Protokoll der Sitzung vom 17.02.2000

(Beifall bei der SPD)

Zur zweiten Frage Herr Kollege Dr. Stumpf!

Herr Minister, können Sie uns bitte einmal erklären, worin die Logik liegt, dass Sie einerseits sagen, Schacht Konrad ist genehmigungsfähig, und uns andererseits auffordern zu helfen, den Rahmen aufzubrechen, der dazu geführt hat, dass Schacht Konrad genehmigungsfähig ist? Damit würden wir

gegen geltendes Recht verstoßen. - Das, was Sie hier praktizieren, ist unlogisch.

(Beifall bei der CDU - Möllring [CDU]: Das sagen wir die ganze Zeit! - Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

Herr Jüttner!

(Beckmann [SPD]: Wo war denn die Frage?)

Es wurde nach der Logik gefragt. Das ist zulässig.

Herr Stumpf, das Genehmigungsverfahren Schacht Konrad ist Bestandteil eines Entsorgungskonzepts aus dem Jahre 1979/1980 und sieht vor, dort 650.000 m³ schwach- und mittelwärmeentwickelnden Atommüll zu lagern. Dafür sind im Atomrecht rechtliche Grundlagen geschaffen worden, und dafür hat der Bund über seine nachgeordnete Behörde, das Bundesamt für Strahlenschutz, einen Genehmigungsantrag gestellt. Die Planfeststellungsbehörde, das Niedersächsische Umweltministerium, muss auf der Basis des geltenden Atomrechts entscheiden. Wenn der Antragsteller die Voraussetzungen erfüllt, ist positiv zu entscheiden. Das ist die Rechtslage. Wir befinden uns schließlich in einem Rechtsstaat.

Nun hat sich in der Zwischenzeit - ich finde, für alle nachvollziehbar - das Entsorgungskonzept hinsichtlich der Mengen, der Sicherheitskomponenten und der Wirtschaftlichkeit als obsolet herausgestellt.

(Frau Körtner [CDU]: Wer sagt denn das?)

- Das sagen die Bundesregierung und auch die meisten Kenner der Szene.

Wir haben jetzt - leider, kann ich sagen - folgendes Problem: Die politische Einsicht ist der Rechtslage voraus. Für das neue Entsorgungskonzept gibt es bisher keine Rechtsgrundlage. Das führt zu diesen Komplikationen, die öffentlich schwer nachvollziehbar sind: Ich als politisch agierende Persönlichkeit hänge dem neuen Entsorgungskonzept, das gerade erarbeitet wird, an, stecke aber gleichzeitig in dem Dilemma - was zugleich aber auch eine Freude ist -, als Planfeststellungsbehörde nach dem

geltenden, d. h. dem alten Recht entscheiden zu müssen.

Ich will nicht verkennen, dass es einer interessierten Öffentlichkeit schwer zu vermitteln ist - einer weniger interessierten Öffentlichkeit noch schwerer -, wenn ich sage: Schacht Konrad will ich nicht, muss es aber vielleicht demnächst genehmigen. Deshalb besteht meine politische Arbeit darin, bei denjenigen, die das Recht setzen, dafür zu streiten, dass das neue Konzept möglichst schnell rechtlich abgesichert wird. Denn dann könnte ich mit dem Thema anders umgehen.

In dem Zwiespalt stecken wir. Habe ich Ihnen das jetzt verdeutlicht, oder habe ich irgendeinen Teil Ihrer Frage noch nicht beantwortet?

(Inselmann [SPD]: Die werden das nie begreifen!)

Es ist nicht leicht nachzuvollziehen. Meine Bitte an den Bund ist, möglichst schnell dafür zu sorgen, dass für das, was er politisch will, bei den zuständigen Genehmigungsbehörden die rechtlichen Voraussetzungen getroffen werden. Das ist das Problem, in dem wir stecken und das hoffentlich bald gelöst wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit ist die Dringliche Anfrage abgeschlossen. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 20: Mündliche Anfragen - Drs. 14/1381

Es ist 10.14 Uhr. Ich rufe auf

Frage 1: Fahrpreise der Bahn in Niedersachsen

Die Frage wird vom Abgeordneten Wenzel gestellt. Bitte schön!

