Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

Ich möchte nicht, dass von diesem Kurs, der nach 30 Jahren Atomenergienutzung endlich ein verantwortlicher Kurs sein soll, wieder abgegangen wird. Das ist besonders für die niedersächsische Perspektive wichtig. Ich kann nicht verstehen, dass irgendein Niedersachse etwas anderes vertritt.

Meiner Meinung nach wird das Ganze aber erst verständlich, wenn man tiefer in die energiepoliti

sche Programmatik von CDU und FDP einsteigt. Im Zusammenhang mit der Enquete-Kommission auf Bundesebene ist deutlich geworden, wohin der Zug fahren soll. Man kann nicht leugnen, was programmatisch festgehalten worden ist, auch wenn Frau Zachow jetzt wieder den Kopf schüttelt. CDU und FDP haben ein klares Bekenntnis zur Fortsetzung des Energiemixes in der Bundesrepublik abgegeben. Kohle und Atom sollen demnach auf lange Zeit zentrale Pfeiler der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik sein. Sie haben sich dagegen ausgesprochen, vermeidbare Risiken endlich zu vermeiden. Sie sind dagegen, den Mehrheitswillen umzusetzen, den es in der Bundesrepublik seit Tschernobyl gibt. Sie stellen sich gegen Mehrheiten der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik mit dem Kurs, Atomenergienutzung auszudehnen und sogar neue Kraftwerke zu bauen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich sage Ihnen eines: Auch im Bereich der regenerativen Energien ist dieser Trend sehr deutlich erkennbar. Sie sind eben nicht dafür - darin werden sie von der FDP gestützt -, das ErneuerbareEnergien-Gesetz weiter zu entwickeln und zum Tragen zu bringen. Dies geschähe zum Wohle des Arbeitsmarktes in Niedersachsen. Sie sind jedoch zu Ihrer sturen Position zurückgekehrt, obwohl dieses Gesetz in Brüssel als Meilenstein anerkannt und höchstrichterlich entschieden worden ist, dass es sich nicht um Subventionen handelt, wenn Einspeisungsvergütungen gezahlt werden, sondern dass dies akzeptiert wird. Jetzt wird deutlich, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz der politische Exportschlager der Bundesrepublik in die anderen europäischen Länder ist. Sie auf der schwarzgelben Seite stellen sich aber quer. Es wird deutlich, die CDU hat ebenso wenig wie ihr möglicher Koalitionspartner begriffen, was zukunftsfähige Energiewirtschaft bedeutet und was eine verantwortliche Umweltpolitik über den Tag hinaus ist. Sie knüpfen da an, wo Ernst Albrecht aufgehört hat. Da wird es beim Thema Gorleben rund. Ich erinnere daran, dass es Anfang der 90er-Jahre RotGrün gegeben hat.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Das hatte auch damit zu tun, dass Sie sich in der Atompolitik gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen gestellt haben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Es spricht Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo ist die niedersächsische CDU, wenn es um Umweltpolitik geht? - Ich finde, das ist in Wahlkampfzeiten eine berechtigte Frage. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben: Ich habe in das Wahlprogramm geguckt, ich habe in das Sofortprogramm geguckt, ich habe die Biografie des Kandidaten geprüft. Meine Damen und Herren, bei allem Respekt: Was ich gefunden habe, war ein großes schwarzes Loch.

(Beifall bei der SPD)

Keine neue Idee, keine einzige Vision! Das einzige waren ein paar falsche Aussagen zur Energie- und zur Atompolitik inklusive Gorleben und eine Fehleinschätzung in Bezug auf die umweltpolitische Situation in Niedersachsen. - Meine Damen und Herren, das ist die Realität niedersächsischer CDU-Umweltpolitik!

Deshalb, Herr Stratmann, noch einmal speziell für Sie unter dem Thema Atompolitik:

Erstens. Gorleben kommt als Endlagerstandort weder für deutschen noch für europäischen Atommüll in Frage.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Die Atomenergie ist ein Auslaufmodell. Daran werden auch die Wiederbelebungsversuche in Ihrem Wahlprogramm nichts ändern.

