Wenn Sie der CDU eine Blockadehaltung zur Zuwanderungspolitik vorhalten, meine liebe Kollegin von den Grünen, so muss ich diesmal die CDU in Schutz nehmen; denn das Gesetz liegt vor dem Bundesverfassungsgericht. Da kann die CDU nichts blockieren. Es hängt von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab, ob das Zuwanderungsgesetz so in Kraft treten kann oder ob es eventuell noch einmal beraten werden muss. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass es so in Kraft treten kann. Das sollte man möglichst auch argumentativ unterstützen, wenn man auf die Damen und Herren Richter des Zweiten Senats Einfluss hat.
Meine Damen und Herren, ich bin der SPDFraktion sehr dankbar für die Unterstützung der Initiative der Landesregierung, die Zuwanderung auf die wirklich Berechtigten zu begrenzen. Mit unserer Initiative ist vorgesehen, künftig nur noch diejenigen als Spätaussiedlerinnen oder Spätaussiedler aufzunehmen, die individuell glaubhaft machen, dass sie aufgrund der deutschen Volkszugehörigkeit Benachteiligungen erfahren.
Meine Damen und Herren, es geht darum, Fehlentwicklungen nachhaltig zu korrigieren. Bei der mit jährlich rund 100 000 Personen größten Zuwanderungsgruppe ist ein deutliches Auseinanderklaffen zwischen Rechtssetzung und Rechtswirklichkeit festzustellen. Die derzeit geltende breite Generalvermutung eines fortwirkenden Kriegsfolgenschicksals für Antragsteller aus der ehemaligen UdSSR trifft 57 Jahre nach Kriegsende nicht mehr zu. Deutsche Volkszugehörige in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR sind der Inlandsbevölkerung spätestens seit der Demokratisierung rechtlich gleichgestellt. Es gibt nach Aussagen von Fachleuten, die wir u. a. im niedersächsischen Innenministerium angehört haben, weder berufliche noch kulturelle Nachteile. Darüber hinaus ist auf gesetzlicher Grundlage ein zusätzlicher Prozess der individuellen Rehabilitierung der Deportationsopfer, ihrer Ehegatten und Kinder in die Wege geleitet worden.
Ein Festhalten an der Vermutung ist auch außenpolitisch fragwürdig. Am 12. und 13. Dezember 2002 werden auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen die Weichen für die EU-Osterweiterung gestellt. Zu den Kandidaten der ersten Reihe gehören die baltischen Staaten. Ihr Beitritt führt sie in die euro
päische Wertegemeinschaft. Dazu würde es in krassem Widerspruch stehen, wenn das deutsche Vertriebenengesetz unterstellte, es gäbe in diesen Staaten für die dort lebenden deutschen Volkszugehörigen aktuell noch immer andauernde Kriegsfolgenbenachteiligungen.
Hinzu kommt, meine Damen und Herren, dass der Anteil deutscher Spätaussiedler immer kleiner wird, hingegen der Anteil nichtdeutscher Angehöriger immer größer. Der Anteil nichtdeutscher Angehöriger beträgt inzwischen fast vier Fünftel. Eine solche Entwicklung war bei der 1993 neu in das Gesetz eingefügten Kategorie Spätaussiedler nicht gewollt.
Meine Damen und Herren, angesichts der geänderten Verhältnisse in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR ist eine Neuausrichtung der Aufnahmevoraussetzungen für Antragsteller aus diesen Staaten zwingend. Die Initiative der Landesregierung mit dem Zuzugsmodell der individuellen Glaubhaftmachung von Benachteiligungen nimmt die eingetretenen Veränderungen auf. Dies hat nichts mit Ausgrenzung zu tun. Das vorgeschlagene Modell ermöglicht bei kriegsfolgenbedingten Einzelschicksalen nach wie vor eine im Vergleich zu anderen Zuwanderungsgruppen bevorzugte Einreise nach Deutschland. Liegen solche Benachteiligungen aber nicht vor, dann ist es auch nur folgerichtig, den Zuzug über eine für alle geltende Arbeitsmigration zu steuern.
