Protokoll der Sitzung vom 20.11.2002

Ich will versuchen, das an einigen Beispielen kurz deutlich zu machen:

Sie wollen 1 000 zusätzliche Polizeibeamte einstellen und verraten uns nicht, wie Sie diese bezahlen wollen. Sie wollen ein EDV-Netzwerk zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Von einem Trennungsgebot und von dem Sinn, den es vielleicht haben könnte, diese beiden Bereiche zu trennen, haben Sie offenbar bisher nichts gehört. Und die Erfahrungen, die wir in Deutschland mit der Kombination von Nachrichtendienst und Polizei auch schon einmal gemacht haben, haben Sie offenbar auch völlig vergessen.

(Biallas [CDU]: Das sind doch ganz andere rechtliche Voraussetzungen!)

Sie wollen dem Verfassungsschutz klassische Polizeiaufgaben zuweisen, nämlich die Vorfeldaufklärung bei der organisierten Kriminalität.

Sie haben blindes Vertrauen in die Technik. Sie setzen auf biometrische Gesichtsfelderkennung,

ein Verfahren, das erstens gar nicht funktioniert, zweitens sehr aufwändig ist und drittens Straftaten von erheblicher Bedeutung nicht verhindert. Mohamed Atta, um ein Beispiel zu nennen, hatte einen gültigen ägyptischen Pass und stand auf keiner einzigen Fahndungsliste. Da hilft Ihnen auch der Gesichtsfelderkenner am Flughafen nichts.

Sie wollen Ihre Dauerbrenner geschlossene Heimunterbringung für Kinder und Jugendliche, nachträgliche Sicherungsverwahrung - all das, was wir in den vergangenen Plenarsitzungen immer wieder diskutiert haben.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich weise noch einmal darauf hin - Sie merken das auch -, dass wir auch heute Probleme mit der Sprechanlage haben. Ich möchte Sie um etwas mehr Disziplin bitten, damit man Herrn Schröder auch folgen kann. Es ist jetzt leider nicht änderbar. - Vielleicht das Mikrofon ein wenig höher, Herr Kollege Schröder.

Ich probiere es noch einmal. Vielleicht ist es so besser.

Wir versuchen es noch einmal, und wir verhalten uns alle diszipliniert. Dann ist das, glaube ich, möglich.

Sie wollen offenbar die DNA-Analyse für Ladendiebe, Schwarzfahrer, Cannabiskonsumenten sowie Alkoholsünder und erwarten - geradezu hellseherische Fähigkeiten -, dass solche Menschen erhebliche Straftaten begehen werden. Ein teurer und im Ergebnis kontraproduktiven Datenmüll! Sie wollen Menschen abschieben bei Freiheitsstrafen von einem Jahr

(Schünemann [CDU]: Über einem Jahr!)

- über einem Jahr, also meinetwegen einem Jahr und einem Monat -, die vielleicht ihr ganzes Leben hier verbracht haben, deren Eltern schon hier gelebt haben, die ihre gesamte Familie hier haben.

(Möllring [CDU]: Die dürfen gar nicht abgeschoben werden! Reden Sie doch nicht solch einen Unsinn!)

Sie wollen Mitglieder islamistischer Vereinigungen abschieben ohne Rücksicht darauf, ob ihnen konkrete Gewalttaten nachgewiesen werden können. Was ist eigentlich, Herr Kollege Möllring, wenn diese Mitglieder nicht Ausländer, sondern Inländer sind? Schieben Sie die auch ab?

(Möllring [CDU]: Das geht doch gar nicht!)

Was ist eigentlich mit denen, die vielleicht islamistischen Überzeugungen anhängen, aber bisher in keiner Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten sind? Wollen Sie die auch abschieben? Wollen Sie eigentlich, Herr Möllring, diese Menschen auch in Länder abschieben, in denen ihnen Verfolgung und Folter drohen?

(Möllring [CDU]: Sie wissen doch, dass der Asylrecht hätte!)

Sie wollen außerdem im Bereich der Drogenpolitik die flächendeckende Ausgabe von Brechmitteln gegen Drogendealer - eine Maßnahme, die außerhalb von Osnabrück bis heute kein niedersächsischer Polizeipräsident vermisst hat, weder in Braunschweig noch in Lüneburg noch in Hannover oder in Oldenburg.

(Krumfuß [CDU]: Es wird Zeit, dass wir die flächendeckend haben!)

Sie wollen noch mehr Telefonüberwachungen in einem Land, das ohnehin im internationalen Vergleich in der Zahl und Häufigkeit von Telefonüberwachungen schon Spitze ist.

Im Polizeirecht, Herr Kollege Biallas, verharren Sie auf den Diskussionen der 80er-Jahre. Da geht es schon wieder - wie seit vielen Jahrzehnten - um das angebliche Fehlen des finalen Rettungsschusses im Polizeigesetz.

