Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem mein Kollege Stratmann vom Kollegen Schröder nun zur strafbaren Schwarzmalerei aufgefordert wurde,

(Frau Hansen [CDU]: Goldmalerei!)

gestatten Sie mir noch eine kurze Bemerkung zu dem Thema. Eines ist am Redebeitrag des Kollegen Stratmann zutreffend: Wir haben es immer und immer und immer wieder diskutiert. Ich habe auch deshalb Ihren Redebeitrag mit Interesse zur Kennt

nis genommen, weil er gut gemeint, aber doch sehr wirkungslos ist, da Sie einen Dissens herbeireden, der gar nicht existiert. Wir sind uns hundertprozentig einig, dass Sprayaktionen handfeste Folgen haben sollen. Die finanziellen Lasten, die Eigentümer von Häusern und Garagen als Folge von Farbschmierereien zu tragen haben, sind unerträglich. Da sind wir überhaupt nicht auseinander. Dieser Dissens besteht nicht.

Auseinander sind wir allerdings bei Ihren taktischen Wahlkampfspielchen; das ist in der Tat richtig. Wenn ich die Metapher des Schmierentheaters benutzt habe, dann deshalb, weil Ihre Vorgehensweise nicht ganz seriös ist. Ihre Äußerungen führen zu Irritationen in der Bevölkerung und immer wieder zu dem Gerücht, dass Graffiti nicht strafbar sei. Wenn es der Sache hilft, sage ich es gern dreimal: Graffiti ist strafbar, Graffiti ist strafbar, Graffiti ist strafbar. Die behauptete Strafbarkeitslücke entspricht dem Wunschdenken der CDU, um die Bevölkerung zu verunsichern.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn es überhaupt noch irgendeinen gesetzgeberischen Regelungsbedarf gibt, kann es nur um eine Klarstellung gehen, damit die sachgerechte Auslegung des so genannten Beschädigungsmerkmals stets zu sachgerechten Ergebnissen führt. Dabei kann und muss es darum gehen, eine Formulierung zu finden, durch die die sozial akzeptierten Fälle, wie z. B. Lippenstift am Spiegel, Kreidemalerei oder auch Anbringen eines Flohmarktplakates mit Tesafilm an einem Stromkasten durch Jugendliche, von der strafrechtlichen Verfolgung ausgenommen werden. Dies ist in der Tat ein schwieriger Prozess. Im Rechtsausschuss haben wir fraktionsübergreifend gemeinsam versucht, eine geeignete Formulierung zu finden.

Es ist daher auch unredlich, uns oder der Landesregierung in diesem Bereich Untätigkeit vorzuwerfen. Niedersachsen hat den entsprechenden Bundesratsinitiativen stets zugestimmt und sich immer für eine sachgerechte Änderung der einschlägigen Straftatbestände eingesetzt. Eine entsprechende von Niedersachsen unterstützte Initiative BadenWürttembergs ist erst vor kurzem im Bund dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer gefallen.

Nach den politischen Gepflogenheiten im Bundesrat hat Baden-Württemberg das Recht, darüber zu entscheiden, ob die Gesetzesinitiative wieder aufgenommen werden soll. Von diesem Recht hat das

Kabinett in Baden-Württemberg - es wundert mich, dass ich über eine CDU-Landesregierung besser informiert bin als Sie - vor zwei Tagen Gebrauch gemacht. Es gibt daher bereits wieder eine Initiative im Bundesrat, die Niedersachsen selbstverständlich unterstützen wird.

Der Grund, warum wir Vertagung beantragt haben, war, dass wir erst die Entwicklungen in Berlin abwarten wollten. Ihren Entschließungsantrag brauchen wir jedenfalls nicht.

Wenn Sie wieder einmal von aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern angesprochen werden, dann zitieren Sie aus dem Strafrechtskommentar Tröndle/Fischer, in dem es heißt: „Bei sachgerechter Auslegung des Beschädigungsmerkmals besteht die immer wieder behauptete Strafbarkeitslücke nicht.“

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von mir aus können Sie auch gern noch ergänzen, dass sich die SPD in Niedersachsen zusammen mit der CDU in Baden-Württemberg darum bemüht, den Gerichten die sachgerechte Auslegung des Beschädigungsmerkmals weiter zu vereinfachen.

