Was war eigentlich los? Wie ich finde, hatte der Minister ganz zu Recht die Prügelrituale an einer Schule in Stadthagen aufgegriffen, die Schuld dann aber recht vorschnell der Schule zugewiesen und sich nach heftigen Protesten von Eltern, Lehrern und Schülern entschuldigt. Diese Entschuldigung hat aber nicht sehr lange vorgehalten. Denn bei der jüngsten Diskussion in der Schule am Schlosspark erfolgte eine neue Ursachenforschung, und es wurden neue Schuldige benannt. Herr Pfeiffer hat ausgeführt, er habe bei seinen vielen Untersuchungen nirgends eine derartige Benachteiligung im örtlichen Bildungssystem festgestellt wie in Stadthagen.
Das mag ja sein, Herr Pfeiffer. Es gibt erhebliche Probleme mit der Integration von Zuwanderern in Stadthagen. Wenn die Landesregierung die von ihr ständig propagierte Kultur des Hinsehens - ich mag dieses Wort eigentlich gar nicht mehr hören wirklich ernst nimmt, dann wird man sehen, dass Stadthagen mit seinen Problemen der Integration in Niedersachsen gar nicht alleine steht und vielleicht eine ganze Reihe von anderen Städten gleichermaßen betroffen ist.
die Lehrer, die bei Prügeleien auf dem Schulhof wegsehen, oder die Stadt, die türkische Kinder angeblich in Nachmittagsgruppen verweist und es duldet, dass es bereits im Kindergartenbereich gravierende Sprachdefizite gibt, oder auch die türkischen Eltern mit ihrer „Macho-Kultur“.
Derartig vorschnelle Schuldzuweisungen sind nicht nur ungerecht und verletzend, sie lenken auch von der erheblichen Mitverantwortung des Landes ab. Es wird ausgeblendet, dass das Land für die Förderung in Kindergärten verantwortlich ist. Es ist für Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen in den Schulen, für eine Sprachförderung der Migrantinnen und Migranten und für eine gelungene Integrationspolitik verantwortlich, meine Damen und Herren.
Die Verantwortlichen vor Ort, die sich um Integration bemühen, brauchen keine ministerielle Schelte, sondern die Hilfestellung des Landes. Herr Pfeiffer, es geht nicht, dass Sie als Wissenschaftler mit aufklärerischem Impetus eine ganz scharfe Analyse liefern, die ich in weiten Bereichen auch teile, aber dann, wenn es um die konkrete Politik geht, Herr Bartling gefragt ist bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die weit unter dem Niveau anderer Bundesländer liegen, bei einer Politik, bei der junge Menschen, die straffällig geworden sind, in das Land ihrer Vorfahren, ihrer Großeltern ausgewiesen werden, und bei einer Politik, die bei den Sprachkursen keinen Cent, keinen Euro zusätzlich ausgeben will.
Meine Damen und Herren, ich will mit einem Zitat aus den Schaumburger Nachrichten von heute schließen:
„Pfeiffer wiederholte sein Angebot, Hilfestellungen zu leisten. Besonders wichtig sei ihm, dass sein Vortrag in türkischer Sprache an alle türkischen Eltern verteilt werde. ‚Ich glaube schon, dass er dazu beitragen kann, erwünschte Wirkungen zu erzielen. Diese Eltern sollten mehr für die Bildung ihrer Kinder tun.‘“
Das mag sein, Herr Pfeiffer. Aber diese Landesregierung sollte mehr für die Bildung ihrer Landeskinder tun,
für Deutsche und für Zugewanderte gleichermaßen. Das ist die Erwartung, die die Menschen haben. Das Verteilen von sicherlich sehr fundierten und lesenswerten Vorträgen kann und wird dafür kein Ersatz sein. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser zweite Abend in Stadthagen hat nicht stattgefunden, um primär die Stadt anzugreifen, sondern das war mein Angebot zum Dialog mit etwa 100 türkischen Eltern, die diese Einladung tatsächlich auch angenommen haben.
