Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der soeben vom Herrn Präsidenten genannten Drucksache hat Ihnen der Ausschuss für Haushalt und Finanzen seine Beschlussempfehlung zur Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2000 vorgelegt. Der Ausschuss empfiehlt, die Landesregierung, den Präsidenten des Landtages und den Präsidenten des Staatsgerichtshofes für die Haushaltsrechnung des Haushaltsjahres 2000 zu entlasten und die dazu vorliegenden Bemerkungen und

die Denkschrift des Landesrechnungshofs insoweit für erledigt zu erklären. Außerdem enthalten die Empfehlungen die Bitte an die Landesregierung, die Feststellungen und Bemerkungen in dem Bericht zu beachten und dem Landtag über die eingeleiteten Maßnahmen zu bestimmten Zeitpunkten zu berichten. Des Weiteren sollen die geleisteten über- und außerplanmäßigen Ausgaben des Haushaltsjahres 2000 nachträglich gebilligt werden.

Der Landesrechnungshof hat die Haushaltsrechnung zeitnah geprüft und dem Landtag frühzeitig seine Denkschrift vorgelegt. Vom Unterausschuss „Prüfung der Haushaltsrechnungen“ wurde die Denkschrift sehr eingehend beraten. Zu allen wesentlichen Sachverhalten hat der Unterausschuss Empfehlungen ausgearbeitet, die die Grundlage für die Beratungen im Ausschuss für Haushalt und Finanzen bildeten.

Die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung wurde im Ausschuss für Haushalt und Finanzen nicht, wie bisher üblich, einstimmig beschlossen. Die Vertreter der CDU-Fraktion und der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärten, dass sie die Entlastung der Landesregierung nicht mittragen könnten. Der Entlastung des Präsidenten des Landtages und des Präsidenten des Staatsgerichtshofs könnten sie demgegenüber zustimmen.

Auf vier Punkte des Berichts des Ausschusses für Haushalt und Finanzen möchte ich besonders eingehen.

Sehr viel Mühe und sehr viel Zeit kostete die Beratung des Beitrages „Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung“. In seinem Bericht stellt der Ausschuss für Haushalt und Finanzen fest, dass beim Einsatz des neuen Haushaltsvollzugssystems in der Landesverwaltung Probleme beim buchungsmäßigen Nachweis aufgetreten sind und erhebliche Differenzen zwischen den in der Buchführung ermittelten Beständen und den tatsächlichen Kontoständen vorgelegen haben. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen beanstandet, dass die Geldbestandsdifferenzen erst in den Jahren 2001 und 2002 durch eine Vielzahl von Berichtigungsbuchungen, bis auf einen geringen Restbetrag, aufgeklärt werden konnten. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Haushaltsrechnung 2000 infolge der Buchungsmängel fehlerhaft und unvollständig ist und dass auch die Haushaltsrechnungen der Haushaltsjahre 2001 und 2002 fehlerhaft sein werden, weil die Fehlerkorrekturen zu

den Geldbestandsdifferenzen erst im Laufe des Jahres 2001 planmäßig begonnen haben und Korrekturbuchungen überwiegend im Jahre 2002 erfolgten.

Der Unterausschuss hatte vorgeschlagen, dies mit Befremden und nicht nur mit Bedauern zur Kenntnis zu nehmen. Dem ist der Ausschuss für Haushalt und Finanzen jedoch nicht gefolgt. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen erwartet ferner, dass die Landesregierung ab dem Haushaltsjahr 2003 eine ordnungsgemäße, nachvollziehbare und vollständige Haushaltsrechnung vorlegt, da ansonsten die Entlastung der Landesregierung gefährdet ist.

Zur Fortführung des Härteausgleichs stellt der Ausschuss für Haushalt und Finanzen in seinem Bericht fest, dass das Land die Gewährung eines Härteausgleichs zur Senkung von Mieten fortsetzt, obwohl dies nicht notwendig ist, zumal zwischenzeitlich die Wohngeldleistungen erheblich verbessert worden sind. Hierdurch werden sogar Mieterhöhungen begünstigt und Wohnungsbauunternehmen indirekt zusätzlich subventioniert.