Kurze Rede, kurzer Sinn: Das, was Sie heute fordern, wird am 20. Dezember im Bundesrat behandelt, selbstverständlich mit Unterstützung des Landes Niedersachsen. Deshalb ist Ihr Antrag in der hier vorliegenden Fassung schlicht und einfach ein toter Fisch. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Justizminister Professor Pfeiffer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz kurz will ich noch einmal das Wort ergreifen, obwohl ich mich in der Sache ganz und gar dem anschließe, was Frau Bockmann vorgetragen hat. In der Tat hat Baden-Württemberg diesen Antrag am letzten Dienstag erneuert. Ich selber werde am 20. Dezember im Bundesrat sprechen und gemeinsam mit Hessen und anderen Bundesländern diesen Antrag unterstützen.

Ich habe das Wort aber wegen eines anderen Punktes ergriffen. Sie werfen der Bundesregierung

eine Verweigerungshaltung in dieser Sache vor. Da will ich doch noch einmal zitieren, was sie zu dem in der letzten Legislaturperiode aus Zeitgründen nicht mehr beschlossenen Gesetzentwurf gesagt hat. Es heißt in der Stellungnahme der Bundesregierung, dass aus strafrechtlicher Sicht der Begriff der nicht unerheblichen Veränderung des Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers oder sonst Berechtigten keinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Die Bundesregierung hat sich von daher der Initiative Baden-Württembergs angeschlossen. Also ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass es über fast alle Parteien hinweg eine Einigung geben wird und dass wir dieses Gesetz demnächst bekommen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Stratmann, noch einmal für zwei Minuten! Nein, Sie haben noch neun Minuten.

So viel brauche ich nicht, Herr Präsident. Ich komme mit weniger aus.

Wenn das alles so ist, was ich ja gut finde - Sie begründen, dass Sie jetzt endlich in diese Richtung gehen wollen -, dann verstehe ich nicht, Herr Minister, wieso sind Sie dann mit unserem Ursprungsantrag so umgegangen, wie Sie mit ihm umgegangen sind? Wieso haben Sie ihn vertagt? Das spricht eben dafür, dass Ihnen die Diskussion, die wir jetzt hier im Plenum wieder führen, außerordentlich unangenehm war und auch jetzt offensichtlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ja der Grund, warum wir einen neuen Antrag gestellt haben. Wir brauchten eine erste Beratung, um überhaupt noch einmal zu dem Thema reden zu können. Das hätten Sie sich alles ersparen können, wenn Sie mit uns gemeinsam im Rechtsausschuss gesagt hätten: Wir stimmen dem zu, wir machen da mit, wir sehen Handlungsbedarf. - Dann hätten wir dieses Thema heute ganz anders behandelt, als es jetzt der Fall ist. Das haben Sie aber nicht getan. Ihre Kollegen aus der SPD-Fraktion haben gesagt: Wir vertagen das lieber, wir wollen in dieser Legislaturperiode nicht mehr über das Thema sprechen. - Das gehört auch zur Entstehungsgeschichte und dazu, dass ich hier ein zweites Mal stehe.

Ich will eine letzte Bemerkung machen. Frau Bockmann, ich habe nie behauptet, dass Graffitischmierereien nicht schon nach dem jetzigen Recht - §§ 303, 304 StGB - strafbar wären. Die Frage ist aber: Wo fängt die Strafbarkeit an? Kollege Schröder ist darauf eingegangen.

Da wir uns und sich insbesondere auch die Richter hier in einer Grauzone bewegen, die Richter also quasi mal so und mal so entscheiden können, haben wir doch alle gesagt: Wir möchten das gerne etwas klarer im Gesetz formulieren, damit diejenigen, die solche Schmierereien sozusagen zur Freizeitbeschäftigung erhoben haben, ganz klar wissen: Egal, was ich an dieser Wand mache und tue, es wird nach der Neuregelung des StGB in jedem Fall etwas sein, was verboten ist, was strafbar ist. - Das ist doch das Entscheidende, und das ist doch auch einer der Gründe dafür, dass Sie sagen, Sie machen das, was Baden-Württemberg jetzt macht, mit.

