Protokoll der Sitzung vom 29.03.2000

Ich meine, wir sollten im Krankenhausbereich - gerade was die Krankenhausfinanzierung angeht nicht ideologisch, sondern pragmatisch diskutieren. Das heißt aber auch, Frau Pawelski, von der Panikmache, die Sie besonders in Ihrer Einbringungsrede in Bezug auf die Krankenhausschließungen formuliert haben, Abschied nehmen zu müssen.

(Zuruf von Frau Pawelski [CDU])

Sie haben heute richtig gesagt, dass die Krankenhaus- und Bettendichte in Deutschland sehr hoch ist.

(Frau Pawelski [CDU]: Das habe ich damals auch gesagt!)

Das bedeutet natürlich, dass wir weiterhin gucken müssen, welche Krankenhäuser wir aufrechterhalten wollen und wo man korrigierend eingreifen muss.

(Glocke der Präsidentin)

Nicht jedes kleine Krankenhaus ist auch unter Qualitätsgesichtspunkten aufrechtzuerhalten.

(Plaue [SPD]: Es sei denn, es wird von der Arbeiterwohlfahrt betrieben; dann schon!)

Auch der Umkehrschluss - je größer das Krankenhaus, desto sicherer der Erhalt - kann nicht in jedem Fall gelten;

(Zustimmung von Eveslage [CDU])

vielmehr muss eine Prüfung stattfinden, die qualitätsorientiert ist. Natürlich muss auch sichergestellt werden, dass die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit einer ortsnahen Versorgung - das ist völlig klar - haben.

(Glocke der Präsidentin)

Ich habe die Erwartung und die Hoffnung, dass wir nach der NRW-Wahl im Mai in einer ganz anderen Atmosphäre wieder in Gespräche eintreten werden. Ich bin mir sicher, dass die CDU dann viele Punkte neu und sachorientierter diskutieren wird. Es ist bedauerlich, dass Sie die Auffassung vertreten haben, dass sich die Gesundheitsreform eignet, um zum Wahlkampfschlager gegen Rot-Grün gemacht zu werden. Das war nicht gut. Das war nicht gut für die Versorgung in diesem Land. Ich bin aber sicher, dass das nach der NRW-Wahl anders sein wird. Aber dann müssen Sie endlich auch einmal Ihre eigenen Vorschläge auf den Tisch legen.

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Mit dem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, und zwar in der Phase der Gesundheitsreform, in der wir uns schon damals befunden haben, springen Sie zu kurz.

Frau Kollegin Pothmer, ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Ein letztes Wort noch an den Fraktionsvorsitzenden der CDU. - Das Papier, das Sie, Herr Wulff, zur Gesundheitsreform vorgelegt haben und das

auch Ihren Namen trägt, ist, finde ich, denkbar ungeeignet, um tatsächlich in sachliche Auseinandersetzungen und Verhandlungen zu treten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist der Herr Kollege Schwarz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns einig darin, dass der Krankenhaussektor der bedeutendste und auch der mit Abstand kostspieligste Sektor im Gesundheitswesen ist. Die Frage, ob 100 Milliarden DM dort in jedem Fall effizient und effektiv ausgegeben werden, ob also das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, darf und, so glaube ich, muss gestellt werden. Insofern teile ich die Ansicht: Eine umfassende Reform im Gesundheitswesen ist nur unter Einbeziehung des Krankenhaussektors möglich. - Dies ist seit Jahren in diesem Land leider nicht passiert, ist aber, denke ich, sowohl im Interesse der Patientinnen und Patienten als auch - ich sage das sehr deutlich - im Interesse der Beschäftigten, die dort hervorragende Arbeit leisten, nötig.

