Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

- Uwe, du warst doch derjenige, der gleich gesagt hat, dass es überhaupt keinen Sinn macht, diesen Gesetzentwurf zu beraten. Das kam doch ausgerechnet von dir!

(Schwarz [SPD]: Ich habe darauf hin- gewiesen, dass wir Tag und Nacht ta- gen können! - Zurufe von der CDU)

Ich kann dich im Übrigen auch sehr gut verstehen. Wenn ich so wie du anderthalb Jahre lang an der Nase herumgeführt worden wäre, dann würde ich auch keine Nachtsitzung einlegen, um die Versäumnisse der Landesregierung zu korrigieren. Ich habe Verständnis für dich.

(Beifall bei der CDU)

Es ist notwendig, die Verbände der Betroffenen zu diesem Gesetzentwurf anzuhören, weil dieser Gesetzentwurf - anders als in dem Prozess auf Bundesebene - nicht mit den Betroffenen erarbeitet worden ist. Das muss in einem parlamentarischen Prozess deutlich korrigiert werden. Der lässt sich jetzt aber nicht mehr seriös organisieren. Das ist im Übrigen von der SPD-Fraktion in der letzten Ausschusssitzung so beschlossen worden.

Der Gesetzentwurf ist - ob es uns gefällt oder nicht - extrem verbesserungsbedürftig. So, wie er jetzt ist, darf er keinesfalls zur Richtschnur der übrigen Ländergesetze werden. Das möchte ich ganz deutlich sagen. Insofern ist es vielleicht auch in Ordnung, dass es sich hier um eine Last-Minute-Aktion handelt, bei der es gar nicht ernsthaft darum geht, die Lebenssituation von behinderten Menschen tatsächlich zu verbessern. Das ist doch nichts anderes als eine Wahlkampfinszenierung. Es wurde hier bereits gesagt, dass meine Fraktion vor anderthalb Jahren den Gesetzentwurf des Landesbehindertenbeauftragten eingebracht hat. Zu diesem Gesetzentwurf haben wir eine umfangreiche Anhörung durchgeführt. Dieser Gesetzentwurf hat in vielen Feldern eine breite Zustimmung gefunden. Natürlich gab es auch Kritik und Veränderungsvorschläge. Auf der Grundlage der Vorschläge im Ausschuss und des vorliegenden Gesetzentwurfs wäre eine produktive und seriöse Beratung sinnvoll und möglich gewesen. Aber leider hat die SPD-Fraktion die weiteren Ausschussberatungen anderthalb Jahre lang blockiert.

(Bachmann [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Herr Schwarz, Sie haben darauf gesetzt, dass Ihr Entschließungsantrag, in dem Sie selbst die Landesregierung aufgefordert haben, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, Wirkung zeigt. Sie haben versucht - ich finde, das gereicht Ihnen wirklich nur zur Ehre -, diese Landesregierung zum Jagen zu tragen. Sie konnten auch nicht ahnen, dass Sie sich dabei verheben. Sie haben sich dabei aber leider verhoben. Die Ministerin hat Ihnen die kalte Schulter gezeigt.

(Möhrmann [SPD]: Was? Die Minis- terin hat gar keine kalte Schulter!)

Ganz offensichtlich mangelt es dieser Ministerin völlig an Ehrgeiz, wenn es darum geht, die Lebenssituation behinderter Menschen zu verbessern. Frau Ministerin, wenn Sie sagen, das sei für Sie ein Herzensanliegen, dann frage ich Sie: Warum haben Sie aus Ihrem Herzen so lange eine Mördergrube gemacht? - Es gab überhaupt keinen Grund, so lange zu warten, bis das Bundesgesetz verabschiedet worden ist. In dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion stand ausdrücklich, dass Sie nach dem Entwurf ein eigenes Gesetz vorlegen sollen. Das ist nicht passiert. Aber Ihr Vorgehen ist nicht nur ein Affront gegenüber der SPD-Fraktion

- deswegen kann ich auch die Blockade von Herrn Schwarz verstehen -;

(Groth [SPD]: Das kann man so nicht sagen!)