Ich finde es gut, dass sich jetzt auch die Bundesregierung - das hat offensichtlich tatsächlich etwas mit der neuen Bundesjustizministerin zu tun -, nachdem sie viermal Nein gesagt hat, entschieden hat, dort mitzugehen. Ich kann das aber noch nicht ganz glauben, Herr Minister, denn Herr Stroebele, der neue rechtspolitische Sprecher der Grünen, hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden, und ich könnte mir vorstellen, dass er nicht nur über juristische, sondern vermutlich auch über praktische Erkenntnisse in dem Zusammenhang verfügt und wahrscheinlich nicht damit einverstanden sein wird, dass das Thema so durchgezogen wird. Also, da bin ich sehr skeptisch, da warten wir einmal ab.

Ich meine, nach all dem, was Sie heute gesagt haben, Frau Bockmann, können Sie durchaus mit uns diesen Weg gehen, und wir bräuchten das gar nicht weiter zu problematisieren.

Dazu will Frau Bockmann gleich etwas sagen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Irritation geht mit Begriffen wie „Grauzone“ schon wieder weiter. Nur zur Aufklärung: In der Bundesrepublik wird die Sachbeschädigung nach §§ 303 und 304 StGB bestraft. Voraussetzung ist eine Substanzverletzung. In 0,2 % der Fälle muss ein Gutachten eingeholt werden, ob auch tatsächlich eine Substanzverletzung vorliegt.

Über diese 0,2 % reden wir, über nicht mehr und nicht weniger, und dies kann man wahrlich nicht als „Grauzone“ bezeichnen.

Wenn man so will, ist es eine Erleichterung des Gerichts, dass keine Sachverständigengutachten - verbunden mit zusätzlichen Kosten und Zeitverzögerungen - eingeholt werden müssen. Darum geht es.

Ich bitte Sie, diesen Weg mitzugehen und nicht immer wieder den Eindruck zu erwecken, dass es hier einen Berg von Fällen gibt, die strafrechtlich nicht belangt werden könnten. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schröder, Sie wollen auch noch einmal reden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bleibt das Geheimnis der SPD-Fraktion und der Landesregierung, warum sie meinen, diesen Weg mitgehen zu müssen, das Gesetz zu ändern, obwohl sie von diesem Pult aus erstens erklären, es gebe diese Strafbarkeitslücke nicht, und zweitens, es gehe um 0,2 % der Fälle. Genau diese Auslegungs- und Anwendungsprobleme gibt es auch bei jedem anderen Tatbestand im Strafgesetzbuch. Sie können nicht ernsthaft anstreben, die Gesetze so lange zu ändern, bis Sie zu einer hundertprozentigen Sicherheit in der Rechtsanwendung kommen. Dann bräuchten Sie nämlich auch keine Richter mehr.

Es ist mir nicht begreiflich, dass Sie auf diesem Brett mitfahren. Wir haben oft über dieses Thema gesprochen und festgestellt: Es ist strafbar, und wenn die Leute erwischt werden, werden sie belangt, übrigens nicht nur durch Strafen, sondern auch durch Schadenersatz.

Was hier passiert, ist eine absolute Scheindebatte zu Wahlzwecken. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit ist die Beratung beendet, und wir kommen zur Ausschussüberweisung. Mit der federführenden Beratung soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen beauftragt werden, und mitbe

ratend soll der Ausschuss für innere Verwaltung tätig werden. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 37 Sinnvolle Konzepte für die Zukunft entwickeln - Landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm und Bioabfällen angemessen sicherstellen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/ 3958

Dieser Punkt soll ohne erste Beratung in die Ausschüsse überwiesen werden.

(Oestmann [CDU]: Das ist aber scha- de!)

Die federführende Beratung soll im Ausschuss für Umweltfragen erfolgen, die Mitberatung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Unterausschuss „Verbraucherschutz“. Wer möchte dem zustimmen? - Wer ist dagegen? - Einer. Damit ist die Ausschussüberweisung aber trotzdem erfolgt, Herr Kollege Oestmann.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 38 Einführung eines europaweiten Handels mit Emissionsrechten - Belastungen für niedersächsische Unternehmen verhindern - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3959

Auch dieser Punkt soll ohne Beratung an die Ausschüsse überwiesen werden. Die federführende Beratung soll im Ausschuss für Umweltfragen erfolgen, die Mitberatung im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr sowie im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Diesmal keine Gegenstimme. Damit ist der Antrag einstimmig in die Ausschüsse überwiesen.