Wo CDU und FDP bei diesem Thema und damit bei der Wahrnehmung niedersächsischer Interessen stehen, konnte man letzten Freitag im Haushaltsausschuss des Bundestages zur Kenntnis nehmen. Dort haben diese beiden Fraktionen den Weiterbau in Gorleben gefordert. Sie haben zum Glück keine Mehrheit in Berlin. Zum Glück für Niedersachsen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat mit dem Atomkonsens das getan, was die Bevölkerung will, nämlich den Ausstieg aus dieser risikoreichen Technologie.

(Frau Zachow [CDU]: Und ausdrück- lich gesagt, dass Gorleben geeignet ist! - Gegenruf von Frau Harms [GRÜNE])

Der Atomkonsens ermöglicht zudem, dass wir errechnen können, welche Menge an Atommüll schließlich endgelagert werden muss. Wie ein Endlager beschaffen sein muss, welche Kriterien es erfüllen muss und wie ein Standort gefunden werden muss, das ist Aufgabe des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte. Dort ist der geballte Sachverstand, meine Damen und Herren, dort wird diese Frage vorangetrieben.

Sie dagegen - ich zitiere aus einer Pressemitteilung vom 23. Dezember letzten Jahres - behaupten: „Obwohl wissenschaftlicherseits der Standort Gorleben aufgrund der bisherigen Erkundungen für geeignet gehalten werde...“ - Das ist falsch, meine Damen und Herren. Richtig ist: Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Gorleben geeignet ist. Was es gibt, sind einige Wissenschaftler, die im Auftrag von Bayern, BadenWürttemberg und Hessen mit dem Finger auf Gorleben zeigen. Das für wissenschaftliche Qualität zu halten, ist hoch zweifelhaft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben unsere Vorbehalte seit Jahren hier öffentlich dokumentiert; ich brauche das nicht zu wiederholen. Wir halten eine weitere Erkundung nicht für sinnvoll. Das Gesundbeten vor Gorleben, wie Sie es seit Jahrzehnten versuchen, grenzt an Aberglaube, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber das hört ja nicht bei der Atompolitik auf. Ihre energiepolitischen Vorstellungen sind bereits Realität, zumindest in dem Nicht-Atombereich. Wir sind nicht nur Weltmeister in der Windenergie. Ein weiteres Beispiel ist die Biomasse. Mit mehr als 10 Millionen Euro haben wir inzwischen mehr als 200 Biogasanlagen in Niedersachsen in Betrieb

gebracht. Das sind 30 % des gesamten deutschen Potenzials. Mit der Bioenergieoffensive fördern wir zusätzlich den Einsatz nachwachsender Rohstoffe für die Energiegewinnung.

Beispiel neue Energieträger: Wir fördern die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen aus Biomasse. In einem Pilotprojekt des CUTEC-Instituts in Clausthal werden gerade diese neuartigen Kraftstoffe für Automotoren entwickelt.

Beispiel Sonnenenergie: Mit mehr als 10 Millionen Euro für die Solaroffensive bringen wir Schwung in eine zukunftsträchtige Energie. Allein in diesem Jahr geben wir mehr als 4 Millionen Euro für solarthermische Anlagen aus.

Das ist die Realität in Niedersachsen. Und was setzen Sie dagegen? - Nichts!

Das zeigt sich auch jenseits der Energiepolitik, das zieht sich durch den gesamten umweltpolitischen Bereich. Ich will wenigstens noch ein Beispiel nennen: das Thema Naturschutz. Dazu heißt es bei der CDU: Beim Naturschutz richtet sich die Landesregierung an reinen Prestigeobjekten aus.

