Protokoll der Sitzung vom 29.03.2000

Da aber in dem Änderungsvorschlag der Fraktion der SPD auch ein monistisches Krankenhausfinanzierungssystem gefordert werde, könne seine Fraktion insgesamt nicht zustimmen, weil die CDU das monistische System grundsätzlich ablehne.

Ein Vertreter der SPD-Fraktion wies darauf hin, dass mit dem Änderungsvorschlag versucht werde, dem System der Fallpauschale für die Krankenhausbehandlung Rechnung zu tragen. Diese Umstellung sei sicherlich nicht einfach, aber sie sei vermutlich der richtige Weg, das sehr komplizierte System der Vergütung für Krankenhausbehandlungen übersichtlicher zu gestalten und eventuelle Wirtschaftlichkeitsreserven erkennbar werden zu lassen. Die Forderung nach einem monistischen

Krankenhausfinanzierungssystem begründete er mit dem Argument, dass die Krankenkassen als Kostenträger in die Lage versetzt werden sollten, in stärkerem Maße auf die Strukturen Einfluss zu nehmen, wobei die Rahmenplanung aber bei den Ländern bleiben solle. Des Weiteren sprach er die Strukturgespräche an, bei denen die Möglichkeit intensiv genutzt werden solle, die integrative Versorgung in den Regionen zu verstärken. Dies könne nach seiner Auffassung nur unter Einbeziehung der Krankenhäuser funktionieren, in denen bereits eine Menge an Infrastruktur vorhanden sei. Abschließend wies er auf die in den Änderungsvorschlag zusätzlich aufgenommene Forderung hin, nach der bei einer Novellierung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes ein gut funktionierender Krankenhaussozialdienst verbindlich vorgesehen werden sollte. Er äußerte die Befürchtung, dass solche relativ kleinen Dienste, die aber eine wichtige Funktion hätten, bei den anstehenden Budgetverhandlungen „geopfert“ würden.

Die Vertreterin der Grünen im Ausschuss äußerte Zweifel an der Forderung nach Einbeziehung der psychiatrischen Erkrankungen in das Fallpauschalensystem. Sie verwies darauf, dass im Rahmen der Beratungen des Gesundheitsstrukturgesetzes auf Bundesebene eine entsprechende Regelung ausdrücklich wieder zurückgenommen worden sei, weil sich die Entwicklung von Krankheiten in diesem Bereich überhaupt nicht vorhersehen lasse. Eine entsprechende Erklärung eines Vertreters der SPD-Ausschussmitglieder, dass damit eine Ungleichheit zulasten der psychiatrischen Versorgung behoben werden solle und bei den Ambulanzen bereits mit Erfolg entsprechend verfahren werde, erkannte die Abgeordnete der Grünen als Motiv für die Forderung zwar an, hielt aber ihre Bedenken unter Hinweis auf Aussagen von Fachleuten auf dem Gebiet aufrecht.

Mit den Stimmen der Vertreter der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktion der CDU empfahl der Ausschuss schließlich dem Landtag, den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

Außerdem empfahl der Ausschuss mit den Stimmen der Vertreter der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktion der CDU bei Stimmenthaltung der Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag der Fraktion der SPD in der Fassung des Änderungsvorschlages vom 28. Januar 2000 anzunehmen.

Die mitberatenden Ausschüsse für innere Verwaltung und Haushalt und Finanzen schlossen sich den Empfehlungen ohne weitere Aussprache an.

Der Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen bittet Sie, den Empfehlungen in der Drucksache 1457 und 1458 Ihre Zustimmung zu geben.

Schönen Dank, Frau Kollegin Groneberg. - Frau Kollegin Pawelski, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich habe ich erwartet, dass die SPD-Fraktion Ihren Antrag zur Zukunft der Krankenhausversorgung in Niedersachsen zurückzieht oder zumindest doch verändert, weil er zum Teil durch Beschlüsse des Bundesrates überholt ist.

