Protokoll der Sitzung vom 25.10.2002

weil auf dieser Basis die CDU Zeit hat,

(Möllring [CDU]: „Die Wahrheit vor der Wahl? – Das hätten Sie wohl ger- ne!“)

sich neu zu orientieren. Ich darf einmal vorlesen: Wer Kinder hat, soll entsprechend weniger Steuern zahlen.

(Möllring [CDU]: Das ist richtig so!)

Ein solches Familiensplitting wird die Familien mit Kindern stärker als bisher entlasten und dient der Steuergerechtigkeit.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist das CDU-Programm!)

Derartige Umschichtungen zugunsten von Familien mit Kindern müssen auch im Sozialversicherungsrecht stärker Eingang finden.

(Möllring [CDU]: Richtig! - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Familiensplitting!)

Diese Aussagen stammen aus dem Programm der CDU vom Februar 1994.

(Möllring [CDU]: Das kennen wir!)

Das ist aktuell im Zusammenhang mit der Splittingdebatte kommentiert worden.

(Frau Schliepack [CDU]: Weiter le- sen!)

Nicht unbekannte Kommentatoren sagen: 1994 war die CDU schon weiter als heute.

(Beifall bei der SPD)

Das hat Frau Pothmer richtig dargestellt. Wer die Debatte in der CDU nach der Wahlniederlage richtig verfolgt hat, der wird zwei Dinge bemerkt haben. Das Erste ist ganz eindeutig: Die CDU und Herr Stoiber haben die Kanzlerwahl in Niedersachsen verloren. Bei einigen tausend Stimmen Unterschied, Herr Wulff, hätten ein paar tausend Stimmen mehr für Sie in Niedersachsen Herrn Stoiber zum Kanzler gemacht.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das wäre gut gewesen!)

In Sachen Splitting sehen wir uns wieder, weil nach der Wahl in der CDU die Frage, wer dort künftig das Sagen hat, formal mit dem Namen Merkel entschieden worden ist. Aber in der Frage, wie sich Familienpolitik, Frauenpolitik und Gesellschaftspolitik weiterentwickeln sollen, ist sie von Politikern wie Ihnen gebremst und nicht so wie von Herrn Hintze gefördert und durchgesetzt wor

den. Denn Herr Hintze hat damals an Ihrer Seite gestanden, als Sie noch jung und wild waren. Heute gehören Sie zu den alten Knechten der CDU

(Widerspruch bei der CDU)

und verhindern moderne Diskussionen über Gesellschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Die Auseinandersetzung um das Ehegattensplitting ist also nicht nur steuerpolitisch zu sehen. Der Handlungsspielraum wird, was die Summe und die Wirkung angeht, von vielen überschätzt, weil das Verfassungsgericht - das geht ein wenig auch an die Adresse von Frau Pothmer - im Hinblick auf die Ausgestaltung klare Schranken gesetzt hat.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Nicht das Verfassungsgericht!)

Frau Pothmer, wir müssen politisch die Frage beantworten, ob der Ansatz, über den wir diskutieren, richtig ist. Der Staatshaushalt von Bund, Ländern und Gemeinden hat nicht das Geld, gesellschaftspolitisch das zu tun, was in Fragen der Betreuung notwendig ist. Die CDU aber stellt sich auf die Seite derer, die sagen, dass wir in der vorschulischen Betreuung mehr tun müssen, hat aber nicht das Geld dafür. Insofern wird die CDU zusammen mit uns darüber nachdenken müssen, ob Steuergerechtigkeit und Finanzierung von Betreuung durch Umschichtungen gesichert werden sollten, indem das Geld da weggenommen wird, wo es nicht mehr so dringend gebraucht wird, und dahin platziert wird, wo es dringend gebraucht wird. Das ist die politische Steuerungsfunktion, über die wir diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage an dieser Stelle: Die Lage ist durch die Koalitionsvereinbarung in Berlin völlig klar. Aber ein Beschluss einer Koalition in Berlin verhindert noch nicht die politische Auseinandersetzung um die richtige Familienpolitik und Gesellschaftspolitik in diesem Staat, Herr Wulff. Deshalb wird die Diskussion weitergehen.