Das neue Zuzugsmodell dient zudem der Gleichbehandlung aller Spätaussiedler. Bereits seit 1993 - ich erinnere nur an die Regierungen unter dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl - müssen Antragsteller aus anderen Aussiedlungsgebieten - es handelt sich im Wesentlichen um ost- und mitteleuropäische Staaten wie z. B. Polen und Rumänien - ein solches Kriegsfolgenschicksal individuell belegen.
Meine Damen und Herren, Zuzug und Integration sind zwei Seiten einer Medaille. Die Entwicklung bei der Eingliederung während der letzten zehn Jahre ist bekannt - trotz zweistelliger Milliardenaufwendungen von Bund, Ländern und Kommunen.
Die im Ausschuss für innere Verwaltung durchgeführte Anhörung hat deutlich gemacht, dass nur eine Reduzierung des Zuzuges unsere Kommunen in die Lage versetzt, die Eingliederung der Neuankömmlinge vor Ort unter Wahrung der Chancen
Diesbezüglich sind die von Ihnen, Herr Coenen, genannten Beispiele aus dem Landkreis Osnabrück und aus dem Emsland - ich habe mir das dort angeschaut -, eben nicht zutreffend, weil dort aufgrund der Begrenzung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, die Aufnahme in der ersten Hälfte der 90er-Jahre erfolgte, sodass sich die Integrationsbemühungen jetzt natürlich erfolgreicher darstellen als bei dem Personenkreis, der heute zu uns kommt. Ich sage es noch einmal: Der Personenkreis, der heute zu uns kommt, ist ein ganz anderer als der, der bis Mitte der 90er-Jahre gekommen ist. Der Anteil der mitreisenden Familienangehörigen beträgt heute 80 % - ein wesentlicher Strukturwandel in der Zusammensetzung der zu uns Kommenden.
Deutschland, meine Damen und Herren, hat bisher weit über 4 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler einschließlich ihrer Angehörigen aufgenommen. Allein aus den Nachfolgestaaten der UdSSR kamen 2,3 Millionen zu uns. Schon diese Größenordnung zeigt, meine Damen und Herren, dass diejenigen, die wegen Benachteiligung aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit ausreisen wollten, dies weitgehend auch getan haben. Seit einiger Zeit - das wissen alle - kommen Menschen zu uns, deren Ausreisemotiv vornehmlich die schlechte ökonomische Lage in den Herkunftsländern ist. Die Ausreise führt nicht nur zu den geschilderten Problemen bei uns, sie hat auch fatale Folgen für den wirtschaftlichen Aufbau in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR. Dringend benötigte und für die Region gut ausgebildete Fachkräfte werden dem dortigen Arbeitsmarkt entzogen.
Lassen Sie mich abschließend bitte eines festhalten: Wenn wir keine gesetzliche Änderung herbeiführen, wird die Ausreise nach Deutschland unvermindert anhalten, weil die Hoffnung auf einen besseren Lebensstandard besteht. In den Hauptherkunftsstaaten Russische Föderation und Kasachstan ist von weiteren rund 1,2 Millionen deutschen Volkszugehörigen auszugehen.
Die Hoffnung auf einen besseren Lebensstandard haben vor allem die Älteren. Die Jüngeren folgen häufig unwillig. Der hier angelegte Konflikt in den Aussiedlerfamilien ist eine der entscheidenden Ursachen für die schwierige Integration der Jünge
Meine Damen und Herren, SPD-Fraktion und Landesregierung haben aus den vorliegenden Erkenntnissen ihre Schlüsse gezogen. Die von der Landesregierung in den Bundesrat eingebrachte Initiative zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes schafft stabile Zuwanderungsvoraussetzungen. Sie führt zu verlässlichen Rahmenbedingungen sowohl für die zuwandernden Menschen als auch für die aufnehmende Gesellschaft.