Meine Damen und Herren, die viel zitierte, groß angekündigte und gelobte Gesundheitsreform 2000 wurde ein Gesundheitsreförmchen, das den Namen „Reform“ nicht verdient; denn die Kernelemente des ursprünglichen Konzeptes wie die Reform der Krankenhausfinanzierung und das Globalbudget fehlen. Diese beiden umstrittenen und vom Bundesrat nicht mit beschlossenen Punkte habe ich bereits in der Landtagssitzung am 7. Oktober 1999 kritisiert, und ich habe auf die für die Patienten verheerenden Folgen hingewiesen. Nicht nur die CDU kritisiert das Gesetzesvorhaben, selbst Fachleute haben zum Teil erhebliche Bedenken.

Das hat auch die Anhörung im Sozialausschuss zur Situation der niedersächsischen Krankenhäuser in Bezug auf die Gesundheitsreform gezeigt. Was wir dort von den Krankenkassen, der Ärztekammer und der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft gehört haben, hätte Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, zum Umdenken zwingen müssen. Ihnen wurde von Fachleuten gesagt, dass der Gesetzentwurf, der ursprünglich Grundlage Ihres Antrags war, ein Widerspruch in sich ist. Er jongliert auf der einen Seite mit Wettbewerb, spricht auf der anderen Seite von Planwirtschaft. Er redet vom Globalbudget, aber auch von leistungsgerechten Entgeltsystemen. Das, meine Damen und Herren von der SPD, passt nicht zusammen.

Die Krankenkassen haben im Ausschuss einvernehmlich erklärt, dass ein Erfolg der Gesundheitsreform im Wesentlichen davon abhänge, dass die

Ausgabenhöhe im größten Ausgabenbereich, nämlich im Krankenhausbereich, begrenzt werde. Zusätzliche Mittel - so haben die Krankenkassen ganz deutlich gesagt - können nicht bereitgestellt werden. Das, meine Damen und Herren, ist doch der springende Punkt; denn auf die Krankenkassen kommt eine Kostenlawine zu, wenn sich Ihr Plan zur Finanzierung in einer Hand ohne ausreichende Gegenfinanzierung durchsetzt.

(Zuruf von Frau Pothmer [GRÜNE])

- Ja, wir reden darüber noch. Das steht auch in dem Antrag, der hier beschlossen werden soll. - Darum, meine Damen und Herren, kommt der Punkt I.2 des SPD-Antrags der Quadratur des Kreises gleich. Er verlangt, dass die monistische Finanzierung für die Krankenkassen beitragsneutral umgesetzt werden soll.

Meine Damen und Herren, für die 203 niedersächsischen Krankenhäuser stehen im Haushalt 200 Millionen DM für Investitionen bereit. Der Investitionsstau - das haben wir schon oft kritisiert und bemängelt - beträgt aber weit mehr als 2 Milliarden DM. Wenn Ihr Reformgesetz in seiner ursprünglichen Fassung beschlossen worden wäre - das ist ja Gott sei Dank nicht der Fall -, müssten die Krankenkassen aufsteigend bis 2008 alle Investitionskosten übernehmen.

Die von Ihrer Regierung angestrebte Gegenfinanzierung war ein viel zu klein geratenes Feigenblättchen. Sie wollten doch den Krankenkassen im Gegenzug lediglich das Mutterschaftsgeld und das Sterbegeld erlassen. Das ist eine kleine Summe, die an die Ausgaben, die auf die Krankenkassen zugekommen wären, überhaupt nicht heranreichen würde. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, haben Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, die Krankenkassen auch ganz deutlich vermittelt. Sie - nämlich die Krankenkassen wollen nicht für den jahrzehntelangen Investitionsstau, der in Niedersachsen herrscht, aufkommen. Sie wollen nicht Ihre Schulden übernehmen.

Die Krankenkassen haben auch klar gesagt, dass es im Falle der Übernahme der Investitionskosten entsprechende Steuerungselemente geben müsste. Das wäre z. B. der Kontrahierungszwang. Sie haben ihn gestrichen. Jetzt befürchten Ärzte, Krankenhäuser und auch die Kommunen, dass nur noch mit attraktiven, rentablen - also mit gut gehenden Krankenhäusern - Verträge abgeschlossen werden. Dass das nicht an den Haaren herbeigezogen ist,

liegt auf der Hand. Denn die Krankenkassen haben außerdem erklärt - das können Sie in den Protokollen nachlesen -, dass sie, falls es zur monistischen Finanzierung kommen würde und sie gleichzeitig stabile Beiträge garantieren müssten - was eigentlich unmöglich ist -, eine zehnprozentige Reduzierung der Krankenhauskapazitäten vornehmen würden. Das würde das von uns schon prognostizierte Krankenhaussterben in Niedersachsen nach sich ziehen.