Ihre Ignoranz ist auch ein Affront gegenüber dem Landesbehindertenbeauftragten. Herr Finke hat schon im Jahr 2000 einen Gesetzentwurf vorgelegt, weil er die Debatte forcieren wollte. Das war auch richtig und notwendig. Karl-Heinz Mühe hat den vorgelegten Gesetzentwurf dann, als wir bei der Einbringung diskutiert haben, pflichtgemäß gelobt und gesagt, er sei eine hervorragende Arbeitsgrundlage. Aber der Behindertenbeauftragte hat natürlich sofort wieder eins gegen das Schienbein getreten bekommen, als es darum ging, diesen Gesetzentwurf tatsächlich zu beraten.

(Frau Leuschner [SPD]: Das würde Karl nie machen!)

Da war er plötzlich aus der Sicht der SPD-Fraktion völlig untauglich. Herr Finke, ich habe jedenfalls den Eindruck, dass es verdammt einsam um Sie wird, wenn es über Sonntagsreden hinaus geht und wenn es tatsächlich darum geht, die Situation von Behinderten zu verbessern.

(Frau Leuschner [SPD]: Karl Finke ist nicht einsam!)

Auch für den Behindertenbeauftragten ist diese SPD-Alleinregierung kein Zuckerschlecken. Ich finde, das sollten wir ab dem 2. Februar schlicht ändern. - Ich danke euch.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Kollege Mühe um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Pothmer, ich meine, es war klug, richtig und vernünftig, darauf zu warten, dass der Bundesgesetzgeber seinen Gesetzentwurf auf den Tisch legt, und dass wir dann reagiert haben.

(Beifall bei der SPD)

Das war der einzig vernünftige und richtige Weg, da wir feststellen mussten, dass das Gesetz des

Bundes eine ganze Reihe von Regelungen getroffen hat, die wir dann in Landesgesetzen nicht mehr treffen mussten.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Uwe Schwarz war aber anderer Auffas- sung!)

Insofern war ein Rahmen gegeben. Außerdem möchte ich Sie höflich darauf hinweisen, dass das Forum behinderter Juristinnen und Juristen sowohl für den Bundesentwurf als auch für die Landesgesetze eine Vorgabe - so etwas wie einen Mustergesetzentwurf - gemacht hat. An diesem Musterentwurf des Forums der behinderten Juristinnen und Juristen hat sich das Land Niedersachsen orientiert.

(Frau Jahns [CDU]: Eben nicht!)

Unser Entwurf ist sehr dicht an dem Entwurf des Forums orientiert und insofern richtig.

Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung, geführt von der SPD, wird ihre intensive Arbeit zugunsten von behinderten Menschen in Niedersachsen fortsetzen. Wir haben das mit der Arbeit von Walter Hiller Anfang der 90er-Jahre hervorragend begonnen. Wir haben das mit Wolf Weber, Heidi Merk und Frau Dr. Trauernicht gut fortgesetzt.

(Zurufe von der CDU)

Es gibt richtige Meilensteine. Schauen Sie sich an, wie sich z. B. die gesamte Arbeit in den Behindertenwerkstätten positiv entwickelt hat. Das war im Wesentlichen das Werk von Walter Hiller. Das hat sich mit den Integrationsgruppen in Kindergärten und Schulen und mit der Verbesserung der Ausbildung der Frauen und Männer, die in diesen Bereichen arbeiten, fortgesetzt. Nein, uns hier Vorwürfe zu machen, ist überflüssig.

Im Übrigen müssen wir deutlich machen, meine Damen und Herren, verehrte Frau Jahns, dass man eines nicht machen kann: selbst keine Vorschläge machen, selbst keinen eigenen Gesetzentwurf einbringen, selbst keine Vorschläge zur Finanzierung machen, aber mehr und mehr und mehr fordern und gleichzeitig den Kommunen mehr Geld zur Verfügung stellen wollen, damit sie diese Aufgaben wahrnehmen können.

(Frau Jahns [CDU]: Ich habe eine Lö- sung gefordert und eine Regelung!)

Das ist die typische Geschichte, die wir seit Monaten hier in diesem Hause erleben: fordern, fordern, fordern - höher, weiter, besser, mehr.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn es darum geht, das Geld zur Verfügung zu stellen, dann kommt bei Ihnen nur heiße Luft und gibt es keine Angebote zur Deckung.

(Frau Jahns [CDU]: Sie wollen Auf- gaben übertragen, ohne die Finanzie- rung zu sichern!)