Ich habe bereits intensive Gespräche mit meinen Ministerkollegen auch aus den CDU-geführten Ländern über den von niemandem ernsthaft bestrittenen Handlungsdruck geführt, um die Initiative im Bundesrat letztlich erfolgreich abzuschließen. Wann wir das machen sollten, wird auch davon abhängen, meine Damen und Herren, wann das Bundesverfassungsgericht über das Zuwanderungsgesetz entscheidet. Ich bin natürlich auch nicht so blauäugig zu glauben, dass, wenn das Zuwanderungsgesetz scheitern sollte und dann eine Diskussion darüber läuft, die Möglichkeit bestünde, etwas sachgerecht so zu entscheiden, wie ich es für richtig hielte. Deswegen habe ich die Hoffnung, dass das Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt. Ich bin überzeugt, dass dann auch die Kollegen aus den Ländern, die von der CDU geführt werden, diesen vernünftigen Vorschlägen folgen. Unter vier Augen wird einem in der Regel gesagt, es sei eine vernünftige Initiative; auf dem offenen Markt sieht das nicht ganz so aus. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich darf Sie nun bitten, über die Empfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung abzustimmen. Wer dieser Ausschussempfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit.
Tagesordnungspunkt 26: Einzige (abschließende) Beratung: Die Verlässliche Grundschule nachbessern Vom Betreuungsmodell zu einem integrierten Bildungsangebot - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2519 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses Drs. 14/3845
Dieser Antrag wurde zur Beratung und Berichterstattung an den Kultusausschuss überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass ich gleich die Beratung eröffnen kann. Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Litfin gemeldet. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konnten es heute Morgen alle hören: Die Evaluation der Elternzufriedenheit mit dem Modell Verlässliche Grundschule ist wahrscheinlich im Rahmen von Verwaltungsreform dem Landeselternrat überlassen worden. Der Landeselternrat hat recherchiert und tatsächlich herausbekommen, dass 61 % der Eltern weitgehend zufrieden sind, was uns aber auch nicht wundert. Denn es ist ja schon ein familienpolitisch zu bewertender Vorteil für Eltern, wenn sie sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder zu festen Zeiten in der Schule sind. Ich meine, das ist in diesem Hause unstrittig. Wir alle wollen, dass sich Eltern auf diese Zeiten verlassen können, aber im Gegensatz zur Kultusministerin bzw. zur Landesregierung wollen wir Grüne weiterhin - ich hoffe, dass das auch die CDU will -, dass die Zeit für die Kinder genutzt wird, und zwar als Bildungszeit. An dieser Stelle hat die Evaluation des Landeselternrates sehr negative Ergebnisse gebracht.
Wir müssten uns nach den PISA-Ergebnissen darüber einig sein, vor allen Dingen im Grundschulbereich sehr viel mehr Wert darauf zu legen, dass die Zeit, die die Kinder in den Schulen verbringen, tatsächlich Bildungszeit für sie ist. An dieser Stelle, Kollege Meinhold, versagt die Verlässliche Grundschule, denn der Wunsch der Eltern nach Förderung ihrer Kinder wird nach Auffassung der Eltern und auch nach Auffassung meiner Fraktion nicht erfüllt.
In diesem Bereich besteht große Unzufriedenheit, insbesondere in dem Bereich, in dem viele Kinder sehr viel Förderbedarf haben, nämlich bei den Grundschulen, die mit sonderpädagogischer Grundversorgung arbeiten. Dort ist der Unwille, der Unmut der Eltern besonders riesig.
Die Eltern haben gesagt, sie hätten den Eindruck, dass dort Förderunterricht so gut wie gar nicht stattfindet. Der Landeselternrat hat evaluiert. Die Ministerin war heute Morgen nicht in der Lage, uns Auskunft über die Erkenntnisse der Landesregierung zum Förderunterricht an den Verlässlichen Grundschulen und zur Situation der Verlässlichen Grundschulen überhaupt zu geben. Die Ministerin hat keine eigenen Recherchen angestellt; sie muss sich darauf verlassen, was andere, hier etwa die Eltern, ihr erzählen. Sie hat sich auch nicht darauf vorbereitet, dass wir ein Riesenproblem bekommen werden, wenn das restliche Drittel der Grundschulen verlässlich wird. Schon jetzt sagen 65 % der Eltern, dass sie große Schwierigkeiten hatten, Vertretungslehrkräfte für ihre Schulen zu finden. Diese Schwierigkeiten werden sich potenzieren, insbesondere in den ländlichen Bereichen, wo wir keine Lehrerausbildungsstätten haben und wo nur wenig pensionierte Lehrkräfte bereit und in der Lage sein werden, Vertretungsunterricht an den Verlässlichen Grundschulen zu geben.
