Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

(Glocke des Präsidenten)

Zumindest ist die Gefahr gegeben, und wir müssen uns darum kümmern. Man sollte zunächst die hausgemachten Probleme beseitigen. Auch die vorhandenen arbeitslosen Lehrkräfte aus Niedersachsen stehen nur begrenzt als Reserve zur Verfügung. Oftmals sind sie durch schlechte Fächerkombinationen und dergleichen mehr gekennzeichnet.

(Glocke des Präsidenten)

Ich will das abkürzen: Der sich abzeichnende Lehrermangel hat einschneidende Konsequenzen auch für die Verlässliche Grundschule. Ich zitiere aus einem Bericht der „Schaumburg-Lippischen Landeszeitung“ von vor vier Wochen: Den Bedarf an Vertretungslehrern werde man mit 630-MarkKräften nicht mehr decken können, warnten die anwesenden Schulleiter einstimmig. Bei Lehrern und Lehramtsanwärtern sei der Markt schlicht abgegrast. Vor allem ländliche Regionen seien von diesem Mangel betroffen. - Das ist in der Tat ein Gefahrenpunkt für die Verlässliche Grundschule.

(Beifall bei der CDU)

Die Problematik wird sich noch verschärfen, wenn jede einigermaßen qualifizierte Lehrkraft in Niedersachsen auf eine Festeinstellung im Landesdienst hoffen darf und von daher die Ehrenrunde in der Verlässlichen Grundschule gar nicht erst dreht. Warum denn auch, wenn man eine volle Stelle bekommen kann? Sehr verehrte Frau Ministerin, wenn die Verlässliche Grundschule zu einer im positiven Sinne verführerischen Schule werden soll, dann müssen Sie den Kernpunkt einer gesicherten Unterrichtsversorgung erfüllen.

Ich fasse zusammen: Die Studienkapazitäten an den Hochschulen und an den Lehrerinnen- und Lehrerausbildungsseminaren reichen schon in absehbarer Zeit nicht mehr aus. Durch die von der Landesregierung beabsichtigte Altersteilzeit auch für Lehrkräfte wird sich der Bedarf noch weiter erhöhen. Die Landesregierung würde schwerwiegende Managementfehler begehen, wenn sie angesichts dieser absehbaren Entwicklung nicht gegensteuern würde. So ist trotz erkennbaren Bedarfs in allen Lehramtsfächern ein Numerus clausus verhängt worden, der den Zugang zu den Lehramts

studiengängen unnötig beschränkt. Eine gezielte Werbung für den Lehrerberuf durch die Landesregierung hat nicht stattgefunden. Verbale Appelle haben wir vom Wissenschaftsminister und von der Kultusministerin gehört. Prima! Aber sie sind offensichtlich ohne Erfolg geblieben. Die Kapazitäten sind nicht ausgefüllt.

(Glocke des Präsidenten)

Für den bundesweiten Wettbewerb müsste Niedersachsen besser gerüstet sein.

Darum enthält unser Antrag folgende Forderungen:

Erstens. Niedersachsen muss umgehend auch an allgemein bildenden Schulen wieder volle Stellen vorhalten, um wettbewerbsfähig zu sein, und darf die zunehmend knappe Ressource Lehrkraft nicht unnötig verbrauchen.

Zweitens. Die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen und an den Lehrerausbildungsseminaren sind umgehend bedarfsgerecht aufzustocken. Die Zulassungsbeschränkungen sind aufzuheben. Unbedingt notwendig ist es - das sage ich für die Pädagogen -,

(Meinhold [SPD]: Ja!)

die Attraktivität des Lehrerberufes zu steigern.

(Beifall bei der CDU)

Das fängt schon damit an, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Pädagogen nicht gleichermaßen wie - manches Mal nicht unberechtigt - die Politiker ein so schlechtes Image haben und wir von der „Faule-Säcke-Generation“ wegkommen. Das wäre ganz entscheidend. Viele genieren sich schon beinahe. Wenn ich gefragt werde, was ich früher gemacht habe, dann sage ich: Ach, ich war allgemein tätig.

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Kollege Koch, Sie haben Ihre Redezeit jetzt schon um sechs Minuten überzogen.