Im Hinblick auf die inzwischen erheblich verbesserten Wohngeldleistungen hält der Ausschuss die Fördermaßnahme für die Jahre ab 2004 für entbehrlich. Er begrüßt deshalb, dass in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes ab 2004 für den Härteausgleich keine zusätzlichen Ansätze mehr ausgewiesen sind. Der Landesrechnungshof hatte vorgeschlagen, die Fördermaßnahme schon jetzt als entbehrlich anzusehen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt einzustellen. Die Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion im Ausschuss unterstützten diesen Vorschlag. Die Vertreter der SPD-Fraktion folgten dem nicht, sondern argumentierten, da der Härteausgleich aufgrund eines Antrages der SPDFraktion im Haushaltsplan 2002/2003 dotiert worden sei, könne von der SPD-Fraktion nicht erwartet werden, dass sie heute das als falsch bezeichne, was sie seinerzeit für richtig erachtet habe.

Auch der Punkt „Alleinige Entscheidung der Wohlfahrtsverbände über die Verwendung von Landesmitteln“ ist im Unterausschuss kontrovers diskutiert worden. Zur Beratung dieses Punktes lagen im Unterausschuss zwei Beschlussvorschläge des Landesrechnungshofs vor. Der Landesrechnungshof hatte seinen ursprünglich vorgesehenen Beschlussvorschlag modifiziert, nachdem von den Vertretern der SPD-Fraktion ein eigener Beschlussvorschlag vorgelegt wurde. Der ursprüngli

che Beschlussvorschlag des Landesrechnungshofs enthielt einen umfangreichen Forderungskatalog, der von den freien Wohlfahrtsverbänden zu erfüllen sei. Diese Liste der Forderungen wurde von den Vertretern der SPD-Fraktion als problematisch empfunden.

Der Vertreter des Landesrechnungshofs hielt es für vertretbar, dass seine Vorschläge und Anregungen in dem Beschluss nicht ausdrücklich wiedergegeben würden. Die Bezugnahme auf den Denkschriftsbeitrag sei insoweit ausreichend. Dabei hob der Vertreter des Landesrechnungshofs hervor, die Vorschläge und Anregungen beträfen keineswegs nur einzelne Fälle der Verwendung von Landesmitteln, vielmehr gehe es um grundlegende Fragen, denen die Landesregierung in der Verantwortung für die Landesfinanzen nachgehen müsse. Zum Teil handele es sich um Praktiken, die in anderen Bundesländern undenkbar seien. Die Wohlfahrtsverbände würden daher wohl nicht überrascht sein, wenn die Landesregierung diese Probleme aufgreife.

Die Vertreter der CDU-Fraktion erhoben den ursprünglichen Beschlussvorschlag des Landesrechnungshofs zum Antrag. Die Mitglieder der SPDFraktion lehnten diesen Antrag ab.

Auch zu dem Punkt „Konzentration auf die notwendigen Aufgaben der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung“ hatte der Landesrechnungshof einen Beschlussvorschlag vorgelegt. Der Vorschlag sah u. a. vor, die Landeszentrale für politische Bildung in das Niedersächsische Landesinstitut für Schulentwicklung und Bildung einzugliedern.

Die Vertreter der CDU-Fraktion hielten diese Forderung für zu weitgehend. Sie meinten, der Landesregierung solle aufgegeben werden, die Frage zu prüfen, ob die Zusammenlegung der Landeszentrale mit einer anderen Einrichtung zu Synergieeffekten führen könne, wobei die Selbständigkeit der Landeszentrale hinsichtlich der fachlichen Aufgaben zu gewährleisten sei. Dem folgten die Vertreter der SPD-Fraktion nicht. Sie brachten zum Ausdruck, dass sie die Auffassung des Landesrechnungshofes nicht teilten. Vielmehr solle die Landeszentrale angesichts der Bedeutung ihrer Aufgaben als eigenständige Einrichtung erhalten bleiben.

Ich möchte meinen Bericht nicht schließen, ohne allen an der Prüfung beteiligten Mitarbeitern des

Landesrechnungshofes namens des Haushaltsausschusses für die geleistete verantwortungsvolle Arbeit zu danken.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen bittet Sie, seinen Empfehlungen zuzustimmen.