Das Bahnfahren in Nahverkehrszügen ist erneut teurer geworden. Ab dem 1. Februar 2000 sind die Preise in den neuen Ländern um 3,9 % und in den alten Ländern um 2,9 % angehoben worden. Nach Angaben eines Bahnsprechers haben die Bundesländer dieser Preiserhöhung zugestimmt.

Während die Preise für Telefongebühren und die Strompreise seit der Abschaffung der Monopole sinken, ist ein ähnlicher Trend bei den Bahnfahrpreisen bislang nicht zu erkennen, obwohl das Monopol der Deutschen Bahn AG zumindest auf dem Papier mit der Bahnreform ebenfalls abgeschafft wurde.

Problematisch ist insbesondere, dass die Deutsche Bahn AG weiterhin das Netz kontrolliert und auch keine Regulierungsbehörde den Zugang von dritten Eisenbahngesellschaften regelt. So sind Fälle bekannt, bei denen die Deutsche Bahn AG lieber Strecken stilllegt, als Mitbewerber zum Zuge kommen zu lassen. Das ist auch in Niedersachsen schon der Fall gewesen. Zudem wird von kleinen Eisenbahngesellschaften berichtet, dass die Deutsche Bahn AG ältere Lokomotiven verschrottet, um zu verhindern, dass die Konkurrenz die Lokomotiven kauft. Auch wird von nicht bundeseigenen Bahngesellschaften immer wieder berichtet, dass Verhandlungen mit der Deutschen Bahn Netz über die Trassennutzung oft sehr problematisch sind. Schließlich begünstigt das Trassenpreissystem die Unternehmen der Deutsche-Bahn-Gruppe.

Aufgrund der bisherigen Beobachtungen entsteht der Eindruck, dass die Länderverkehrsminister jede beantragte Tariferhöhung widerspruchslos genehmigen. Offenbar wurden von hier bislang keine besonderen Anstrengungen unternommen, um eine Trendumkehr bei den Fahrpreisen der Bahn zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Warum hat sie der letzten Fahrpreiserhöhung für Nahverkehrszüge zugestimmt?

2. Was wird sie tun, um künftige Fahrpreiserhöhungen zu verhindern und eine Trendumkehr bei den Fahrpreisen der Bahn zu erreichen?

3. Welche Konstruktionsmängel der Bahnreform sind aus Sicht der Landesregierung abzustellen, um

den Schienenverkehr leistungsfähiger, pünktlicher, billiger und schneller zu machen? - Vielen Dank.

Die Antwort erteilt der Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr Dr. Fischer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wenzel, in Ihrer Anfrage geht es im Wesentlichen um die Fahrpreiserhöhung der Bahn ab dem 1. Februar 2000. Danach zu fragen ist Ihr gutes Recht, Herr Wenzel, und ich werde Ihnen darauf gleich antworten.

Zusätzlich schildern Sie aber dann im Folgenden, was Ihnen bei der Bahn sonst noch alles missfällt: Kontrolle des Netzes, Regulierungsbehörde, Stilllegung von Strecken, Verschrottung von Lokomotiven, problematische Verhandlungen, Trassenpreise. Wenn wir alles, was Sie genannt haben, hier erörtern wollten, bräuchten wir dafür mehrere Stunden.

Ich möchte zu den generellen Themen, die Sie angesprochen haben, nur so viel sagen: Dass es noch große Marktzutrittsbarrieren für potentielle Anbieter gibt, ist allgemein bekannt und nicht nur ein spezifisch niedersächsisches Problem. Wir haben aber - wie Sie wissen - von niedersächsischer Seite aus dafür gesorgt, dass viele Punkte, die Sie angesprochen haben, überhaupt erst einmal auf die bundespolitische Tagesordnung gesetzt worden sind. Wir haben das auf meinen Antrag hin in der letzten Verkehrsministerkonferenz ausführlich erörtert.

