Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Litfin?

Immer, Frau Kollegin Litfin.

Verehrter Herr Ministerpräsident, halten Sie es für einen Erfolg der SPD, dass Lehrer und Lehrerinnen in so großer Anzahl in Pension gehen?

Frau Kollegin Litfin, ich halte es für einen Erfolg der SPD, dass der Finanzminister die Forderungen Ihrer Fraktion auf Senkung der Nettokreditaufnahme zurückgewiesen hat, damit wir überhaupt die Finanzmittel dafür haben, Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Das halte ich in der Tat für einen Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Es geht doch nicht, dass Herr Golibrzuch und andere den Finanzminister beschimpfen, er würde sozusagen Kriegskassen für Wahlkämpfe produzieren, ihn auffordern, das Geld zur Senkung der Nettokreditaufnahme einzusetzen, und dann hinterher erklären, dass Lehrer eingestellt werden sollen. Das ist doch der Beleg dafür, dass die Behauptungen Ihres finanzpolitischen Sprechers pure Polemik gewesen sind. Wir brauchen das Geld, um Lehrer einstellen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, wir können doch nicht öffentlich erklären: Wir wollen die Steuern und die Nettokreditaufnahme senken, wir wollen zusätzliche Aufgaben übernehmen, und wir wollen Lehrer einstellen. - Das geht doch nicht.

(Zuruf von Wenzel [GRÜNE])

Sie müssen doch der Bevölkerung sagen, wie Sie es finanzieren wollen. Was Sie wollen, ist: Allen wohl und niemand weh. - Das geht aber eben nicht in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der SPD)

Zum Einstellungstermin gab es rund 10.000 Bewerberinnen und Bewerber. Davon waren fast 40 % aus anderen Bundesländern. So unattraktiv kann also offensichtlich der Lehrerberuf in Niedersachsen nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU.

(Eveslage [CDU]: Das ist heute schon einmal vorgelesen worden!)

- Wenn davon fast 4.000 aus anderen Bundesländern kommen und wenn sich davon 3.609 für den allgemein bildenden Schulbereich beworben haben, also für den Bereich, in dem wir Dreiviertelstellen anbieten, dann ist doch die Behauptung, wir hätten aufgrund dieser Einstellungspolitik eine schlechte Bewerberlage, schlicht falsch, Herr Kollege Eveslage.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schuljahr 1999/2000 wurde unsere Bildungsoffensive mit der Einstellung von 759 jungen Lehrerinnen und Lehrern fortgesetzt, und zu Beginn des nächsten Schuljahres werden wir weitere 550 Einstellungen auf frei werdenden Stellen vorsehen. Das kostet das Land in der Tat rund 20 Millionen DM. Damit, meine Damen und Herren, ist der erste Teil der Regierungserklärung für

das Jahr 2000 eingelöst, dass wir jede frei werdende Lehrerstelle mit voller Stundenzahl wieder besetzen, mit voller Stundenzahl deshalb, weil die Viertel, die wir nicht besetzen, zu Neueinstellungen zusammengeführt werden. Zusätzlich zur Wiederbesetzung aller frei werdenden Stellen werden zum Schuljahresbeginn 2000/2001 weitere 500 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Diese Einstellung erfolgt über die Pensionierungs- und Abgangszahlen hinaus. Dies ist der erste große Schritt zur Einlösung des zweiten Versprechens, nämlich über die Wiederbesetzung frei werdender Stellen hinaus bis zum Jahr 2003 die Finanzierung von rund 2.000 zusätzlichen Lehrerstellen zu garantieren.

Sehr geehrter Herr Kollege Koch, eines verstehe ich nicht, nämlich wieso Sie, wenn wir sagen, wir stellen zusätzlich Lehrer ein, und wenn wir sagen, die Finanzmittel für 1.000 von diesen 2.000 Lehrern wollen wir für die Verlässliche Grundschule zur Verfügung stellen, dann immer noch behaupten, die Einführung der Verlässlichen Grundschule gehe zulasten anderer Schulformen. Das ist schlicht nicht die Wahrheit. Ich finde, das sollten Sie eingestehen und vor Ort sagen, dass das vernünftig ist.

(Beifall bei der SPD)

Was wir hier erleben, ist doch keine Entwicklung im guten Konsens. Die CDU hat vielmehr erkannt, dass der Elternwille in eine andere Richtung geht. Das ist auch vernünftig so. Dabei wollen wir mitmachen und niemanden dafür kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt werden damit im Jahre 2000 in Niedersachsen rund 3.000 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Hinzu kommen voraussichtlich mehrere hundert Einstellungen in der Folge der Altersteilzeit. Die Einstellungen erfolgen im allgemein bildenden Schulbereich weiterhin auf Dreiviertelbasis. Wir wollen auch in Zukunft die Stellenreste für Neueinstellungen nutzen. Wir holen mehr junge Leute, gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, von der Straße in die Klassenzimmer. Das ist doch eine vernünftige Politik der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie, Herr Kollege Koch, das nicht mehr wollen, dann müssen Sie doch denjenigen, die deshalb auf der Straße bleiben, erklären, warum sie

künftig weiter arbeitslos sind, anstatt in Niedersachsen Kinder zu unterrichten. Das ist doch die Politik, die Sie damit verfolgen. Das kann doch nicht vernünftig sein. Deswegen hoffe ich, dass wir auch an der Stelle zu einer gemeinsamen Politik zugunsten der Lehrerinnen und Lehrer, die einen Job suchen, und zugunsten möglichst vieler junger Köpfe in den Schulen kommen. Dass die Leute das mitmachen, liegt daran, dass sie die Garantie haben, nach vier Jahren auf einen Vollzeitarbeitsplatz übernommen zu werden. Das ist doch ein vernünftiger Umgang mit Arbeitszeitmodellen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Litfin [GRÜNE])

An die Kollegin Litfin gerichtet sage ich: Wir werden natürlich punktgenau prüfen. Wenn sich die Bewerberlage so wie im berufsbildenden Bereich ändert - wir erleben das jetzt in den Sonderschulen -, dann müssen wir natürlich auf Vollzeiteinstellungen umsteigen. Das ist gar keine Frage. Aber dort, wo wir Luft haben, wo es weit mehr Bewerber als Stellen gibt, müssen wir uns darum kümmern, dass flexible Arbeitszeitmodelle jungen Leuten in Niedersachsen eine Chance geben.