Ich danke dem Berichterstatter. - Wir kommen zur Aussprache. Herr Kollege Golibrzuch hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war langjährig geübte Praxis, den Beschlussempfehlungen des Unterausschusses im Plenum einstimmig zu folgen. Ich will kurz zu Protokoll geben, warum wir in diesem Fall davon abweichen.

Sie erinnern sich daran, dass wir in diesem Landtag zum Teil recht heftige Debatten über die Einführung einer neuen Buchhaltungssoftware in den Bereich der Landesverwaltung geführt haben. Uns hat damals nicht geschmeckt und nicht gefallen, nach welchen Kriterien die nämliche Firma ausgewählt worden ist. In der Konsequenz hatten wir im Haushaltsjahr 2000 das Problem, dass eine Vielzahl von Buchungsvorgängen innerhalb der Landesverwaltung nicht lupenrein erfasst werden konnte. Das Ganze konnte manuell überprüft werden. Es steht die Behauptung im Raum, dass es zu keinen finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Das glauben wir gern. Der Kern des damit berührten Problems ist für uns aber noch nicht geklärt. Der Kern des Problems liegt darin, dass bestimmte Bereiche der Landesverwaltung, der Buchhaltung und der Softwarekontrolle privatisiert worden sind. Zeitweise war es offenbar nur der beauftragten Firma möglich, diese Buchungsvorgänge nachzuvollziehen, und innerhalb des Finanzministeriums und der nachgeordneten Behörden war dies nicht mehr möglich.

Der Vorwurf, den der Rechnungshof in seinen Prüfungsmitteilungen erhoben hat, konnte auch nicht ausgeräumt werden. Der Verbleib des Geldes konnte durch manuelle Nachkontrolle zwar bis auf einen kleinen Restbetrag belegt werden, aber unter dem Strich müssen wir festhalten, dass so etwas in einer Landesverwaltung und einem Ministerium eigentlich nicht passieren darf. Für uns ist das ein hinreichender Grund, in diesem Falle so ähnlich

wie der Rechnungshof zu argumentieren und zu sagen, wir können einer Entlastung der Landesregierung an dieser Stelle nicht folgen. Wir haben den dringenden Wunsch, dass für die Zukunft solche Praktiken unterbleiben, man aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und man sich in den nächsten Jahren bei der Kontrolle dieser Finanzvorgänge und der Buchungen nicht auf private Dienstleister verlässt. Man sollte einen Kernbereich der Landesverwaltung definieren, den man politisch zu kontrollieren und zu verantworten hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Möhrmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war bisher gute Übung, dass dieser Landtag die Berichte einmütig beschließt und die Entlastung erteilt. Dass diesmal davon abgewichen wird, hängt sicherlich auch mit den Zeiten zusammen.

(Rolfes [CDU]: Nein, überhaupt nicht!)

Die große Oppositionsfraktion hat das Thema, über das Herr Kollege Golibrzuch gesprochen hat, ja zum Anlass genommen, den Finanzminister zum Rücktritt aufzufordern.

(Möllring [CDU]: Das erledigt sich doch von alleine! Sie können doch die 48 Stunden noch abwarten!)

Von daher ist es sehr schwierig, sachlich über dieses Thema zu reden.

Herr Golibrzuch, ich teile Ihre Anmerkungen zu den möglichen Ursachen. Allerdings gehe ich nicht so weit, zu sagen, das liege nur an dem Privaten, den wir mit der Abwicklung beauftragt haben.

Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, vor welchen gewaltigen Aufgaben diese Landesverwaltung und insbesondere das Finanzministerium gestanden haben. Es ging darum, dass die alte Software der Landesverwaltung nicht für das Jahr 2000 tauglich war. Y2K wäre nicht gelaufen. Deshalb musste P 53 ohne Probelauf umgesetzt werden. Für diese Verhältnisse hat es erstaunlich gut funktioniert.

Probleme in der Umstellung hatte Niedersachsen nicht alleine. Die Bundesländer Hessen und Berlin hatten ähnliche Probleme. Dort hat es sich um ein anderes System gehandelt, das nicht so kostengünstig war wie unseres. Das will ich sagen, weil das häufig zu Kritik an unserem privaten Anbieter geführt hat. Das andere System hat auch nicht für bessere Ergebnisse gesorgt.