Das, was ich vorgetragen habe, wurde in türkischer Sprache übersetzt. Danach folgte eine Veranstaltung, die insgesamt drei Stunden dauerte und sich nur zu einem kleinen Teil auf die Punkte konzentrierte, die nachher in den Medien vorne angestanden haben.
Freilich habe ich aus dieser Debatte etwas gelernt, Herr Schröder; das will ich hier gerne zugestehen. Ich habe gesagt, nach den Feststellungen aus vielen Untersuchungen gilt: Je höher in einer Stadt der Anteil junger Türken oder anderer junger Ausländer im Gymnasium oder in der Gesamtschule ist, umso niedriger ist die Kriminalitätsrate der Ausländer in dieser Altersgruppe insgesamt. Außerdem habe ich festgestellt, dass in Stadthagen 1,5 % der männlichen jungen Türken ins Gymnasium gehen. Im Bundesdurchschnitt sind es 8,5 %. Demgegenüber stehen 55 % der gleichaltrigen Deutschen. Damit hätte ich es bewenden lassen können. Denn allein diese Fakten sind schon aufrüttelnd genug. Die ergänzende Bemerkung - Stadthagen stehe damit schlechter da als alle anderen Städte, zu denen uns Daten vorliegen - war überflüssig und hat sehr viel Widerstand erwirkt. Ich gebe gerne und selbstkritisch zu, es war der Kriminologe in mir, der diese ergänzende Bemerkung gemacht hat. Als Politiker wäre es klüger gewesen, auf diese ergänzende Information völlig zu verzichten. Die Fakten sprechen für sich, wenn 40 % der Grundschulkinder, die einen türkischen Hintergrund haben, nach Einschätzung der Grundschullehrer kein Deutsch können und die Mehrheit nicht drei Jahre im Kindergarten gewesen ist.
Herr Schröder, ich muss Ihnen in einem Punkt widersprechen. Da war ich nicht nur Wissenschaftler. Ich habe acht Vorschläge unterbreitet, was zu tun ist, angefangen bei der halben Richterstelle, die es neuerdings zusätzlich in Stadthagen gibt, über das Angebot vorgezogener Jugendgerichtsverfahren, damit die Signale an die Jugendlichen deutlich und schnell kommen. Ein Faltblatt in türkischer Sprache wirbt um den Besuch in Kin
dergärten. Es ist an alle Eltern in Stadthagen gegangen. Ich habe vorgeschlagen, den Sport an den Schulen als Integrationshilfe zu intensivieren. Da nutze ich etwas, was MFAS in einem Programm für Toleranz, Gewalt und zur Stärkung interkultureller Kompetenz anbietet. Man kann die Anträge bei den Bezirksregierungen stellen.
Ich selbst habe angeboten, 80 % der Kosten für die Ausbildung von Konfliktlotsen an der Schule und an anderen Schulen in Stadthagen zu übernehmen. Ferner habe ich angeboten, dass die Schule nachträglich in das Schulschwänzerprogramm einbezogen wird. Und ich habe darauf verwiesen, dass sich die Landesregierung sehr wohl ihrer Mitverantwortung für die Ausbildung, die Sprachförderung der Kinder bewusst ist. Am 1. August nächsten Jahres wird dieses Programm zur Sprachförderung in Kindergärten, das 5 Millionen Euro schwer ist, anlaufen.
Von daher bestand mein Angebot aus Vielfältigem, was konkret geschehen muss. Das Angebot ist auch angenommen worden. Ich werde mich morgen mit dem Bürgermeister von Stadthagen treffen. Wir werden in einem direkten ausführlichen Gespräch erörtern, was wir in Stadthagen im Detail zusätzlich an Hilfestellung leisten können. Von daher meine ich, dass die Kritik, ich sei hier nur der Wissenschaftler gewesen, falsch ist. Ich war sehr wohl der Sprecher der Landesregierung, der deutlich macht, dass wir auf Defizite reagieren und konkret helfen wollen, auf dass sich die Situation in Stadthagen ändert. Wir fordern vor allem aber auch die türkischen Mitbürger auf, die Botschaft ernst zu nehmen, dass sich auch bei ihnen etwas ändern muss und dass sie nicht länger dazu beitragen dürfen, dass aus ihren Familien junge Machos herauskommen, und dass sie mit dem Verwöhnen der Jungen aufhören müssen. Die Mädchen haben ja ganz anständige Gymnasial- und sonstige Schulquoten. Es ist ein Jungenproblem, das sich dort deutlich artikuliert hat.
