Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

Das Wort „Dachschaden“. Oder glauben Sie, ich hätte das nicht gehört?

Nehmen Sie das zurück, Herr Biallas? - Ich frage Sie, nehmen Sie das zurück?

(Biallas [CDU]: Natürlich nehme ich das zurück! Das fällt mir aber schwer!)

- Okay, er hat es zurückgenommen. - Bitte schön!

Meine Damen und Herren, als innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen habe ich hier sehr bewusst diesen Einstieg gewählt, weil das, was ich mir hier in den vergangenen Jahren von der CDU über angebliche Gesetzesbrüche der Grünen habe anhören müssen, so nicht weiter gehen wird.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt erst einmal etwas zu den spannenden Fragen sagen, die Sie hier nicht gestellt haben und die leider auch der Innenminister nur am Rande gestreift hat. Die spannende Frage ist die, dass auch für den Bereich der Polizei die Änderung der Landeshaushaltsordnung gilt und wir die Budgetierung bis zum Jahre 2005 auch im Polizeibereich eingeführt haben müssen. Es ist überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen, in einer solchen Situation davon zu reden, dass die Polizeireform gescheitert sei.

(Zustimmung von Frau Tinius [SPD])

Die Polizeireform in Niedersachsen wird rasant weitergeführt werden müssen.

Ich möchte einige Beispiele herausstellen. Das Lingener Modell, das hier nur am Rande erwähnt worden ist, ist die Grundvoraussetzung für die Budgetierung bei der Polizei in Niedersachsen. Ich bin weder auf der Seite der Gewerkschaft der Polizei, die meint, dass es in diesem Bereich eines

Moratoriums bedürfe, noch aufseiten des Innenministeriums, das eine Aussetzung verkündigt hat. Ich finde, dass wir den Polizeidienststellen im Lande, die sich für das Lingener Modell beworben haben, die Möglichkeit geben sollten, es so schnell wie möglich einzuführen, weil wir den Begriff „bedarfsorientierter Polizeieinsatz“ und flexibilisierte Arbeitszeitmodelle in der niedersächsischen Polizei benötigen. Das sind die spannenden Fragen.

Ich will Ihnen auch sagen, woran die Umsetzung im Moment scheitert. Der eine Punkt ist das Zulagenwesen innerhalb der Polizei. Es kann doch nicht ernsthaft so sein, dass sich Dienstpläne bei der Polizei danach richten, ob sie für die 100 verschiedenen Zulagen passen. Sie müssen sich an den Bedürfnissen der Kriminalitätsreduzierung orientieren. Ich erwarte, dass insoweit auf Bundesebene Experimentierklauseln eingeführt werden.

Ich finde, dass wir hier auch eine ehrliche Debatte darüber führen sollten, wie wir zu den Leistungsprämien stehen. Ich sage für meine Fraktion: Ich bin dafür, dass der Leistungsgedanke auch in der Polizei eingeführt wird.

(Biallas [CDU]: Aber nicht mit Leis- tungsprämien!)

Über die Ausformulierung können wir uns unterhalten.

Ich möchte, dass das Innenministerium, wie es auch in anderen Verwaltungsbereichen üblich ist, als Erstes eine Dienstvereinbarung mit den Gewerkschaften der Polizei abschließt, damit hier die Blockade aufgehoben wird, wir die notwendigen Veränderungen, die durch die neuen Führungsund Steuerungselemente auf uns zukommen, einleiten können und mit der Polizeireform rasant vorwärts kommen.

Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes zur Situation hier in Hannover sagen. Auch das sind spannende Fragen. Wir reden im Bildungsbereich manchmal von illegalen Schulversuchen. Die EXPO 2000 in Hannover ist ein gigantischer illegaler Polizeiversuch. Ich will das Wort „illegal“ in diesem Zusammenhang gar nicht negativ verstanden wissen.

(Biallas [CDU]: Gut, dass Sie das noch extra sagen!)