Diese Probleme hat es nicht nur in der öffentlichen Verwaltung gegeben. Das war auch bei vielen großen Firmen wie z. B. Boeing, VW und Avacon und auch bei der Bundeswehr der Fall. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen war in der Schweiz, und auch dort hat man uns gesagt, es habe erhebliche Probleme gegeben.

Die ursprüngliche Differenz von 357 Millionen Euro konnte inzwischen auf 31 000 Euro reduziert werden. Der Landesrechnungshof konnte nicht nachweisen, dass Landesbedienstete oder Bedienstete des Privaten Fehler begangen oder Manipulationen vorgenommen hatten. Wir sind deshalb der Auffassung, dass der Landesregierung Entlastung zu erteilen ist.

An dieser Stelle möchte ich sagen, dass es eine richtige Fleißarbeit war, diese Differenzen aufzuspüren. Von den 31 000 Euro ist der größere Teil, nämlich 22 500 Euro, auf Buchungen im Zusammenhang mit Auslandsbeziehungen zurückzuführen. Möglicherweise spielen dabei auch Kursdifferenzen eine Rolle. Auch in der fünften Jahreszeit ist es deshalb angebracht, der Landesverwaltung und damit der Landesregierung Entlastung zu erteilen. Ich verstehe die Kritik der Grünen und der CDU in dieser Frage nicht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wiesensee ist der nächste Redner. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die drei Kernaussagen vorweg nehmen, die sich nach intensiver Beurteilung der Lage aus der Haushaltsrechnung 2000 ergeben.

Das Finanzwesen des Landes Niedersachsen war für das Haushaltsjahr 2000 nicht geordnet. Die Grundsätze von Haushaltswahrheit, Haushaltsklarheit und Haushaltsvollständigkeit sind nicht be

achtet worden. Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte dieses Landes, der den Finanzminister zum Rücktritt hätte veranlassen müssen. Der Ministerpräsident hat in der Plenarsitzung am 14. Juni 2002 nachweislich unwahre Behauptungen zu diesem Komplex aufgestellt.

(Möllring [CDU]: Hört, hört!)

Die Mehrheitsfraktion ist bereit, das Verhalten der Landesregierung zum Haushaltsgebaren 2000 trotz nachgewiesener schwerer Versäumnisse und Fehler abzusegnen. Insgesamt wird dem Parlamentarismus und der Demokratie mit diesem Vorgang schwerer Schaden zugefügt.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das auch im Einzelnen begründen. Ohne ein geordnetes Finanzwesen ist kein Staat zu machen. Sowohl die formelle als auch die inhaltliche Ordnung des Haushaltes müssen stimmen. Ohne formelle Ordnung sind eine Prüfung und Kontrolle der inhaltlichen Ordnung gefährdet. Wenn die inhaltliche Prüfung an formellen Hürden scheitert, dann ist das Finanzwesen insgesamt nicht in Ordnung. Genau diese Situation hat der Landesrechnungshof der Landesregierung für die Haushaltsrechnung 2000 bescheinigt.

Für die Landeshauptkasse wurde am 5. Januar 2001 zum Stichtag 31. Dezember 2000 eine Differenz zwischen buchmäßigen und tatsächlichen Kontenständen von sage und schreibe ca. 699 Millionen DM festgestellt. Zwei Monate später, am 28. Februar 2001, wurde noch immer eine Differenz von 538 Millionen DM festgestellt. Es gab also noch immer eine Unklarheit von über einer halben Milliarde DM. Dies war wohlgemerkt am 28. Februar 2001 der Fall.

Danach geschah zunächst drei Monate lang praktisch nichts. Die Landeshauptkasse jedenfalls begann erst am 29. Mai 2001 mit der Abstimmung der Geldbestände. Die bis dahin weiter bestehenden Bestandsdifferenzen von rund 208 Millionen DM wurden in eine Nebenrechnung umgebucht und dann nach und nach bis zum 26. November 2002 bestandsmäßig geklärt, und zwar bis auf einen Rest von 62 000 DM oder 31 000 Euro.

(Plaue [SPD]: Und das rechtfertigt Ih- re ungeheuerlichen Vorwürfe?)

Im Ausschuss wurde uns dann allerdings vorgetragen, dass die Haushaltsrechnung 2000 von diesen