Sie müssen aufpassen, dass Sie sich nicht in Richtung 50er-Jahre zurückentwickeln. Wir werden dafür sorgen, dass das, was die gesellschaftspolitische Realität ausmacht, nämlich dass beispielsweise 30 % der Familien überhaupt keine Kinder mehr haben, aber gleichwohl am Ehegattensplitting teilnehmen, umgesetzt wird. Das ist eine Diskussion,

die sich im Interesse der Kinder lohnt. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe noch eine Wortmeldung vom Kollegen Schünemann. Bitte sehr!

(Möhrmann [SPD]: Sind Sie auch ein alter Knecht, Herr Kollege?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war schon ganz interessant zu sehen, wie die SPD-Fraktion auf den Redebeitrag von Frau Pothmer reagiert hat. Immer dann, wenn es darum ging, Ehegattensplitting abzuschaffen, hat Ihre Fraktion, Herr Plaue, zumindest im hinteren Teil der Reihen drastisch und dramatisch geklatscht. Herr Plaue, irgendwie haben Sie es wohl nicht im Griff.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Wenn Rita Pawelski noch hier wäre, hätte sie auch applaudiert!)

Es ist heute in der Debatte nicht klar geworden, ob das, was ich sage, nicht doch stimmt, nämlich dass das Konzept gegenwärtig im Finanzministerium lediglich in der Schublade verschwunden ist und Sie durchaus planen, es wieder aus der Schublade herauszuholen.

(Unruhe bei der SPD)

Deshalb, meine Damen und Herren, sollten wir der erstaunten Öffentlichkeit durchaus einmal die Gelegenheit geben, nunmehr die Nagelprobe zu machen. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion sofortige Abstimmung. Dann können Sie jetzt dokumentieren, dass Sie solche Pläne tatsächlich nicht hegen. Ich bin gespannt auf die Abstimmung.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Wir widersprechen!)

Das Wort hat Herr Kollege Möhrmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Bontjer hat hier unsere Position, die auch

durch einen entsprechenden Beschluss des Landtages dokumentiert wird, sehr deutlich dargelegt. Davon haben wir nichts zurückzunehmen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Dann können wir es ja beschließen!)

Eine Möglichkeit, den Antrag heute direkt abzulehnen, ist deshalb nicht möglich, weil das nicht dem entspricht, was wir hier im Landtag gefordert haben. Deswegen müssen wir ihn, um es vernünftig zu formulieren, in den Ausschuss verweisen. Ich beantrage das.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Plaue [SPD]: Wir wollen da- rüber gerne noch einmal mit Ihnen diskutieren! - Möllring [CDU]: Feig- linge!)

Die Sachlage ist in diesem Punkt insoweit ziemlich klar, als ich zunächst einmal die Entscheidung herbeiführen muss. Es war Rede und Gegenrede. Das bedeutet im Endergebnis, dass wir nach unserer Geschäftsordnung verfahren. Die sieht vor, dass die Ausschussüberweisung zu erfolgen hat, wenn 30 Mitglieder des Hauses die Ausschussüberweisung beantragen. Darum frage ich zunächst danach, ob die Ausschussüberweisung erfolgen soll. Ich bitte dafür um das Handzeichen.

(Möllring [CDU]: Feiglinge!)

Wer ist dagegen? - Das reicht aus. Die Ausschussüberweisung ist beschlossen worden.

(Möllring [CDU]: „Die Wahrheit vor der Wahl? - Das hätten Sie wohl ger- ne!“)

Meine Damen und Herren, bevor ich zum Sitzungsende komme, möchte ich Sie mit einem Schreiben der Firma Siemens vertraut machen, das heute bei unserem Landtagspräsidenten eingegangen ist.

(Oh! von allen Fraktionen)

Das könnte Sie nach dem Start, den wir am Mittwochmorgen hier gehabt haben, vielleicht etwas interessieren.

„Sehr geehrter Herr Prof. Wernstedt,