Wir werden in Zukunft die Fragen beantworten müssen, wie die Zusammenarbeit zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten funktioniert. Diese Zusammenarbeit wird zurzeit auf dem EXPO-Gelände modellhaft erprobt. Die weitere wichtige Frage ist - es geht bei der Personalentwicklung der Polizei nämlich nicht um Zahlen, sondern um Inhalte -, wie das Verhältnis zwischen dem Außendienst, zwischen kommunalen Diensten und Polizeiarbeit ist.

(Glocke der Präsidentin)

Wir haben hier in der Landeshauptstadt Hannover modellhaft für Niedersachsen die gemeinsame Anlaufstelle von Kommune und Polizei eingerichtet, die sich „Rat und Sicherheit“ nennt. Diese Anlaufstelle ist unten in der Passarelle untergebracht. Da können Sie sich einmal angucken, wie man durch eine Vernetzung eine Effizienzsteigerung erreichen und Personal reduzieren kann. Es geht hier nicht um die Anzahl von Köpfen, sondern um Qualitätsmanagement.

Alle diese spannenden Fragen würde ich gerne auch mit der Regierung und der Opposition diskutieren. Aber hören Sie auf, die Grabenkriege von gestern zu führen. Die Polizeireform in Niedersachsen wird fortgeführt. Die Aufgabe der Opposition sollte es sein, Druck zu machen, damit die Polizeireform weitergeführt wird, anstatt sie auszubremsen, wie es die CDU macht. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Buchheister.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das gute Recht der CDU-Fraktion, mit ihrer dreigeteilten Großen Anfrage Polizeithemen zu hinterfragen.

(Möllring [CDU]: Das ist aber lieb!)

Aber schon in der Einleitung, lieber Christian Biallas, stellt die CDU Behauptungen auf, die schlicht falsch sind. Etliche Fragen haben Abgeordnete der CDU bereits in Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen beantwortet bekommen.

(Biallas [CDU]: Das habe ich auch zugegeben!)

Trotzdem wurden diese Behauptungen wieder wider besseres Wissen in der Großen Anfrage aufgestellt.

Meine Damen und Herren, ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen klarstellen, dass wir nicht bereit sind, uns die niedersächsische Polizei und ihre erfolgreiche Arbeit kaputtreden zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Angemessene Kritik ja, aber keine unberechtigten Behauptungen. Die Arbeit der niedersächsischen Polizei ist effektiv. Dies zeigen auch deutlich die Werte der Kriminalitätsentwicklung in Niedersachsen.

Die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten der Polizei stimmen. Dazu haben die Landesregierung und die SPD-Fraktion in den vergangenen Jahren maßgeblich beigetragen. Nicht umsonst ahmen andere Länder unsere Polizeireform nach und beneiden uns viele Polizeibeschäftigte wegen der erfolgreichen und kontinuierlichen Fortführung der zweigeteilten Laufbahn. Herr Minister hat es schon gesagt: Mit Ablauf des vergangenen Jahres befanden sich nur noch 29,8 % der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im mittleren Dienst, aber 68,6 % im gehobenen Dienst. Wie vorgesehen, werden in fünf Jahren 97,5 % aller Beamten dem gehobenen Dienst angehören.

Zutreffend in der Anfrage der CDU ist, dass andere Bundesländer eine höhere Polizeidichte haben. Aber schon 1994 hat die IMK festgestellt, dass diese als Orientierungsmaßstab nicht geeignet ist. Beschäftigte wie Tarifpersonal, K-Techniker oder Verkehrsauswerter erfasst sie noch nicht einmal.

Die Arbeit der SPD-geführten Landesregierung hat eine deutliche Verbesserung der Polizeisituation bewirkt. Wir registrieren seit 1990 eine Stellenvermehrung bei der Polizei um 848 Stellen.

Meine Damen und Herren, wie war es denn 1989 unter der damaligen CDU/FDP-Regierung? - Sie beschloss eine Einsparverpflichtung von 575 Stellen bei der Polizei.

(Biallas [CDU]: Und nahm sie dann wieder zurück! Da muss man auch die Wahrheit sagen! - Gegenruf von A- dam [SPD]: Wann haben Sie sie denn zurückgenommen?)

Ich kann mich noch gut an das so genannte Streichquartett, die vier Abgeordneten der CDU und FDP unter der Leitung von Frau Breuel, erinnern. Wir haben als Erstes im Jahre 1990 diese Einsparverpflichtung aufgehoben.