(Frau Litfin [GRÜNE]: Das unterstüt- ze ich! - Zustimmung bei der SPD)

- Ich bin sehr froh, dass wir hierin einig sind.

Die Ausbildungskapazitäten, die der Kollege Koch angesprochen hat, werden wir natürlich erhöhen, meine Damen und Herren. Und wir erhöhen sie jetzt von 3.780 auf 4.240 Stellen im Ausbildungsbereich für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter. Also auch da sind wir auf einem guten Weg. Insgesamt werden dafür im laufenden Haushalt 2000 rund 75 Millionen DM zur Verfügung gestellt. - Dafür brauchen wir eben keinen Nachtragshaushalt, meine Damen und Herren. - Von daher bin ich sehr sicher, dass wir mit diesen - sozusagen - notwendigen Bedingungen zur Verbesserung der Situation an den Schulen auch Vertrauen für qualitative Veränderungen und Verbesserungen in der Schule erzeugen und auch erreichen, dass wir Lehrerinnen und Lehrer im Reformprozess mitnehmen können, dass wir jungen Leuten in Niedersachsen die Chance geben, bei uns eingestellt zu werden, und dass wir Kreativität und Ideenreichtum in die Schulen hineintragen. – Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Ich erteile nun dem Kollegen Klare für bis zu drei Minuten das Wort.

(Meinhold [SPD]: Herr Koch hat alles gesagt, Herr Klare!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeiten und auch Wahrnehmungsfähigkeiten, was die Frage der Schulen anbetrifft. Ich will auf eine Debatte hinweisen, die wir im Landtag einmal mit Hauptschülern geführt haben. Herr Ministerpräsident, die Hauptschulen haben sich seinerzeit über alle Schulen, die anwesend waren, hinweg über die mangelnde Unterrichtsversorgung beschwert, sie haben darüber geklagt, dass zum Teil tageweise Unterricht ausfalle, und haben dies in dramatischer Weise dargestellt. Der Herr Präsident war ebenfalls anwesend. Wir hatten, glaube ich, alle das Gefühl, dass hier dringend etwas geschehen muss. Deshalb, Herr Kollege Wulf, kann man es nicht zulassen, dass man in der Debatte die schwierige Frage der Unterrichtsversorgung immer noch schönredet, alles verkleistert und nicht sagt, wie es an den Schulen wirklich aussieht.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Koch hat sehr eindrucksvoll auf die dramatische Situation hingewiesen, die, was die Frage des Nachwuchses anbetrifft, doch gar nicht dramatischer sein kann. Darauf ist hier gar nicht eingegangen worden. Auch Sie, Herr Ministerpräsident, sind nur in Teilen darauf eingegangen. Dies ist über Jahre hinweg von uns angemahnt worden, und es ist bis jetzt nicht reagiert worden, weder vom Wissenschaftsminister noch von der Kultusministerin.

Die Verlässliche Grundschule kann jetzt nicht zu einer Erfolgsstory gemacht werden.

(Zurufe von der SPD)

Das ist auch von niemandem gesagt worden. Eindeutig gesagt worden ist, dass einiges dringend Notwendige verbessert worden ist und dass dringend Notwendiges auch noch verbessert werden muss. Der Grund dafür, dass die Verlässliche Grundschule jetzt nachgefragt wird, besteht aber doch nicht darin, dass die Leute sagen, das Konzept sei so überwältigend.

(Beckmann [SPD]: Weil ihr dagegen seid, oder?)

Vielmehr wird man doch genötigt, diese Schule einzuführen, damit man überhaupt die erforderlichen Unterrichtsstunden erhält. Genau deswegen wird es beantragt.

(Beifall bei der CDU - Frau Goede [SPD]: Er ärgert sich! - Weitere Zuru- fe)

Meine Damen und Herren, wer die Verlässliche Grundschule nicht einführt, wird ausgeblutet und benachteiligt.

(Beifall bei der CDU)

Also wird man die Schule einführen müssen. Das ist leider die Wahrheit, mit der wir uns zu beschäftigen haben.

(Meinhold [SPD]: Eine unverschämte Unterstellung!)

Wenn Sie schon von den vielen Verbänden reden, die Sie immer anführen, damit man Ihnen nichts nachtragen kann, so lesen Sie doch nach, was die Verbände zur Verlässlichen Grundschule schreiben. Es bleiben eben noch sehr viele Mängel. Die Verlässliche Grundschule jetzt als Versuch laufen zu lassen, wie Sie dies jetzt tun, heißt bei den Problemen, die noch vorhanden sind, die Kinder zu Versuchskaninchen zu machen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Noch ein Gedanke zum Schluss. Wir haben gesagt, dass wir es begrüßen, wenn das, was der Ministerpräsident angekündigt hat, umgesetzt wird. Bis heute - das ist bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage deutlich geworden - gibt es aber noch keine einzige Finanzierungsgrundlage. Es gibt die Ankündigung, aber das reicht uns bei dem, was wir bis jetzt von der Landesregierung wissen, noch lange nicht. Sie müssen klare Fakten im Haushalt schaffen. Dann können wir Ihnen glauben.