Also: Es war ein Angebot in mehrere Richtungen. Ich kann nur hoffen, dass das alles am Ende dazu beiträgt, die Probleme in Stadthagen zu reduzieren. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung war hervorragend aufgestellt; leider ist sie jäh unterbrochen worden. Aber den Bildungsauftrag in den Kindergärten zu stärken und das letzte Kindergartenjahr freizustellen, das ist unsere Antwort auf die Probleme in den Familien und in unserer Gesellschaft.
Aber die Kindergärtnerinnen und Kommunalpolitikerinnen und die Kommunalpolitiker zu diffamieren, das ist leider Gottes die Antwort, die der Justizminister gegeben hat.
(Beifall bei der CDU - Busemann [CDU]: Voll erwischt! - Pörtner [CDU]: Und die Lehrer zu diffamie- ren!)
Herr Professor Pfeiffer, einiges von dem, was Sie dort ausgeführt haben, war durchaus bemerkenswert. Sie haben nämlich erstmals anerkannt, dass sich nach zwölf Jahren SPD-Landesregierung Parallelgesellschaften in unserem Lande gebildet haben.
Das ist doch eine Erkenntnis, die Sie so bisher nicht anerkannt haben. Und Sie haben auch erstmals anerkannt, dass Kriminalität von Ausländern, insbesondere was die Gewaltkriminalität angeht, besonders in Niedersachsen an der Tagesordnung ist. Auch das haben Sie bisher so deutlich nicht gesagt.
Nur das Fazit Ihrer Analyse haben Sie völlig falsch gezogen. Denn Sie können doch nicht die Kommunalpolitik dafür verantwortlich machen, dass die Integrationspolitik der Landesregierung in diesem Lande gescheitert ist.
Schauen Sie sich doch einmal Bayern und BadenWürttemberg an! Gehen Sie doch einmal dort in die Schulen!
Da können die ausländischen Kinder zum Teil sehr viel besser deutsch sprechen als die deutschen Kinder hier. Das hat PISA gezeigt. Dafür können Sie etwas tun.
Meine Damen und Herren, das Problem ist, dass hier immer andere verantwortlich gemacht werden. Wir haben im Landtag unsere Verantwortung übernommen. Erinnern Sie sich daran! Im Mai 2002 haben wir von dieser Stelle aus einen Antrag zur Integration eingebracht, in dem wir klar gesagt haben, nach welcher Methode hier vorgegangen werden sollte, nämlich nach der Methode: Fordern und Fördern, so wie es in anderen europäischen Ländern erfolgreich gemacht wird. Sie haben diesen Antrag abgelehnt.
Leider haben Sie die Probleme mit der Zustimmung im Bundesrat zum Zuwanderungsgesetz weiter verschärft, sofern das Gesetz denn Gesetzeskraft erlangt. Das werden wir ja heute nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe sehen.
Denn dadurch werden die Probleme vor Ort natürlich noch verschärft, weil die Zuwanderung in die Kommunen noch zunehmen wird und die Kommunen dann noch mehr alleine gelassen werden. Wenn Sie behaupten, dass die Aufbaukurse tatsächlich vom Land und nicht von den Kommunen gezahlt werden, dann machen Sie schon wieder eine Mogelpackung auf. Wir haben diese Angelegenheit doch im Innenausschuss erörtert. Da wurde uns gesagt, dass das Ganze über das Erwachsenenbildungsgesetz finanziert wird. Aber schauen Sie sich doch einmal Ihre mittelfristige Finanzplanung an. In der mittelfristigen Finanzplanung, gerade in den letzten Tagen verteilt, ist zu lesen: Kein müder