(Biallas [CDU]: Stimmt nicht! Objek- tiv stimmt das nicht! - Gegenruf von Adam [SPD]: Woher wissen Sie das denn?)

Herr Kollege Biallas, wenn wir diese mit einbeziehen, haben wir sogar ein Mehr von 1.423 Stellen im Lande Niedersachsen. Allein von 1994 bis 1996 sind 228 zusätzliche Stellen für Arbeiter und Angestellte geschaffen worden. Von 1990 bis heute haben wir einen Zuwachs von 359 Stellen im Angestelltenbereich. Das ist immerhin ein Mehr von 17,6 %. Das ist ein Mehr, das zur Entlastung der Beamtinnen und Beamten von vollzugsfremden Tätigkeiten auch dringend erforderlich war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen sprechen für sich. Die CDU behauptet jedoch, seit 1990 stagniere der Personalbestand, Angestellte würden nur zögerlich angestellt.

(Biallas [CDU]: Das stimmt auch!)

Abgesehen davon, dass dies nicht stimmt,

(Biallas [CDU]: Es steht jedenfalls in der Antwort! Dann stimmt die Ant- wort nicht! Die habe ich nicht gege- ben!)

wäre eine zögerliche Einstellung immer noch besser als keine Einstellung bzw. Stellenstreichungen wie 1989 bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU.

Das Land bemüht sich, verfügbare und frei werdende Planstellen unverzüglich wieder zu besetzen. Die Verfahrensweise des MI mit der Zusammenarbeit mit dem Polizeihauptpersonalrat hat sich eindeutig bewährt.

Es ist das Durchschnittsalter angesprochen worden. Das Durchschnittsalter in der niedersächsischen Polizei, also von Schutz- und Kriminalpolizei, ist im Zeitraum von 1990 bis 1999 von 37,64 auf 41,17 Jahre angestiegen. Dies hängt hauptsächlich mit den in der Polizei stark vertretenen Geburtsjahrgängen zusammen, die die Alterspyramide naturgemäß verändern, hängt aber natürlich auch mit dem Einstellungsalter zusammen. Da wir nur

noch Abiturienten einstellen, ist das durchschnittliche Einstellungsalter auf 21 Jahre gestiegen.

Eines der wichtigsten Ziele der Polizeireform war, durch die organisatorische Zusammenführung von Schutz- und Kriminalpolizei die Kriminalitätsbekämpfung zu verbessern. Dieses Konzept hat sich durchgesetzt und hervorragend bewährt.

Dass es Anlaufschwierigkeiten gab, ist bei einer Reform normal. Die Behauptung der CDU, die Staatsanwaltschaft übe nach wie vor Kritik an der Qualität polizeilicher Ermittlungstätigkeit, trifft nicht zu. Dies haben uns alle Leitenden Oberstaatsanwälte vor kurzem bestätigt.

Selbstverständlich werden alle Maßnahmen der Reform als ein andauernder Veränderungsprozess mit Beteiligung der Polizeibeschäftigten verstanden. Vorschläge von Beschäftigten oder von Controllern haben in vielen Fällen zu hauptsächlich regionalen Veränderungen geführt. Wir betreiben zurzeit das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Altersteilzeit auch für den Bereich der Landespolizei. Wir wollen - das ist unser erklärter Wille - auch die Teilzeitkräfte mit einbeziehen. Dies betrifft in Niedersachsen immerhin 503 Frauen und 140 Männer bei den Vollzugsbeamtinnen und -beamten sowie 1.041 Frauen und neun Männer beim Tarifpersonal. Nach allem, war wir bislang von der Polizei hören, besteht landesweit ein großes Interesse an der Altersteilzeit.

Flächendeckend ist die Polizei mit ca. 5.000 Mikado-Arbeitsplätzen ausgestattet. Die polizeiliche Aufgabenerfüllung wird im Wesentlichen durch dieses Vorgangsbearbeitungssystem unterstützt. Zusätzlich ist ein Großteil der Dienststellen mit mehr als 2.700 Personalcomputern ausgestattet.