Nationalpark Wattenmeer, Nationalpark Harz, Biosphärenreservat Elbtalaue: Kann mir einmal jemand erklären, warum diese Oppositionsfraktion im Niedersächsischen Landtag in den letzten Monaten all diesen so genannten reinen Prestigeobjekten zugestimmt hat? - Sie sollten, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenigstens einmal Ihre Umweltpolitiker in der Fraktion fragen. Die sind augenscheinlich etwas weiter als Sie. Die hatten nämlich Gründe, den Projekten der Landesregierung mitunter zuzustimmen.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Weil es nämlich gut war für die Natur, und weil es gut war für Niedersachsen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Dehde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offensichtlich will die CDU Gorleben mit aller Macht auf dem politischen Wege für die Aufnahme hochradioaktiven Atommülls geeignet machen. Die vermeintliche Ergebnisoffenheit der dortigen Erkundungsarbeiten verdeckt allerdings den Blick auf die tatsächlichen Ergebnisse, die dort bisher jeweils erzielt worden sind. Diejenigen, die aus der Region kommen, wissen, dass im Jahr 1982 das so genannte Mehrfachbarrierenkonzept als Anforderung aufgestellt worden ist. Aber, meine Damen und Herren: Keine einzige der natürlichen Barrieren, die damals formuliert worden sind, hat im Laufe der Erkundungsarbeiten den entsprechenden Anforderungen standgehalten. Das hat die Wissenschaft festgestellt.

Wer allerdings ausschließlich auf die wissenschaftliche Kompetenz des Atomforums Wert legt - wie das jedenfalls die Christdemokraten zu tun scheinen -, der muss wahrscheinlich zu anderen Ergebnissen kommen. Unser Weg ist das eindeutig nicht.

Christdemokraten meinen offensichtlich, man müsse in Gorleben nur weiter Geld ausgeben, dann würden schon genügend Sachzwänge geschaffen. Der Minister hat eben darauf hingewiesen, dass im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 70 Millionen Euro Mehrausgaben verlangt worden sind, um solche Sachzwänge weiter aufzubauen. Glücklicherweise - auch darauf ist hingewiesen worden - hat der Haushaltsausschuss das mit rotgrüner Mehrheit abgelehnt.

Noch mehr Geld, noch mehr Tatsachen und insbesondere noch mehr Beruhigung für die süddeutschen Bundesländer, die ihren Atommüll bei uns abladen wollen - das werden wir mit Sicherheit nicht mitmachen.

Einen drauf setzte Lutz Stratmann - der Kollege Stratmann, den ich im Rechtsausschuss zu anderen thematischen Bereichen kennen gelernt habe -, als er auch internationalen Atommüll nach Gorleben holen wollte. Heute Morgen ist er in NDR Info dahin gehend zitiert worden, er habe zugegeben, diese Aussage sei ein Riesenfehler gewesen, und er habe sie zurückgenommen.

„Riesenfehler“ ist ein Stichwort. Am 23. Dezember gab es eine Pressemitteilung der Christdemokraten: „Wulff will den Neuanfang in der niedersächsischen Umweltpolitik mit Lutz Stratmann.“ So

wurde uns das über das Internet mitgeteilt. In dieser Mitteilung wird Gorleben mal eben geeignet gemacht. Gleichzeitig gibt es Vorwürfe gegen die Landesregierung wegen Themen wie Solarenergie oder wegen der Förderung der Biomasse. - Ich kann Ihnen, lieber Kollege Stratmann, aus eigener Erfahrung sagen: Hätten Sie einmal Ihren Kollegen Wojahn gefragt!

Man kann es ja immer auch konkret machen. Der Minister hat die Millionenbeträge genannt, die hier für die Förderung aufgewandt worden sind, und der Kollege Wojahn könnte sie Ihnen bestätigen: Solarprojekt Querdeich in Dannenberg, unserer Heimatregion: 250 000 Euro Landesförderung,

(Zuruf von Wojahn [CDU])

Projekt Förderung Biomasse in Lüchow: 400 000 Euro Landesförderung.

Ich gehe davon aus, dass Sie in vielen Bereichen des Landes auf konkrete Projekte stoßen werden, die auf den Weg gebracht werden. Das, was Sie vorhaben, ist kein Neuanfang, das ist ein Zurück in die 50er-Jahre.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen: Bei Minister Jüttner und bei uns ist die Umweltpolitik in Niedersachsen in guten Händen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Stratmann.