Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dieser Landtagswahl wird keine nachträgliche Bundestagswahl stattfinden, auch wenn Sie von der Opposition das gerne wollen. Vielmehr wird darüber entschieden, welchen Weg Niedersachsen in den nächsten Jahren gehen wird. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben in Sachen Schule aus PISA gelernt und den Weg für die Zukunft unserer Kinder eröffnet.

(Kethorn [CDU]: Aber noch nicht ge- nug!)

Eine SPD-geführte Landesregierung steht für mehr als 1 300 Verlässliche Grundschulen, für Ganztagsschulen und für mehr als 15 000 Lehrkräfte, die in dieser Legislaturperiode in den Schuldienst eingestellt worden sind. Sie steht für mehr Mitwirkungsrechte der Eltern und für das Konzept der selbständigen Schule. Ich nenne das eine Erfolgsstory.

(Beifall bei der SPD)

Geht es jedoch nach den bildungspolitischen Vorstellungen der CDU, dann wird Niedersachsen eine Rückwärtsentwicklung ohnegleichen erleben.

(Klare [CDU]: Wie viele selbständige Schulen haben wir denn ungefähr, Herr Wulf?)

Wir würden das rückschrittliche dreigliedrige Schulsystem mit Sortierung nach Klasse 4 erleben, es würde kein Ausbau der Gesamtschulen mehr stattfinden, auch wenn Eltern es vor Ort wollen, und die selbständige Schule würde eine schöne Vorstellung bleiben.

(Klare [CDU]: Wie viele haben wir denn?)

Mit der CDU würden auch viele Schulgebäude im Lande marode bleiben, denn bei der CDU würde es kein Schulsanierungsprogramm für die Schulträger und die Kommunen geben.

(Busemann [CDU]: Hören Sie doch auf!)

Dass Sie, Herr Wulff, gerade bei diesem Thema den Ministerpräsidenten als Lügner bezeichnet haben, ist nicht nur diffamierend und vom Stil her unverzeihlich, sondern auch deswegen peinlich,

(Klare [CDU]: Er hat vollkommen Recht! Das wissen Sie genau!)

weil es durch nichts begründet ist. Herr Klare, Sie wissen genau, dass die Finanzierung des Programms im Nachtragshaushalt vorgesehen ist

(Klare [CDU]: Aus der Ganztags- schule heraus!)

und dass die verschiedenen Ministerien dafür Geld zur Verfügung stellen, dass die Absicherung also in der Tat vorhanden ist. Und dann stellen Sie sich hin, verunsichern die Kommunen,

(Busemann [CDU]: Verunsichern?)

und bezeichnen auf der anderen Seite den Ministerpräsidenten als Lügner. Das ist nicht nur unredlich - es wäre harmlos, das Wort dafür zu nehmen , ich halte diesen Stil für ungeheuerlich!

(Beifall bei der SPD)

Mit der CDU würde es auch den Abschied von der Verlässlichkeit in den Schulen geben.

(Busemann [CDU]: Im Gegenteil!)

Aus wahltaktischen Gründen wettern Sie, Herr Busemann, nicht mehr gegen die Verlässlichen Grundschulen, nicht, weil Sie inzwischen begriffen haben, dass es die richtige Einsicht ist oder weil Sie verstanden haben, dass sie bildungspolitisch und familienpolitisch notwendig sind. Sie waren

es, die hier in Hannover und überall im Land gegen die Verlässlichen Grundschulen waren und versucht haben, sie den Eltern madig zu machen. Die Eltern haben es verstanden, und das ist gut so. Die Verlässliche Grundschule ist für Niedersachsen ein Erfolgsmodell.

(Zustimmung bei der SPD)

Jetzt endlich haben Sie aus wahltaktischen Gründen auch noch die Ganztagsschulen entdeckt. Dabei sind einige Ihrer Kollegen aus dem Bundestag viel ehrlicher. Herr Fromme beispielsweise hat noch im November der SPD-Regierung vorgeworfen, man plane eine Veränderung der Gesellschaft. Mit dem Angebot der Ganztagsschulen sollten angeblich die Kinder aus den Familien herausgezogen werden. Das sei, so Fromme, schon in der DDR gescheitert. - Hier entlarvt sich der wahre Kern der christlich-demokratischen Bildungspolitik!