Herr Schwarz, selbst Sie haben im Ausschuss eingeräumt, dass sich bei dem sehr großen Nachholbedarf in Niedersachsen die erhobene Forderung nach Beitragsneutralität nicht ohne Weiteres erfüllen lasse. Das haben Sie im Ausschuss auch bezweifelt. Trotzdem behalten Sie diesen Punkt in Ihrem Antrag bei. Sie verabschieden also ganz bewusst einen Antrag, von dem Sie wissen, dass ein wichtiger Bestandteil nicht durchführbar ist. Sie wissen das, tun es aber trotzdem. Oder aber wir müssen annehmen - wenn Sie das wissen -, dass Sie insgeheim hoffen, dass die Kosten auf die Arbeitnehmer bzw. auf die Beitragszahler abgewälzt werden; denn die müssen dann die überhöhten Beitragssätze zahlen.

(Zustimmung von Lindhorst [CDU])

Meine Damen und Herren, während der Anhörung im Ausschuss wurde uns aber auch aufgezeigt, wo gespart werden kann. So wurden der Umfang von Fehlbelegungen in Krankenhäusern herausgestellt und eine Summe von sage und schreibe 20 Millionen nicht notwendiger Pflegetage ermittelt. Meine Damen und Herren, wenn wir einen Pflegetag mit 480 DM zugrunde legen, dann wären das bundesweit schon 10 Milliarden DM, die hätten eingespart werden können, wenn die Krankenhäuser richtig belegt worden wären.

Deutschland nimmt mit 70 Betten je 10.000 Einwohner im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Gleichzeitig dauert die Krankenhausbehandlung mit durchschnittlich zwölf Tagen je Fall länger als in vergleichbaren Ländern. In diesem Bereich kann sicherlich noch gespart und reduziert werden.

Ehrlicherweise muss ich auch darauf hinweisen, dass die in den Krankenhäusern beschäftigten Ärzte unbezahlte Überstunden im Wert von mehr als 5 Milliarden DM vor sich herschieben. 5 Milliarden DM in Überstunden - das sollte einmal in der freien Wirtschaft passieren, meine Damen und

Herren. Ich glaube, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Gewerkschaften würden den Unternehmern einiges ins Stammbuch schreiben.

(Lindhorst [CDU]: Krankenhausge- werkschaft!)

Das ist natürlich auch eine Art von Einsparung. Aber, meine Damen und Herren, diese Einsparung wird auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollzogen. Dabei machen wir nicht mit.

Aber dass wir in Niedersachsen in einigen der von Ihnen im Antrag geforderten Punkten längst auf dem richtigen Weg sind, habe ich bereits in meiner Einbringungsrede im Landtag gesagt. Ich habe die von Herrn Dr. Bruckenberger - ich glaube, er sitzt dort - durchgeführten Strukturgespräche positiv bewertet. Es ist ihm gelungen, in Niedersachsen 5.000 Betten abzubauen.

Wir haben im Ausschuss gehört, dass die Strukturgespräche fortgeführt werden und dass Umfragen durchgeführt werden, um zu erfahren, welche Kooperationen es zwischen den einzelnen Krankenhäusern, zwischen Krankenhäusern und RehaEinrichtungen sowie zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen gibt. Es ist vieles auf den Weg gebracht worden. Eigentlich müssten wir das hier nicht noch einmal beschließen.

Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit war es guter Brauch, dass wir auf dem sensiblen Feld der Krankenhauspolitik versucht haben, Entscheidungen in einem verantwortlichen Miteinander zu treffen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, sind im September vergangenen Jahres ohne Not von diesem Prinzip abgewichen. Ich verstehe Ihr Bedürfnis, dass Sie die Bundesregierung und die Arbeit dieser Regierung einmal loben wollen - das macht schließlich sonst niemand -, deshalb kann ich ein bisschen Verständnis dafür aufbringen.

(Plaue [SPD]: Was haben Sie denn für eine Wahrnehmung, Frau Kollegin?)