Nun zu Ihrer Kernfrage, zu der Preiserhöhung: Es ist richtig, dass ab dem 1. Februar 2000 die Preise im Nahverkehr angehoben wurden, und zwar in den neuen Ländern um 3,9 % und in den alten Ländern um 2,9 %.

Ihre Behauptung, dass die Länderverkehrsminister jede beantragte Tariferhöhung widerspruchslos genehmigen, weise ich allerdings als Unterstellung zurück. Denn tatsächlich ist im Vorfeld mit der Bahn um die Fahrpreiserhöhung ganz erheblich gerungen worden, obwohl - das müssten Sie eigentlich auch wissen, Herr Wenzel - die Länder hier kaum rechtliche Möglichkeiten haben. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens haben mit der DB Regio auf allen Ebenen intensive Gesprä

che stattgefunden. Ich habe zusammen mit meinen Kollegen die Bahn aufgefordert, die Preiserhöhungen dezidiert zu begründen. Das ist dann auch durch den Vorstandsvorsitzenden der DB Regio geschehen. Es wurde uns vorgetragen, dass die DB Regio AG ab dem Jahr 2000 mit zusätzlichen Aufwendungen in Höhe von fast 400 Millionen DM belastet wird. Knapp 10 % dieser zusätzlichen Belastungen will die DB Regio mit der Tariferhöhung erwirtschaften, und die verbleibenden 90 % will sie durch Fahrgastzuwächse, Erlössteigerungen aus Verbundtarifen und Rationalisierungsmaßnahmen hereinholen. Nach eingehender Diskussion und sorgfältiger Prüfung haben dann alle Bundesländer - im Übrigen auch die, die von Ihrer Partei mitregiert werden - diese Begründung akzeptiert und den Tarifmaßnahmen zugestimmt. Ich empfehle Ihnen: Fragen Sie Ihre Freunde in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, warum sie diesen Tariferhöhungen zugestimmt haben. - Die erste Frage habe ich damit beantwortet.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Landesregierung wird auch künftig Tarifanträge der DB Regio in der gebotenen Weise prüfen und ihren Einfluss geltend machen, obwohl - ich sage es noch einmal - die rechtlichen Möglichkeiten dazu außerordentlich gering sind.

Zur Frage 3: Ich habe schon häufiger gesagt - auch hier im Plenum -, dass es meiner Auffassung nach ein Konstruktionsfehler der Bahnreform war, den gesamten Bereich Netz beim Unternehmen DB AG zu belassen. Ich halte es für überlegenswert, den Bereich Netz zu gegebener Zeit unter Einbindung des Geschäftsbereiches Station und Service als eigenständiges Unternehmen aus der Holding herauszulösen. Ich stehe damit auch nicht alleine. Auf meine Initiative hin hat die Verkehrsministerkonferenz in ihrer letzten Sitzung einen entsprechenden Beschluss gefasst. Danach wird der Bundesverkehrsminister gebeten, zu prüfen, ob der Geschäftsbereich Netz aus der DB Holding herauszulösen ist. Ferner soll geprüft werden, ob eine staatliche Stelle, also eine Regulierungsbehörde, zur Sicherstellung des diskriminierungsfreien Netzzugangs erforderlich ist.

Nachhaltige Auswirkungen in Richtung günstigere Fahrpreise sehe ich allerdings nur, wenn der Bund das Schienennetz gänzlich auf eigene Kosten unterhält und ausbaut, so wie das bei den Straßen und Wasserwegen geschieht.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, an der Regierungsbank nicht ständig sozusagen Nebengeschäfte zu betreiben. Wenn es so lange dauert, dann gehen Sie bitte hinaus. - Herr Kollege Wenzel!

Herr Fischer, um künftig die Tarifanträge der Bahn besser prüfen zu können, frage ich Sie: Wird die Landesregierung in künftigen Verkehrsverträgen eine streckenbezogene Offenlegung der Fahrgeldeinnahmen der Deutschen Bahn AG vertraglich vereinbaren?

(Unruhe)

Herr Kollege Winn, das galt auch für diejenigen, die die Absicht hatten, an die Regierungsbank zu gehen!

Dafür haben wir keine rechtliche Möglichkeit.

Frau Pothmer!