(Heiterkeit)

Ich erinnere daran, dass der Landesrechnungshof schon 1995 angemahnt hat, an den fächerspezifischen Bedarf an Lehrkräften zu denken. Ich erinne

re daran, dass die SPD-Fraktion 1996, als sie noch mutig war, als sie sich noch Ungehorsam gegenüber der Regierungsmannschaft geleistet hat, gefordert hat, bis zum 30. Juni ein an dem fächerspezifischen Bedarf orientiertes Ausbildungskonzept vorzulegen. Darauf ist bis zum November 1999 lediglich die Antwort gekommen: Wir werden das bis zum nächsten Jahr schaffen. Meine Damen und Herren, uns läuft die Zeit weg! Glauben Sie es mir!

(Heiterkeit - Mühe [SPD]: Deine ist schon abgelaufen!)

Einige Damen und Herren wundern sich. Auch jene, die irgendwo eine pädagogische Verantwortung haben, werden wieder reaktiviert, seien sie nun bei den Falken tätig gewesen oder in einer Grundschule oder in einer Volkshochschule. Wir kommen zu den Zeiten der Hausfrauenlehrerinnen zurück, wenn wir nicht handeln. Von daher wäre es gut, wenn sich die SPD-Fraktion wieder selbständig machen und versuchen würde, die Sache voranzutreiben, und eine große Koalition der Vernunft mit den Grünen und der CDU einginge. Danke.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im Interesse der Lebendigkeit des Landtages ist meine pädagogische Geduld in präsidiale Geduld umgeschlagen. - Jetzt hat Frau Kollegin Litfin das Wort.

(Dr. Domröse [SPD]: Ich würde mich jetzt über eine ernsthafte Behandlung dieses Themas wirklich freuen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Domröse hat Recht: Das ist ein ernsthaftes Thema, was wir hier zu beraten haben. Trotzdem fand ich die überzogene Rede, auch wenn das ein Parforceritt durch die Schulpolitik war, beachtlich. Sie hat mir gefallen.

(Beifall bei der CDU)

Für meine Fraktion kann ich ankündigen, dass wir den Antrag der CDU-Fraktion weitgehend unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe, seit ich diesem Hohen Hause angehöre, in jeglichen Haushaltsberatungen im Kultusausschuss moniert, dass die Ausbildungskapazitäten zu gering sind. Wir hören an allen Ausbildungsseminaren für Lehrer und Lehrerinnen, dass sie leider gezwungen sind, am tatsächlich bestehenden Fächerbedarf vorbei auszubilden, dass viel zu viele Deutschlehrer und -lehrerinnen ausbildet werden und dafür riesige Defizite im naturwissenschaftlichen Bereich, aber auch bei Sport, bei Musik und auch bei Religion bestehen, bei den netten Fächern, die vielen Schülern und Schülerinnen sehr entgegenkommen, die ihnen helfen, ihr Leben zu bewältigen, die aber an den Schulen letzten Endes nicht so wichtig sind und deshalb gern wegfallen.

Leider ist diesen Anregungen, die ich seit mindestens sechs Jahren unterbreitet habe, nie gefolgt worden. Es ist immer behauptet worden, die Ausbildungskapazitäten reichten. Gemerkt hat man das, glaube ich, erst bei der letzten Einstellungsrunde. Wie Sie wissen, sollte zum letzten Einstellungstermin nur für den relativ geringen Ersatzbedarf eingestellt werden. Es ist noch nicht einmal gelungen, diese Stellen zu besetzen, weil man nicht ausreichend viele Lehrerinnen und Lehrer oder nur solche mit einer nicht passenden Fächerkombination gefunden hat. Da man auch schon vor zehn Jahren an drei Fingern hätte abzählen können, wie viele Lehrkräfte in diesem Jahr und in den folgenden Jahren in Pension gehen, muss ich an dieser Stelle leider eine gewisse Absicht unterstellen. Denn wenn ich keine ausgebildeten Lehrkräfte habe, die ich einstellen kann, dann kann ich auch versprechen, dass ich einstellen und einstellen und einstellen werde. Ich kann das dann auch an den Haushaltsrealitäten, die ich selber schaffe, vorbei versprechen,

(Zustimmung von Lindhorst [CDU])

denn letzten Endes muss ich das Versprechen dann nicht einhalten, sondern kann sagen: Ich würde ja gern einstellen und würde das Geld zur Verfügung stellen, aber leider stehen nicht ausreichend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung, und wir müssen jetzt erst einmal sehen, dass entsprechende Lehrkräfte ausgebildet werden.

(Frau Goede [SPD]: Perfide ist das!)