(Zustimmung von Frau Elsner-Solar [SPD])

Als wir hier im Oktober 1999 die erste Beratung hatten, bin ich davon ausgegangen, dass die umfassende Reform im Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats, gegebenenfalls auch unter Kompromissformeln des Bundesrats, möglich sein würde. Das war leider nicht so, weil die CDU sogar die Anrufung des Vermittlungsausschusses abgelehnt hat. Die CDU wollte die Gesundheitsreform 2000 zur Volksabstimmung in Schleswig-Holstein machen, um damit Wahlkampfvorteile für sich zu nutzen. Tatsächlich ist dann die Wahl in Schleswig-Holstein zur Volksabstimmung über die Spendenaffäre der CDU geworden, und die Gesundheitsreform hat dann nicht mehr so im Mittelpunkt gestanden.

(Rolfes [CDU]: Sie haben doch gar keine Ahnung!)

Bei dieser Gelegenheit, Frau Pawelski, ist Ihnen, denke ich, auch die Tatsache abhanden gekommen, dass heute sehr wohl eine korrigierte Antragsfas

sung zur Beschlussfassung vorliegt, die nämlich die Empfehlungen und Beschlüsse der Gesundheitsreform mit einbezieht.

Wir haben auch die Ergebnisse der Anhörung mit eingebaut. An dieser Stelle danke ich im Übrigen ausdrücklich der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, mit der wir etliche interne Gespräche hatten und die letztlich die heute vorliegende Fassung des Antrags

(Lindhorst [CDU]: Formuliert hat!)

- nein, sie hat ihn nicht formuliert - inhaltlich weitgehend stützen kann.

(Frau Pawelski [CDU]: Bis auf die monistische Finanzierung!)

Beim letzten Mal ist mir vorgehalten worden, die Krankenkassen hätten den Antrag formuliert.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Das stimmt!)

Durch die jetzigen Beschlüsse im Gesundheitsreformgesetz werden wir ab dem 1. Januar 2003 eine deutlich veränderte Krankenhauslandschaft bekommen, also dann, wenn ein rein leistungsorientiertes und pauschaliertes Vergütungssystem in Kraft tritt. Das wird erneut deutlich machen, und zwar verstärkt, wo Wirtschaftlichkeitsreserven vorhanden sind und wo Fehlbelegungen vorhanden sind. Dies wird ohne Frage dazu führen, dass weitere Betten und gegebenenfalls auch weitere Krankenhäuser in der Bundesrepublik und damit auch in Niedersachsen verloren gehen und geschlossen werden müssen.

Ich sage es noch einmal: Wir hatten 1978 in Niedersachsen annähernd 62.000 Betten. Wir haben heute in Niedersachsen noch knapp 48.000 Betten. Das heißt: In diesem Zeitraum sind mehr als 13.000 Betten abgebaut worden, ohne dass sich die medizinische Versorgung verschlechtert hat oder dass sie zusammengebrochen ist. Wenn wir das Niveau des Bettenabbaus, das wir heute schon in Niedersachsen haben, in der Bundesrepublik erreichen wollen, dann müssen bundesweit mindestens 40.000 Betten abgebaut werden.

(Dr. Winn [CDU]: Sollen auch!)

Dies ist eine Situation, denke ich, die man nicht so ohne weiteres außer Acht lassen kann.

Wir sind der Auffassung - das wird mit der zur Annahme empfohlenen Fassung auch deutlich gemacht -, dass Krankenhäuser Entwicklungsmöglichkeiten haben müssen, dass sie zu Gesundheitszentren ausgebaut werden müssen und dass sie die Möglichkeit der Ausweitung im ambulanten Bereich haben müssen. Das setzt voraus, dass ein Hauptproblem im Gesundheitswesen einmal ernsthaft angegangen und korrigiert wird. Das ist das nach wie vor vorhandene Problem der eindeutig mangelnden Zusammenarbeit der Leistungsanbieter im Gesundheitswesen. Das ist die mangelnde Kooperation im Gesundheitswesen, übrigens auch zwischen Krankenhäusern.