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, dass berufstätige Eltern wünschen, dass ihr schulpflichtiges Kind auch am Nachmittag nicht nur gut aufgehoben ist, sondern Bildung erhält. Diesem Wunsch entspricht das Ganztagskonzept der SPD. Deshalb haben wir uns das ehrgeizige und realistische Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2006 in Niedersachsen flächendeckend 500 Ganztagsschulen einzurichten. Zum 1. August dieses Jahres sind es unter der SPD-Regierung bereits 209 Schulen. Und es wird weitere geben, solide finanziert und mit einem überzeugenden pädagogischen Konzept.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht um Glaubwürdigkeit und Seriosität.

(Klare [CDU]: Herr Wulf, glauben Sie das wirklich, was Sie hier sagen?)

Beides sind Fremdworte für die CDU. In Ihrem so genannten Sofortprogramm wollen Sie die fünften Klassen als Eingangsklassen von Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen noch in diesem Jahr einführen.

(Möllring [CDU]: Bei Privatschulen auch!)

Damit programmieren Sie, Herr Möllring, das Chaos an unseren Schulen vor.

(Möllring [CDU]: Die Eltern wollen das doch!)

Abgesehen von der ideologisch begründeten bildungspolitischen Rolle rückwärts würde es dadurch zu einem organisatorischen und finanziellen Desaster in unseren Städten und Kommunen kommen.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Das werden wir alles organi- sieren!)

Besonders an den Gymnasien stehen weder die Räume noch die Ausstattung zur Verfügung, um das zu bewältigen. Was Sie vorhaben, ist sowohl pädagogisch als auch finanzpolitisch ungeheuerlich.

(Klare [CDU]: Gucken Sie uns doch mal an, damit wir sehen, ob Sie wirk- lich glauben, was Sie sagen!)

Bei einer CDU/FDP-Regierung würde sich Niedersachsen bildungspolitisch und finanzpolitisch in ein Abenteuerland verwandeln. „Safaripark“ wäre noch eine harmlose Bezeichnung; „Bildungsdschungel“ wäre das richtige Wort für das, was Sie unseren Schülerinnen und Schülern zumuten.

(Klare [CDU]: Machen Sie doch eine Anzeige, Herr Wulf!)

Der entscheidende Punkt, Herr Klare, ist aber Ihr Schulgesetz. Sie legen das erzkonsativste Schulgesetz der gesamten Bundesrepublik vor.

(Beifall bei der SPD)

Damit beamen Sie unser Land zurück in die 50erJahre.

Das Größte ist der Elternwille. Sie schreiben groß und breit, der Elternwille sei frei. Inzwischen ist die Katze aus dem Sack, Herr Busemann. Sie haben klar und deutlich gesagt: Der Elternwille wird bei der CDU abgeschafft. In der 6. Klasse wird nach Ihren Vorstellungen darüber entschieden, ob die Schülerinnen und Schüler in der Schule bleiben oder abgeschult werden. Sie planen reine Paukschulen und Aussortierungsanstalten! Das ist das Schulmodell der CDU! Das werden wir den Menschen im Lande deutlich machen.

(Möllring [CDU]: Bis wann denn?)

Mit uns und den Grünen wird Niedersachsen in die Zukunft gehen. Mit Ihnen geht es in die 50erJahre!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Busemann. Die CDUFraktion hat noch drei Minuten und 39 Sekunden Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin beinahe geneigt, dem Kollegen Wulf aus Oldenburg meine restliche Redezeit zu schenken, weil es einfach so köstlich ist. Herr Wulf, haben Sie denn zur Sache überhaupt nichts zu verkaufen außer Polemik und Wahlkampf?

(Zustimmung bei der CDU)

Vielleicht sollte ich Ihnen auch den FAZ-Artikel vom vergangenen Montag schenken. Darin ist zu lesen, köstlich geradezu: „Grundkurs Niedersachsen. Das sinnlose Verstehen: Sigmar Gabriels Schulpolitik.“ Ihre Rede liegt genau auf der Linie. Gucken Sie sich den Artikel wirklich einmal an.

Meine Damen und Herren, es sollte eigentlich um die Frage gehen, ob Niedersachsens Schulen verlässlich sind. Dazu muss jedermann im Lande wissen: Was ist zurzeit daran verlässlich? Seit 1990 12 % weniger Unterrichtsversorgung und bei der Lehrer-Schüler-Relation ein Minus von fast 20 %. Bei Lehrernachwuchs und Personalmanagement, Frau Ministerin, ist Null angesagt. Wir laufen da in eine Katastrophe. Und das nennen Sie insgesamt verlässlich?