Der Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze ist sehr wichtig. Er ist wichtig für die behinderten Menschen in Niedersachsen, weil ihr Status, ihre Gleichstellung und ihr Zusammenleben mit der Gesamtgesellschaft dadurch besser geregelt werden. Er ist aber auch für die Menschen ohne Behinderungen wichtig, die Hinweise bekommen, wie sie in positiver Art und Weise das Miteinander und das Zusammenleben ausweiten und besser als bisher gestalten können.

Die Landesregierung hat den vom Landtag verabschiedeten Entschließungsantrag „Zukunftsweisende Behindertenpolitik gemeinsam gestalten“ aus dem letzten Jahr mit der Vorlage des Gesetzentwurfes umgesetzt. Gleich nach Vorlage des Bundesgesetzentwurfs gab es eine Arbeitsgruppe. Orientiert an den Vorschlägen des Forums behinderter Juristinnen und Juristen wurde, wie bereits gesagt, ein Gesetzentwurf erarbeitet, der nun vorliegt. Ich gehe davon aus - Herr Schwarz hat es deutlich gemacht -, dass genügend Termine angeboten worden sind, um im Januar darüber zu beraten. Aber völlig unabhängig davon wird dieser Gesetzentwurf im März oder April 2003 wieder das Licht der Beratungen im Plenum des Niedersächsischen Landtages erreichen.

(Frau Schliepack [CDU]: Das kennen wir schon vom Kindergartengesetz!)

Es wird wieder eine SPD-Fraktion geben, es wird wieder eine CDU-Fraktion

(Schünemann [CDU]: Da haben Sie Recht!)

und vielleicht eine Fraktion der Grünen geben. Mit der FDP rechne ich nicht. In jedem Fall wird es Kräfte geben, die stark genug sind, diesen Gesetzentwurf zu beraten und zu Ende zu führen. Insofern habe ich überhaupt keine Furcht. Ich denke,

die Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen sehen das genauso. 2003 wird es ein Gesetz geben, das ihre Ansprüche in Bezug auf die Gleichstellung regeln wird.

Meine Damen und Herren, das ist in der Tat eines der ersten Gesetze auf der Ebene der Bundesländer. Wir können stolz darauf sein, ein eigenes Landesbehindertengleichstellungsgesetz vorgelegt zu haben. Die Kritik der Grünen, Frau Pothmer, ist für uns nicht nachvollziehbar. - Sie hört wieder nicht zu. - Wir haben Recht daran getan, uns von Ihrem Gesetzentwurf zu distanzieren, weil er schlicht und einfach nicht bezahlbar war. Das, was Sie vorgelegt haben und was auch Herr Finke vorgelegt hat, war sicherlich eine gute Arbeitsgrundlage, aber es war in vielen Punkten nicht bezahlbar. Wir können hier nicht ständig Gesetze machen, die letztlich von den Kommunen und den öffentlichen Verwaltungen finanziert werden müssen. Das verlangen Sie ja auch immer.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich will als Beispiel die Berufung hauptamtlicher Behindertenbeauftragter durch die Kommunen nennen, die für die Kommunen eine schwere Last gewesen wäre. Nein, meine Damen und Herren, es war vernünftig zu warten.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht als Geltungsbereich alle Träger der öffentlichen Verwaltungen vor.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Diese Träger öffentlicher Verwaltungen dürfen behinderte Menschen nicht benachteiligen. Neben dem Benachteiligungsverbot ist es Ziel des Gesetzes, die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei sind insbesondere auch Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen dringend erforderlich. Wir sind uns da einig.

Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten öffentlicher Träger müssen in Zukunft barrierefrei gestaltet werden. Ich will auch darauf hinweisen, dass durch die Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung bereits Barrierefreiheit für zukünftige Baumaßnahmen vorgeschrieben ist, die weit über die Bauten öffentlicher Träger hinausgeht. Auch im Geschosswohnungsbau wird zukünftig in den allermeisten Fällen der barriere

freie Zugang Realität werden. Zusätzlich wird es aufgrund der Vorschriften zur Schaffung barrierefreier und rollstuhlgerechter Wohnungen in Zukunft einen höheren Anteil an entsprechenden Wohnungen geben.