Es ist keine Frage, wir alle werden miteinander nicht in der Lage sein, das wirklich sehr gute Modell von der Vollen Halbtagsgrundschule für alle Grundschulen umzusetzen. Darum geht es auch nicht. Indem ich das sage, möchte ich der immer wieder geäußerten Kritik der Regierung an uns vorbeugen. Es geht darum, das jetzige Modell dringend zu verbessern. Insbesondere müssen wir dafür sorgen, dass der Förderunterricht in die Garantie der 100-prozentigen Unterrichtsversorgung aufgenommen wird. Wir müssen auch dafür sorgen, dass den Schulen, deren Einzugsbereich in einem sehr schwierigen sozialen Umfeld liegt, mehr Ressourcen für die Förderung der benachteiligten Kinder zur Verfügung gestellt werden, weil wir alle diese Kinder und ihre Begabungen brauchen werden, wenn wir in der Zukunft als Gesellschaft gut weiter bestehen wollen.
unserem Antrag wenigstens in Teilen zuzustimmen. Ich sehe das als Lernunfähigkeit an. Das kann man sich im schulpolitischen Bereich nicht leisten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben das Thema Verlässliche Grundschule heute Morgen schon reichlich beleuchtet, sodass wir das Thema jetzt nicht mehr heiß reden müssen. Wir sollten aber vielleicht noch einige Dinge miteinander austauschen.
Ich bin der Auffassung, dass wir eingedenk der PISA-Mitteilung, wonach Niedersachsen PISAVerlierer ist, uns schon Gedanken darüber machen müssen, wie wir in den Kindergärten und in den Grundschulen in Niedersachsen weiterkommen. Ich fand kürzlich einen ganz interessanten Artikel im Spiegel. Nicht nur für Niedersachsen, sondern generell wurde dort die Auffassung vertreten:
„Obwohl an der Grundschule die Fundamente für spätere Lebenswege gelegt werden, ist sie das Kellerkind des Bildungswesens.“
Man rechnete uns vor, dass wir im Vergleich mit dem OECD-Schnitt in Deutschland viel zu wenig für Schule, auch für Grundschule, ausgeben. Ich glaube, nur 4 000 Euro im Durchschnitt. Ich kenne nicht einmal die aktuelle niedersächsische Zahl; im Zweifel liegen wir auch hier wieder unter dem Bundesdurchschnitt.
Frau Litfin, im Wesentlichen teile ich durchaus die Grundgedanken Ihres Antrages. Wir werden zwar nicht zustimmen, aber unsere Vorstellungen zielen auch in diese Richtung. Wir kommen nicht zusammen, weil wir einen etwas anderen gesamtkonzeptionellen Ansatz haben. Ich meine, diese Verlässliche Grundschule ist so strukturiert, dass nicht irgendwelche Symptome gesund kuriert werden können. Wir müssen ein neues Konzept für die Grundschule entwickeln, vor allem wenn wir die Kindertagesstätten mit einbeziehen.
Das Sozialministerium ist für die Kindertagesstätten zuständig, das Kultusministerium natürlich für die Grundschulen. Mir erscheint die Gewichtung der Ziele nicht richtig. Es wird zu stark auf Betreuung und zu wenig auf Bildung und auf Unterricht gesetzt.
Das ist der entscheidende Unterschied, der uns trennt. Wenn Sie meinen, die Grundschule wäre vornehmlich eine Betreuungseinrichtung,
könnte ich Ihnen sogar gewisse Erfolge attestieren. Falls wir uns aber, hoffentlich miteinander, darin einig sind, dass die Grundschule eine Einrichtung vornehmlich für Unterricht ist,