(Biallas [CDU]: Die rechtliche Rege- lung fehlt! Das ist so! – Glocke der Präsidentin)

- Es hat bisher keiner in Niedersachsen diese Regelung vermisst. Es gibt dazu eine ausreichende Rechtslage. - Sie wollen die Rückkehr zum überholten Ordnungsbegriff. Aber wenn man in der Ausschusssitzung fragt, ob Sie ein praktisches Beispiel wissen, wo der Ordnungsbegriff wirklich

gebraucht worden wäre, dann fällt Ihnen nichts ein. Da verweisen Sie auf Situationen und Tatbestände, die in Niedersachsen wirklich längst alle geregelt sind - eine Regelungsflut, die Sie bei anderer Gelegenheit immer wieder beklagen. Sie haben sich vielleicht - -

Herr Kollege Schröder, ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Ich habe mehrmals geläutet. Sie haben reichlich überzogen.

Vielleicht versucht Herr Schünemann, sich für den Sheriffstern zu qualifizieren. Aber sicherer wird dieses Land mit diesem Mischmasch, diesem Sammelsurium von „ollen Kamellen“ und von Sicherheitsfantasien weiß Gott nicht. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Jetzt hat Herr Minister Bartling das Wort.

Frau Präsidentin, ich wollte einen technischen Versuch machen - ich bitte um Nachsicht -, weil ich den Eindruck hatte, man müsse, wenn hier schon ein Ersatzmikrofon steht, in dieses sprechen. Das scheint aber falsch zu sein. Man muss in das alte, das kein Ersatzmikrofon ist, sprechen. Aber wir machen es selbstverständlich so, dass wir hörbar sind.

(Zurufe von der SPD: Höher!)

- Noch ein bisschen höher? Ja, gerne.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schünemann hatte angekündigt, er wolle es kurz machen. Das hat er leider nicht gemacht.

(Schünemann [CDU]: Tut mir Leid!)

Aber die Länge seiner Rede wird nur noch überboten von dem Unfug, den er erzählt hat.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Endlich wieder der alte Bartling!)

- Man muss ja zu seinen Ursprüngen zurückkommen. - Sie müssen mir irgendwann einmal erklären, warum Sie „Benchmarking“ mit „vom Besten lernen“ übersetzen. Das ist mir neu. Aber das bekommen wir wahrscheinlich noch geliefert.

Aber eines, Herr Schünemann, war nun das Allerschärfste: dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir müssen gesetzliche Grundlagen haben, damit die Polizei in die Lage versetzt werden kann, schon bevor der Verdacht auf eine Straftat vorhanden ist, damit sie da tätig werden kann. - Einen solchen Blödsinn habe ich in diesem Landtag noch nicht gehört.

(Beifall bei der SPD)

Haben Sie eigentlich schon einmal gehört, dass die Polizei auf der Grundlage des Gefahrenabwehrgesetzes arbeitet, um Gefahren abzuwehren? - Das ist Aufgabe der Polizei! Was Sie hier erzählt haben, ist Unfug. Lesen Sie das einmal im Protokoll nach! Das ist absoluter Unfug!

Nun sage ich Ihnen einige wenige Worte, meine Damen und Herren, damit ich den Anspruch, es kurz zu machen, wenigstens einigermaßen erfülle.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bitte um Nachsicht. Aber der Sparkassen- und Giroverband wartet, Frau Präsidentin. Deswegen muss ich zum Ende kommen.

(Zustimmung bei der SPD - Biallas [CDU]: Das ist kein Argument!)

Meine Damen und Herren, nur einige wenige Argumente zur Leistungsfähigkeit unserer Polizei:

Durchführung des größten CASTOR-Transports mit Erfolg, Durchführung der EXPO, Großveranstaltungen, Aufklärungsquote - Herr Adam hat es gesagt - seit vielen Jahren weit über 50 %. Die Katastrophenschutzkräfte in Niedersachsen und die Katastrophenschutzorganisationen haben in Eschede und zuletzt an der Elbe bewiesen, dass sie in der Lage sind, ihren Auftrag schnell, zuverlässig und erfolgreich durchzuführen. Der Verfassungsschutz des Landes hat anerkanntermaßen großen Erfolg bei der Bekämpfung z. B. des Rechtsextremismus.

Allein die CDU redet dies schlecht, meine Damen und Herren, und macht die Erfolge mies.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin nicht in der Lage, solch schöne medizinischen Erklärungen zu geben wie Herr Schröder. Ich sage nur: Es passt nun einmal nicht in Ihr ideologisches Weltbild, dass eine SPD-geführte Landesregierung bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit so erfolgreich sein kann.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Wir hören aus der Polizei anderes, Herr Minister!)