- Was für eine Wahrnehmung? - Warten Sie ab!

(Plaue [SPD]: Das brauche ich nicht abzuwarten! Das höre ich doch gera- de: eine sehr desolate!)

Aber wenn Ihnen alle Fachverbände ins Stammbuch schreiben, dass es schlicht und einfach Unfug ist, was die Gesundheitsministerin Fischer zu den Krankenhäusern vorgelegt hat, dann darf dies doch

nicht dazu führen, dass Sie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen aus den Augen verlieren.

Wir werden die Beschlussempfehlung zum Antrag der SPD-Fraktion ablehnen, meine Damen und Herren,

(Adam [SPD]: Das verwundert uns auch sehr!)

und selbstverständlich auch die Beschlussempfehlung zu unserem Antrag; denn unser Antrag hat sich im Grunde auch erledigt, weil der Bundesrat unserer Empfehlung gefolgt ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Pothmer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Pawelski, wenn wir das Solidarsystem in der gesetzlichen Krankenversicherung aufrechterhalten wollen, dann müssen wir die Kostensteigerung abdämpfen.

(Frau Pawelski [CDU]: Das habe ich auch gesagt!)

- Aber die Vorschläge dazu sind ziemlich mau. Wir können keine Gesundheitsreform durchführen, die den Krankenhausbereich außen vor lässt. Wir können das aus zwei Gründen nicht tun: nicht nur, weil darin der größte Kostenfaktor liegt - über ein Drittel der Mittel aus dem GKV-System geht in die Krankenhäuser -, sondern auch wegen der Qualitätsfrage. Wir haben auch im Krankenhausbereich noch Erhebliches zu leisten, was das Qualitätsmanagement angeht. Die Gesundheitsreform, die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, gibt sehr wohl sehr gute Anregungen bzw. setzt die richtigen Maßstäbe, z. B. dadurch, dass Regelungen zur Verzahnung zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich getroffen worden sind und damit ein integriertes Versorgungssystem ermöglicht wird, dass die Einführung der leistungsorientierten und pauschalisierten Vergütung endlich auch im Krankenhausbereich erfolgt oder dass endlich Qualitätsmanagement verpflichtend für die Krankenhäuser eingeführt wird,

(Dr. Winn [CDU]: Wer bezahlt das?)

und damit, Frau Pawelski, selbstverständlich auch die Fehlbelegungen, die Sie angesprochen haben, in einem sehr großen Umfang aufgedeckt werden müssen.

Dass die CDU das Globalbudget verhindert hat, ist ein großer Fehler gewesen.

(Frau Schliepack [CDU]: Da könnt ihr uns dankbar sein! Da sind uns viele dankbar!)

- Nein, das ist ein großer Fehler. Das ist natürlich auch ein großer Fehler im System. Denn wenn Sie das wollen - Sie sagen schließlich auch, dass Sie eine stärkere Verzahnung zwischen dem ambulanten und dem stationären System und auch integrierte Versorgungssysteme wollen -, dann brauchen Sie natürlich auch Regelungen in den Finanzströmen, die das nicht permanent blockieren, wie das derzeit der Fall ist, sondern genau das endlich ermöglichen.

Was allerdings die Einführung der monistischen Finanzierung angeht, meine ich, dass wir auf den Boden der Tatsachen zurückkehren sollten. Die Heilserwartungen, die insbesondere von der SPD mit der Einführung der monistischen Finanzierung verknüpft werden, teile ich in dem Umfang auch nicht. Ich meine, dass im Grunde das, was in dem Antrag der SPD-Fraktion unter Ziffer I.3 aufgeführt ist - nämlich wie Krankenhausfinanzierung und Krankenhausversorgung sichergestellt werden sollen -, gut formuliert ist und genau das trifft, was auch für Niedersachsen notwendig ist.

Ich meine, wir sollten im Krankenhausbereich - gerade was die Krankenhausfinanzierung angeht nicht ideologisch, sondern pragmatisch diskutieren. Das heißt aber auch, Frau Pawelski, von der Panikmache, die Sie besonders in Ihrer Einbringungsrede in Bezug auf die Krankenhausschließungen formuliert haben, Abschied nehmen zu müssen.