlkampfzeiten dennoch pressewirksam vor das Arno Schmidt Museum und sagt dem in seiner Nachbarschaft geplanten Massentierstall den Kampf an. Das wäre ja in Ordnung, gäbe es nicht hunderte von Ställen, die nicht vor Kulturstätten, sondern vor den Haustüren normaler Bürger errichtet werden. Dort aber versagt die SPD.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere niedersächsische Krankheit: Im Landes-Raumordnungsprogramm werden Bodenabbauflächen in einem Umfang festgelegt, als wäre die Bodenabbauindustrie der wichtigste Industriesektor in unserem Land, als wären Beton und Gips der Rohstoff, aus dem VW seine Autos herstellt, die dann mit Torf als Brennstoff angetrieben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Festlegung der Bodenabbaugebiete stark von politischen Kriterien beeinflusst wird, ganz nach den Wünschen der Abbaulobby. Nur dort, wo es massive Bürgerproteste gibt - ich erinnere nur an die 11 000 Unterschriften zum Dachtelfeld -, werden die Wünsche der Abbaufirmen im Landes-Raumordnungsprogramm nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Im Ausschuss hatten Sie zunächst auch uns noch Sand in die Augen gestreut und so getan,

als würde den vorliegenden Petitionen entsprochen. Wir Grünen beantragen heute auf Grund genauer Prüfung, die Petitionen zu Hartgestein und Kies aus dem Weserbergland an die Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen; denn Sie sind in Ihrem Raumordnungsprogramm mitnichten darauf eingegangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung ist auch beim Gipsabbau handlungsunfähig, eine Marionette an den Strippen der Gipsunternehmen, obwohl in unserem Land jährlich mehr als 2 Millionen Tonnen REA-Gips aus den Filteranlagen der Kraftwerke nutzlos deponiert werden müssen.

(Dr. Schultze [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

- 2 Millionen Tonnen! Das stimmt! Natürlich! In den neuen Bundesländern werden diese Mengen satt deponiert, hier aber wird Naturgips abgebaut.

Die Festlegungen zwischen Gipsabbau und Naturschutz haben im Raumordnungsprogramm bisher folgerichtig auch nie Bestand gehabt, sondern sie wurden zulasten des Naturschutzes nachträglich immer korrigiert. Der aktuellen Petition der Naturschutzverbände sollte deshalb entsprochen werden, und die Ausweitung des Gipsabbaus in Niedersachsen ist zu stoppen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ebenso reichen die wenigen Arbeitsplätze, die in Niedersachsen in der Torf- und der Erdindustrie noch vorhanden sind, nicht als Argument dafür aus, auch noch die letzten Moorflächen abzubauen und den Torf nach Holland zu verschicken. Der Torfabbau läuft in Niedersachsen aus. Das ist Tatsache. Ersatzstoffe stehen auch hier aus den vielen neuen Kompostwerken mehr als genug bereit. Wir schlagen vor, in Weser-Ems ein Moorschutzgebietsystem einzurichten und diejenigen Arbeitsplätze, die beim Torfabbau verloren gehen, in den Bereichen Tourismus und Naturschutz wieder aufzubauen.

Herr Ministerpräsident, Hochwasserschutz, wie Sie ihn im Landes-Raumordnungsprogramm anlegen, wird falsch aufgezogen, wenn Sie die Kompetenz allein auf die Landkreisebene legen. Sie wissen, dass regionale Raumordnungskonzepte dort leider nur sehr lasch und in vielen Bereichen gar nicht umgesetzt werden. Der von uns eingebrachte Vor

schlag, diese Aufgabe je nach Flussgröße zwischen Land und regionaler Kompetenz aufzuteilen, ist viel zielführender und besser für den Hochwasserschutz in unserem Land. Die butterweiche Lösung, die Sie hier vorgeschlagen haben, wird nichts bewirken. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Hagenah, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Koch?

Meine Redezeit ist um. Aber bitte!

Bitte schön!

Herr Hagenah, Sie haben eben Ausführungen zum Gipsabbau in Scharzfeld und Herzberg gemacht. Haben Sie auch einmal Kontakt mit den parteiübergreifend arbeitenden Bürgerinitiativen gehabt? Haben Sie sich von denen einmal darüber informieren lassen, wie viele Arbeitsplätze durch Ihre Totalforderung verloren gehen?

Meine Redezeit ist ohnehin zu Ende. Deshalb sehe ich das gelassen. Wir waren aber vor Ort, und ich habe mir die Abbaugebiete selbst angesehen. Ich habe sowohl mit den Initiativen als auch mit Menschen, die dort arbeiten, gesprochen. Ich kann Ihnen sagen, dass es einen sehr vernünftigen Ausgleich geben kann. Gerade die in Walkenried in Angriff genommenen Flächen wären fatal für den Tourismus in diesem Bereich, und die Arbeitsplätze, die dort bedroht sind, spielen in dieser Region eine viel größere Rolle als diejenigen Arbeitsplätze, die durch das künstliche Aufrechterhalten des unnötigen Abbaus von Naturgips gesichert werden sollen. - Danke schön.