(Zustimmung von Groth [SPD])

Trotz aller löblichen Aussagen behaupte ich: Der Patient und die Patientin stehen nicht immer im Vordergrund, wenn es um die medizinische Versorgung geht, sondern im Vordergrund stehen ein Verdrängungswettbewerb, ein Konkurrenzwettbewerb und die Optimierung von Einnahmen und Umsätzen. Im Krankenhaussektor kann ich noch einen draufsetzen: Dort steht sehr häufig im Vordergrund das Aushandeln und Ausschmücken von Chefarztverträgen in Konkurrenz zur Situation im Pflegedienst. - Das sind die Probleme, die wir im Krankenhaussektor haben, und das wissen wir auch alle miteinander. Das sollten wir nicht verniedlichen.

Beispielsweise die Debatte in den letzten Tagen über die mangelnde Kooperation an deutschen Tumorzentren oder über die Art und Weise der medikamentösen Behandlung in Kinderkliniken sollte uns schon extrem nachdenklich machen.

Wir wissen auch, dass im internationalen Vergleich in Deutschland zu viel operiert wird und zu schnell operiert wird.

Wir haben in die zur Annahme empfohlene Fassung des Antrags hineingeschrieben, dass Krankenhäuser für die Versorgung des ländlichen Raums eine wichtige Funktion erfüllen - darüber gibt es, denke ich, in Wirklichkeit auch keinen Dissens -, allemal in Oberzentren. Wir müssen aufpassen, dass beispielsweise die Entwicklung der Bettenkapazitäten in Universitätskliniken nicht zulasten der Versorgung im ländlichen Raum geht.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das ist ein sehr ernstes Problem, meine Damen und Herren, und das ist auch ein Problem, das wir nur gemeinsam anpacken können.

Neu ist aufgenommen worden, dass auch in Niedersachsen ein Krankenhaussozialdienst festgeschrieben werden soll.

Frau Pawelski, Sie sind auf das Thema Monistik eingegangen. In Wirklichkeit war die Monistik in den vergangenen Jahren zumindest zwischen den beiden großen Fraktionen nicht strittig. Auch Herr Seehofer hat die Monistik wiederholt thematisiert. Wir wissen, dass auch in diesem Bereich nur der Grundsatz gelten kann: Wer die Musik bezahlen soll, der muss auch bei der Bestellung mitwirken können. - Insofern glaube ich schon, dass die Monistik ein richtiger Ansatz ist. Ich sage, genau wie ich es im Ausschuss getan habe: Im Gesetzentwurf war sie nicht komplett gegenfinanziert. Wir müssen ein monistisches Modell finden, das auch sauber gegenfinanziert ist. Dass es im Rahmen der Planungen Sinn macht, Krankenhausplanung und -finanzierung schrittweise in eine Hand zu führen, das wird ernsthaft niemand bestreiten können. Dass wir in Niedersachsen, was beispielsweise die Planung betrifft, mit dem Krankenhausplanungsausschuss ein wirksames Instrument haben, das bundesweit durchaus beispielhaft sein kann, wird auch niemand bestreiten können. Wir haben hier immerhin die Situation - ich sage es noch einmal -, dass 100 Milliarden DM jährlich allein in dieses Krankenhaussystem eingebracht werden müssen.

Sie haben gesagt, Sie stünden aufseiten der Beschäftigten. Ja gut, wer tut das nicht? Das tun wir auch.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Aber ich darf einmal daran erinnern, dass es Herr Seehofer gewesen ist, der die sektorale Budgetierung vor sieben Jahren eingeführt hat, dass es Herr Seehofer gewesen ist, der die Budgets der Krankenhäuser pro anno um einen Beitragspunkt abgesenkt hat, und dass es Herr Seehofer gewesen ist, der BAT-Steigerungen nicht im vollen Umfang ins Budget eingesetzt hat, sodass das heute im Wesentlichen die großen Probleme bei der Personalgestaltung im Krankenhaus sind. Das ist kein Ergebnis von Rot-Grün; das ist nach wie vor ein Ergebnis der Politik der alten Bundesregierung.

(Dr. Winn [CDU]: Sie haben es aber auch nicht zurückgenommen!)