Ich vermisse in diesem Zusammenhang - deshalb hatte ich im Dezember den Entwurf zu einer Anfrage erarbeitet; die CDU-Fraktion ist mir dann aber mit ihrem Antrag zuvorgekommen - Pla

nungsdaten zumindest für die nächsten zehn Jahre. Ich vermisse Daten darüber, wie viele Lehrerinnen und Lehrer nach Meinung der Landesregierung in den nächsten zehn Jahren, in Zeiten immer noch wachsender Schülerzahlen eingestellt werden müssen. Ich vermisse Zahlen darüber, welcher Fächerbedarf abgedeckt werden muss. Ich vermisse Zahlen darüber, wie die Landesregierung denn die Auswirkungen der Altersteilzeit einschätzt. Schließlich kann es sein - das hoffe ich jedenfalls -, dass für die durch die Altersteilzeit frei werdenden Stunden zusätzliche Lehrer und Lehrerinnen eingestellt werden. Ich vermisse Zahlen darüber, wie der Einstellungsbedarf mit den Ausbildungen, die zum Beispiel in anderen Bundesländern stattfinden, korrespondiert, ob denn überall unter Bedarf ausgebildet wird und wir als Land keine Chance haben, jemanden aus Schleswig-Holstein, NordrheinWestfalen oder sonst woher abzuwerben.

Ich hoffe, dass mir all diese Fragen im Rahmen der Beratung des Antrages der CDU-Fraktion beantwortet werden.

Ich möchte aber sagen, Kollege Koch, dass ich zwei Sachen nicht unterstütze. Ich unterstütze nicht Ihr Anliegen, generell wieder volle Stellen einzuführen, sondern ich meine, dass wir zumindest in Bereichen, in denen es genügend Bewerber und Bewerberinnen gibt und in denen wir nicht gezwungen sein werden, auf volle Stellen zu gehen, weil wir ansonsten nicht genug Bewerber und Bewerberinnen hätten, bei Dreiviertelstellen bleiben sollten; denn in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit kommt man nur weiter, wenn man die vorhandene Arbeit auf möglichst viele Personen verteilt. Ich meine, dabei hat unser Ministerpräsident genau den richtigen Ansatz gewählt. Es gab noch einen Punkt in Ihrem Antrag, den ich nicht unterstützen wollte. Ich finde ihn gerade nicht. Vielleicht war es doch nur einer. - Ich glaube, es war doch nur einer.

Auf die angekündigte Werbekampagne, die die Ministerin schon bei der Beratung des letzten Tagesordnungspunktes erwähnt hat, bin ich gespannt; denn bisher sehe ich nichts davon.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Das Wort hat nunmehr Herr Kollege Wulf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Folgende Zeitungsmeldung aus der letzten Woche gab mir zu denken, in der steht:

„Viele junge Pädagogen stehen momentan eher auf der Straße als hinter dem Pult - an den Gymnasien und Hauptschulen ist die Situation bedrückend für den Lehrer-Nachwuchs. An den... Berufschulen dagegen sieht es ganz anders aus; hier sind die Leitragenden die Schüler, weil es viel zu wenige Lehrer gibt.“

Wenn man das liest, dann stellen sich natürlich die Fragen: Hat die CDU Recht mit dem, was sie hier vorgetragen hat? Hat die CDU Recht mit dem, was in dem vorliegenden Antrag steht?

(Lindhorst [CDU]: Natürlich! – Klare [CDU]: Geben Sie doch einmal eine ehrliche Antwort!)

Sie hätte es, wenn es sich bei dem zitierten Zeitungsartikel um eine Meldung aus Niedersachsen handeln würde. Sie stammt aber aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 18. Januar dieses Jahres und beschreibt die Situation in Bayern, das der Kollege Koch gerade so gelobt hat, und insbesondere in der dortigen Landeshauptstadt München. Es ist also zumindest ein Irrglaube, wenn die CDU uns hier im Landtag und draußen im Lande immer wieder weismachen will, dass die Zustände in Niedersachsen ach so schrecklich wären und die Situation in Bayern himmelhoch jauchzend wäre. Offensichtlich stimmt dieses Bild nicht, wie uns diese Meldung gerade deutlich gemacht hat.

Aber ich will natürlich nicht verhehlen, lieber Kollege Koch, dass in dem, was Sie hier vorgetragen haben, nicht nur ein Körnchen Wahrheit enthalten war, sondern es durchaus einige Körnchen waren.

(Lindhorst [CDU]: Körnchen? Kör- ner! Ganze Weizenfelder!)