Meine Damen und Herren, der Kollege McAllister hat noch einmal ums Wort gebeten. Ich erteile ihm das Wort für bis zu fünf Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzter Herr Ministerpräsident, Sie haben erstens behauptet, Sie hätten meiner Rede zugehört. Daran habe ich aber meine Zweifel. Zweifel habe ich aber erst recht angesichts Ihrer zweiten Behauptung, die kommunalen Spitzenverbände hätten diesen Gesetzentwurf mit Ihnen abgestimmt und würden ihn 1 : 1 begrüßen. Wissen Sie, Herr Ministerpräsident, Sie haben ein Problem. Wer den ganzen Tag als munterer Dampfplauderer durch Niedersachsen reist, wer den ganzen Tag damit beschäftigt ist, wie er am nächsten Sonntag mit Foto wieder in die Bild am Sonntag kommt, der hat verdammt wenig Zeit, seine schöne Nase in die Akten zu stecken.

(Beifall bei der CDU)

Ich wünsche mir, Sie würden manchmal etwas mehr lesen. Deshalb habe ich die Protokolle über die Anhörung im Innenausschuss einmal mitgebracht.

(Zurufe von der SPD)

- Ich finde, der Ministerpräsident hat in einem Punkt Recht: Wenn man hier vorne spricht, sollten die übrigen Kolleginnen und Kollegen schweigen und zuhören. Das gilt auch für Sie, Herr Schurreit.

(Zurufe)

Ich habe die Protokolle über die Anhörung im Innenausschuss mitgebracht, Herr Ministerpräsident. Ich möchte zwei Sätze aus ihnen vorlesen, die Ihrem Eindruck meiner Meinung nach ein wenig widersprechen. Erstens sagte der Städtetag:

„Die Raumordnung ist in der Regel nicht in der Lage, so komplexe Zusammenwirkungen der Nutzungsansprüche vor Ort so gut nachzuvollziehen, wie es die Bauleitplanung kann. Es darf daher keine weiteren Einschränkungen der Bauleitplanung durch die Raumordnung geben.“

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, es wäre darüber hinaus gut gewesen, wenn Sie auch eine aktuelle Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes gelesen hätten. Ich darf zitieren:

„Die geplante Regelung stellte einen tief greifenden Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar. Eine Vielzahl von neuen unbestimmten Rechtsbegriffen lädt gerade zu Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bauleitplanung und der Raumordnung und Landesplanung ein. Damit wird die Entscheidungsfreiheit der Gemeinden, die ohnehin durch das Baugesetzbuch stark eingeengt ist, weiter eingeschränkt.“

(Beifall bei der CDU)

Angesichts dieser beiden Sätze zu behaupten, Ihr Meisterwerk würde von den kommunalen Spitzenverbänden unterstützt werden, ist durchaus als mutig zu bezeichnen.

(Klare [CDU]: Eine Lüge ist das!)

Es geht um Folgendes - Sie haben die Politik für oder gegen den ländlichen Raum angesprochen -: Wir stehen für starke Städte und Großstädte in Niedersachsen. Wir stehen aber auch für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Sie hingegen haben mit Ihrer Landesregierung ein gestörtes Verhältnis zum ländlichen Raum. Ich möchte das auch deutlich machen.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Ich beobachte das jetzt schon vier Jahre lang hier im Landtag. Sie wollen versuchen, die Kommunen durch die zentralistische Knebelung der Staatskanzlei zu gängeln.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, überrascht es Sie gar nicht, dass bei diesem entscheidenden Thema der zuständige Innenminister nicht da ist?

(Mühe [SPD]: Er ist entschuldigt! - Adam [SPD]: Sie wissen, warum der Innenminister nicht da ist! Das ist eine Frechheit! - Zurufe von der CDU)

Herr Kollege McAllister, ich weise darauf hin, dass der Innenminister entschuldigt ist. Er ist zu einer wichtigen Veranstaltung.

Trotzdem ist er nicht da!

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

Sie haben in unserem Bundesland eine beispiellose Finanzmisere der Kommunen zu verantworten. In der Staatskanzlei sind Ihre Beamten im Begriff, die bewährte Landkreisstruktur durch Regionen zu ersetzen. Sie wollen vor allem auch an die kleinen Einheiten herangehen. Ich erinnere nur an die perfide Politik gegen die erfolgreiche Institution der Samtgemeinde, die Sie von Jahr zu Jahr betreiben.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Da können Ihnen auch noch so viele Hochglanzbroschüren der Landesregierung nicht weiterhelfen. Wer Bremerhaven und Cuxhaven mit „f“ schreibt, hat in der Tat keine Ahnung vom ländlichen Raum.

(Starker Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das war der „Master- plan McAllister“! - Frau Wörmer- Zimmermann [SPD]: Jeder blamiert sich, so gut er kann! – Weitere Zurufe von der SPD: Helau!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Endlein hat ums Wort gebeten. - Bitte sehr, Herr Endlein!